Der Bauernverband: Freund oder Feind des Bauern?

von Franz Bujor
06.01.2014 03:29 Uhr

Vom Bauernverband über Krankheitsverläufe zum Taizé-Gebet

"Was bringt es euch denn, wenn ihr zu Fuß um die Welt wandert?" Diese Frage mussten wir uns vor unserer Reise viele male anhören. Immer wieder lautete die Antwort, dass wir vorhatten, auf diese Weise die Welt noch einmal neu kennenzulernen. Als Reisender kann man einfach tiefe Einblicke in Bereiche bekommen, von denen man zuvor nicht einmal gewusst hat, dass sie existieren. Wir waren nun seit gerade einmal vier Tagen unterwegs und schon hatte sich vermehrt gezeigt, dass wir uns nicht zu viel erhofft hatten. Allein heute haben wir Wissen und Informationen über die unterschiedlichsten Themen erhalten. Welche Absichten vertritt der Bauernverband wirklich? Wie kommt man damit zurecht, wenn einem Krebs diagnostiziert wird? Was ist so faszinierend an Taizé, dass es tausende von Menschen anzieht? Diese Fragen beantworteten sich allein durch die Gespräche mit den Menschen, denen wir begegneten. Von unseren eigenen Erfahrungen noch ganz zu schweigen.

Einen guten Weg!

Heute wurden wir zum ersten Mal mit dem üblichen Gruß für Jakobspilger begrüßt: „Buen Camino“, oder zu deutsch: „Einen guten Weg!“ Passend dazu haben wir heute Abend einen Schlafplatz beim Pfarrer in Heilsbronn bekommen. Doch zunächst der Anfang der Geschichte, was den gestrigen Abend auf dem Bauernhof betrifft.

Das erste Mal ein Gefühl von Entspannung und Geborgenheit

Nach unserem Tagesbericht von gestern haben wir uns zum Einschlafen in unserem Heubett einen Film auf dem Laptop angeschaut und uns dann tief in unsere Schlafsäcke verkrümelt. Die Nacht war super und die Daunenschlafsäcke wärmen deutlich mehr als erwartet. Zum Frühstück wurden wir dann vom Besitzer der Scheune auf einen Kaffee und eine Brotzeit eingeladen. Zum ersten Mal auf unserer Reise bekamen wir das Gefühl von wirklicher Entspannung und Geborgenheit. Der Bauer und seine Frau waren mehr als herzlich und wir hatten tiefe Gespräche, von denen wir einiges lernen konnten und erfahren durften. So erzählte uns der Mann vom Dilemma, in dem man als Landwirt in der heutigen Zeit steckt.

Zu Gast auf dem Bauernhof - Hier erfuhren wir interessante Fakten über den Bauernverband.

Zu Gast auf dem Bauernhof - Hier erfuhren wir interessante Fakten über den Bauernverband.

Der Bauernverband und seine Regeln

Ist er nun der Freund oder Feind der Bauern? Der Bauernverband, der die Empfehlungen für die Landwirte herausgibt, empfiehlt beispielsweise im Winter auf ein Umpflügen der Felder zu verzichten, um die Bodenerosion zu verhindern. Das klingt zunächst noch ganz vernünftig, doch er empfiehlt weiter, stattdessen eine Zwischensaat zu pflanzen, die dann im Frühjahr mit einem Round-Up-Spritzmittel vernichtet werden soll. Auf diese Weise gelangen noch weitaus mehr Giftstoffe in unsere Nahrung, als durch die normalen Spritzmittel eh schon vorhanden ist. Ein erfahrener Bauer kann sich natürlich auf eigenes Risiko gegen eine solche Empfehlung verweigern, doch zu viele Bauern vertrauen auf den Bauernverband Bayern und handeln danach. Empfehlenswert ist es auch, sich über den Bauernverband Hessen und Sachsen-Anhalt zu informieren, um interessante Unterschiede zu erkennen.

Auch die Mastschweine wühlen mitunter gerne mal etwas Dreck auf.

Auch die Mastschweine wühlen mitunter gerne mal etwas Dreck auf.

Absurde Prozesse

Als Schweinemastbetrieb mit eigener Schlachtung, muss sich unser Gastgeber auch ständigen Schlachtkontrollen unterziehen, die ebenfalls absurden Bestimmungen unterliegen. Vom Töten bis zum Ausbluten hat er nur 21 Sekunden Zeit, sonst muss die komplette Sau entsorgt werden. Allein der Mechanismus zum Hochziehen braucht jedoch schon länger. Also muss die Sau bereits während des Tötungsprozesses aufgehängt und hochgezogen werden. Das alles wohlgemerkt im Namen des Tierschutzes... „Wisst ihr“, sagte er uns, „das kuriose ist, dass wir immer unterstellt bekommen, wir würden unsere Tiere auf grausame Weise töten. Aber ich habe sie aufgezogen und mich ihr ganzes Leben um sie gekümmert. Ich würde es gar nicht übers Herz bringen, sie länger leiden zu lassen, als unbedingt nötig!“

So gut wie diesem Hausschwein geht es leider nur wenigen Tieren in unserer industriellen Landwirtschaft.

So gut wie diesem Hausschwein geht es leider nur wenigen Tieren in unserer industriellen Landwirtschaft.

Bauernverband vs. Mediziner

Da die Frau des Bauern Darmkrebs hatte, fiel unser Gesprächsfokus dann auf den medizinischen Aspekt. Auch hier ist die Vorgehensweise der Mediziner nicht weniger absurd, als das Verhalten des Bauernverbandes in der Landwirtschaft. Nachdem sie bereits einige Operationen und Chemotherapien hinter sich hatte, die alles nur noch schlimmer gemacht haben, wurden bei ihr Schatten in der Lunge entdeckt. Der Arzt wollte sie daraufhin sofort wieder operieren. Als der Bauer ihn fragte, ob es sich dabei sicher um Krebs handele, zuckte er nur die Schultern und sagte: „Was soll es denn sonst sein?“

Ein Mastschwein im Stall.

Ein Mastschwein im Stall. So viel Platz gibt es heute nur noch selten.

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben

Nach dem Frühstück führte uns, unsere weitere Reise durch kleine Ortschaften und größere Wälder in Richtung Heilsbronn. Die Wege waren heute zum Großteil eher Schlamm Pisten, die durch die Forstmaschinen aufgewühlt worden waren. Aber es tat sehr gut in der Natur unterwegs zu sein. Mit jedem Kilometer wurde unsere Stimmung leichter und heller. Es fühlte sich an, als würden wir den ganzen Stress und Frust der letzten Wochen aus uns herauslaufen. Doch man soll den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben.

Wie geht es mit der Deichsel weiter?

Wie geht es mit der Deichsel weiter?

Auf den letzten 2 Kilometern vor Heilsbronn erwartete uns noch einmal ein besonders schwieriger Streckenabschnitt, während bereits die Dämmerung über uns hereinbrach. Plötzlich kippte Heikos Wagen zur Seite weg und blieb hilflos liegen. Heikos Versuche diesen über die Deichseln zu stabilisieren, blieb ohne jeden Erfolg. Schlimmer noch, die linke Deichsel verbog sich und hing nun fast 5 cm tiefer als die rechte Deichsel. Frustriert und voller Sorge über den weiteren Verlauf der Reise, erreichten wir Heilsbronn wie zwei getretene Hunde. Im Religionspädagogischen Zentrum an der alten Abtei fragten wir nach einem Schlafplatz und wurden zum Pfarrer der Gemeinde weitergeleitet. Dieser stellte sich uns als Ulli vor und nahm uns kurzerhand direkt bei sich auf. Wir bekamen ein Gästezimmer und eine heiße Dusche. Letzteres war auch dringend nötig, denn unser Geruch hatte nach dem ständigen Wechsel zwischen frieren und schwitzen nicht gerade eine einladende Note.

Was ist ein Taizé-Gebet?

Als wir sauber waren, lud er uns noch zu einem Taizé-Gebet ein, einem Gottesdienst, der seine Ursprünge in einem internationalen, ökumenischen Kloster in Frankreich hat. Das Besondere daran ist, dass er fast nur aus ruhigen, meditativen Liedern besteht. Nach der Aufruhr mit dem kaputten Wagen, war es jedenfalls genau das richtige, um wieder Ruhe zu finden. Zur Feier des Tages wurden wir dann auch noch von Ulli auf eine leckere Pizza eingeladen. Mit uns am Tisch in der Pizzeria saß der Fahrradschmied des Ortes, der uns einige Tipps zum Begradigen von Aluminiumdeichseln geben konnte. Wenn das mal keine günstige Fügung ist!

Für viele Landwirte ist der Bauernverband eher ein Dorn im Auge.

Für viele Landwirte ist der Bauernverband eher ein Dorn im Auge.

Kurze Zeit später, gesellte sich auch der Wirt der Pizzeria zu uns. Er war Türke und nebenbei Vorstand der islamischen Gemeinde von Heilsbronn. Die beiden Geistlichen unterhielten sich über die Pläne für einen gemeinsamen christlich-islamischen Gottesdienst und wir waren beeindruckt, wie zwanglos, gemütlich und erfolgreich Völker- und Religionsverständigung sein kann, wenn man es wirklich will. Jeder Politiker oder auch der Bauernverband könnte sich davon jedenfalls eine Scheibe abschneiden. Zu Hause (also im Pfarrhaus) machten wir uns dann noch an die Wagenreparatur. Fürs Erste ist der Anhänger wieder Fahrtauglich, aber es gibt keine Frage, dass stabilere Deichseln hermüssen.

Spruch des Tages: Glauben wir nicht alle im Kern an dasselbe?

Tagesetappe: 18,5 km

Gesamtstrecke: 92,87 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare