Die wahre Geschichte von Bernadette

von Heiko Gärtner
04.03.2017 03:56 Uhr

Fortsetzung von Tag 1133:

Wir hatten nun den direkten Vorplatz der Basilika erreicht und waren von den beiden Seitenarmen umgeben. Die Architektur war wirklich zu tiefst beeindruckend und die Künstler hatten ohne jeden Zweifel ihr bestes gegeben. Die Mosaike, die das Eingangsportal zierten waren dabei offensichtlich vom selben Menschen erschaffen worden, der auch für die Gedenkstätte von Padre Pio in San Giovanni Rotonda zuständig war. Ebenerdig konnte man nun den unteren Teil der Basilika betreten, den wir selbst am eindrucksvollsten empfanden. Sie wurde von einer großen Kuppel dominiert die von außen mit einer goldenen Krone verziert worden war. Eine Etage höher gelangte man in die Krypta der oberen Basilika, in der sich Teile des Leichnams von Bernadette befanden. Jedenfalls stand dies auf einem Schild vor einer kleinen Truhe. Ob wirklich etwas darin war konnte man leider nicht sehen.

Noch eine Etage darüber befand sich die „Basilika der unbefleckten Empfängnis“ die von außen hauptsächlich dafür verantwortlich war, dass alles wie aus einem Disneyfilm wirkte. Im inneren war sie hingegen weniger spektakulär. Sie war düster und wirkte eher etwas unheimlich, was vor allem an den vielen kleinen, knopfähnlichen, ovalen Bildern lag, die kreuz und quer an den Wänden hingen. Sie weckten weniger die Assoziation zu der freudigen Botschaft einer unbefleckten Empfängnis, die die Geburt eines Erlösers zur Folge hatte, sondern erinnerten eher an die Gemächer der bösen Königen aus Alice im Wunderland.

Der eigentliche Grund für den ganzen Wirbel um Lourdes war jedoch in keiner dieser Kirchen zu finden. Sie lenkten eher etwas davon ab. Wenn man halb rechts um die Kirchen herum ging, wurde erkennbar, dass die Basiliken halb in und halb auf einen Felsen gebaut wurden, in dem sich direkt unter dem Kirchenpodest eine kleine Grotte befand. Dies war die Grotte, in der Bernadette ihre Treffen mit der heiligen Jungfrau hatte. Damals, also vor rund 150 Jahren war es ein abgelegener, einsamer und ruhiger Platz am Ufer des Flusses gewesen. Ein durchaus geeigneter Ort also, um sich zu einem Gebet oder einer inneren Einkehr zurückzuziehen. Heute sah das etwas anders aus. Direkt neben der Grotte befand sich eine große Baustelle mit mehreren Kränen und Baumaschinen die einen Terror veranstalteten, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Bernadette hatte also Glück gehabt, dass sie lange vor uns hier war. Heute hätte das Gespräch mit Maria kaum so ablaufen können, wie sie es erlebt hat. Ich kam nicht umhin, wie es wohl verlaufen wäre, wenn Bernadette heute hier ihre Erscheinung hätte. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen und war die Tochter eines alkoholkranken Müllers, der all sein Geld versoffen hatte und sogar die Mühle aufgeben musste, in der die Familie lebte. Heute wäre Bernadette also einer Sozialhilfe-Familie entsprungen und hätte wahrscheinlich auch die Umgangsformen übernommen, die bei Jugendlichen in diesem Bereich üblich ist.

Bernadette, sieht also in der Höhle eine seltsame Erscheinung und hat keine Ahnung, worum es sich dabei handelt. „Krass, alter! Wer bist du denn?“ schreit sie über den Lärm hinweg. Maria wird ein bisschen deutlicher erkennbar und gibt ihr eine Antwort. „WAS?“ schreit Bernadette zurück, „Ich kann dich nicht hören! Der Bagger ist so laut! Was willst du von mir?“ „ICH BIN die...“ schreit Maria zurück und bereut bereits, nicht irgendwo anders erschienen zu sein.

„Ich versteh dich immer noch nicht!“ ruft Bernadette zurück und verliert langsam das Interesse an der Unterhaltung. „Hast du ein Problem damit, wenn ich ein Facebookfoto von dir mache?“ schreit sie weiter und da sie keine verständliche Antwort bekommt, zückt sie ihr Handy und schießt ein Foto, das sie bei Instagram und Facebook postet. Die entsprechenden Tags: #komischealteindergrotte #neverseensomethinglikethis, und so weiter. Mit ein bisschen Glück sieht der Bischof von Lourdes die Postes auf seiner Fanpage und teilt sie, bis nach ungefähr sieben Minuten auch der Papst auf seinem iPhone ein Bild von Maria zu sehen bekommt. Völlig gebannt wartet dann die gesamte katholische Gemeinde der Welt vor ihren Bildschirmen um zu sehen, ob der Papst die Erscheinung als echt anerkennt oder nicht. Dann ist es soweit. Papa Francesco hat auf „Like“ geklickt und somit bestätigt, dass es eine echte, göttliche Erscheinung war.

Zugegeben, dieses Szenario wirkt weit weniger mystisch und doch ist es wahrscheinlich die Art und Weise, auf die eine Marienerscheinung heute publik werden würde. Damals lief es natürlich etwas anders ab und auch diese Geschichte möchten wir euch nicht vorenthalten.

Bernadette Soubirous wurde am 7. Januar 1844 geboren und war die älteste von neun Kindern. Fünf ihrer Geschwister starben bereits als kleine Kinder. Zu Beginn gehörte ihre Familie sogar noch eher zu den wohlhabenderen des Ortes. Müller war ein angesehener Beruf und die Mühle in der sie lebten befand sich schon seit einigen Generationen im Familienbesitz. Bernadette und ihre Geschwister hätten also eigentlich ein ganz gediegenes Leben führen können, wären da nicht zwei Details, die ihre Kindheit in großem Maße beeinträchtigten. Das erste was die Sache mit dem Alkoholismus ihres Vaters. Durch seine Trunkenheit wirtschaftete er die Familie immer weiter herunter und verlor schließlich sogar die Mühle, in der er arbeitete und mit seiner Familie lebte. Von einem Cousin bekamen sie ein kleines, leeres Häuschen mitten im Ort zur Verfügung gestellt, das früher einmal als Arrestzelle gedient hatte. Als wäre dies bereits ein Omen für weitere ungünstige Ereignisse, wurde ihr Vater einige Jahre später verhaftet, als er versuchte, einige Mehlsäcke zu stehlen.

Klar war es naheliegend, sich als gescheiterter Müller Mehl auf andere Weise beschaffen zu wollen, aber die Idee, dass man mit einem Diebstahl erfolgreich durchkommen konnte, wenn man es vor Trunkenheit schon als Müller nicht geschafft hatte, war wohl doch etwas naiv gewesen. Für die Familie war die Verhaftung jedoch ein Schlag, den sie nicht ohne weiteres verkraften konnte. Hinzu kam das zweite Detail, das Bernadette das Leben schwer machte. Ähnlich wie viele andere Menschen die einen sehr Gott verbundenen Weg gegangen sind und in einem engen Bezug zu Visionen und Heilungen stehen, war auch sie bereits von klein auf sehr gebrechlich und kränklich. Sie litt von Geburt an unter Magenbeschwerden und Asthmaanfällen, die im Laufe der Zeit immer stärker wurden. Außerdem geht man davon aus, dass sie eine sogenannte Dystrophie hatte, was bedeutet, dass bei ihr die üblichen, körperlichen Veränderungen ausblieben, die normalerweise in der Pubertät auftreten.

Als sie 11 Jahre alt war, ging in Lourdes eine Choleraepidemie um, von der auch Bernadette nicht verschont blieb und nur wenige Monate später folgte dann die Verhaftung des Vaters. Um als alleinerziehende Mutter und Frau eines verurteilten Diebes nicht vollkommen überfordert zu sein, wurde Bernadette von Ihrer Mutter zu ihrer Tante geschickt, die sich fortan um sie kümmerte. Marie Lagues, so hieß die Tante, war eine strenggläubige Frau und so erzog sie auch ihren neuen Schützling nach ihren christlichen Werten und Weltanschauungen. Sie entschied sich sogar dafür, Bernadette nicht auf eine Schule zu schicken, sondern sie in die Obhut eines befreundeten Priesters namens Abbé Ader zu geben, der sie rein im Kathechismus unterrichtete. Ader selbst war wie besessen von Marien-Erscheinungen, vor allem von denen, die rund zehn Jahre zuvor in den südfranzösischen Bergen stattgefunden hatten.

Wie bereits erwähnt, kamen Marien-Erscheinungen vor allem bei Kindern in dieser Zeit nicht selten vor. Wenn man bedenkt, wie stark der Glaube und die Assoziation von Maria mit Heilung und Erlösung in dieser Zeit waren, ist das auch kein Wunder. Die geistige Welt und die Helferwesen, die in ihr leben zeigen sich uns stets in einer Form, die wir verstehen und gut annehmen können. Wenn ein Spirit einem jungen Mädchen hier in dieser Region als Vishnu erschienen wäre, hätte es wohl kaum etwas damit anfangen können. Dass es gerade Maria war, die später Kontakt mit Bernadette aufnahm ist also kein Zufall. Bernadette befand sich in einer Situation, in der sie Hilfe von einer höheren Macht brauchte. Sie hatte mit ihrer Familiensituation und ihrer Krankheit viele unangenehme Erfahrungen gemacht und brauchte etwas, das ihr Kraft und Hoffnung gab. Durch den Kontakt mit Abbé Ader bekam sie nun zum ersten Mal eine Idee davon, wie diese Hilfe aussehen konnte. Sie bekam ein Bild und gleichzeitig einen unumstößlichen glauben, weil sie von ihrem Mentor lernte, dass Marien-Erscheinungen nicht bloß eine Legende waren. Sie waren etwas, das nur wenige Jahre zuvor und wenige Kilometer entfernt von hier tatsächlich passiert war. Und Abbé Ader war davon überzeugt, dass wenn es einen Menschen gab, dem sie noch einmal erscheinen würde, dieser Mensch Bernadette war. Warum also sollte sie zweifeln, dass ihr Maria eines Tages wirklich begegnete? In ihrer Überzeugung war es weniger eine Frage des „OB“ sondern viel mehr des „WANN“. Sie hatte also die besten Voraussetzungen dafür, wirklich in den Kontakt mit der geistigen Welt treten zu können.

Tatsächlich ließ Maria nicht lange auf sich warten. Am 17. Januar 1858 kehrte Bernadette zu ihren Eltern nach Lourdes zurück und nur 25 Tage später hatte sie in der besagten Grotte die erste Erscheinung. Der Überlieferung nach wusste sie zunächst nicht, wen oder was sie hier vor sich hatte. Ihr erster Gedanke war, dass es vielleicht ein Ding sein könnte. Erst später erkannte sie, dass es sich um eine Frau in einem blauweißen Gewand handelte. Bernadette war an diesem Tag nicht alleine unterwegs, sondern in Begleitung ihrer Schwester Toinette und ihrer Freundin Jeanne. Keine der beiden konnte in der Grotte etwas erkennen, das ungewöhnlich gewesen wäre. Ihnen fiel jedoch auf, dass Bernadette an diesem Tag seltsam verändert war. Sie war munterer und lebendiger und schien ihr Asthma heute nicht im Geringsten zu spüren. Sie erreichte die Grotte deutlich früher als die beiden anderen Mädchen und war dennoch erholt, so als wäre es für sie keine Anstrengung gewesen, während die anderen vollkommen aus der Puste waren.

In der folgenden Zeit hatte Bernadette noch 17 weitere Visionen deren Inhalt auf verschiedene Weise überliefert ist. Was hier zwischen Maria und Bernadette wirklich stattgefunden hat, wird man heute jedoch nur noch schwerlich rekonstruieren können. Sicher ist wohl nur, dass die offizielle Version nicht der Wahrheit enspricht. Denn dazu gibt es bei weitem zu viele Ungereimtheiten an den einen und zu viele „Fügungen“ oder „Zufälle“ an den anderen Stellen. Die Geschichte, die hier in Lourdes nach der ersten Erscheinung stattfand, erinnert verdächtig stark an die Geschehnisse von Fátima und zeigen wieder einmal, dass die Kirche im Umgang mit ihren Wundern durchaus gerne mit gezinkten Karten spielt.

Die zentrale Frage, die uns hier am Fuße des imposanten Märchenbauwerks noch immer am meisten beschäftigte war: „Was machte den Unterschied zwischen der Erscheinung in Lourdes und denen der rund 900 anderen Marien-Erscheinungsorten aus, die es auf der Welt gab? Wieso stand hier ein Kirchenschloss wie aus 1001 Nacht und nur siebzig Kilometer weiter wurde ein ähnliches Ereignis mit einer winzigen Kapelle und einem einzigen Pfarrer bedacht, der in einem Wohnwagen lebte? Und tatsächlich gab es dafür eine ganz einfache und einleuchtende Erklärung.

Wie bei Visionen üblich, bei denen derjenige, der sie sehen konnte keinerlei Zweifel an ihrer Echtheit hegt, wurde auch Bernadette zunächst einmal für verrückt erklärt. Der örtliche Pfarrer von Lourdes hielt die kränkliche Alkoholiker-Tochter für eine Spinnerin, die ein bisschen viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte und daher einen lästigen und unnötigen Terz veranstaltete. In seinen Augen gab es nur zwei mögliche Erklärungen. Entweder, sie war eine Schwindlerin mit einer blühenden Phantasie, oder sie war eine arme Irre, die wirklich glaubte, was sie da sagte. Der Überlieferung zufolge soll er sie daher beauftragt haben, die sonderliche Gestalt nach ihrem Namen zu fragen, doch bereits hier ist unsicher, ob man die Geschichte nicht im Nachhinein etwas angepasst hat. Relativ sicher lässt sich sagen, dass Bernadette in der Grotte zu graben begann und dabei auf eine Quelle stieß. Ihr selbst bedeutete dieser Fund extrem viel, doch für die Bewohner von Lourdes hatte dies nicht das Geringste mit einem Wunder zu tun. Lourdes liegt am Fuß der Pyrenäen und Bernadette grub in einer Grotte neben einer Felswand. Dort eine Quelle zu finden war für niemanden eine große Überraschung, denn das Grundwasser sprudelte hier überall aus dem Boden. Wenn man tief genug grub, war es wahrscheinlich vollkommen egal wo man es tat, weil es einfach überall ausreichend Grundwasser gab. Eine Quelle in einer Wüste zu finden, mochte ein Zeichen für ein Wunder sein, aber in den Bergen konnte man damit kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken.

Dass Bernadettes Visionen dennoch Beachtung fanden, verdankte sie wohl zu einem großen Teil ihrem früheren Mentor Abbé Ader, der die Neuigkeit natürlich begeistert aufnahm. Auch die Tatsache, dass es zu jener Zeit nur wenig gab, über das sich die Menschen den Mund zerreißen konnten, spielte eine große Rolle. Hätte es damals Fernseher und andere Medien gegeben, wäre niemand auf Bernadette und ihre Visionen aufmerksam geworden. So aber verbreitete sich die Nachricht von der verrückten Müllerstochter und ihren sonderbaren Erscheinungen wie ein Lauffeuer. „Ist das nicht die älteste von diesem Dieb und Taugenichts?“ „Glaubst du, sie hat wirklich Maria gesehen?“ Es dauerte nicht lange und die ersten Dorfbewohner pilgerten zur Grotte um sich mit eigenen Augen zu überzeugen. Mit jeder neuen Erscheinung wuchs das Interesse und bald schon teilten sich die Meinungen über den Geisteszustand und die Vertrauenswürdigkeit des Mädchens immer weiter. Schließlich wurde sogar ein Staatsanwalt hinzugezogen, der sich ein Bild machen sollte, ob die Erscheinungen nun echt wären oder nicht. Doch auch dieses brachte keine Erkenntnisse und so stieg die Überzeugung, dass Bernadette wirklich einfach nur verrückt war.

Der Bekanntheitsgrad reichte jedoch aus, um zwei Dinge geschehen zu lassen. Zum einen witterte Abbé Ader seine Chance, wirklich Teil einer Geschichte über Marienerscheinungen zu werden und zum anderen sickerte die Nachricht von den Visionen bis nach Rom durch. Auch hier im Vatikan war es nichts ungewöhnliches, das hier und dort von Marien-Erscheinungen berichtet wurde, doch dieses Mal war es etwas anderes. Wie der Eremit vor einigen Tagen angedeutet hatte, war es nicht das WAS in Lourdes geschah, sondern WANN es geschah, was zu der Berühmtheit führt.

Gehen wir in der Zeit also noch einmal ein Stückchen zurück. Vier Jahre bevor Bernadette nach Lourdes zurückgekehrt war, hatte Papst Pius IX in Rom verkündet, dass die sexuelle Unversehrtheit von Maria von nun an ein göttliches Dogma sei. Mit anderen Worten: Bis 1854 war Jesus einfach das Kind von Maria und Josef gewesen, ohne besondere Auffälligkeiten. Klar, Maria hatte vor der Geburt eine Vision von einem Engel bekommen, der ihr die Schwangerschaft und die Besonderheit ihres Sohnes angekündigt hatte, aber das war auch schon alles. Natürlich hatte es innerhalb der Kirche schon lange Bewegungen gegeben, die die Meinung vertraten, Maria sei bei der Geburt von Jesus noch immer Jungfrau gewesen, aber bis zu diesem Zeitpunkt war es nicht mehr als eine Meinung von vielen. Nun aber sollte sich das ändern. Mit der Verkündung des Papstes war die Jungfräulichkeit von Maria nun eine unumstößliche, gottgegebene Wahrheit und Maria selbst bekam eine noch stärkere Bedeutung als Gottesmutter, denn je zuvor. Was also wäre werbewirksamer gewesen, als die päpstliche Entscheidung von der heiligen Maria höchst persönlich absegnen zu lassen.

Die offizielle Darstellung der Situation lautet daher wie folgt: Der Pfarrer von Lourdes war noch immer skeptisch, was die Erscheinungen anbelangte, die Bernadette gesehen haben wollte. Er forderte sie daher auf, die lichtreiche Dame nach ihrem Namen zu fragen. Bei ihrer nächsten Begegnung in der Grotte tat Bernadette wie ihr befohlen wurde und Maria antwortete frei heraus: „Ich bin die unbefleckte Empfängnis!“

Ein faszinierender Zufall, oder? Ich meine, wer stellt sich einem 14jährigen Mädchen bitte auf diese Weise vor? Viel wahrscheinlicher wäre doch eine Antwort wie „Ich bin Maria, die Mama von Jesus!“ oder: „Ich bin die Gottesmutter Maria“, Selbst „Ich bin die Jungfrau Maria“ wäre eine passable Antwort gewesen. Daraus hätte man ebenfalls schließen können, dass sie ohne Sex schwanger wurde, aber es wäre nicht gleich ganz so ein Überfall gewesen. Unabhängig davon, ob man nun ein Mensch, ein Lichtwesen, ein Geist oder sonst irgendetwas ist, man fängt doch nicht sofort unaufgefordert an, über die Umstände der letzten Schwangerschaft zu sprechen, ohne sich zuvor auch nur vorzustellen. „Nur für den Fall, das jemand fragt, ich hab mit diesem Josef da nicht gepimpert! Nicht dass ihr da ein falsches Bild bekommt. Ich war ganz jungfräulich und hatte mit dieser Schwangerschaft nichts zu tun!“

Selbst wenn sie so etwas in der Richtung gesagt hätte, wäre es ja fast eher eine Bestätigung gewesen, dass sie doch Sex hatte, denn warum sonst sollte sie sich verteidigen, ohne angeschuldigt zu werden. Das macht man ja eigentlich nur, wenn man sich ohnehin ertappt fühlt. „Ich war das nicht, das war schon so!“ „Ich weiß ja nicht, worum es geht, aber ich war's nicht!“

Noch wundersamer wird die Aussage von Maria jedoch, wenn man bedenkt, dass Bernadette keinerlei Schulbildung besaß und zuvor selbst noch nie etwas über die Dogmen der katholischen Kirche gehört hatte. Sie hatte also keine Ahnung, was Maria mit diesen Worten gemeint haben könnte. Um sie trotzdem nicht zu vergessen, wiederholte sie das Gehörte immer und immer wieder auf dem Weg zurück in den Ort, bis sie den Pfarrer erreichte und ihm davon berichten konnte. Dieser erkannte natürlich sofort die Tragweite des wundersamen Ausrufs, da er ja von den Vorgängen in Rom wusste. Wenn also ein junges, ungebildetes Mädchen, plötzlich einen Satz sagen kann, der das bestätigt, was in Rom besprochen wurde, dann musste die Erscheinung echt sein. Von diesem Moment an wurde der frühere Skeptiker zu einem der größten Fürsprecher von Bernadette und ihren Visionen. Er verbreitete die folgenden Botschaften und sorgte dafür, dass sie nun populär wurden. Aber auch Bernadette trug ihren Teil dazu bei, indem sie sich nach jeder Vision sofort daran machte, alles Erlebte in langen Briefen für die Nachwelt festzuhalten. Eine clevere Sache, denn dadurch ist der genaue Wortlaut von allen Offenbarungen Marias bis heute noch genaustens nachvollziehbar.

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Es kommt beim Berühmt-Werden nie darauf an, wie gut oder wahr etwas ist, sondern nur darauf, wie gut es vermarktet wird.

Höhenmeter: 130 m Tagesetappe: 23 km Gesamtstrecke: 20.747,27 km Wetter: Bewölkt mit vielen Schauern und einem heftigen Sturzregen Etappenziel: Pfarrhaus, 64410 Arzacq-Arraziguet, Frankreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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