Bevölkerungszahlen in Nordschweden

von Franz Bujor
29.09.2018 06:18 Uhr

Der unbewohnte Norden

Wir befinden uns nun im südlichen Bereich von Lappland, was für die meisten Menschen bereits unvorstellbar hoch im Norden ist. Hinter uns liegt eine lange Wanderung von der schwedischen Küstenstadt Helsingborg über das schwedische Inland bis nach Norwegen und wieder zurück nach Schweden. Dabei ging es mit jedem Schritt ein bisschen weiter nach Norden und jetzt haben wir eine Region erreicht, die für die Südskandinavier weit jenseits der jemals bereisbaren Bereiche dieser Welt liegt. Es war lange Zeit die Heimat der Sami, die bei uns als Lappen bekannt sind und nach denen man auch das Land benannt hat. Leider wurden sie hier ähnlich schlecht behandelt, wie die Indianer im Norden Amerikas, weshalb es heute kaum noch welche gib. Von ihrer alten Lebensweise und ihren Traditionen einmal ganz zu schweigen. Doch auch darüber berichten wir später noch mehr.

Vor nicht allzu langer Zeit gehörtem Pferdeschlitten in Lappland noch zum Alltagsbild.

Vor nicht allzu langer Zeit gehörtem Pferdeschlitten in Lappland noch zum Alltagsbild.

 

Endlose Plantagenwälder

Rein von dem, was wir hier erleben, gibt es, nicht allzu viel zu berichten. Wir wandern täglich durch endlose Wälder, die jedoch bedauerlicherweise keinen Urwald-Charakter haben, sondern viel mehr reine Plantagenwälder sind. In Rumänien sind wir häufig durch Maisfelder gewandert, die man mit mehreren Tagen am Stück nicht durchqueren konnte. Hier ist es im Grunde nicht viel anders, nur dass auf den Plantagen nun keine Maispflanzen, sondern Kiefern oder Fichten wachsen. Doch auch ihr Zweck ist es nur, im regelmäßigen Abstand geerntet und durch neue Jungpflanzen ersetzt zu werden. Der einzige Unterschied ist, dass der Erntezyklus hier nicht jährlich verläuft, sondern alle 70 Jahre stattfindet. Dennoch bietet die Umgebung, obwohl sie auf den ersten Blick wie Wald aussieht, nicht viel mehr Abwechslung als die Plantagen in Südeuropa.

Das Zentrum von Vilhelmina, einer Region in Schweden mit äußerst geringen Bevölkerungszahlen

Das Zentrum von Vilhelmina, einer Region in Schweden mit äußerst geringen Bevölkerungszahlen.

 

Zwei Polizisten und Null Einwohner

Nicht umsonst ist Lappland die am wenigsten besiedelte Region Skandinaviens. Im Sommer ist es hier immer hell, dafür im Winter nahezu durchgängig dunkel. Das Klima ist rau, kalt und ungemütlich, das Land karg und so etwas wie einen Anbau von Lebensmitteln gibt es schon längst nicht mehr. Verglichen mit dem wirklich hohen Norden sind wir zwar noch immer in belebten Regionen, aber es kommt hier dennoch schon zu erstaunlichen Phänomenen, die durchaus eine Erwähnung wert sind. Gerade befinden wir uns in einem Regierungsbezirk, dessen größte Stadt und zugleich Hauptstadt Vilhelmina gerade einmal rund 3.000 Einwohner hat. Außerhalb von Vilhelmina über den kompletten Bezirk verteilt leben vielleicht noch einmal rund genauso viele Menschen. Da die Landfläche aber in etwa so groß ist, wie die Schweiz, erhält man bei der Statistik über die Einwohner pro Quadratkilometern eine Zahl, die so klein ist, dass sie schlicht und ergreifend auf null abgerundet wird.

Straßenschild: Achtung Rentiere

Straßenschild: Achtung Rentiere.

 

Der Effekt der geringen Bevölkerungszahlen in Nordschweden

Rein rechtlich betrachtet ist das Gebiet also vollkommen unbewohnt, was durchaus einige Nachteile mit sich bringt. So hat die schwedische Regierung beschlossen, dass für ein Gebiet, in dem quasi überhaupt niemand lebt, zwei Polizisten vollkommen ausreichend sein müssen. Aus diesem Grund gibt es in Vilhelmina eine Polizeistation, die von insgesamt einer Sekretärin und zwei Polizeibeamten besetzt ist. Diese beiden Beamten sind dann für das ganze Land zuständig, das wie gesagt der Größe der Schweiz entspricht. Da die Vorschrift besagt, dass ein Streifenwagen immer doppelt besetzt sein muss, haben die beiden zusammen auch nur ein Auto. Es kann sich also immer nur um eine einzige Angelegenheit gekümmert werden.

Die Zahl der Rentiere übersteigt die er Menschen bei weitem.

Die Zahl der Rentiere übersteigt die der Menschen bei weitem.

 

Daraus entstehen einige recht lustige Nebeneffekte. So hörten wir von ein paar Jugendlichen, die es lieben, im Winter, mit dem Snow-Scooter herumzuheizen, dass sie einen raffinierten Trick anwenden. Snow-Scooter-Fahren ist normalerweise für Jugendliche unter 17 verboten und dann bis zur Volljährigkeit nur unter Aufsicht gestattet. Aus diesem Grund ruft man, wenn einen der Schnee und der Geschwindigkeitsrausch lockt, einfach einen Freund in Vilhelmina an und fragt, ob der Streifenwagen vor der Polizeiwache steht. Wenn dies der Fall ist, kann man ohne Risiko auf seinen Motorschlitten steigen, denn es ist nun faktisch unmöglich, kontrolliert zu werden.

Die alten Bergbaudörfer sind heute weitgehend verlassen

Die alten Bergbaudörfer sind heute weitgehend verlassen.

 

Ein zweites lustiges System ergibt sich, wenn die Polizisten ausziehen, um Konfliktsituationen zu lösen. Kommt es beispielsweise zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Eheleuten oder Nachbarn, bei der vielleicht auch noch Alkohol im Spiel ist, führt dies in der Regel dazu, dass man die Streithähne trennt und zur Klärung mit auf die Wache nimmt. Da es aber insgesamt nur ein Auto gibt, müssen sie sich hier stattdessen die Rückbank im gleichen Streifenwagen teilen. Wie man sich vorstellen kann, führt dies nur selten zu einer Verbesserung der Situation.

Vor kaum 100 Jahren gab es nicht einmal Straßen - heute ist der Verkehr teilweise unerklährlich

Vor kaum 100 Jahren gab es nicht einmal Straßen - heute ist der Verkehr teilweise unerklärlich.

 

Viel Verkehr für wenig Menschen

Ein bisher unlösbares Rätsel blieb jedoch die erstaunlich hohe Verkehrsdichte, die uns hier trotz der geringen Einwohnerzahl begegnete. Es gab kaum eine Straße, auf der man nicht permanent von Autos überholt wurde. Da zudem auch noch der Asphalt einen neuen Rekord in Minderwertigkeit aufstellt, kann einem dies das ansonsten schöne Wandern schon einmal vermiesen. Auch die Aufenthalte in unseren Unterkünften waren nicht selten durch laute Störgeräusche von Autos und anderen Verkehrsteilnehmern geprägt. Gleichzeitig war die Qualität der Gebäude erstaunlich schlecht, wenn man es mit dem Rest von Europa verglich. Oftmals gab es nur Wellblech als Dachkonstruktion, die Wände bestanden im besten Fall aus zwei Lagen dünnem Holz und die Fenster waren in der Regel nur einfach verglast. Wieso die Bausubstanz gerade in der Region mit den härtesten Wintern so schlecht war, blieb uns ein Rätsel.

Spruch des Tages: Gerundet leben hier im Grunde Null Menschen pro Quadratkilometer
  • Höhenmeter 150m / 170m / 120m / 330m
  • Tagesetappe: 27km / 24km / 25km / 53km
  • Gesamtstrecke: 29.438,27km
  • Wetter: Überwiegend sonnig und warm
  • Etappenziele:
    • Tag 1612: Zimmer im Privathaus, Malå, Schweden
    • Tag 1613: Bürgerhaus, Mörtjärn, Schweden
    • Tag 1614: Bürgerhaus, Grundträsk , Schweden
    • Tag 1615: Aufenthaltsräume und Saunahütte auf dem Campingplatz „Markbygden“, 2km westlich von Långträsket, Schweden
 
Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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