Tag 351: Ritual zum Lösen von Beziehungskonflikten

von Heiko Gärtner
20.12.2014 22:36 Uhr

Am Nachmittag wurden Heikos Kopfschmerzen noch schlimmer, als sie bereits in der Früh gewesen waren. Die laute Straße hatte seinen Ohren weiter zugesetzt und nun rauschten und dröhnten sie umso stärker. Der dicke Schleim verstopfte die Atemwege und die Nebenhöhlen und auch die Muskeln schmerzten stärker als zuvor, nicht nur im Bein sondern auch im Rücken, in den Schultern und im Nacken. War es schon wieder eine neue Erkältung? Wurde er wirklich krank?

Seine Muskeln sagten nein. Es war Teil eines Entgiftungsprozesses und damit auch Teil der Heilung eines alten, tiefsitzenden Lebensthemas. Das Ende des Jahres fühlte sich gerade für uns beide wie das Finale einer langen Reise von inneren und äußeren Prozessen an. So als würden nun alle Fäden zusammenlaufen und als würde alles, was irgendwann in diesem Jahr begonnen hatte nun zu einem finalen Schlag ausholen.

So kamen bei Heiko nun die Muster auf, die sich durch seine Beziehungen gezogen hatten und wurden durch die Begegnung mit Paulina deutlicher und klarer als je zuvor. War es nun also an der Zeit, dieses Thema aufzulösen? Kam daher der Druck in seinem Kopf, der ihn fast zum Platzen brachte? Schmerzte deshalb sein Bein als wollte es abfallen? Weil es an der Zeit war, den nächsten Schritt auf dieser Beziehungsebene zu gehen?

Um dieses Thema aufzulösen machten wir nach dem Austesten der Muskeln eine Meditationsreise in Heikos Geisteswelt. Wie immer legte er seinen Kopf auf meinen Bauch und ich legte ihm die Hände auf die Ohren.

Wir bauten einen heiligen Schutzraum um uns auf und baten die Hüter dieses Platzes die lauten Geräusche der Straße von uns fernzuhalten. Erst im nachhinein wurde mir bewusst, wie gut dieser Wunsch in Erfüllung ging. Es war während der Meditation zwar nicht ganz leise, doch die wirklich lauten Störgeräusche blieben aus. Direkt nachdem wir die Meditation beendet hatten fuhren dann wieder lauter Motorräder an unserem Fenster vorbei.

Wir begannen damit, die Helfer aus der Geisteswelt einzuladen, sowie die Hüter des Meeres. Dann entspannten wir uns und schauten uns Heikos Beziehungsthema einmal genauer an.

Er spürte eine Schwere, die auf seiner Brust lag und sofort kam das Bild in ihm auf, wie eine schwarze Teerartige Masse in seinem Oberkörper steckte. Sie hatte die Form eines großen „T“s das sich von seiner Lunge bis zu seinen Ohren ersteckte. Es umschloss sein Herz und schützte es vor Verletzungen, doch gleichzeitig schnürte es dieses auch ein, so dass es nicht mehr richtig frei schlagen konnte. Die Verbindung zwischen dem Kopf und dem Rest des Körpers wurde unterbrochen. Heiko spürte, wie sein Kopf und seine Genitalien heiß liefen, während sich in seiner Brust und seinem Bauch eine unangenehme Kälte ausbreitete. Die Energie in seinem Körper konnte nicht mehr frei fließen und staute sich daher im oberen und im unteren Bereich.

Plötzlich kam in Heiko das Bild seines Vaters auf und mit ihm die Parallele zu Hans. Sein Vater hatte als Kind einen Granatsplitter ins Bein bekommen, so dass das Bein nie richtig wachsen konnte und dadurch rund 10cm kürzer blieb als das andere. Heikos Mutter hatte sich also einen Partner mit einer Behinderung ausgesucht, der zu ihrem Kennenlernen noch vor der Wandlung stand. War hier also wieder das gleiche System im Spiel, wie mit Hans? Auch Heikos Partnerinnen hatten stets vor einem Wandlungsprozess gestanden, wenngleich dieser anders aussah als der seines Vaters. Dieser hatte beschlossen, dass er sein Bein operieren lassen wollte, bevor er Vater wurde. Wenn er Kinder hatte, dann wollte er auch zwei gesunde Beine haben, um mit ihnen spielen zu können. Und er wollte richtig Ski fahren und sich bewegen können. Sein Leidensdruck war dabei so hoch, dass er sich bereitwillig für die schmerzhafte Operation entschied, bei der das Bein gebrochen und täglich um einen halben Millimeter auseinandergedehnt wurde, so dass der Knochen langsam wachsen konnte.

Lag hierin vielleicht ein Schlüssel? Ohne die Bein-OP hätte sich Heikos Vater nicht für Kinder entschieden. Eine Nicht-Wandlung hätte also dazu geführt, das Heiko nie geboren worden wäre. Lag hierin vielleicht auch eine Kernangst begraben, da von der Wandlung in diesem Fall also nicht nur das Wohlergehen des Anderen sondern auch Heikos eigene Existenz abhing?

Das Bild wechselte. Heiko sah nun Paulina, die mit lauter dünnen Fäden an den Boden gebunden war. Sie versuchte zu fliegen und in ihren Träumen und Visionen vom Boden abzuheben. Doch Heiko hielt sie mit den Fäden immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Je mehr er sich ihr näherte und je mehr er versuchte, für sie da zu sein, desto mehr zog er sie am Boden fest.

Gleichzeitig spürte er, wie er durch eine Art Spinnennetz festgehalten wurde, dass ihn nach hinten zog und dass ihm das Vorankommen unmöglich machte. Die Spinnenweben verschwanden zunächst in einem schwarzen Nichts, doch dann wurde das Bild klarer und er spürte, dass seine Schnüre mit denen von Paulina verbunden waren. Es gab also eine Art der Verbindung zwischen den beiden, die für beide nicht förderlich war und die sie von einander entfernt hielt. Je mehr Heiko sich Paulina annäherte, desto mehr drückte es sie zu Boden und je mehr Paulina versuchte in die Lüfte abzuheben, desto mehr zog es Heiko von ihr weg. Es war ein Wechselspiel, das für beide schmerzlich und energieraubend war. Was wäre jedoch, wenn es die Umlenkung der Fesseln durch die Bodenständigkeit nicht gab? In diesem Fall würde Paulina wie ein Luftballon in den Himmel fliegen und Heiko würde, wie eine Postkarte an einer Schnur mit ihr in die Luft gezogen. Bei dem Gedanken daran wurde ihm schwindelig und er spürte, dass es sich nicht gut anfühlte. Andersherum würde Paulina hinter ihm hergezogen, wenn Heiko in die Freiheit wanderte, was sich ebenso wenig richtig anfühlte.

Doch wie kam es zu diesen Fesseln? Sie bestanden aus dem fehlenden Vertrauen. Das Vertrauen, dass Paulina nicht für immer wegfliegen wird, wenn sie losgebunden ist, sondern dass sie zu Heiko zurück kommt. Das sie nicht komplett in mystische Sphären abdriftet, sondern dass sie zwischen den Welten hin und herwechseln kann. Dass sie hoch hinaus in fantastische Träume und Visionen fliegen, stets aber auch wieder auf dem Boden der Tatsachen landen wird. Und andersherum das Vertrauen, dass Heiko nicht davonlaufen wird, sondern in Paulinas Nähe wandert, dass er nicht vorausrennt, sondern immer einen Blick auf sie hat um zu sehen, ob sie auf folgen kann.

In Heiko kam nun das Bild der Beziehung zwischen Wolf und Rabe auf. Es ist ein altes indianisches Gleichnis für eine besondere Art der Beziehung. Die Partner sind nicht gleich sondern so unterschiedlich, wie sie nur sein können, doch gerade aus diesen Unterschieden ergibt sich die Stärke der Beziehung. Der Rabe, der aus dem Himmel den Überblick behalten kann, zeigt an, wo sich eine Beute befindet. Dann schlägt der Wolf zu und lässt dem Raben seinen Anteil an der Mahlzeit zurück. So kombiniert profitieren beide von den Fähigkeiten und Talenten des anderen.

Was also, wenn der Autismus von Hans nicht seine größte Schwäche sondern sein größtes Talent war? Eine Gabe, die nur hätte trainiert werden müssen um sie weiter zu entwickeln. Die Wandlung wäre also nicht die zu einem „gesunden“ Menschen sondern zu einer besonderen Art von Mensch, vielleicht ein besonderer Seher oder Heiler gewesen. Doch die Angst vor dem drohenden Tod durch das Konzentrationslager ließ diese Möglichkeit nicht zu. War es bei Paulina und bei den vorrausgehenden Beziehungen vielleicht das gleiche? Drängte er aufgrund dieser Angst so sehr auf die Wandlung, dass er ihr nicht eingestand, sie auf ihre eigene Weise und mit ihren eigenen Talenten durchzuführen?

Zu erkennen, das eine Nicht-Wandlung gefährlich, ja tödlich sein kann ist zwar gut, doch es hilft nicht wirklich weiter. Denn auf diese Weise kann man im anderen zwar den dringenden Wunsch nach einer Wandlung wecken, doch es hilft ihm nicht dabei einen Weg zu finden, diese Wandlung auch durchzuführen. Und das Bewusstsein, dass eine Gefahr droht, ohne das man eine Idee hat, wie man ihr entgehen kann, führt nicht zu Wandlung sondern nur zur Panik und zu einer Starre. Den Weg jedoch muss jeder für sich selbst finden, da der andere nur seinen eigenen Weg beschreiben kann. Aus Sicht des Raben hat der Wolf aber verkümmerte Flügel und ist so nicht in der Lage ein wirklicher Rabe zu sein. Aus Sicht des Wolfs ist der Rabe ein Stümper auf dem Boden, der ständig Gefahr läuft, gefressen zu werden. Daher kommt also der stetige Wunsch, den anderen aus dieser lebensgefährlichen Misere zu helfen. Doch die Wege des einen sind für den anderen absolut unmöglich und was dem einen hilft führt bei dem anderen zu einer Verschlechterung. Wieso aber fehlt das Vertrauen, dass die andersartigen Talente genauso wichtig und richtig sind wie die eigenen? Wieso fällt es dem Wolf so schwer, dem Raben zu vertrauen, dass er wirklich fliegen lernen kann? Vielleicht, weil der Rabe noch nicht weiß, ob er wirklich ein Rabe oder doch ein Wolf oder etwas ganz anderes ist?

Erst vor ein paar Tagen bekam Paulina von einem Heiler-Clan den Namen „Das flatternde Ohr des Coyoten, das noch nicht weiß wo es hinwill, das sich aber auf dem Weg befindet“

Vielleicht steckte in diesem Namen ja viel mehr, als wir zunächst dachten. Dass flatternde Ohr war vielleicht kein Körperteil des Coyoten, sondern ein Vogel, der hoch über seinem Freund flog und den Überblick behielt. Der also Augen und Ohren für ihn war und so völlig neue Perspektiven einnehmen konnte. Vielleicht war es kein Zufall, dass Paulina gerade von Seifenblasen so fasziniert war, weil das Element der Luft ihr Metier war und sie sich wie die schillernden Blasen voller Leichtigkeit emporheben konnte.

Die Situation verschwamm plötzlich und Heiko sah eine große Brücke, über die eine Herde blauer Büffel hinwegschritt. Was wollten uns die Tiere mitteilen? Wieso waren sie blau? Irgendwie hatten sie etwas mit der Verbindung zu Mutter Erde zu tun und vielleicht sogar mit der alten Sage um die Büffelkalbsfrau. Doch nun begannen die Bilder zu entgleiten. Ich driftete in eine völlig andere Welt ab, an die ich mich leider nicht mehr erinnern kann und auch Heiko war für eine Weile wie weggetreten. Schließlich standen wir wieder vor dem Bild von Paulina und Heiko, die über die vielen dünnen Schnüre aneinander gekettet waren. Diese Schnüre mussten durchtrennt werden, soviel stand fest. Wir baten Sabine um Hilfe, eine kraftvolle Heilerin aus unserem Klan aus Österreich. Das Teer-T, dass wie ein giftiger Anker aus Angst in Heikos Kopf und Oberkörper steckte hatte sich wie mit kleinen Widerhaken fest in ihn eingeklammert. Und dieser Anker war auch die Quelle der Fesseln. Sabine erhitzte den Teer in Heiko mit einem starken Wandlungsfeuer und flutet ihn dann mit einem mächtigen Wasserstrom aus ihm heraus. Die Schnüre wurden gelöst und gemeinsam mit der Teermasse in einem roten Feuer verbrannt. Paulina und Heiko sahen sich an. Sie waren nun frei und konnten offen auf einander zugehen, ohne sich zu verletzen. Wir bedankten uns bei Sabine, und bei allen anderen Helfern und kehrten in die physische Welt zurück. Einen Moment lang lagen wir noch da und ließen die innere Reise nachwirken. Heiko spürte, wie sein oberer Kopfbereich eingeschlafen war, der Teil also in dem sich das Kopfschakra befand. Es war ein seltsames Gefühl. Das einem Arme und Beine einschliefen war nicht ungewöhnlich, aber der Kopf?

Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es nun auf die Minute genau Zeit zum Abendessen war. Wir standen auf und verließen unser Zimmer.

Am nächsten Morgen verließen wir die Villa Saint Carmille und wanderten weiter an der Küste entlang. Ich muss offen zugeben, dass wir uns unter der Cote D’Arzur etwas anderes vorgestellt hatten. Wie konnte man nur einen so schönen Flecken Erde so grausam verschandeln? Am Camino de Norte hatten wir uns das bereits viele Male gefragt, doch hier schien es sogar noch schlimmer zu sein. Es gab nur noch Hauptstraßen und Hochhäuser und das in einer Gegend, die als die schönste von ganz Frankreich galt. Gegen Mittag erreichten wir Canne, jene Stadt, die durch die Canner Filmfestspiele so berühmt wurde. Hierher kamen die reichsten Menschen der Welt um sich eine Sommerresidenz zu kaufen oder um Urlaub zu machen. Entlang der starkbefahrenen Küstenstraße reihten sich die teuersten Butiken, die man sich vorstellen konnte. Und wir konnten nicht verstehen warum. Es war laut, verbaut und überhaupt nicht schön. Langsam kam der Verdacht in uns auf, dass ein Ort um so unangenehmer war, je berühmter und populärer er war. Auch die Menschen selbst erschienen uns äußerst unangenehm. Niemand grüßte, keiner schaute einen auch nur freundlich an und jeder dritte trug riesige Kopfhörer mit Musik um die lauten Geräusche der Außenwelt mit noch lauterer Musik zu übertönen.

Dass die Straße direkt am Meer entlang führte, schadete jedoch nicht nur dem Ansehen der Küste, auch für die Straße selbst war es das dümmste, das man nur tun konnte. Denn auf einer Strecke von mehr als 10km waren Dutzende von Bauerbeitern dabei, die alljährlichen Schäden auszubessern, die das Meer hinterlassen hatte. Es gab sogar einen Bereich, an dem die Straße so unterspült worden war, dass ein metertiefes Loch im Asphalt klaffte. Es lässt sich nur hoffen, dass es nicht unter der Last eines Spaziergängers oder Radfahrers eingebrochen ist, der nun noch immer irgendwo in den Tiefen unter der Straße ein trostloses Dasein fristet.

Wie sich herausstellte war Canne wirklich genauso uneinladend, wie es zunächst auf uns gewirkt hatte. Im Rathaus verweigerte man uns sogar den Besuch einer Toilette. Von Hilfe bei der Suche nach einem Schlafplatz ganz zu schweigen.

Gerade als wir die Stadt verlassen wollten, trat ein einarmiger Obdachloser auf uns zu. Er war ebenfalls aus Deutschland und war wie wir viele Monate durch Europa gewandert, bis es ihn nach Canne verschlagen hatte. Ungläubig fragten wir ihn, wie es ihn von allen Städten der Welt gerade hierher hatte verschlagen können und es gab tatsächlich eine gute Erklärung dafür. Vor einigen Jahren war er im Sommer als gut durchtrainierter Wanderer hier angekommen und weil es sehr heiß war, wanderte er oben ohne. Er kam genau zu den Filmfestspielen an und war überrascht über das hohe Staraufgebot. Als die vielen Gäste und Touristen seinen muskulösen Oberkörper und seinen sportlich durchtrainierten Körper sahen, pfiffen sie ihm hinterher und lobten ihn in den höchsten Tönen. Nach der langen einsamen Reise fühlte er sich wie im Paradies. Die Hoffnung keimte in ihm auf, dass er vielleicht entdeckt und durch die Kontakte zu den Stars ganz groß rauskommen könnte.

Doch wie es mit solchen Hoffnungen meistens ist, endete er schließlich auf der Straße. Er verließ Canne noch einige Male, kam aber immer wieder hier her zurück. Bei einer solchen Reise nach Spanien wanderte es auf der Autobahn und wurde dabei von einem vorbeifahrenden Wagen erfasst. Der Unfall zerstörte den Hauptmuskel in seinem rechten Arm, der von nun an nur noch tot an ihm herunter hing. Er hatte keinerlei Gefühl mehr darin. Eine Weile lebte er damit, dann ließ er sich einen Nerv transplantieren, der das ursprüngliche Gefühl wieder herstellen sollte. Doch es half nichts, der Arm blieb weiterhin tot und so ließ er ihn schließlich amputieren.

Doch jetzt erst begann es richtig schwierig zu werden. Denn seit der Amputation bekam er heftige Phantomschmerzen.

Er erzählte uns daraufhin, dass er auch genau wisse, woher diese schmerzen kamen und unterbreitete uns damit eine ungewohnte aber durchaus plausible Weltsicht.

Bereits als Kind hatte er die Geister der Toten sehen können. Er war direkt vor einem Friedhof geboren worden und als kleines Kind hatte er oft auf dem Platz der Toten gespielt. Dabei hatte er die Geister gesehen, die auf dem Boden lagen.

„Wenn wir sterben,“ erklärte er, „dann verfällt unser Körper und unser Geist bleibt zurück. Die neuen Geister können sich noch nicht bewegen und liegen starr am Boden herum, bis sie sich in der Geisteswelt zurechtfinden. Erst dann sind sie ganz in der neuen Bewusstseinsebene angekommen. Ich habe oft die armen Geister auf den Arm genommen und sie gestreichelt, damit es ihnen leichter fällt, sich zurechtzufinden.“

Durch den verlorenen Arm befand er sich nun in einer Zwischenstufe zwischen der Welt der Geister und der der Menschen. Er war ein Mensch mit einem Geisterarm, denn in der Geistebene existierte der Arm noch immer. Doch nicht alle Geister waren freundlich und wohlgesonnen und einige von ihnen zerrten an seinem Arm, um ihn ganz in die Welt der Toten zu ziehen. Das verursachte die Schmerzen. Nur wenn er wanderte, dann konnte er sie abhängen, denn dadurch lockte er die freundlichen Geister an, die ihm helfen wollten und die die anderen verscheuchten.

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, wanderten wir weiter aus der Stadt heraus in die nächste Ortschaft. Wieder gab es nur Hauptstraßen und gleich daneben die Zugstrecke. Alles war verbaut. Wir suchten nun eigentlich nicht mehr nach der Unterstützung von Menschen, sondern nach einem kleinen geschützten Platz zum zelten. Doch es gab nichts. Eine deutsche Frau aus dem Touristenbüro klemmte sich für eine gute halbe Stunde hinters Telefon und versuchte verzweifelt irgendetwas für uns aufzutreiben. Ohne jeden Erfolg.

Doch in der Zeit, in der wir warten mussten passierte etwas anderes, das mindestens s mystisch war, wie die Geschichte des Obdachlosen. Am Strand saß ein Hund, der von seinem äußeren etwas wolfsartiges hatte und er spielte mit einem Raben. Die beiden tollten mit einander, neckten sich, entfernten sich ein gutes Stück, warteten dann wieder und spielten erneut. Es war nicht nur eine kurze Interaktion, sondern wirklich ein Spiel, eine Gemeinschaft, die beiden von ihnen großen Spaß bereitete. Dann schließlich kam das Herrchen des Hundes und die beiden Tiere verabschiedeten sich von einander. So als wüssten sie genau, dass sie sich am nächsten Tag wieder hier treffen würden um weiter spielen zu können. Heiko war vollkommen verblüfft. Es konnte unmöglich ein Zufall sein, dass er dieses Schauspiel gerade einen Tag nach seiner Meditationsreise beobachten durfte.

Schließlich zogen auch wir weiter und da es keine freien Wiesen gab fragten wir nun auch die Grundstücksbesitzer nach einem Zeltplatz in ihrem Garten. Doch wenn wir sie darum gebeten hätten uns ihr gesamtes Hab und Gut sowie das Recht, ihre Kinder als Sklaven zu halten gebeten hätten, hätten sie uns nicht ablehnender gegenübertreten können. Es wurde nun bereits dunkel und wir waren weiter davon entfernt uns eine Lösung vorstellen zu können als je zuvor auf unserer Reise. Essen hatten wir auch nicht mehr und Heiko war energietechnisch am absoluten Limit. Auch ich war kaputt aber bei ihm kamen neben den Verspannungen auch noch Kopfschmerzen und Grippesymptome hinzu.

Das einzige Haus, das uns nicht ablehnte gehörte einem älteren Pärchen, die sich nahezu vollständig selbst versorgten. Es war das einzige, das nicht reich und geleckt aussah. Kisten und Kartons stapelten sich in der Einfahrt, der Hof war voll von Kiwis und Kürbissen und im Garten liefen Hühner und Ziegen umher. Sie hatten nicht viel Plaz und keine Fläche die groß oder eben genug gewesen wäre, um unser Zelt dort aufzustellen. Doch sie schaufelten uns einen Platz in einer völlig überfüllten Scheune frei und schufen uns so einen Schlafplatz.

Spruch des Tages: Kann denn Canne so hässlich sein? Ja, Canne kann so hässlich sein.

Höhenmeter: 260 m

Tagesetappe: 25 km

Gesamtstrecke: 6514,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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