Monschau - Das beliebteste Urlaubsziel in der Eifel

von Heiko Gärtner
02.06.2018 07:31 Uhr

 

Winterwandern in Belgien

Unser vorerst letzter Tag in Belgien war ebenfalls von Schnee geprägt. In der Früh war es noch eine herrliche weiße Wunderlandschaft, doch mit den höheren Temperaturen und dem leichten Regen am Vormittag verwandelte sich die Pracht schon bald in ein fieses Schnee-Matsch-Gemisch, bei dem man schon nasse Füße bekam, wenn man es nur ansah. Der Radweg war mit einer einzigen Ausnahme entlang eines kleinen Dorfes vollkommen umgeräumt und so dauerte es keine halbe Stunde, bis unsere Füße so durchnässt und kalt waren, dass sie den Schneeschlamm um unsere Schuhe wieder gefrieren ließen. Das einzige, was der Unterkühlung entgegenwirkte, war der Umstand, dass es extrem anstrengend war, unsere Wagen durch den Schlamm zu ziehen. Um ein bisschen Kraft zu sparen, wanderten wir hintereinander her, sodass stets einer die Spuren des anderen nutzen konnte.

Der Weihnachtsmarkt in Monschau

Der Weihnachtsmarkt in Monschau.

Doch trotz der Ungemütlichkeit hatte die Winterwelt auch ihren Reiz. Es ist die einzige Zeit im Jahr, in dem ein Tag trotz grau verhangenem Wolkenhimmel eine fröhliche, helle Stimmung verbreiten kann. Das ging nicht nur uns so, sondern ganz offensichtlich auch den Tieren, die entlang des Weges lebten. So sahen wir unter anderem Fuchsspuren, die kreuz und quer über den Weg und die Wiesen verliefen, ohne dass man ein sinnvolles Muster darin erkennen konnte. Es waren die Spuren mehrere Füchse, die augenscheinlich wild vergnügt durch den Schnee getollt waren, einfach nur, weil es ihnen Spaß machte. Wenig später konnten wir bei einigen Kaninchen ein ähnliches Spiel sogar live beobachten.

Die jungen Kaninchen spielen vergnügt miteinander

Die jungen Kaninchen spielen vergnügt miteinander

Ein bisschen hatten wir die Hoffnung, dass der Zustand unseres Weges drastisch besser werden würde, wenn wir die Grenze nach Deutschland überschritten. Doch was das betraf, wurden wir gleich in doppelter Hinsicht enttäuscht. Zum einen, weil die Grenze überhaupt nicht kam. Rings um uns herum war bereits alles Deutschland, aber für den Radweg hatte man eine Art belgische Minilandzunge erschaffen, sodass er weiterhin belgisch blieb, bis wir die erste Stadt in Deutschland erreichten. Damit blieb natürlich auch der Pflegezustand identisch. Als wir Deutschland dann schließlich doch erreichten, stellten wir zudem fest, dass auch wir nicht viel mehr Sorgfalt in Sachen Schneeräumung an den Tag legten als unsere Nachbarn. In unmittelbarer Nähe von Ortschaften hatte man eine schmale Spur auf dem Weg freigeräumt, ansonsten sah er aus, wie der Wettergott ihn hinterlassen hatte.

Die Dächer von Monschau sind weiß vor Schnee

Die Dächer von Monschau sind weiß vor Schnee

Monschau – Eine Stadt wie im Märchen

Die Stadt, die wir nach dem Grenzübertritt als erste erreichten nannte sich Monschau und ich muss gestehen, dass ich noch nie zuvor von ihr gehört hatte. Für alle, denen das ebenso geht, kann ich schon einmal vorwegnehmen: Ein Besuch lohnt sich hier wirklich! Mit rund 300 denkmalgeschützten Häusern, den vielen verwinkelten Gassen und natürlich seinem einzigartigen Bergpanorama lädt die Stadt zum romantischen Kurzurlaub ein. Tatsächlich ist sie sogar das beliebteste Touristenziel in der Eifel. Stilvolle Restaurants und urige Bars mit heimischen Spezialitäten mögen ihren Anteil dazu beitragen, sind aber sicher nicht der Hauptgrund dafür.

Ein uriger, kleiner Krämerladen in Monschau

Ein uriger, kleiner Krämerladen in Monschau

Denn zu unserer Überraschung befand sich das Stadtzentrum ca. 100 Höhenmeter unterhalb unseres aktuellen Standpunktes, weshalb wir zunächst beschlossen, einfach weiter zu ziehen.  Selbst unser Idealbedingungen war es schon ein Wahnsinn, innerhalb von nicht einmal 2km diese Strecke erst hinunter und dann wieder hinauf zu gehen, ohne zu wissen, ob man überhaupt einen Schlafplatz bekommen würden.

Monschau erstrahlt in weihnachtlichem Festglanz

Monschau erstrahlt in weihnachtlichem Festglanz

Und heute kam nun auch noch die Gefahr von Glatteis hinzu, die ein Verlassen der Stadt über die steilen Nebenwege unmöglich gemacht hätte. Gerade als wir auf den Radweg zurückkehren wollten, viel uns jedoch eine kleine Privatperson auf, die sich als Schlafplatz geradezu aufdrängte. Sie gehörte einer älteren Dame und war bis zum Vormittag an ein Pärchen vermietet gewesen. Für die Frau war es also nicht einmal ein zusätzlicher Aufwand, uns hier schlafen zu lassen, da sie ohnehin noch die Endreinigung vor sich hatte. So hatte sie wenigstens einen Grund, diese Arbeit noch einen Tag aufzuschieben.

Weihnachtsshopping in Monschau

Weihnachtsshopping in Monschau

Ohne die Wagen an unseren Hüften wagten wir denn Abstieg in die Stadt dann aber trotzdem und wir waren vollkommen überrascht, was wir hier zu sehen bekamen. Monschau war mitten in eine Schlucht und gewissermaßen mitten in einen Wasserfall gebaut worden. Nur wenige Kilometer von hier entfernt entsprang die Ruhr, die sich gleich zu Beginn ihres jungen Flusslebens in beeindruckender Pracht die steilen Felsen hinunterwirft. Wenn ihr einen Vergleich braucht, um euch das vorstellen zu können, denkt dabei einmal an die Elbenstadt in Herr der Ringe.

Blich auf die traditionellen Fachwerkhäuser entlang der Ruhr in Monschau

Blich auf die traditionellen Fachwerkhäuser entlang der Ruhr in Monschau.

 

Abgesehen von den fehlenden Harfenspielern und davon, dass die Bewohner hier deutlich kleinere Ohren hatten, kam das schon ziemlich gut hin. Leider glich auch unsere Versorgung mit Nahrung an diesem Abend eher dem, mit dem man einen Elfen sattbekommen konnte. Denn obwohl die Stadt mit Ständen vom Weihnachtsmarkt übersät war, hatte leider alles geschlossen.

Die Fachwerkhäuser, die nahezu in den Wasserfall gebaut wurden, verleihen Monschau seinen einzigartigen Charme

Die Fachwerkhäuser, die nahezu in den Wasserfall gebaut wurden und

Die Kirche im Zentrum von Monschau

die Kirche im Zentrum verleihen Monschau seinen einzigartigen Charme.

Die touristische Attraktivität des Ortes und seine geringe Einwohnerzahl hatten offenbar dafür gesorgt, dass man sich auf das lukrative Wochenendgeschäft beschränkte und keinen Wert auf die Einheimischen oder zufällig Vorbeireisende legte. Dennoch war die Stadt überaus beeindruckend, nicht sinnvoll, oder besonders schön zum Wohnen, da man natürlich mit extrem hoher Luftfeuchtigkeit, wenig Sonne und permanentem Wasserrauschen zurechtkommen musste, aber absolut beeindruckend.

Der Wasserfall mitten zwischen den Häusern von Monschau

Der Wasserfall mitten zwischen den Häusern von Monschau.

 

Daher verstanden wir auch nicht, dass wir zuvor noch nie etwas von diesem Ort gehört hatten. Theoretisch hätte er genauso berühmt sein müssen wie beispielsweise Neuschwanstein oder das Brandenburger Tor. Warum das nicht der Fall ist weiß ich nicht, denn es würde das Bild von Deutschland in der Welt noch einmal deutlich verändern. Schließlich sind wir bislang nicht unbedingt berühmt dafür, ein Land voller Magie und verwunschener Plätze zu sein, die an Märchenstädte erinnern.

Auch das Rathaus von Monschau hat einen besondren Flair

Auch das Rathaus von Monschau hat einen besonderen Flair.

 

Alterswohnsitz mit Stil

Als Highlight unserer Stadtrunde entpuppte sich überraschend ein Besuch im Altenheim. Es war als relativ schmaler, langer Bau direkt an die Felswand der Klippe gebaut worden und verfügte über einen Fahrstuhl mit dem man vom Grund des Canyons bis etwa auf halbe Höhe fahren konnte. Hier befand sich der Aufenthaltsraum für die Bewohner mit einem großen Panoramafenster, von dem aus man die gesamte Stadt und einen Großteil der Schlucht überblicken konnte.

Das rote Haus im Zentrum von Monschau

Das rote Haus im Zentrum von Monschau.

Wenn einen im Alter mal etwas davon abhalten konnte, Depressiv zu werden, dann war es dieser Ausblick. Das einzige, was dieses Geschenk vielleicht noch toppen konnte, war eine solche Aussicht in Kombination mit ein paar herzlichen Pflegerinnen, die einen mit frisch gebackenen Waffeln mit Kirschen und Sahne versorgten. Und genau das war der Fall, als wir die Ebene betraten. Interessiert an unserer Geschichte luden sie uns ein, uns eine Weile dazuzugesellen und Waffeln und Aussicht zu genießen, wozu wir uns natürlich nicht zweimal bitten ließen.

Eine der schönen Gassen in Monschau

Eine der schönen Gassen in Monschau

 

Spruch des Tages: Die schönsten Orte entdeckt man dort, wo man sie am wenigsten vermutet.

11.12.2017

Höhenmeter 210 m / 140 m / 290 m / 70 m

Tagesetappe: 17 km / 24 km / 24 km / 16 km

Gesamtstrecke: 28.650,27 km

Wetter: Sonnig und teilweise sogar warm

Etappenziel Tag 1524: Gemeindehaus der Kirche, Örby, Schweden

Etappenziel Tag 1525: Holzhütte auf einem Campingplatz, Seglora, Schweden

Etappenziel Tag 1526: Polnische Franziskanergemeinde, Boras , Schweden

Etappenziel Tag 1527: Gemeindehaus der Kirche, Fristad, Schweden

08.-10.12.2017

Auch unser Aufenthalt in Belgien wurde nicht der längste aller Zeiten, doch dieses Mal lag es nicht daran, dass wir uns hier im Land nicht wohlgefühlt hätten, sondern rein am Verlauf der Strecke. Anders als vermutet war dieser Teil der Benelux-Staaten, den wir durchwanderten nicht etwa flach wie eine Flunder, sondern aufgrund der letzten Eifel-Ausläufer durchaus noch sehr hügelig. Dies war einer von zwei Gründen, warum wir uns ganz bewusst an die Venn-Bahn also den Fernradweg hielten, der auf der alten Güterzugstrecke durch die Lande führte. Einst waren hier Rohstoffe bis ins Ruhrgebiet transportiert worden, doch nachdem der Rohstoffabbau und die Schwerindustrie weitgehend eingestellt worden waren, gab es auch keinen Bedarf für die Güterzugstrecke mehr. Seither war sie zu einem schönen, relativ flachen und absolut nutzenswerten Fahrradweg umgemünzt worden, der einen durch ein recht einsames Stück des belgischen Hinterlandes führt.

Schnee, soweit das Auge reicht

Schnee, soweit das Auge reicht

Der zweite Grund, neben dem Vermeiden unnötiger Steigungen, für das Festhalten an der Venn-Bahn war der, dass es nun richtig zu schneien begonnen hatte. Alles, aber auch wirklich alles war mit einer dicken Schicht Schnee bedeckt und offenbar hielten es die Belgier nicht für nötig, ihn wieder von den Straßen zu entfernen. Auch unsere Hoffnung, sie könnten vielleicht den Fahrradweg geräumt haben, ging leider nicht auf. Aber er war immerhin eben und man lief hier nicht in Gefahr, aus Versehen die Stoßstange eines unvorsichtigen Autofahrers zu knutschen.

Abgesehen davon, dass der Schnee das Wandern etwa dreimal so anstrengend machte, wie es ohne Schnee gewesen wäre, verzauberte er die Welt aber auch in ein traumhaftes Winterwunderland, das man sich gerne anschaute. Hätten wir uns in diesem Moment jemand gesagt, dass wir die weiße Pracht dieses Mal noch mitten im Mai erleben würden, hätten wir ihn einen Spinner genannt. Doch offenbar sollte es anders kommen.

Die Winterwunderwelt bringt schon vereiste Seen und verschneite Wälder

Die Winterwunderwelt bringt schon vereiste Seen und verschneite Wälder

Was die Gastfreundschaft der Belgier anbelangt waren wir nach unseren eher ernüchternden Erfahrungen in Luxemburg mehr als nur positiv überrascht. Nicht nur, dass uns die Nonnen gleich zu Beginn so freundlich und herzlich aufgenommen hatten, sie kümmerten sich auch gleich darum, dass wir wieder einen neuen Schlafplatz bekamen. Wieder handelte es sich um ein Kloster, das zu großen Teilen zu einem Seminarhaus umgebaut worden war. Von dort aus wurden wir erneut zu einem weiteren Kloster geleitet und von dort wiederum zu einem dritten. In Anbetracht dessen, dass es inzwischen so kalt war, dass man kaum eine Minute im Freien still stehen konnte, ohne blaue Lippen zu bekommen, rettete uns dieses Weiterleitungs-System von Kloster zu Kloster vielleicht sogar das Leben.

Wandern im Tiefschnee

Wandern im Tiefschnee

Franz von Bujor auf Winterexpedition.

Franz von Bujor auf Winterexpedition.

Lediglich am letzten Tag sah es etwas anders aus. Wir hatten uns vorgenommen, dem Radweg nun weiter bis zur Deutschen Grenze zu folgen und dort wieder bei einem Pfarrer zu fragen, doch der Schneesturm war heute so stark, dass wir nach nicht einmal der halben Strecke kapitulieren mussten. Wir verließen die Venn-Bahn und drehten eine Runde durch eine kleine Ortschaft, in der Hoffnung, hier eine Notunterkunft zu finden. Tatsächlich stießen wir recht bald auf ein Gemeindehaus, das uns geeignet erschien. Bei der Suche nach einem Verantwortlichen mit Schlüssel gelangten wir in eine kirchliche Bibliothek. Als wir durch die Tür traten, sahen wir aus die zwei Schneemänner und es dauerte gut zwanzig Minuten, bis die Schneeschicht von uns abgetaut war und man unsere menschliche Form darunter erkennen konnte. In dieser Zeit gelang es uns jedoch mithilfe der leicht amüsierten Bibliothekarin, einen Schlüssel für das Gemeindehaus auszutreiben. Wenig später lernten wir dann eine junge belgische Frau und ihren Freund kennen, die aus diesem Ort stammten jedoch gerade in Aachen studierten. Was uns vor dieser Belgienreise nicht bewusst war, ist, dass man in diesem Teil von Belgien einfach ganz normal Deutsch spricht, und zwar als offizielle erste Landessprache. Anders als die Schweiz wird Belgien offiziell bei deutschsprachigen Ländern jedoch nie genannt, aus welchem Grund auch immer.

Expedition durch scheinbar ewiges Eis.

Expedition durch scheinbar ewiges Eis.

Den Nachmittag verbrachten wir gemeinsam mit einer Kindergruppe im Gemeindehaus. Etwa die Hälfte der Kinder zauberte dabei gemeinsam mit den Betreuerinnen einen Kuchen, während die andere Hälfte Schneemänner und Rodelbahnen baute. Zum Schlafen wechselten wir dann aber trotzdem noch einmal in das Haus der Familie der jungen Frau, denn ihre Mutter, die für das Gemeindehaus verantwortlich war, war sich unsicher, ob sie die Autorität hatte, uns darin schlafen zu lassen. Die gute alte Problematik mit den versicherungsrechtlichen Gründen mal wieder.

Survivaltrainer bereitet auf Extremsituationen vor.

Survivaltrainer bereitet auf Extremsituationen vor.

Durch den Schnne wird die Wanderung schnell zum Überlebenstraining.

Durch den Schnee wird die Wanderung schnell zum Überlebenstraining.

Der Umzug erfreute uns nicht gerade bis über beide Ohren, gab uns jedoch die Gelegenheit, auch den Vater kennen zu lernen, der interessanter Weise bei der Stadt angestellt und für den Schneeräumdienst zuständig war. Er verbrachte den halben Nachmittag vor dem Fenster, stets mit einem Auge nach draußen und einem auf seinem Telefon, bis schließlich der erlösende Anruf kam der ihn zum Räumungseinsatz beorderte. Das belgische System unterscheidet sich hier vom deutschen wohl doch etwas, denn ganz offensichtlich wird hier erst mit dem Räumen angefangen, wenn es aufgehört hat zu schneien.

Spruch des Tages: Wer räumt, wenn es schneit, macht nur alles doppelt.

Höhenmeter 40 m / 50 m / 290 m / 70 m

Tagesetappe: 21 km / 21 km / 24 km / 16 km

Gesamtstrecke: 28.650,27 km

Wetter: Sonnig und teilweise sogar warm

Etappenziel Tag 1524: Katholisches Pfarrhaus, Varberg, Schweden

Etappenziel Tag 1525: Aufenthaltshaus der Friedhofsmitarbeiter, Väröbacka, Schweden

Etappenziel Tag 1526: Privathaus des Pfarrers, Horred , Schweden

Etappenziel Tag 1527: Gemeindehaus der Kirche, Björketorp, Schweden

06.-07.12.

Der Nikolaustag war unser vorerst letzter Tag in Deutschland, bevor wir die Grenze nach Belgien überquerten. Es gibt eigentlich nicht viel darüber zu berichten, abgesehen von einer Kleinigkeit am Morgen vielleicht, die uns gleichermaßen faszinierte und irritierte.

Passend zum Nikolaus wurde unsere Weltreise zu einer echten Winter-Survival-Extrem-Tour

Passend zum Nikolaus wurde unsere Weltreise zu einer echten Winter-Survival-Extrem-Tour

Da Nikolaus war, fühlte sich rund die Hälfte der Weltbevölkerung dazu berufen, seine Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen, dass heute ein besonderer Tag ist, indem sie lustige oder festliche Videos per Facebook verschickte. Auch wir bekamen einige davon, doch unter allen fiel uns besonders eines auf. Es zeigte eine junge, recht attraktive Frau im Bikini, die ihre Brüste mithilfe ihrer Brustmuskulatur im Takt von Jingle-Bells tanzen ließ. Viele von euch werden das Video kennen, denn wurde innerhalb der ersten Minuten nach seiner Veröffentlichung über eine Million Mal geteilt. (Nicht nur angeschaut, sondern wirklich auch geteilt) auffällig waren dabei vor allem zwei Punkte:

Wandermönch auf Winterreise

Wandermönch auf Winterreise

  1. Die äußerst ernüchternde Aussage über die zweifelsfrei primitive Natur der Menschen, die dieses Video belegte. Man konnte YouTube ja durchaus für viele Dinge nutzen. Zum Beispiel, um in einer kurzen, klaren Erklärung die wichtigsten Kernessenzen für Heilung zu offenbaren und damit jedem die Möglichkeit an die Hand zu geben, in vollkommener Gesundheit zu leben. Der Witz war nur, dass man niemanden damit hinter dem Ofen hervorlocken konnte. Ein solches Video, und wäre es noch so hilfreich, hätte alle Mühen, auch nur 100 Mal angesehen zu werden. Zeigte man hingegen ein paar hüpfende Titten, war die ganze Welt innerhalb von Sekunden dabei und wollte sie sich anschauen. Ist das nicht absurd?
  2. Der ebenfalls etwas ernüchternde Umstand, dass wir zugeben mussten, dass wir das Video durchaus auch lustig fanden und dass wir uns dabei ertappten, wie wir es ebenfalls gleich einmal an eine ganze Reihe von Leuten posteten.
 

Am 7.12. erreichten wir dann die belgische Stadt Sankt Vith. Der Winter war hereingebrochen und es hatte sogar schon leicht zu schneien begonnen. Umso mehr freuten wir uns, als wir gleich auf Anhieb je eine Portion heiße Pommes zum Aufwärmen bekamen. Wenig später wurden wir dann von einem Nonnenkloster eingeladen, das uns der Pfarrer der Stadt empfohlen hatte. Die Nonnen hatten gerade einen Seminartag und als wir an der Tür klingelten, öffnete zunächst nur die Reinigungskraft.

Die Kirche von Sankt Vith.

Die Kirche von Sankt Vith.

 

„Ich fürchte, ich kann die Mutter Oberin gerade nicht stören!“, sagte sie entschuldigend auf unsere Frage hin, „sie befindet sich gerade mitten in einem Seminar!“

Normalerweise hätten wir dies natürlich respektiert, aber aufgrund der Kälte konnten wir nicht vor der Tür warten und so baten wir darum, sie wenigstens einmal kurz um eine Tendenz zu bitten. Es dauerte keine drei Minuten, da tauchte die Mutter Oberin in der Tür auf und rief: „Hier braucht jemand Hilfe? Was kann ich für euch tun? Wollt ihr hereinkommen? Ja kommt erst einmal rein und ich mache euch einen Tee.

Wanderung durch einen Tunnel auf dem Weg nach Belgien

Wanderung durch einen Tunnel auf dem Weg nach Belgien.

 

„Soll ich das übernehmen, Schwester?“, fragte die Haushälterin, „Sie verpassen sonst ihr Seminar!“

„Nein, nein!“, erwiderte die alte Frau fast ein bisschen zu energisch. „Gäste wollen versorgt werden! Ich komme noch früh genug wieder zurück zum Seminar!“

Die Mutter Oberin wies uns einen Raum mit gemütlichen Sesseln und einem kleinen Tisch zu und verschwand in der Küche, um kurz darauf mit heißem Tee und Gebäck zurückzukehren.

Ein Harvester mit Ketten und Baumfälleraufsatz.

Ein Harvester mit Ketten und Baumfälleraufsatz.

 

„Jetzt erzählt erst mal!“, sagte sie und machte es sich in einem Sessel bequem. Für die nächsten eineinhalb Stunden musste das Seminar nun ohne sie auskommen. Später beim gemeinsamen Abendessen mit den Schwestern erfuhren wir, dass es diese Art der Seminartage jedes Jahr gab und dass sie jedes Jahr vom gleichen Pfarrer durchgeführt wurde, der bis auf den letzten Wortlaut auch immer wieder genau das Gleiche sagte. Als die Mutter Oberin daher den Aufruf der Haushälterin vernahm, war es, als wären nun endlich ihre Gebete erhört worden. Unvermittelt zog sie damit den Neid der anderen Nonnen auf sich, die nur zu gerne ebenfalls eine Ablenkung bekommen hätten.

Beeindruckende Autobahnbrücke

Beeindruckende Autobahnbrücke.

 

„So!“, erklärte die Mutter nun ihren Mitschwestern und wandte sich dabei zugleich an uns:

„Die beiden sind nun seit 4 Jahren unterwegs und das als zwei Familienväter. Wie macht ihr das eigentlich?“

„Nein, nein!“ korrigierte ich, „wir haben keine Familien. Heiko hat eine Freundin, ist aber kinderlos und zieht als Heiler um die Welt. Ich lebe als Mönch!“

Survivalexperte Heiko wandert im Schnee

Survivalexperte Heiko wandert im Schnee

Belgische Steinkirche

Belgische Steinkirche

 

„Ach so!“, sagte die Nonne und man sah, ihre zuvor verwirrten Gesichtszüge hellten sich auf. „Stimmt, deswegen trägst du wohl auch eine Robe! Ich habe mich schon gewundert, warum sie so etwas anhaben. Aber ja, jetzt erinnere ich mich! In Klöstern trägt man so etwas, deswegen habe ich ja auch eine an!“

Allein für diesen Satz hätte man sie schon knuddeln können. Aber auch die anderen Nonnen waren auf ihre Art äußerst liebenswerte und niedliche Personen. Einige von ihnen stammten aus Indien und waren offenbar nicht ganz freiwillig Nonnen geworden. Zumindest was den körperlichen Kontakt zu Männern anbelangte schienen sie äußerst interessiert zu sein und sie freuten sich wie kleine Teenagerinnen, als sie während des Gruppenfotos die Gelegenheit bekamen, sich ein bisschen an uns heranzukuscheln.

Weltreise unter Extrembedingungen

Weltreise unter Extrembedingungen.

 

Während des Abendessens entwickelte sich unser Gespräch dann aber noch einmal in eine viel tiefere Richtung und wir kamen auf essenzielle Glaubensfragen zu sprechen, bei denen Heiko und ich unsere Ansichten erläuterten. Viele der Fragen, die sie uns stellten hatten sie offenbar auch während des Seminars gestellt, doch nun erhielten sie zum ersten Mal neue und inspirierende Antworten darauf.

Die Museumseisenbahn kurz vor Schneeeinbruch

Die Museumseisenbahn kurz vor Schneeeinbruch.

 

„Waow!“, sagte eine der jüngeren Nonnen aus Indien, er hätte gedacht, dass wir heute am Ende doch noch einen spannenden Seminartag erleben würden, nur auf eine ganz andere Weise als erwartet?“

 

Spruch des Tages: Oft erfüllen sich unsere Wünsche auf völlig andere Weise, als wir es erwarten.

 

Höhenmeter 73 m / 65 m / 40 m / 39 m

Tagesetappe: 15 km / 19 km / 14 km / 16 km

Gesamtstrecke: 28.568,27 km

Wetter: Sonnig und teilweise sogar warm

Etappenziel Tag 1524: Gebäude der Friedhofsverwaltung, Harplinge, Schweden

Etappenziel Tag 1525: Gemeindehaus der Kirche, Slöinge, Schweden

Etappenziel Tag 1526: Private Gästezimmer, Falkenberg, Schweden

Etappenziel Tag 1527: Gemeindehaus der Kirche, Morup, Schweden

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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