Von Helsingoer nach Helsingborg

von Heiko Gärtner
05.10.2018 06:34 Uhr

Die letzte Station in Dänemark, die wir anliefen, war die Hafenstadt Helsingör. Von hier aus fuhr dann eine Fähre in die schwedische Stadt Helsingborg, die unser Ausgangsort für unsere Schwedenreise sein würde.

Was hat Helsingör zu bieten?

Helsingör war eine Stadt mit zwei Gesichtern. Auf der einen Seite war sie ein Ort voller Attraktionen und Sehenswürdigkeiten, die tatsächlich recht sehenswert waren. Da war zum Beispiel das alte Fort im Hafen, das Früher die dänische Küste vor bösen Schweden und anderen Tunichtguts beschützt hat. Gegenüber lag das moderne und neu errichtete Kulturzentrum mit einer Bibliothek, mehreren Cafés und Treffpunkten und einer Art Panorama-Plattform von der aus man aufs Meer blicken konnte.

 
Der Hafen von Helsingör mit der modernen Bibliothek im Hintergrund

Der Hafen von Helsingör mit der modernen Bibliothek im Hintergrund.

 
Die Bibliothek von innen

Die Bibliothek von innen.

 
Die Innenstadt von Helsingör

Die Innenstadt von Helsingör.

 
Die alte Hafenfestung von Helsingör

Die alte Hafenfestung von Helsingör.

 

Als Touristenattraktion war dieses Gebäude sicher großartig, nur als Lern- und Leseort taugte es nichts, da es keine einzelnen Räume gab. Alles war irgendwie miteinander verbunden und somit war es überall laut. Man hörte jedes Gespräch und jeden Klang der Musik aus den Cafés. Aber wenn einen das nicht störte und man nicht wirklich lernen oder lesen wollte, dann konnte man hier sicher viele soziale Kontakte mit Menschen knüpfen, die ebenfalls so taten als wollten sie etwas Wichtiges tun.

Helsingör - Eine Hafenstadt mit monumentalen Backsteingebäuden

Helsingör - Eine Hafenstadt mit monumentalen Backsteingebäuden.

 

Schwedischer Alkohol-Tourismus in Dänemark

Auf der anderen Seite war Helsingör aber auch ein düsterer und trostloser Ort voller negativer Energien. Das Gefühl mag natürlich verstärkt worden sein, da wir an einem eiskalten, regnerischen, ungemütlichen und vor allem stürmischen Tag hier ankamen, an dem es bereits um 12:00 Mittags wirkte, als wäre die Sonne gerade untergegangen. Zum anderen kam dieser Eindruck aber vor allem durch eine sehr spezielle Art des Tourismus, der hier praktiziert wurde. Und zwar der bekannte und allzeit beliebte Sauf-Tourismus. Wie allgemein bekannt ist, ist Alkohol in Schweden eher schwierig zu bekommen und man muss in der Regel teuer dafür bezahlen. Anders als beispielsweise in Osteuropa ist Alkoholismus hier daher ein Hobby das sich nur wenige leisten können. Es sei denn natürlich, sie haben das Glück, in der Nähe einer Fährverbindung zu leben, die Sie direkt in ein Ausland führt, in dem der geliebte Stoff günstig und einfach zu haben ist. Dementsprechend fahren Tag für Tag hunderte von Menschen allen Alters nach Helsingör, um sich hier die Kante zu geben oder um zumindest einen ordentlichen Vorrat an Sprit mit nach Hause zunehmen. Dass dies dem allgemeinen Straßenbild von Helsingör nicht gerade guttut, kann man sich leicht vorstellen. Denn besoffene und zum Teil bewegungsunfähige Menschen, die wie Zombies ohne ein eigenes Bewusstsein in den Gassen herumirren und den Gehsteig gezielt ausgewählten Stellen mit etwas Kotze verzieren, sind leider nicht der angenehmste Anblick der Welt.

Der Bahnhof von Helsingör

Der Bahnhof von Helsingör.

 

Die Fährfahrt nach Schweden

Wir waren daher nicht böse, gleich am nächsten Morgen selbst einen Platz in der Fähre ergattern und Dänemark hinter uns lassen zu können. Die Zeit hier war durchaus nicht verkehrt gewesen, wenngleich sie auch vollkommen anders verlaufen war, als wir es erwartet hatten. Dennoch waren wir nun bereit für etwas Neues! Interessanterweise erwies sich die Fährfahrt als erstaunlich angenehm und unstressig. Verglichen mit der Fahrt von Irland nach Frankreich, war diese Fähre geradezu ein Traum, und das, obwohl sie zu einem großen Teil mit verkarterten oder noch immer betrunkenen Schweden gefüllt war. Offensichtlich war es in unserer heutigen, modernen Zeit doch möglich, Schiffsmotoren zu bauen, sie so ruhig liefen, dass sie nicht alle Gäste von Bord schüttelten.

 
Der letzte Blick zurück auf Helsingör

Der letzte Blick zurück auf Helsingör.

 
Unsere Ankunft im Helsingborger Hafen

Unsere Ankunft im Helsingborger Hafen.

 

Helsingborg - Unser Tor nach Schweden

Und Schweden begrüßte uns auf eine Weise, wie es freundlicher nicht hätte sein können. Helsingborg erwies sich in vielerlei Hinsicht als die angenehmere der beiden Städte. Zum einen war es hier warm und sonnig als wir ankamen und am Nachmittag war es sogar so angenehm, dass wir ein Schläfchen auf einer Relaxliege an der Uferpromenade machen konnten. Allein diese Tatsache verrät schon sehr viel über die Stadt.

 
Blick auf Helsingborg vom Meer aus

Blick auf Helsingborg vom Meer aus.

  Hier noch drei Punkte, die uns besonders gut gefallen haben:

1. Es gibt eine Uferpromenade, an der man flanieren kann, ohne sich vor lauter Straßenlärm die Ohren zuhalten zu müssen.

2. Es gibt Relaxliegen, was eine super feine Geste der Stadtegierung ist.

Und 3., es war hier bereits sommerlich warm.

 
Das Grandhotel in Helsingborg

Das Grandhotel in Helsingborg.

 
Die Einkaufsmeile von Helsingborg

Die Einkaufsmeile von Helsingborg.

 
Die Innenstadt von Helsingborg

Die Innenstadt von Helsingborg.

 
Ein Piratenspielplatz in der Stadt

Ein Piratenspielplatz in der Stadt.

 
Helsingborg von Oben

Helsingborg von Oben.

 
Unser erster schwedischer Strand

Unser erster schwedischer Strand.

 

Auch sonst entpuppte sich Helsingborg als eine durchaus ansehnliche Stadt, vor allem für eine Stadt ihrer Größe. Zum Übernachten wurden wir dabei in die katholische Kirchengemeinde eingeladen, die allerdings vollständig aus polnischen Pfarrern und Nonnen bestand.

 
Helsingborg ist eine beeindruckende Hafenstadt

Helsingborg ist eine beeindruckende Hafenstadt.

   

Wandertipps für Dänemark

Damit das Wandern in Dänemark Spaß macht, gibt es tatsächlich ein paar Dinge, die man beachten sollte. Denn ähnlich wie Holland ist Dänemark ein verhältnismäßig kleines Land mit recht dichter Besiedelung. Die normalen Straßen sind daher für Wanderer vollkommen ungeeignet und man sollte sich ein bisschen Zeit nehmen, um sich kleine Nebenstraßen, Feldwege oder Wanderwege herauszusuchen. Dann nämlich ist Dänemark mit seinen vielen Küsten, dem weiten Dünenland und der leicht hügeligen aber überwiegend flachen Landschaft ein ideales Wanderland. Empfehlenswert für Wanderer, die etwas länger und rustikaler unterwegs sein wollen sind auch die beiden Fernwanderwege.

Fernwanderwege in Dänemark

Der E1 führt in Richtung Norden bis zum Nordkap und in Richtung Süden bis nach Italien. Der E6 verläuft hingegen vom Nordwesten Finnlands bis hinunter zu den Dardanellen in der Türkei. Leider mussten wir auf unserer Reise immer wieder feststellen, dass die E-Wege, also die Europäischen Fernwanderwege anders als die Jakobswege nur sehr lückenhaft ausgebaut wurden. Das heißt, sie sind mit einem Pilgerwagen größtenteils unzugänglich und nur geeignet, wenn man mit relativ leichtem Gepäck und sicherem Tritt unterwegs ist. Außerdem benötigt man in jedem Fall gutes Kartenmaterial oder die entprechenden GPS-Verlaufspunkte, denn die Ausschilderung lässt mehr als nur zu wünschen übrig. Hier findet ihr eine recht gute Übersicht mit den dänischen Wanderwegen und den passenden Koordinaten dazu: https://hiking.waymarkedtrails.org/

Sehenswürdigkeiten in Dänemark

Anders als beispielsweise Italien ist das kulturelle Angebot in Dänemark eher mau. Vor allem die größeren Städte lohnen sich in der Regel nicht als Ausflugsziele. Wir selbst haben sie als laut, hektisch und nicht besonders schön empfunden. Eine Ausnahme stellt hier nur Koppenhagen dar. Sie ist natürlich die größte Stadt und daher durchaus auch mehr als nur reichlich mit Verkehr gesegnet. Gerade der Altstadtbereich bietet aber dennoch einiges und ist auch deutlich ruhiger und angenehmer, als viele kleinere Städte im Umkreis. Sehenswert ist dabei vor allem die Freistadt Christiania. Es ist eine Commune, die sich selbst für vollkommen unabhängig von Dänemark erklärt hat und daher eigene Regeln und Gesetzte hat, die vom dänischen Staat sogar mehr oder weniger akzeptiert werden.

Kopenhagen Innenstadt

Kopenhagen Innenstadt

 
Segelschiffe in Kopenhagen

Segelschiffe in Kopenhagen

 
Kleine Kanäle in Kopenhagen

Kleine Kanäle in Kopenhagen

 

Besonders schön ist auch der Nyhavn mit seinen bunten Häuschen und den kleinen Kanälen, in denen sich die Schiffe sammeln. Auch die Universität und der Vergnügungspark Tivoli sind einen Besuch wert. Zudem gibt es einige schöne Schlösser, wie das Schloss Amalienborg und das Schloss Rosenborg mit seinem beeindruckenden Garten, sowie die Schlosskirche Christiansborg. Auch die Frederikskirche und das große Aquarium "Der Blaue Planet" sind einen Besuch wert.

Die Universität von Kopenhagen

Die Universität von Kopenhagen

 
Der Hauptplatz von Kopenhagen

Der Hauptplatz von Kopenhagen

 
Kopenhagener Altstadt Schlosskirche

Kopenhagener Altstadt - Schlosskirche

 

Auf den Wegen der Kindheit

Als wir vor rund 2 Jahren durch den Norden Italiens wanderten und dabei durch Rimini und San Marino kamen, waren in Heiko viele alte Erinnerungen an die Familienurlaube seiner Kindheitstage geweckt worden. Ganz ähnlich erging es nun mir, als wir die Grenze nach Dänemark überquerten. Als Kind hatte ich einen Großteil meiner Sommerferien in kleinen, reetgedeckten Ferienhäusern an dänischen Stränden verbracht. Wir waren in den Dünen umhergewandert, hatten Burgen am Strand gebaut, Feuerholz für das knisternde Kaminfeuer gesucht, Kerzen gezogen, im Meer gebadet, Steine und Muscheln gesammelt und was man eben sonst noch so im Familienurlaub tut. Sehr präsent erinnerte ich mich auch noch an eine ganz Spezielle Fleischpastete, die man mit Röstzwiebeln, einer unwahrscheinlich gelben Remoulade und süß-sauer eingelegten Gurken auf Brot aß. Ausgehend von all diesen Erinnerungen, sowie von unseren Begegnungen, die wir bisher mit Dänen auf unserer Reise hatten, hatten wir eine ganze Reihe positiver Vorurteile über dieses kleine Land entwickelt. Dänemark, da waren wir uns sicher, würde das reinste Zuckerschlecken werden. Eine entspannte Wanderung durch eine idyllisch-ursprüngliche Dünenlandschaft voll von interessanten Vögeln, urigen Dörfchen und netten, hilfsbereiten und herzlichen Menschen.

Geschickte Lösungen

Tatsächlich sah es auch bei unserem Grenzübertritt so aus, als würden diese Vorurteile direkt bestätigt werden. Der Wanderweg, der in Deutschland kaum mehr als ein Trampelpfad auf einer Wiese war, war direkt nach der Grenze zu einem erstklassigen Fahrrad- und Wanderweg ausgebaut worden. Er schlängelte sich geschickt durch die Landschaft, wich den Straßen aus und führte uns schließlich in den ersten Ort, der auch unser Zielort werden sollte. Hier waren wir dann gleich noch mehr begeistert von dem, was wir sahen. Die dänischen Ortschaften schienen komplett anders aufgebaut zu sein, als alle, die wir zuvor gesehen hatten. Die Wohnviertel waren dabei so angeordnet, dass man die Belästigung durch den Verkehr minimiert hatte. Es gab keine großen Stadtbereiche, durch die man hindurch fuhr, um zum nächsten zu gelangen, sondern immer nur kleine Stichstraßen, die für Autofahrer als Sackgassen endeten, aber durch Fuß- und Radwege miteinander verbunden waren. Auf diese Weise gab es in jedem Viertel stets nur die Autos der Fahrer, die auch wirklich hier wohnten oder die ein direktes Anliegen hatten. So ruhig wie hier war es bislang daher nur in wenigen Dörfern gewesen.

Unangenehmes Erwachen

Kaum hatten wir jedoch die Kirche erreicht, in dessen Gemeinde wir nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen wollten, nahm das Blatt eine jähe Wendung. Man begegnete uns ausgesprochen kühl, distanziert und abweisend und es schien niemanden zu geben, der auch nur eine Sekunde überlegen wollte, ob es im Ort eine Übernachtungsmöglichkeit gab. So wenig Hilfsbereitschaft hatten wir erst selten erlebt. Auch in den umliegenden Hotels und Pensionen wurde es nicht besser und beschlich uns langsam das Gefühl, dass sich Dänemark vom Traumurlaub in einen Höllenritt wandeln könnte. Heute war es noch sonnig und einigermaßen warm, so dass es nicht groß etwas ausmachte im Freien zu warten, aber bereits für die nächsten Tage war ein Kälteeinbruch mit Schneefall vorhergesagt worden. Wenn wir dann keinen Schlafplatz fanden, konnte die ganze Sache sehr schnell unangenehm und sogar gefährlich werden.

Neue Zuversicht

Um nicht zu viel Zeit mit erfolglosen Gesprächen zu vergeuden brachen wir die Suche ab und setzten unsere Wanderung in den nächsten Ort fort. Vielleicht hatten wir ja einfach Pech und haben auf einen schlag alle unfreundlichen Dänen erwischt die es gibt.

weiße kirche

Bei dieser weißen Kirche wurden wir herzlich empfangen

Und tatsächlich fanden wir uns im nächsten Dorf schneller in einer Unterkunft wieder als wir bis drei zählen konnten. Gleich im Zentrum traf ich einen Mann, den ich nach dem Weg zum Pfarrhaus fragte. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte, dass er eine Kunstgalerie hier im Ort besaß und dass seine Eltern eine Ferienwohnung vermieteten, die sich im gleichen Haus oben drüber befand. Sie stand leer und es reichte ein einziger Anruf bei seiner Mutter um uns mit allem zu versorgen, was wir für den Abend brauchten.

Einige Stunden später besuchte uns die Familie mit einem großzügigen Abendessen und wir erfuhren noch ein Detail, das der ganzen Geschichte eine gewisse Ironie hinzufügte. Der Bruder unseres Gastgebers war nämlich Pfarrer in genau der Kirchengemeinde, in der wir zuvor so schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Er war derjenige gewesen, nach dem wir gefragt hatten und zu dem uns niemand weiterleiten wollte, da es ja ohnehin keine Möglichkeiten für fremdartiges Wandererpack gab, um sich hier einzunisten. Als er von der Geschichte erfuhr, war er traurig uns verpasst zu haben und äußerst sauer auf seine Mitarbeiter, dass sie uns auf diese Art begegnet waren und ihn nicht einmal informiert hatten. Es gab nun wohl einige Mitarbeiter in seiner Gemeinde, die es in den nächsten Wochen nicht leicht haben würden.

Eintrittskarte in den inneren Kreis

Am nächsten Morgen wanderten wir weiter und erreichten nach einiger Zeit eine kleine Gemeinde, die von einer jungen Pastorin geleitet wurde. Auch sie war zunächst etwas vorsichtig damit, Fremde einzuladen, über die sie so gar nichts wusste, doch das hielt sie nicht davon ab, uns einen separaten Gemeindesaal zur Verfügung zu stellen. Als später das Eis ein bisschen gebrochen war, erklärte sie sich bereit, den Pfarrer im nächsten Ort über unser Kommen zu informieren und uns gewissermaßen als Gäste zu empfehlen. Damit begann eine Kette, die bis zu unserer Überfahrt nach Schweden auch nicht mehr abreißen sollte. Jeder Gastgeber, der uns aufnahm, fragte uns nach dem nächsten Ziel und telefonierte dann so lange herum, bis er einen geeigneten Platz für uns gefunden hatte. Teilweise waren es Kirchenzentren oder Pfarrhäuser, häufig aber auch private Gästezimmer bei unterschiedlichsten Personen. Wir übernachteten bei Polizisten, bei den Betreibern eines kleinen, christlichen Verlages, bei Rentnern, Doktoren und natürlich bei Pfarrern. Teilweise bekamen wir sogar Einladungen in Häuser in denen niemand zuhause war. „Ihr findet den Schlüssel unter der Fußmatte! Die Gästezimmer befinden sich links und rechts der Küche. Macht euch Tee und was zu Essen wenn ihr wollt! Wir kommen dann irgendwann!“ hieß es in diesen Fällen. Man kann also nicht sagen, dass die Dänen generell ängstliche, skeptische Leute sind. Es gibt hier durchaus Unterschiede.

Wanderungen Dänemark: Wandern im Winter-Wunder-Land

 

Ohne die Weiterleitungen von einem Gastgeber zum nächsten, so dass wir vollkommen ohne Zwischenwartezeiten direkt nach dem Wandern an einem neuen Platz ankommen konnten, wäre unser Dänemarkurlaub um diese Zeit sicher ein Desaster geworden. Denn bereits am zweiten Tag fing es bei unseren Wanderungen in Dänemark zu schneien an. Und das nicht nur ein bisschen! Es schneite wie im Märchen von Frau Holle und schon nach wenigen Stunden waren die Straßen von 30 bis 40cm Schnee bedeckt. Hinzu kamen eisige Winde und mindestens jeden zweiten Tag gab es Neuschnee. Unter diesen Bedingungen wäre jede Minute Stillstand im Freien zum Verhängnis geworden. Doch da wir bereits am Morgen wussten, dass für uns gesorgt war, konnten wir das Schauspiel genießen. Die Welt ist einfach eine vollkommen andere, wenn sie verschneit ist. Am schönsten und eindrucksvollsten war es jedoch am Meer, wo die Brandung eine dicke Eisschicht auf den Felsen am Ufer hinterlassen hatte, die gleichzeitig martialisch und filigran wirkte.

Nicht ganz so schön wie gedacht

 

Leider entpuppte sich Dänemark selbst nicht als das Traumwanderland, das wir erwartet oder zumindest erhofft hatten. Genau wie Holland hatte es das Problem, dass hier zu viele Menschen auf sehr engem Raum lebten, wodurch es nahezu unmöglich wurde, dem starken Verkehr auszuweichen. Vor allem die größeren Städte erwiesen sich als unangenehme Lärmburgen, die uns sehr stark an England erinnerten. Beruhigte Fußgängerzonen und Stadtzentren gab es in der Regel nicht und auch die Wohnviertelregelung mit dem Sackgassenprinzip ließ sich hier nicht mehr finden. Wir lernten also schnell, dass es auch in diesem Land galt, alles zu vermeiden, was größer war als ein Dorf. Sofern dies eben möglich war. Denn um nach Schweden zu gelangen gab es nur zwei sinnvolle Wege, die beide ihre Vor- und Nachteile hatten. Einer führte bis hinauf an den nördlichsten Punkt von Dänemark, von wo aus man mit dem Schiff nach Norwegen übersetzen konnte. Von dort aus konnte man dann nach Schweden weiter wandern. Wir entschieden uns jedoch für die zweite Variante. Sie führte über die Dänischen Inseln, auf die man über eine Brücke und mit einem Zug gelangen konnte. Für die letzte Überquerung der Ostsee von Helsingør nach Helsingborg brauchten wir dann wieder eine Fähre. Gerade der hintere Bereich, der bereits relativ nahe an Kopenhagen gelegen war, erwies sich als recht dicht bevölkert und hatte nur noch wenige Stellen, die wirklich schön waren. Die ursprüngliche Romantik der Stranddörfer mitten in den Dünen gab es anscheinend nur in einigen gezielt gewählten Touristenregionen. Der Rest war ähnlich ernüchternd wie Ostfriesland.

Kinder, Kirchen und Küchen, bei Wanderungen in Dänemark

 

Zum Abschluss über unsere Dänemarkzeit bleiben noch drei Punkte, die erwähnenswert sind. Zunächst wäre da die Kindererziehung die ja international in den skandinavischen Ländern meist über alles in den Himmel gelobt wird. Dies konnten wir leider nicht bestätigen. Im Gegenteil ließ sich feststellen, dass die antiautoritäre Erziehung, die hier üblich war, häufig dazu führte, dass die Familien regelrecht von ihren Kindern terrorisiert wurden. Es kam einige Male vor, dass wir Plätze ablehnten, weil es mit zwei oder drei Kindern im Haus einfach unaushaltbar war. Und damit meine ich nicht, dass es schwierig war, sich zu konzentrieren, weil die Kinder im Wohnzimmer spielten. Ich meine, dass es sich viele Kinder zu einer gezielten Strategie gemacht hatten, dadurch die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu erhaschen, dass sie ganz bewusst alles störten, was nicht sie selbst in den Mittelpunkt des Geschehens rückte. Spannend dabei war, dass einigen Eltern die Dramatik des Zustandes in ihrem Haus erst durch uns bewusst wurde. Zuvor war es für sie einfach normal gewesen, dass Kinder laut und unangenehm sind und dass man am Abend einfach vollkommen erschöpft und ausgelaugt in sein Bett fiel. Nun, da sie es uns aber angenehm machen wollten, fiel ihnen zum ersten Mal auf, dass dies unmöglich war und dass sie dieser Umstand selbst viel mehr störte, als sie es sich je eingestanden hatten. Es dauerte daher zumeist nicht lange, bis sie eine Alternativlösung für uns gefunden hatten. Dafür dauerte es meist um so länger, bis sie bereit waren, diese Alternativlösung selber wieder zu verlassen und zu ihrer Familie zurückzukehren.

Ebenfalls spannend war die Stellung der Kirche hier im Land. Sie hatte durchaus eine gewisse Präsenz, hatte dabei aber fast vollkommen die Rolle einer Jugendbetreuungseinrichtung übernommen, wohingegen Religion eher ein untergeordnetes Thema war. So bestand der Konfirmationsunterreicht vor allem aus Bastelstunden. Unser persönliches Highlight in diesem Bereich war eine Unterrichtseinheit in der die Kinder Kirchen aus Marshmallows und Spagetti bauen sollten.

Was die dänische Küche anbelangte entsprach sie tatsächlich noch ziemlich genau dem, was ich aus unseren Familienurlauben in Erinnerung hatte. Wohin wir auch kamen gab es reichhaltig gedeckte Tische mit Räucherfisch, besagter Fleischpastete, Remoulade, Röstzwiebeln, Gurken, Käse, Trinkjogurt und einigem mehr. Erstaunlicherweise sah aber dennoch jeder Essenstisch nahezu gleich aus. Es gab die gleiche Pastete, den gleichen Fisch, die gleichen Röstzwiebeln und den gleichen Jogurt in jedem Haushalt. Ein Phänomen, das wir übrigens nicht nur in Dänemark sondern in sehr vielen Ländern beobachteten. Kam man über eine Grenze, so betrat man fast immer ein vollkommen neues Reich der Kulinarik. Hielt man sich längere Zeit im gleichen Land auf, so stellte man fest, dass es sich um eine kollektive Kulinarik handelte, die kaum noch Variationen innerhalb dieses Länderspezifischen Kulturkreises hatte. Wanderungen Dänemark, warum also nicht?

15.01.2018

Unser kleiner Abstecher nach Papenburg wurde etwas anders als geplant, war im Großen und Ganzen aber doch interessant und lohnend. Die kleine Stadt an der Ems hat einige Berühmtheit erlangt, weil sie der Sitz einer Werft ist, die unter anderem so kleine Schiffe wie die der AIDA-Flotte herstellt. Einige Bilder im Internet, die zeigten, wie die gigantischen Schiffe durch die winzige Ems getrieben wurden reichten aus, um uns zu überzeugen, dass wir uns dieses Spektakel dann doch einmal vor Ort ansehen wollten.

AIDA-Teilstück in der Produktion

AIDA-Teilstück in der Produktion

Wie die Tage zuvor organisierten wir auch für Papenburg unseren Schlafplatz wieder telefonisch im Voraus. Dieses Mal bei einem holländischen Pfarrer, der uns bereits von unseren letzten beiden Gastgebern wärmstens empfohlen wurde. Als wir jedoch ankamen, war er nicht da und seine Assistentin führte uns in einen Raum, der so von Straßenlärm erfüllt war, dass wir ex nicht einmal unserem Pilgerwägen zumuten wollten, hier für längere Zeit abgestellt zu werden.

Meyerwerft in Papenburg

Meyerwerft in Papenburg

So machten wir uns auf die Suche nach einer Alternative und landeten so schließlich bei einem Ehepaar, bei dem die Frau vor einigen Jahren selbst noch Führungen durch die Meyerwerft gegeben hatte.

Besser hätte es also kaum kommen können, denn wie sich herausstellte, war es verboten, das Werftgelände ohne zuvor angemeldete Führung zu betreten. Alleine wären wir also 5 km durch den strömenden Regen gewandert, um dann eine große Werfthalle von außen zu sehen und direkt wieder zurückgehen zu dürfen. So überbrückten wir die Strecke mit dem Auto und bekamen zumindest noch einige sehr interessante Hintergrundinformationen.

die große Produktionshalle der Meyerwerft in Papenburg

Die große Produktionshalle der Meyerwerft in Papenburg

Die Entstehung Papenburgs

Die Geschichte der Meyerwerft ist eng mit der Geschichte der Stadt verknüpft, in der sie sich befindet. Viele Jahre zurück war das Gebiet hier ein unwirtliches Sumpfland. Auch heute noch kommt man durch eine kilometerbreite Moorlandschaft, wenn man die Stadt besuchen will. Und doch gab es mitten im Sumpf immer wider vereinzelte Stützpunkte der Zivilisation, seien es nun Farmen oder Burgen, in denen reisende Adelsmänner einen Zwischenstopp auf dem Weg zur Nordsee einlegten. Im Falle von Papenburg ab es einen Fürsten, der gerne nach Ostfriesland reiste und daher hier an der Stelle eine Burg errichten ließ, die den Namen Papen-Burg bekam. Damit wäre dann wohl auch die Frage geklärt, woher diese Stadt ihren Namen hat.

Das Kreuzfahrtschiff wurde in Papenburg gebaut

Das Kreuzfahrtschiff wurde in Papenburg gebaut

Einige Zeit später kam man dann auf die Idee, der Burg eine Stadt hinzuzufügen und machte sich Gedanken darüber, wie man das Moor trocken legen und so Bau- und Weideland gewinnen konnte. Die einfachste und brillanteste Lösung war es, Gräben anzulegen, über die das Moorwasser in die Ems fließen konnte. Um solch ein Bauprojekt finanzieren zu können holte man die Bürger mit ins Boot und verteilte großflächige Baugrundstücke zu günstigen Preisen, unter der Bedingung, dass jeder Anwohner den Kanal auf der Länge seines eigenen Grundstückes selbst ausbaute. Dadurch entstand dann auch die seltsame Form, die Papenburg bis heute hat, denn die Stadt wuchs nun natürlich nicht um ein Zentrum an, sondern reihte seine Häuser wie Perlen auf einer Kette aneinander, bis es zu einem endlosen Schlauch wurde.

Eingangsbereich der Meyerwerft

Eingangsbereich der Meyerwerft

Der Beginn des Schiffbaus

Nachdem das Wasser verschwunden war, hatte man nun noch einen zweiten Stoff, den man irgendwie loswerden musste, denn wie in Mooren üblich war nun alles voller Torf. Als Heizmittel war das zwar ein wertvoller Stoff, aber wenn man nur Torf hatte, half einem das auch wieder nicht allzu viel. Also begann ein intensiver Tauschhandel mit Ostfriesland, denn dort war es kalt und ungemütlich dafür gab es aber reichlich Ziegel, die man hier zum Bau der Häuser brauchte. Was wäre also naheliegender gewesen, als einen See, bzw. Kanal- und Flusshandel zu kreieren und da das Moor voller Bäume war entstanden überall kleine Redereien, die ihre eigenen Segelschiffe produzierten. Der Handel florierte und auch der Schiffsbau kam gut an und schon bald segelten die Männer und Frauen aus Papenburg um den halben Globus. Einer dieser Schiffsbauer war ein gewisser Herr Jansen, der aus einer Nachbarregion zugereist war und hier nun ebenfalls ins Seefahrtsgewerbe einsteigen wollte. Das könne er schon tun, hieß es, allerdings unter einer Bedingung. Denn Jansens gab es hier wie Sand am Meer (oder in diesem Fall: wie Torf im Moor) und das Vorkommen unzähliger Familienbetriebe die alle den gleichen Namen trugen, ohne dass sie miteinander verbandelt waren, führe nur zur Verwirrung. So wurde der Herr Jansen mit samt seiner Familie kurzerhand in „Meyer“ umgetauft, denn auch wenn man sich das heute kaum vorstellen kann war „Meyer“ an jenem Ort und zu jener Zeit ein seltener Name.

Die Wert und ein Kreuzfahrtschiff bei Nacht

Die Werft und ein Kreuzfahrtschiff bei Nacht

Der Umbruch durch die Technisierung

Viele Jahre lang war Papenburg somit ein florierendes Schiffsbau-, Handels und Seefahrerstädtchen, bis es eines Tages zu einem großen und fatalen Umbruch kam. Irgendwo hinter dem Ende des Moors war irgendein Nerd, der nichts Besseres zu tun hatte auf die Idee gekommen, das Motorboot zu erfinden. Zunächst natürlich mit Dampfdruck, später dann auch mit anderen Techniken. Diese neumodischen Stahlschiffe waren schneller, wendiger und leistungsfähiger als die Papenburger Segelschiffe und verdrängten die kleinen Familienwerften innerhalb kürzester Zeit vom Markt. Schließlich war nur noch eine einzige von ihnen übrig, die es geschafft hatte, schnell genug mit dem Strom der Zeit zu gehen und auch auf Moderne Stahlgiganten umzusteigen: Die Werft von Herrn Jansen, der nun Herr Müller hieß. Die Schiffe, die hier nun produziert wurden, wurden zunehmend größer, bis eines Tages sogar der Auftrag kam, ein gewaltiges Frachtschiff für lebendige Schafe zu bauen, mit denen die australischen Farmtiere in alle Welt verschifft werden können. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Meyerwerft in Papenburg eine international anerkannte Größe in Sachen Großschiffbau.

Kreuzfahrtschiff in Produktion

Kreuzfahrtschiff in Produktion

Die Produktion der Kreuzfahrt-Giganten

Zu Beginn dieser neuen Zeit wurden die Kreuzfahrtschiffe noch im Freien, direkt neben der Ems gebaut. Der Rumpf wurde dabei parallel zum Ufer ausgerichtet und dann mit dicken Tauen fixiert. Wenn ein Schiff fertig war, wurden die Seile einfach gekappt und das Schiff rutschte seitlich in den Fluss hinein. Ihr könnt euch sicher vorstellen, was das für ein Spektakel war, denn die Schiffe waren auch damals teilweise schon über 100 m lang. Wenn sie seitlich ins Wasser rutschten, dann legten Sie sich erst auf eine Seite und richteten sich dann im Fluss wieder auf. Dabei entstand natürlich eine gewaltige Bugwelle, die auf der gegenüberliegenden Flussseite bis weit hinaus über die Wiesen rollte. Zu hunderten kamen die Anwohner zu diesem Ereignis, teilweise um sich das Spektakel anzusehen, aber hauptsächlich um einen Teil der Fische einzusammeln, die bei dieser Aktion an Land gespült wurden. Angeln war noch nie einfacher als mit einem Kreuzfahrtschiff anstelle eines Hakens.

So beeindruckend wirkt es, wenn es fertig ist

So beeindruckend wirkt es, wenn es fertig ist

Später wurde dann die erste, kleinere Halle gebaut in der ein Großteil der Schiffe bereits Indoor und regenfrei hergestellt werden konnte. Dann kam die zweite, wirklich große Halle hinzu, in der ein modernes Kreuzfahrtschiff in ganzer Höhe Platz hat. Und genau davor standen wir nun. Vor uns befand sich ein Tor in einem schier unbeschreibaren Ausmaß und dahinter im Verborgenen befand sich der Mittelteil der neuen AIDA Nova. Wie wir von unserer Reiseführerin erfuhren, sollte dies das Weltweit erste Kreuzfahrtschiff werden, dass mit Gas und nicht mit Erdöl betrieben wurde. Der hintere Teil dieses Schiffes befand sich bereits außerhalb der Halle im Wasser und wurde nun von weiteren Booten mit Kränen darauf gestrichen, geschliffen und poliert. Denn auch wenn die Werkshalle größer war als jedes Gebäude, das wir je gesehen haben, reichte sie noch immer nicht für ein ganzes Kreuzfahrtschiff nicht aus. Daher wurden die Giganten hier in drei Einzelteilen gebaut, die am Ende zu einem großen Gesamtkollos zusammen geschweißt werden.

Fortsetzung folgt...
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Spruch des Tages: Schon beeindruckend, was wir alles so erschaffen können!   Höhenmeter 270m / 290m / 220m / 260m Tagesetappe: 19km / 25km / 26km / 20km Gesamtstrecke: 29.772,27km Wetter: Überwiegend sonnig und warm Etappenziel Tag 1592: Kirche, Beitstad, Norwegen Etappenziel Tag 1593: Private Gästezimmer, 3km östlich von Sunnan, Norwegen Etappenziel Tag 1594: Hütte auf einem Zeltplatz, 5km westlich von Breide, Norwegen Etappenziel Tag 1595: Aufenthaltsraum der Friedhofsmitarbeiter, Snåsa, Norwegen    
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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