Verplanter Pfarrer

von Heiko Gärtner
16.09.2016 22:26 Uhr

01.09.2016

Die Verabschiedung in der Früh war kurz und schmerzlos und ebenso unpersönlich, wie der Kontakt, den wir zuvor gehegt hatten. Noch einmal wanderten wir am Gelände des Konzentrationslagers vorbei, dann verließen wir die Stadt. Unser Weg führte uns heute größtenteils an einer Zuglinie vorbei und bis auf die wenigen Male, in denen wirklich ein Zug kam, war es hier ruhig und angenehm. Nur ein einziges Mal hatten wir dabei wirklich Pech. Ein gut drei Kilometer langer Güterzug fuhr an uns vorbei und gerade als wir die letzten Wagons ausmachen konnten, blieb er stehen. Er stand nun genau so lange, bis wir wieder mit der Zuglock aufgeschlossen hatten und setzte sich dann wieder in Bewegung, so dass wir noch einmal seine volle Länge mitbekamen.

An unserem Zielort gab es eine Kirche mit passendem Pfarrhaus. Als ich klingelte öffnete jedoch kein Priester in schwarzem Gewand, sondern ein junges Mädchen mit etwa 16 Jahren in Hotpants. In welchem Verhältnis sie zum Pfarrer stand konnten wir leider nicht ausfindig machen, aber ganz offensichtlich wohnte sie mit ihm zusammen. Vielleicht war sie seine Tochter, vielleicht ein Waisenkind, das er aufgenommen hatte, vielleicht aber auch etwas ganz anderes.

 

Auf jeden Fall erklärte sie mir, dass der Pfarrer nicht da sei und sie alleine leider nichts entscheiden dürfe. Telefonisch erreichte sie ihn nicht, wir müssten also warten bis er wieder komme, was irgendwann zwischen jetzt und heute Abend der Fall sein konnte. Für unsere Belange war dies also etwas zu unsicher, weshalb ich mich nach einer anderen Alternative umsah. In einem Buchladen auf der anderen Straßenseite traf ich zwei Frauen, die beide fließend Englisch sprachen und sich ebenfalls bemühten, uns einen Platz zu organisieren. Eine von ihnen bot uns sogar ein Gästezimmer in ihrem Haus an, falls es mit dem Pfarrer nicht klappen sollte Doch bevor diese Idee akkut wurde, erreichte sie den Pfarrer des Ortes.

Zu ihrer Überraschung wusste er bereits von uns und hatte auch schon zugesagt. Nachdem ich zur Kirche zurückgekehrt war, erfuhr ich, dass der Pfarrer bei seiner Rückkehr Heiko vor der Kirche hatte sitzen sehen. Er hatte ihn dann geich von sich aus angesprohen und im verluf des Gespräches überzeugte Heiko ihn davon, uns einen Raum zum Arbeiten und Übernachten zu geben. Zunächst war er skeptisch, dann aber sagte er zu und versprach sogar, uns noch etwas zum Essen vorbeizubringen. Dass der gute Mann ein wenig verplant war und dass es ihm mindestens ebenso an Struktur fehlte wie mir, wurde an diesem Nachmittag noch mehrmals deutlich. Nicht nur, dass sich die junge Dame, die bei ihm wohnte immer wieder über ihn amüsierte, er schaffte es auch, ständig wieder zu vergessen, was er uns gesagt hatte.

Vier Mal vertröstete er uns mit dem Essen. Dann bekamen wir eine Miniportion Fleisch und jeder ein halbes Brot. Noch während er es hinstellte spürte man, wie peinlich es ihm war, uns nicht mehr anbieten zu können, aber offenbar hatte er zuvor nicht daran gedacht, dass er überhaupt kein Essen im Haus hatte. Auch auf die versprochene Dusche kam er nicht wieder zurück.

Spruch des Tages: Man kann sich auch nicht an alles halten, was man verspricht.

Höhenmeter: 230 m Tagesetappe: 55 km (davon 17 in der Nacht) Gesamtstrecke: 18.036,27 km Wetter: Sonnig und extrem heiß Etappenziel: Zeltplatz zwischen zwei Baumreihen, kurz hinter Brod nad Dyjí, Tschechien

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Fortsetzung von Tag 985:

Der zweite heftige Trauerschub, der mich berkam stand im Zusammenhang mit einer Schrifttafel draußen auf dem Gelände. Sie war einem Mönch geweiht, der sein Leben geopfert hatte, damit die Soldaten ein anderes verschonten. Warum mich diese Schrift den Tränen nahe bracht weiß ich nicht, aber es berührte mich zu tiefst. Später las ich das gleiche noch einmal über einen Pfarrer, der ebenfalls sein eigenes Leben für das eines Mitgefangenen gab. Im ersten Moment empfand ich dies als großes Opfer, doch beim zweiten Gedanken fragte ich mich, ob diese Geste wirklich so edel war, wie sie wirkte. Allen war bewusst, dass sie in einem Todescamp waren. Die Frage war also niemals ob jemand stirbt oder nicht, sondern nur wann. Ist es da also wirklich so eine große Hilfe, wenn man sich selbst für ein Ende der Qualen entscheidet und bewusst den Tod wählt? Ohne die Geschichte dazu lässt sich das schwer sagen, aber über diese konnte man hier leider nichts herausfinden. Auch dies fehlte vollkommen. Wenn doch einzelne Schicksale und Geschichten bekannt waren, warum ließ man die Besucher nicht daran teilhaben. Gerade dies hätte ebenfalls dazu führen können, dass sie sich ins Geschehen einfühlten und diesen Besuch hier ernst nahmen. Doch wieder wurde ganz bewusst darauf verzichtet.

Warum war es den Museumsbetreibern so wichtig, dass hier keine Gefühle aufkamen? Warum musste alles schön und glatt und kalt und steril sein? Heiko, der versuchte, so viele Impressionen wie möglich einzufangen, fiel dabei noch ein weiterer Aspekt auf. Aus der Zeit des dritten Reiches gibt es unzählige Fotografien und Bildaufnahmen und die damalige Technik war bereits so weit, dass man eine wirklich gute und klare Qualität liefern konnte. Dennoch gab es fast nur undeutliche, verschwommene, unscharfe oder siluettenhafte Abbildungen, auf denen man kaum etwas erkennen konnte. Bilder, die jedoch nur Gesichter oder andere harmlose Szenerien zeigten, waren hingegen gestochen scharf und klar. Warum? Es war so auffällig, dass es kaum ein Zufall sein konnte.Hinzu kam, dass sämtliche Fotobereiche verspiegelt waren, so dass sich fast immer das Licht darin reflektierte und man noch weniger erkennen konnte. Bei dem heutigen Stand der Technik war es ohne weiteres möglich, Gläser herzustellen, die nicht spiegelten, oder sich für eine andere Ausstellungstechnik zu entscheiden.

Und doch wählte man Bewusst ein Material, dass dem Besucher das Erkennen und genaue Betrachten der Fotos nahezu unmöglich machte. Auch gab es so gut wie keine Bilder vom Leid oder von den damaliegen Zuständen. Insgesamt gab es nur wenige Bilder, die direkt von hier stammten. Die meisten waren aus Amsterdamm, Berlin, Warschau, Krakau oder anderen Orten und zeigten die Menschen vor ihrer Deportierung. Alles blieb an der Oberfläche und mit jedem neuen Ausstellungsraum bekamen wir mehr und mehr den Eindruck, als wäre diese Gedenkstätte nicht zur Aufklärung, sondern zur Vertuschung des Holocaust gedacht. Überall standen Informationstafeln, wir befanden uns am Originalschauplatz des Geschehens und trotzdem hatte man nicht das Gefühl, dass hier je etwas geschehen war. Wieso erfuhr man nichts über das Leben? Es gab Eckdaten über die Menge, die Zusammenstellung, das Alter und die Lebensdauer der Menschen, die hier gefangen gehalten wurden, aber keine echten Informationen darüber, was sich hier wirklich erreignet hatte. Wie wurde gegessen? Was bekamen die Menschen? Wie wurde mit Kälte umgegangen? Wie wurden die Gefangenen behandelt? In einem solchen Camp muss es zu unzähligen Vergewaltigungen, Misshandlungen und anderen Übergriffen gekommen sein. Warum erfährt man darüber nichts? Wie verhielten sich die Gefangenen untereinander?

Wer dauerhaft unter Todesangst in großen Gruppen zusammengepfercht wird wie Hühner in einer Legebatterie, dessen Nerven müssen nach kurzer Zeit blank liegen. Es wird also kaum immer alles harmonisch abgelaufen sein. Stellt euch nur eine einzige Mutter vor, die Panik bekommt, weil ihr Kind verschlept wurde. Stellt euch vor, wie wenig ausreicht, damit Menschen auf einem Festival in eine Massenhysterie verfallen. Und diese Menschen wollen dort sein und sind auch gerne dort. Wie viel krasser ist es also, wenn Menschen einfach eingesperrt werden, Tag täglich vom Tod umgeben sind, bis zur Erschöpfung ackern müssen und kaum genug Wasser und Nahrung zum Überleben bekommen?

Und schon kommt die nächste Frage auf: Was wurde hier überhaupt gearbeitet? Auschwitz war ein Arbeitslager, doch wir konnten nur Wohngebäude sehen. Was also war die Aufgabe der Gefangenen? Wo und wie wurde sie erledigt? Wie wurde das Thema Hygiene angegangen? Gab es immer wieder Seuchen? Warum gab es keine Großaufstände? Wenn alle Gefangenen gleichzeitig einen großangelegten Ausbruch geplant hätten, hätte dieser sicher funktioniert. Was also hielt sie davon ab? Und was dachten und fühlten die Wärter in dieser Zeit? Dachten und fühlten sie überhaupt? Oder waren sie so sehr unter Drogen gesetzt worden, dass sie handelten, ohne es zu merken?

Schließlich erreichten wir die sogenannte Todesmauer. Hier hatten früher fast alle Erschießungskommandos stattgefunden. Dass eine unglaubliche Trauer, Schwere und Betroffenheit von der Mauer ausging, war noch immer deutlich zu spüren, doch auch hier hatte man versucht, durch ein kunstvolles Gebilde die Gefühle zu überlagern und abzuschwächen. Wieder ging es darum so viel wie möglich vom ursprünglichen Geschehen zu verstecken. Es kam uns ein bisschen so vor, als wollte man die Gedenkstätte bewusst kindertauglich halten, so dass sich hier niemand fürchten musste. Aber konnte dies wirklich das Ziel sein?

In einem der Gebäude konnte man in den Keller hinabsteigen, wo sich mehrere Zellen für Gefangene befanden, die eine gewisse Zeit in Einzelhaft leben mussten. Abstrackt war hier, dass man nur durch kleine Gucklöcher in den Türen in die Zellen blicken konnte. Der Besucher wurde also gezwungen, die Perspektive ver Wärter einzunehmen, nicht aber die der Gefangenen. Warum? Ein bisschen bekam man den Eindruck, als wäre das ganze eher eine Nazi-Gedenkstätte als ein Andachtsort für ihre Opfer. Es war fast so, als wollte man den Nazis hier nicht auf die Füße treten, weil sie ja schließlich diejenigen waren, denen man die hiesigen Einnahmequellen verdankt.

Einen Gang weiter kamen wir in einen Bereich mit Dunkelzellen. Es gab winzige Lucken im unteren Bereich der Wände, durch die man in einen Raum gelangte, der gerade einmal groß genug war, um aufrecht darin stehen zu können. Er war vollkommen dunkel und leer. In einen von ihnen konnte man sich als Besucher hineinstellen, wobei hier die Wände zur Hälfte eingerissen waren. Als wir uns später die Bilder anschauten, die Heiko in diesem Raum gemacht hatte, stellten wir fest, dass um meinen Körper ein seltsamer Schatten zu sehen war, der nicht wirklich zu den Lichtquellen passen wollte. Ob der Fotoaparat hier wohl mehr sichtbar gemacht hat, als man mit dem bloßen Auge hätte erkennen können?

Im Gang über dem Verließkeller waren unzählige Portraitbilder der Gefangenen an der Wand aufgehangen. Sie waren damals von den Wärtern gemacht worden, um ihre Gefangenen zu Karieren und zu Registrieren. In den ersten Jahren wurde mit allen Neuankömmlingen so verfahren. Später beschränkte man sich dabei auf die politischen Gefangenen, während die Juden einfach weiter in die Gaskammern gebracht wurden, ohne auch nur zu registrieren, wer die Menschen waren. Unter den Bildern stand jeweil die Zeit, die sie hier im Lager verbracht hatten, bis sie starben. Bei den Frauen dauerte der Aufenthalt im Schnitt 2 Monate, bei den Männern etwa ein Jahr.

Im weitergehen kamen noch mehr Fragen in uns auf, auf die wir einfach keine Antwort finden konnten. Warum hatte es dieses Lager überhaupt gegeben? Warum gab es eine Judenverfolgung? Die offizielle Antwort ist, dass sie auf dem persönlichen Hass von Adolf Hilter beruht, aber kann dies wirklich stimmen? Erst einmal, warum baut ein einzelner Mensche einen so immensen Hass auf eine ganze Religionsgruppe auf, dass er sie vollkommen vernichten will?

Was für ein Trauma muss hier vorgelegen haben? Vor allem, wo die Juden eine so heterogene Gruppe sind. Sie gehören unterschiedlichsten Nationen an, haben verschiedene Kulturen, sind teilweise stark religiös und teilweise überhaupt nicht. Es ist ein so breites Spektrum, dass es fast unmöglich ist, einen verallgemeinerten Hass gegen sie aufzubauen. Doch selbst wenn dies so war, hätte Hitler allein diesem Hass kaum auf diese Weise luft machen können. Er war ein Staatoberhaupt und ein Diktator, also hatte er durchaus einen gewissen Einfluss. Aber eine persönliche Fede in diesem Ausmaß zu führen, wäre auch für seine Position zu viel gewesen.

Denn es ging ja nicht einfach nur um einen Massenmord. Hinter der Judenverfolgung und den Konzentrationslagern steckte eine gigantische Logistik, eine Maschinerie in einem Ausmaß, das kaum mehr vorstellbar ist. Überlegt nur einmal, was es für Kosten verursacht, alle Beteiligten dieser Religionsgemeinshaft ausfindig zu machen, notfalls zu verfolgen und aufzuspüren, zu kategorisieren, zu katalogisieren, abzutransportieren und schließlich massenhaft niederzumetzeln! Allein hinter den Gaskammern steckte bereits eine gigantische Industrie. Niemand, auch kein Adolf Hitler konnte so etwas im alleingang aufbauen, wenn nicht auf irgendeine Art und Weise ein Nutzen dahinter stand. Wer also profitierte davon? Und wie? Und warum?

Kein Unternehmen ist bereit Milliardenbeträge in ein Projekt zu investieren, das keinen Nutzen hat, außer dem Wahnsinn eines geisteskranken Diktator zu fröhnen. Nicht anders ist es mit dem berüchtigten und vielgehassten Dr. Mengele. Auch er ist laut den Geschichtsbüchern ein wahnsinniger, geisteskranker Bastard, der eine perverse Freude am verstümmeln von Menschen hatte. Vielleicht war dies auch wirklich so, aber ist dies wirklich alles?

1,4 Millionen Menschen verloren in Auschwitz ihr Leben und alle wurden nur von einem einzigen verrückten Arzt betreut? Oder war er vielleicht nur das krönende Oberhaupt einer Ärzteschaft, die ganz gezielt Experimente an Menschen durchführte, um damit auf medizinische Erkenntnisse zu kommen? Fakt ist, dass diese Erkenntnisse heute noch immer zu einem großen Teil in der Schulmedizin verwendung finden. Seit ende des zweiten Weltkrieges gibt es so gut wie keine echten Neuerfindungen mehr, was Medikamente anbelangt.

Fast alle pharmazeuthischen Mittel entstanden aus den Experimenten der Nazi-Ärzte. Ist es also nicht etwas scheinheilig, einen Menschen auf der einen Seite als Frankenstein zu verteufeln und auf der anderen Seite eine Milliardenindustrie auf genau diese Forschungen aufzubauen, die wir heute als modernste und beste Medizin aller Zeiten ansehen? Noch heftiger ist es, wenn man bedenkt, dass auch heute noch immer Menschenversuche durchgeführt werden, bei denen die Ärzte haufenweise Patienten töten. Der Unterschied ist nur, dass dies nun nicht mehr mit Gefangenen passiert, sondern mit Freiwilligen, denen man zuvor einredet, dass sie ohnehin sterben werden. Und dieser feine Unterschied führt dazu, dass die heutigen Ärzte als Helden gefeiert werden, obwohl sie noch immer ähnliche Methoden anwenden, wie die Ärzte im KZ.

Vom Bereich der Gefangenen kamen wir schließlich in den Bereich der Wärter, in dem sich auch eine unterirdische Verbrennungshalle befand. Auf einem Schild stand: "Hier wurden 1000de von Menschen getötet" So richtig glauben konnten wir dies nicht, denn es war ein flache Halle mit dicken Steinwänden. Erschießen konnte man hier niemanden, jedenfalls nicht, wenn der Schall einen nicht selbst ebenfalls umbringen sollte. War dies also wirklich eine Todeshalle gewesen oder kamen hier lediglich die Leichen an, die überall sonst auf dem Gelände getötet wurden?

Auffällig war auch, dass es keine einzige Beschilderung auf Deutsch gab. Es gab Polnisch, Englich, teilweise Holländisch und noch einige andere Sprachen. Aber kein Deutsch. War es nicht vor allem auch deutsche Geschichte, um die es hier ging?

Als wir wieder ins Freie traten waren wir noch immer vollkommen in einem Gefühlsmischmasch gefangen. Auf der einen Seite hatten wir so gut wie nichts zu sehen bekommen, auf der anderen war es genau dies, was uns betroffen machte. Wieso hatte man hier alles daran gesetzt, dass die Menschen den Aufenthalt als einen angenehmen und unterhaltsamen Ausflug wahrnahmen? Ständig hörte man, dass es wichtig war, die Geschichte am Leben zu erhalten, damit sie nicht in Vergessenheit geriet und sich dadurch wiederholen konnte. Sogar hier im Museum stand dieser Satz groß an eine Wand geschrieben. Und doch ging es hier genau darum. Vor aller Augen vergessen zu lassen, dass es dieses Kapitel gab, so dass einer Wiederholung Tür und Tor geöffnet wurden.

Der letzte Teil der Besichtigung führte uns in das vier Kilometer entfernte Birkenau. Hier befand sich das Lager Auschwitz II, in dem sich auch die Gaskammern befunden hatten. Ein Shuttelbus verband die beiden Gelände mit einander und so wurden wir nach einer rund 10 Minütigen Fahrt wieder ausgespuckt. Beim Wandern an größeren Straßen hatten wir schon oft festgestellt, dass Busse von außen sehr unangenehme Fahrzeuge sind. Das es von innen noch viel schlimmer ist hatten wir jedoch ganz vergessen und so waren wir Heilfroh, als wir endlich wieder aussteigen durften.

Birkenau empfing uns mit dem Befühmten Bahnhofsportal, das man auch aus den alten Filmen kennt. Allein dieser Anblick reichte aus, um einen zu deprimieren. Das Gelände in Birkenau war riesig und allein der Bahnsteig war gut einen Kilometer lang. Er bot Platz für vier Züge nebeneinander und angesichts der Masse an Wohngebäuden und der Geländegröße insgesamt fragten wir uns, ob 1,4 Millionen Menschen wirklich ausreichten, oder ob es nicht sogar noch viel mehr gewesen waren.

Ganz am hinteren Ende der gleise hatten sich früher die Gaskammern befunden. Zu unserer großen Überraschung waren sie nicht wieder aufgebaut worden. Es gab hier fast nichts mehr zu sehen, von einem abstrackten und nichtssagenden Kunstwerk einmal agesehen. Wie konnte es sein, dass ausgerechnet dieser Teil nicht aufgebaut worden war, wo doch alles andere hergerichtet wurde? Noch einmal verstärkte sich der Eindruck, dass es ganz bewusst darum ging, kein Gefühl zu übermitteln, sondern nur ein bisschen Wissen in Form von trockenen, langweiligen Fakten, die bereits nach Minuten wieder verblassen. Hilfreich konnte dies nicht sein, nicht wenn es darum ging, eine Geschichte daran zu hindern, sich zu wiederholen.

Spruch des Tages: Die Geschichte nur herunterzubeten, ohne ein Gefühl zu vermitteln, wird nicht verhindern, dass sie sich wiederholt.

Höhenmeter: 420 m Tagesetappe: 30 km Gesamtstrecke: 17.981,27 km Wetter: Sonnig und extrem heiß Etappenziel: Veranstaltungshaus der Stadtgemeinde, 683 52 Zbýšov und Slavkova, Tschechien

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31.08.2016

Auch zum Frühstück gab es wieder Krakauer Würstchen mit Brot und Senf und langsam kam in uns der Verdacht auf, dass dies das einzige war, was in der Pfarrer-WG jemals gegessen wurde. Uns aber sollte es Recht sein, denn auf Würstchen hatten wir schon lange mal wieder Lust gehabt.

Nach der Verabschiedung führte uns unsere Wanderung durch ausladende Felder und zwischen mehreren Seen hindurch. Es war ein schönes Gebiet und auch vom Verkehr her war es nun deutlich ruhiger und angenehmer. Erst als wir Auschwitz erreichten, wandelte sich das Bild wieder. Die Stadt, oder zumindest der Teil, den wir am Anfang zu sehen bekamen, machte dem Ruf, den man mit ihr verband alle Ehre. Es war eine Ansammlung aus Betonplattenbauten, die selbst ebenfalls den Anschein eines KZs machten. Einen Moment lang hatten wir sogar sorge, dass wir das Museum und die Gedenkstätte überhaupt nicht erkennen würden, weil hier alles aussah, als wäre es eine Verwahrungsstätte für Todgeweihte. Über eine Brücke erreichten wir die Betonbunker und schlängelten uns anschließend in den Straßenschluchten zwischen ihnen hindurch. Vor einiger Zeit hatte man alle Gebäude mittels EU-Förderung neu und Farbenfroh gestrichen, so dass sie auf den ersten Blick nicht mehr ganz so deprimierend aussahen.

Doch die dünne Farbe konnte die Hässlichkeit und Trostlosigkeit, die darunter verborgen lag kaum verbergen. Schließlich aber lichtete sich der Betondschungel und wir kamen in einen Bereich mit einigen Parkanlagen und flacheren Gebäuden. Hier entdeckten wir auch eine kleine Pension, die bewusst so gebaut worden war, dass sie für Besucher der Gedenkstätte attraktiv war. Sie war günstig, hatte viele Zimmer, lag in unmittelbarer Nähe des Museums und war daher gut zu Fuß erreichbar. Das Hotel lebte also komplett davon, dass hier vor rund siebzig Jahren 1,3 Millionen Menschen umgebracht wurden, denen nun gedacht werden sollte. Umso erstaunter waren wir über das, was sich in den folgenden Minuten zwischen und und dem Besitzer abspielte. Ich betrat das Hotel und wandte mich an die Rezeption, um dem Besitzer unsere Reise und unser Angebot für eine Werbung-gegen-Schlafplaz-Zusammenarbeit anzubieten. Zunächst wollte er ablehnen, dann aber meinte er, dass er uns ein Zimmer im Hostel-Bereich seines Hotels für einen Preis von umgerechnet 4€ pro Person überlassen könnte.

Normalerweise wäre dies nicht in Frage gekommen, denn ohne Geld heißt ohne Geld und nicht 8€, aber in diesem Fall waren wir bereit, eine Ausnahme zu machen. Zum einen hatten wir gerade reichlich polnische Slotti bekommen, von denen wir ohnehin nicht wussten, was wir damit anstellen sollten und zum anderen hatten wir nur wenig Lust, den halben Tag mit der Suche nach einem Schlafplatz zu vergeuden, wenn wir doch eigentlich zur Gedenkstätte wollten. Also sagten wir zu. Statt mir jedoch die Schlüssel zu geben und mir unser Zimmer zu zeigen wollte der Mann nun mit mir nach draußen gehen und sich Heiko persönlich anschauen, um zu wissen, wen er sich dort in sein Hotel eingeladen hatte. Heiko zu sehen änderte an seiner Stimmung nichts, doch als sein Blick auf unsere Wagen fiel, machte er plötzlich eine Kertwendung um 180°.

"Vergesst es!" rief er, "Ihr kommt mit hier nicht ins Hotel! Behaltet euer Geld!" Damit ließ er uns stehen und kehrte in seine Rezeption zurück. Ganz so einfach wollten wir uns dann aber doch nicht abspeisen lassen und so huschte ich hinterher, um ihn nach dem Grund für seinen plötzlichen Sinneswandel zu fragen. Dieser war einfach: Die Wagen wirkten auf ihn, als seien sie von Flüchtlingen oder Zigeunern und obwohl er wusste, dass beides nicht auf uns zutraf, obwohl er sie bereits zuvor in unserem Trailer gesehen hatte und obwohl ihm vollkommen klar, war, dass es unmöglich war, eine solche Reise zu unternehmen und zu dokumentieren, ohne dabei die nötige Ausrüstung zu haben, wollte er nun nichts mehr mit uns zu tun haben. Wenn jemand aussieht, wie ein Flüchtling, dann kommt er hier nicht ins Haus, egal ob er nun wirklich einer war oder nicht. Das was uns dabei schockierte, war gar nicht mal so sehr, dass er uns abwies, sondern dass er es mit genau dieser Begründung tat. Sein kompletter Profit baute auf dem Konzentrationslager und den schrecklichen Geschehnissen darin auf. Er verdiente sein Geld wenn man ganz ehrlich war also auf dem Rücken der 1,3 Millionen Menschen, die hierher verschleppt, gequält und schließlich ermordet wurden. Menschen, also die alles dafür gegeben hätten, um fliehen zu können. War es da wirklich angebracht, so eine herablassende und aggressive Anti-Haltung gegenüber Flüchtlingen zu haben?

Für uns war die Ablehnung das Beste, was uns passieren konnte, denn nur einen knappen halben Kilometer weiter entdeckten wir ein Kirchenzentrum der Saliciani, in dem wir als Gäste aufgenommen wurden. Wir bekamen ein Gästezimmer, das wahrscheinlich schöner und ruhiger war, als das was wir im Hotel bekommen hätten. Dazu lag unsere Herberge nun direkt neben dem Zaun, der das ehemalige KZ umgab.

Doch auch hier war der Empfang etwas seltsam. Zunächst vermtete ich, dass es ein Missverständnis aufgrund der Sprachbarriere war, dass unser Gastgeber sagte: "Ok, dann muss ich euch wohl aufnehmen!" Später waren wir uns da aber nicht mehr so sicher. Nicht dass uns die unterkülte und distanzierte Art gestört hätte, es war nur auffällig, dass wir auch hier wieder kein einziges Wort wechselten, nachdem uns unser Zimmer gezeigt worden war.

Jetzt, da wir eine Ausgangsbasis hatten, konnten wir uns in aller Ruhe aufmachen, um uns das ehemalige Konzentrationslager anzusehen. Jedenfalls dachten wir das, denn tatsächlich sollte es noch mehrere Stunden dauern, bis wir an den Wachleuten vorbei ins innere kamen. Doch auch das Stehen vor der Tür war auf seine Art schon mehr als nur beeindruckend. Es herrschte hier ein Massenrummel, bei dem so manches Schützenfest nicht mithalten konnte. Von allen Seiten und aus allen Herren Ländern strömten die Menschen herbei, um sich die alten KZ-Reste anzuschauen. Laut der Beschreibung, die ich im Internet gelesen hatte, gab es dabei sowohl die Möglichkeit, dies kostenlos und auf eigene Faust zu tun, oder aber mit einem Guide, für den man einen Obolus bezahlen musste. Jetzt fanden wir heraus, dass dies nur für den Nachmittag galt. Vor drei Uhr war das Buchen eines Reiseführers Pflicht. Auch dies fühlte sich für uns irgendwie seltsam an. Das Museum und die Gedenkstätte wurden von Deutschland aus, wie auch durch die EU gefördert, damit das Andeken an dieses dunkle Kapitel in der europäischen Geschichte erhalten blieb. Und doch wurde hier ein Eintrittsgeld verlangt, damit die Menschen ihre Runden drehen konnten. Klar, die Guides leisteten hier eine Arbeit, die auch irgendwo entlohnt werden musste, aber war es nicht trotzdem etwas geschmacklos, so offensichtlich Profit aus dem Leid von tausenden von Menschen zu schlagen? Während des zweiten Weltkrieges war Auschwitz nicht nur eine Todesfalle, sondern auch ein Arbeitslager, Das dritte Reich erwirtschaftete sich also schon damals einen Gewinn aus dem Leid der Gefangenen. Und nun wurde aus dem gleichen Leid ein zweites Mal Profit geschlagen.

Da wir weder eine Führung noch etwas bezahlen wollten, verließen wir das Gelände zunächst wieder und nutzten die Zeit bis um drei, um einen Abstecher in die Innenstadt zu machen. Wieder mussten wir an den Betonbaracken vorbei über die Hauptstraße und kamen dann in einen langen Park, der an einem Fluss entlang bis in die Altstadt führte. Besonders spektakulär, schön oder interessant war sie nicht. Es gab wenig zum Fotografieren und noch weniger zum Essen. Alles was wir auftreiben konnten, waren ein Eis und ein Hotdog. In jeder anderen Stadt hätte das gleiche Zentrum keinen hinter dem Ofen hervorlocken können. Hier aber war es anders. Die Menschen kamen wegen dem KZ und machten dann natürlich gleich auch noch eine Stadtbesichtigung. Auf diese Weise verdiente die Stadt Millionen mit Touristmus, der ebenfalls wiederum nur auf dem Rücken der hier vergasten Nazi-Opfer aufgebaut war.

Eine der Touristenattraktionen war das Jüdische Museum, das gleichzeitig auch die Touristeninformation war. Wir statteten ihm einen Besuch ab, um etwas mehr über die Gegend uns die Stadt herauszufinden. Zu unserer Überraschung wurde es von zwei jungen Männern aus Österreich geführt. Es waren Zivis, die hier ihren Wehrersatzdienst ableisteten. Man sah ihnen deutlich an, dass sie sich von der ursprünglichen Idee, den Zivildienst ins Ausland zu verlagern nun nicht mehr so begeistert waren, wie sie es am Anfang gehofft hatten. Zivildienst im Ausland hatte nach Abenteuer und Erlebnis geklungen und machte Hoffnung, neue Bekanntschaften zu machen, vor allem natürlich die von Frauen. Doch so wie es aussah, war es mit dem Abenteuer hier nicht weit her. Ihr Job bestand hauptsächlich darin, ein leeres und leider auch beeindruckend nichtssagendes Museum zu bewachen und hin und wieder einmal ein paar Prospekte mit Standartinformationen rauszugeben, die niemandem wirklich helfen konnten.

Gegen 15:00 Uhr kehrten wir zum Konzentrationslager zurück. Erst jetzt verstanden wir, wie das System wirklich funktionierte. Auch ohne Eintritt brauchte man eine Eintrittskarte. Auf dieser stand dann verzeichnet, um wie viel Uhr man das Gelände der Gedenkstätte betreten durfte. In unserem Fall war das 15:30. Wir mussten also noch einmal eine halbe Stunde warten. Wie sich herausstellte war das aber nicht verkehrt, denn wir mussten ohnehin noch einmal auf unser Zimmer, da man keinen Rucksack mit auf das Gelände nehmen durfte, der größer war als ein Din A4 Blatt. Mit kompletter Kameraausrüstung wurde es also nichts. Auch dies kam uns bewusst kalkuliert vor, denn fast jeder hatte einen Rucksack dabei, der zu groß war und den er deshalb in der Gepäcklagerstelle abgeben musste. Der Eintritt selbst war frei, aber die Lagerung des Gepäcks kostete natürlich.

Die zweite Hälfte der Wartezeit verbrachten wir damit, die Leute zu beobachten, die sich vor dem Eingang tummelten. Besonders spannend war dabei eine Gruppe von Koreanern, die allesamt erboßt darüber waren, dass auch sie noch nicht durch das Eingangsportal durften. Es war eine organisierte Reisegruppe und soweit wir es erkennen konnten, hatte die Reiseleitung verpasst, die Karten so rechtzeitig zu organisieren, dass der Ablauf reibungslos stattfinden konnte. Einer der Teilnehmer dieser Reisegruppe war sogar so wütend, dass er der Frau, die die Organisation übernommen hatte, eine saftige Ohrfreige verpasste. Dies wiederum sorgte für einen heftigen Tumult unter den anderen Verstretern der Reisegruppe. Ob der Schlag gerechtfertigt war oder nicht, können wir natürlich nicht beurteilen, aber es wirkte auf jeden Fall als hätten sie einen so strickten Reiseplan dass jeder auch unter Idealbediungen schon komplett blanke Nerven hatte.

Schließlich durften wir dann doch noch an den beiden jungen Frauen vorbei, die den Eingang bewachten. Als wir durch den Übergangsbereich in das Freigelände traten, fielen wir fast vom Glauben ab. Wir hatten erwartet, hier die Reste eines Todeslagers vorzufinden, in denen man nachfühlen konnte, wie es den Menschen damals hier wohl ergangen war. Wir hatten mit einer düsteren, bedrückenden und deprimierenden Atmosphäre gerechnent, die einem den Magen verkrampfen ließ, weil man an den Ort so vieler Gräueltaten kam. Doch nichts davon war der Fall. Das Wort Museum am Eingang war vollkommen ernst gemeint gewesen. Dies war keine Andachtsstätte, in der man die Grausamkeit der Geschichte am Leben erhielt, damit sie sich nicht wiederholte. Es war ein Freilichtmuseum, so wie man es von Museumsdörfern her kennt. Die gesamte Aufmachung entsprach einer Parkanlage mit Bänken, schönen Rasenflächen und hellen, freundlichen Wegen und alles schien unter dem Motto: "Auschwitz - Der Freizeitpsaß für die ganze Familie" zu stehen.

Genau so war auch die Stimmung bei den Besuchern. Man schlenderte über das Gelände machte Fotos von den Gebäuden und ließ es sich dabei gut gehen. Ein Mann mit Cowboyhut, der vor uns her ging, knabberte dabei seine Kürbiskerne, genau so, wie man es im Kino mit einer Tüte Poppcorn machn würde. Dabei blieb er einen Moment stehen, blickte auf die Schautafel mit der Aufschrift "Die Gefangenen, die versucht haben zu fliehen und daraufhin erschossen wurden, wurden meißt zur Abschreckung der anderen hier an dieser Stelle aufgebahrt." Der Gesichtsausdruck den der Mann dabei zeigte, sagte soviel aus wie "Boa! Fett!" dann steckte er sich den nächsten Kern in den Mund, spuckte die Schale auf den Boden und ging weiter zur nächsten Attraktion. Ich spürte, wie Wut in mir aufkam, als ich den Mann beobachtete, musste aber gleichzeitig zugeben, dass er sich genau so verhielt, wie es diese Gedenkstätte provozierte. Es wollte einfach kein Gefühl von Echtheit aufkommen. Eigentlich wollte überhaupt kein Gefühl aufkommen. Es war nichts anderes, als wenn man irgendwo sonst auf der Welt zwischen alten aber gut erhaltenen Backsteingebäuden herumlief.

Als weitaus schlimmer aber empfand ich die Führungen, die hier gehalten wurden. Die Guides waren typische Touristenführer, wie man sie von anderen Museen oder von Stadtführungen her kennt und sie hatten den selben, gleichgültigen Tonfall drauf, der für solche Führungen charakteristisch ist. Es war der Vortrag eines Menschen, der täglich viele Male den gleichen Brei runterleierte und keinerlei Gefühl mehr dazu hatte. Sie erzählten keine Geschichten und ließen die Zeit des KZs nicht lebendig werden, so dass die Menschen ein Gefühl oder zumindest eine vage Vorstellung bekamen, was damals hier passiert ist. Sie beteten Zahlen und Fakten herunter, die so gewählt waren, dass niemand sie sich würde merken können. In gewisser Hinsicht war es fast schon beeindruckend, wie sie es schafften, ein so dramatisches Kapitel der Weltgeschichte so darzustellen, dass es vollkommen langweilig und belanglos klang.

Vor uns lag nun das damalige Eingangsportal, über dem der berühmte und zu tiefst makarbere Spruch "Arbeit macht Frei!" stand. Ich wusste noch, dass dieser Satz immer einen negativen Beigeschmack hatte, konnte mich aber nicht mehr daran erinnern, woher das kam. Nun wurde es mir wieder klar. Einen solchen Satz als Begrüßungsformel in ein Todescamp zu hängen, war die Perversion in sich.

Einige der alten Wohngebäude waren geöffnet und konnten auch von innen besichtigt werden. Andere waren verschlossen und man konnte durch die Fenster erkennen, dass sie heute als Lagerräume für allerlei Gerümpel oder auch als Verwaltungsgebäude für die Museumsangestellten dienten. Auch dies kam uns irgendwie makarber und respektlos vor. Die geöffneten Gebäude jedoch waren nicht so hergestellt worden, wie man es von den Bildern und Aufzeichnungen über das Lager noch wusste, so dass die Besucher ein echtes Bild bekommen konnten. Sie waren allesamt mit "Ausstellung" überschrieben und tatsächlich in typische Museen mit Vitrinen, Ausstellungsstücken und vielen Kunstelementen verwandelt worden. Am meisten schockierte mich dies bei dem Gebäude mit der Aufschrift "Chirurgische Abteilung". Dies war der Bereich des Lagers, in dem früher die Menschenversuche durchgeführt wurden. Das Leid, das in diesen Mauern steckte, war noch immer deutlich spürbar und sogar mich unsensiblen und gefühlskalten Klotz überkam ein tiefes Gefühl der Trauer, als wir die obere Etage betraten. Doch wenn wir geglaubt hatten, dass wir hier Informationen oder Bilder zu den Versuchen vorfinden würden, dann hatten wir uns geschnitten. Der "Ausstellungsraum" zeigte eine "Exposition" über das Leben der Juden in Amsterdamm. Dabei wurde sorgfältig darauf geachtet, dass alles, was ein Gefühl auslösen könnte, sofort im Keim erstickt wurde. Es gab Fotowände, Vitrinen mit Alltagsgegenständen aus Amsterdamm, Bücher und dergleichen mehr. Alles stand irgendwie in einem Bezug zur Judenverfolgung im Dritten Reich, so dass man es irgendwie rechtfertigen konnte, dass diese Ausstellung hier einen Platz einnahm. Doch letztlich tat sie nichts anderes, als das zu überdecken, was wirklich einst in diesen Räumen geschehen ist.

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Museum Auschwitz – Das Freizeitvergnügen für die ganze Familie

Höhenmeter: 380 m Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 17.951,27 km Wetter: Sonnig und extrem heiß Etappenziel: Leerstehende Wohnung in einem Privathaus, 682 01 Vyskov, Tschechien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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