Die Geschichte von Bruder Klaus

von Heiko Gärtner
20.12.2016 05:35 Uhr
28.11.2016

Pünktlich um acht saßen wir bei Luisia am Frühstückstisch und eine halbe Stunde später holte uns ihre Tochter ab, um die knapp 10km zurück nach Flüeli Ranft zu fahren. Flüeli war tatsächlich ein winziger Ort oberhalb der Schlucht, der fast nur aus Kapellen und Gasthäusern bestand. Nahe des Parkplatzes gab es außerdem ein kleines Holzhaus, das früher einmal das Wohnhaus von Bruder Klaus gewesen war. Wer aber war dieser Klaus nun eigentlich, von dem hier alle sprachen?

   

Wie viele andere Männer und Frauen seines Schlages war er zunächst einmal ein Sonderling, den viele seiner Mitmenschen nicht einschätzen konnten und der durch seinen Lebenswandel gleichzeitig verehrt und verurteilt wurde. Schon als Kind hatte er immer wieder Visionen und in einer sah er sich selbst als einen großen, hohen Turm, der den Menschen Schutz, Geborgenheit und halt gibt. Es war nicht einfach nur ein Traum oder eine Erscheinung, sondern viel mehr ein klares Zeichen dafür, was seine Lebensmission und seine Aufgabe hier auf Erden war. Eine Aufgabe, die er sehr ernst nahm. Auch wenn er ein sehr frommer und gläubiger Mann war, schlug er doch für sehr lange Zeit keinen klassischen Glaubensweg ein. Er wurde als Soldat in den Krieg berufen, kehrte zurück, heiratete, bekam 10 Kinder und wurde ein angesehenes und geachtetes Mitglied seiner Gemeinde. In sofern unterschied er sich vielleicht zunächst gar nicht mal so sehr von seinen Mitmenschen, bis auf eine Sache. Er hatte von Anfang an eine sehr starke Herzens- und Gottverbindung, nach der er stets zu handeln versuchte. Was andere über ihn sagten oder dachten war ihm egal und er handelte immer so, wie er es mit seinem Herzen vereinbaren konnte. Dadurch war er auch in der Lage, zu erkennen, ob andere nach ihrem Herzen oder nach ihrem Ego handelten. Oft sah er es ihnen nicht nur an sondern bekam auch hier visionenartige Bilder. Obwohl er selbst weder lesen noch schreiben konnte wurde er durch diese Fähigkeit schließlich zum Richter. Er urteilte nicht nach Recht und Unrecht im Sinne des Gesetzes, sondern spürte und erkannte, wann ein Mensch tugendhaft handelte und wann nicht. Als er einmal gemeinsam mit einigen anderen Richtern über einem Prozess saß, kam es zu einer Art Komplott. Einige der anderen Gesetzesvertreter versuchten den Fall aufgrund von persönlichen Vorteilen zu beeinflussen und logen daher was das Zeug hielt. Sie logen sehr gut, so dass niemand merkte, was hier gespielt wurde, doch Bruder Klaus, der zu diesem Zeitpunkt noch kein Bruder war und einfach Niklaus hieß, sah plötzlich, wie den Männern rote Höllensflammen aus den Mündern quollen. Wie sich später herausstellte, hatte er mit seiner Vision recht.

Visionen begleiteten ihn sein ganzes Leben lang und zeigten ihm immer wieder auf, welchen Weg er gehen sollte. Schließlich aber stand er vor seiner wohl härtesten Entscheidung. Sein Herz oder die göttliche Stimme in ihm, sagte ihm, dass er aufbrechen und seinen Weg als Einsiedler gehen sollte. Dies war wohl die Entscheidung, die am stärksten auf Unverständnis in seinem Umfeld stieß. Er ließ seine Familie, seine Frau, seine Kinder und sein komplettes, altes Leben hinter sich und zog als Wander- und Bettelmönch hinaus in die Welt. Es dauerte jedoch nicht allzu lange, bis er spürte, dass auch dies noch immer nicht sein Weg war. Das Leben als Einsiedler war stimmig, aber die Fremde passte für ihn nicht. So kehrte er schließlich nach Flüeli zurück, jedoch nicht um dort bei seiner Familie zu leben. Es muss hart gewesen sein, direkt an seinem früheren Heim und an Frau und Kindern vorbeizugehen, doch er tat es und stieg tief in die Schlucht, den sogenannten „Ranft“ hinab. Auf diesem Weg folgten wir ihm nun gemeinsam mit unserer Führerin. Heute gab es hier einen schmalen asphaltierten Weg, den es zu Bruder Klaus Zeiten sicher noch nicht gegeben hat. Unten, direkt über dem kleinen aber wilden Bachlauf, der einst die Schlucht in das Land gerissen hatte, fanden wir eine kleine Kapelle mit einem winzigen Häuschen, sowie ein bescheidenes Kloster. Letzteres wurde von einigen Nonnen und einem Pfarrer bewohnt, die heute den Ranft betreuten. Als Niklaus hier herabstieg gab es nichts von alledem. Das winzige Häuschen, dass man sich heute anschauen kann, wurde von ihm errichtet, als ein bescheidenes Heim, in dem er den Rest seines Lebens verbrachte. Wie bescheiden es war, erkannten wir erst als wir uns im Inneren befanden. Es bestand aus zwei dunklen und erstaunlich niedrigen Räumchen mit kaum mehr als einer schmalen Holzbank darin. Die Bank diente Bruder Klaus als Bett und auch wenn sie so schmal war, dass man bereits im Sitzen Angst hatte, herunterzurutschen, stellte sie seinen ganzen Luxus dar. Die Kapelle, die direkt an das Haus angliederte und in die man durch ein kleines Fenster aus dem Schlafzimmer hineinblicken konnte, entstand auch erst lange Zeit später. Unsere Führerin erzählte uns, dass sie vor vielen Jahren hier in dieser Kapelle geheiratet hatte. Eigentlich wurden hier keine Hochzeiten durchgeführt, aber da sie einen ganz speziellen Bezug zu Bruder Klaus und auch zu diesem Ort hatte, war es ihr gelungen, den Pfarrer zu überzeugen, für sie eine Ausnahme zu machen. In ganz kleiner Runde waren sie dann gemeinsam den steilen Pfad zur Kapelle hinabgestiegen und hatten hier den Bund der Ehe geschlossen. Noch heute kam sie oft alleine oder mit ihrem Mann hier her um zu beten und um eine Kerze anzuzünden. Auch für uns steckte sie nun eine an. „Möge euch das Licht auf euren Wegen begleiten!“ sagte sie dazu. Etwas weiter hinten im Tal stand eine weitere, größere Kirche. Auch sie war in Gedenken an Bruder Klaus errichtet worden, doch sie war wesentlich größer und prunkvoller als die erste. „Diese hier wäre mir zum Heiraten viel zu kitschig gewesen!“ meinte sie mit einem Lächeln, als wir vor dem vergoldeten Altar standen.

Bruder Klaus selbst hatte die Einfachheit als Weg zu sich und zu Gott perfektioniert. Nicht nur sein Bett zeugte davon, auch seine Kleidung und seine Ernährung. Er trug nur noch eine Robe, Sommer wie Winter und ging stets barfuß. Eines Tages hatte er eine weitere Vision, in der er von einem Engel mit einem Speer durchstochen wurde. Schon als Kind hatte er viel und häufig gefastet doch diese Vision zeigte ihm noch einmal einen neuen Weg auf. Er begann nun überhaupt nichts mehr zu essen und sich ähnlich wie einige Yogi-Mönche rein von Lichtenergie zu ernähren. Zwanzig Jahre lang rührte er nun keinen Bissen Nahrung mehr an. Doch Bruder Klaus war weit mehr als ein Licht essender, barfüßiger Kauz, der allein in einer Schlucht lebte. Er war ein Fels in der Brandung für jeden, der Rat, Hilfe oder Schutz suchte. Von überall her kamen die Menschen, wenn sie nicht weiter wussten und baten ihn um Unterstützung. Die genauen Umstände konnten wir bislang noch nicht in Erfahrung bringen, doch einer seiner größten Erfolge war es, dass es ihm gelang einen Bürgerkrieg zu verhindern, der die Schweiz wahrscheinlich bis in ihre Grundfeste erschüttert hätte. Diesem Umstand verdankt er es auch, dass er später zum Schutzpatron der Schweiz ernannt wurde. Ich ganz persönlich war aus mehreren Gründen fasziniert vom Leben dieses Mannes und gleichzeitig fand ich es äußerst erstaunlich, wie viele Parallelen auch sein Leben zu dem von Franz von Assisi hatte. Beide waren ausgezogen, um ihren Weg in der ferne zu suchen und am Ende waren sie wieder direkt vor der eigenen Haustür gelandet, jedoch ohne den Kontakt zu ihren Familien je wieder aufzunehmen. Auf dem Heimweg erfuhren wir auch noch einiges über unsere Fremdenführerin und ihre eigene Verbindung zu Bruder Klaus. Sie war die jüngste von Luisias Kindern und galt von daher stets als die Liebe, Kleine. Sie spürte jedoch, dass weit mehr in ihr steckte, das dringend nach außen wollte. Sie war eine Heilerin mit großen Kräften, die in ihr schlummerten, die jedoch nie wirklich aus ihr raus durften. Das spürte sie selbst, und das spürten auch wir, als wir uns mit ihr unterhielten. Die Krux an der Sache war nur, dass sie sich selbst einredete, schon längst auf dem Weg zu sein, auf den ihr Herz sie führen wollte.

„Ich tue ja schon genau die Dinge, die ich machen will!“ meinte sie, „Ich arbeite in einer Kinderkrippe und kann dort viel weitergeben. Ich habe mir sogar schon Visitenkarten gedruckt, über die ich nebenbei Heilungen anbiete.“ Heiko und ich mussten grinsen. Wir kannten dieses Gefühl nur allzu gut, da wir es selbst immer wieder gefühlt und geglaubt hatten. „Du kannst es dir ein bisschen so vorstellen“, erklärte ich, „In dir steckt beispielsweise das Potential um einer der genialsten Herzchirurgen der Erde zu werden, doch du bist gerade Sprechstundenhilfe in einer kleinen Arztpraxis. Klar arbeitest du auch hier im medizinischen Bereich und man könnte nun sagen, dass du ja zumindest ein Stück weit auf dem richtigen Weg bist. Aber trotzdem bist du eben nicht da, wo du hingehörst. Es ist nichts anderes, als wenn du ein Kabelträger beim Fernsehen bist, obwohl in dir das Potential eines großartigen Regisseurs steckt.“ Dass es gerade Bruder Klaus war, zu dem sie so eine starke Verbindung spürte, kam auch nicht von ungefähr. So wie einst der Familienvater alles aufgeben musste, um zum Bruder zu werden, spürte auch sie, dass sie sehr viel loslassen musste, um wirklich ihrem Herzensweg zu folgen. Ein Gefühl, dass auch wir nur allzu gut kannten. Nach unserem kleinen Exkurs zu Bruder Klaus verabschiedeten wir uns von Luisia und ihrer Tochter und machten uns wieder auf den Weg. Der steile Berghang hatte sich in der Zwischenzeit leider nicht aufgelöst sondern lag noch immer direkt vor uns. Nun wollte er beklommen werden. So schön die Aussicht von hier auch über das Tal war, so entsetzt waren wir doch wieder darüber, wie sehr man es mit Zivilisationslärm zerstört hatte. Neben der Autobahn und der Zahnradbahn, die ebenfalls zum Pass hinauf führten wurde das Gebiet vor allem durch eine Steinverarbeitungsfirma beschallt. Das dumpfe Rauschen hallte von allen Seiten von den Berghängen wieder und erfüllte so das ganze Tal, bis hoch zum Pass. Der Zivilisationslärm war wie ein düsterer Schatten, der über der ganzen Schweiz zu liegen schien. Wenn man die Geräusche, sowie die vielen Strommasten und die häufigen Bausünden für einen Moment ausblendete, dann spürte man plötzlich wieder die Magie, die dieses Land einst ausgestrahlt haben musste. Dass die Menschen hier früher einmal einen viel direkteren Bezug zur geistigen Welt, also zu Engeln, Hütern, Waldgeistern und auch zu Mutter Erde hatten, war absolut kein Wunder. Die Barriere zwischen der physischen und der geistigen Welt war hier deutlich dünner, als an vielen anderen Orten. Doch um sie zu überschreiten brauchte man Stille und die gab es heute nicht mehr. So klar wie die Verbindung zur Natur hier früher einmal gewesen war, so klar war es nun, dass kaum noch jemand sie mehr aufbauen konnte.

   

Hinter dem Pass erreichten wir ein Hochplateau mit einem weiteren See. Auch dieser lag absolut traumhaft und wäre ohne die Autobahn an seinem Ufer ein herrliches Paradies gewesen. Für einen kurzen Moment führte uns unsere Straße hinter einen kleinen Berg, der nun zwischen uns und dem Ufer lag. Hier gab es ein kleines Dorf mit rund 20 Häusern, die sich über den Hang verteilten. Zum ersten Mal seit Tagen herrschte vollkommene Stille und man konnte für einen kurzen Moment erahnen, wie schön es hier einst gewesen ist. Kaum aber hatten wir das Ufer des Sees wieder erreicht, schallten auch schon die LKWs von der anderen Seite zu uns herüber. Vor uns lag nun der Brüning-Pass und rechts von uns, irgendwo versteckt im dichten Nebel befand sich der Kaiserstuhl. Wenige Minuten später erreichten wir Lungern, die Stadt am Fuße des Passes. Vollkommen erfroren suchten wir hier das Pfarramt und bekamen glücklicherweise auch sehr schnell einen gut beheizten Raum. Die Föhnwinde waren bereits seit Tagen vorbei und nun war fast stündlich spürbar, wie es kälter und kälter wurde. Den Nullpunkt überstiegen die Temperaturen vielleicht noch für einen kurzen Moment am Mittag. Sonst blieben wir im Gefrierbereich.

Spruch des Tages:

Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. (Gebet von Bruder Klaus)

Höhenmeter: 380 m Tagesetappe: 18 km Gesamtstrecke: 19. 518,27 km Wetter: teils sonnig, teils bewölkt, aber immer kalt Etappenziel: Gästezimmer des Kapuzinerinnenklosters, Freiburg, Schweiz

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

27.11.2016 Der eigentliche Jakobsweg hätte uns weit hoch in die Berge geführt, worauf wir lieber verzichteten. Allein schon deshalb, weil Heiko trotz des gestrigen Schlemmerabends noch immer gut 20kg Übergepäck auf seinem Wagen hatte. Stattdessen folgten wir kleinen Nebenstraßen, die uns noch immer weit genug rauf und runter führten. Schließlich erreichten wir ein kleine, überdachte Brücke, die über einen beeindruckend tiefen Canyon führte. Links und rechts der Brücke waren breite Stahlnetze gespannt worden, die verhinderten, dass jemand von der Brücke in die Schlucht springen konnte. So wie es aussah, wollte man damit verhindern, dass sich jemand hier in den Tod stürzte. Eine schlechte Idee war es sicher nicht, denn wenn sich jemand umbringen wollte, dann lud dieser Ort geradewegs dazu ein. franz bujor mahlzeit Unsere Straße verlief nun unterhalb einer kleinen Ortschaft, die den recht ulkigen Namen Flüeli Ranft trug. Das Dorf hatte kaum mehr als zwanzig Einwohner, war aber dennoch in unserem Wanderführer als Etappenziel vorgeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, was es damit auf sich hatte, weshalb wir beschlossen, den weiteren steilen Anstieg auszulassen und stattdessen der Straße hinunter bis zum See zu folgen. Dort durchquerten wir eine weitere Ortschaft und kamen schließlich an eine steile Felswand. Irgendwo hinter dieser Wand lag ein weiterer See und zu diesem führte auch der Jakobsweg. Das der Anstieg kein Zuckerschlecken werden würde, wurde uns spätestens dann klar, als wir sahen, wie steil sich die Bahn und die Autobahn nach oben wanden. Normalerweise bekamen diese ja immer den seichtesten Anstieg und wenn das was wir sahen das Seichteste war, das hier machbar gewesen war, dann verhieß das bei weitem nichts gutes. Der Blick auf den bevorstehenden Anstieg weckte jedenfalls die Motivation in uns, gleich hier an Ort und Stelle einen Schlafplatz zu suchen. Im Pfarramt machte niemand auf, aber an einer Informationstafel entdeckten wir zwei Nummern. Die erste leitete uns zu einer Pastorin, die versprach, eine Lösung für uns zu suchen und sich dann wieder zu melden. Die zweite gehörte dem Vikar, der im Pfarramt wohnte, in dem es auch einen kleinen Saal gab, der wie der perfekte Schlafplatz für uns aussah. Leider war der Mann nicht allzu freundlich und behauptete mehrfach, dass der besagte Saal gar nicht existiere. „Das kommt mir komisch vor“, entgegnete ich, „denn ich stehe gerade direkt davor!“ Daraufhin legte der Vikar einfach auf. Für einen Moment glaubte ich, dass damit die Chance auf einen Platz vor dem Anstieg vertan war, doch genau in diesem Moment rief die Pastorin wieder an. Sie hatte ein Gästezimmer bei einer älteren Dame für uns organisiert, die häufig Jakobspilger und andere Reisende aufnahm. Sie verlangte zwar eine Gebühr für die Übernachtung, aber diese würde in unserem Fall von der Kirche übernommen. Wir waren begeistert, aber auch etwas irritiert darüber, wie unterschiedlich die einzelnen Mitarbeiter der gleichen Kirche mit der gleichen Frage umgingen. Der Platz im Pfarrsaal hätte uns ja vollkommen ausgereicht und er wäre umsonst gewesen. Die Unfreundlichkeit des Vikars sorgte also dafür, dass seine Kirche nun plötzlich Kosten hatte, die eigentlich nicht hätten sein müssen. rose eis Als wir bei der alten Dame ankamen, sahen wir die Dinge jedoch noch einmal anders, denn es war vollkommen in Ordnung, dass diese Frau durch das Hin und Her ein bisschen was verdiente. Trotz ihrer 85 Jahre war sie eine muntere und aufgeweckte Frau, die sich über jeden Besuch freute und diesen auch sehr herzlich bewirtete. Als wir ankamen, war sie jedoch ein klein wenig unter Zeitdruck, denn wir hatten ihr Haus ungünstigerweise nur wenige Minuten vor dem Start eines Formel-1-Rennens erreicht. Das Rennen selbst war ihr nicht ganz so wichtig, aber seit ihre Enkel ihr vor 5 Jahren eine Karte für einen Besuch beim Grand-Prix in Italien geschenkt hatten, hatte sie Feuer gefangen und wollte unbedingt den Start von jedem Rennen sehen. Später fuhr sie dann gemeinsam mit der Pastorin auf ein Konzert, auf das sie auch uns mit einluden. Wir lehnten jedoch ab. So spannend die Mischung aus Orgelspiel und Jodelgruppe auch klang, waren wir doch sicher, dass es nicht so ganz unser Geschmack war. Am Abend saßen wir dann aber noch für eine lange Zeit zusammen und tauschten uns über Reise- bzw. Gäste-Erfahrungen aus. In der Zeit in der unsere Gastgeberin nun bereits Pilger und Reisende aufnahm, hatte sie sehr viel erlebt. Sie selbst betätigte sich auch als Schriftstellerin und schrieb vor allem die Biografien und Erlebnisse ihrer Familienmitglieder auf. Beim Essen erfuhren wir auch, was es mit dem besagten Flüeli Ranft auf sich hatte. Es war der Ort, an dem Bruder Klaus einen Großteil seines Lebens verbracht hatte. Bruder Klaus ist der Schutzpatron der Schweiz und ein sehr ungewöhnlicher Heiliger mit einer ganz besonderen Lebensgeschichte. Davon sollten wir dann aber erst am nächsten Morgen mehr erfahren, denn dann bekamen wir eine private Führung über die heiligen Plätze. Die Tochter unserer Gastgeberin hatte in einem Telefongespräch mitbekommen, dass wir an Flüeli Ranft vorbeigewandert waren, ohne es uns anzusehen. Das war ihrer Ansicht nach vollkommen inakzeptabel und so bot sie sich an, uns noch einmal mit dem Auto dort hinzubringen. Spruch des Tages: Sei unverschämt Glücklich - Das ärgert sie am meisten! (Spruch auf einer Ansichtskarte) Höhenmeter: 430 m Tagesetappe: 27 km Gesamtstrecke: 19. 500,27 km Wetter: sonnig und freundlich, aber kalt Etappenziel: Gemeinschaftsraum des katholischen Pfarramtes, 1713 St. Antoni, Schweiz Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

26.11.2016

Pünktlich um 10:00 Uhr standen wir am Treffpunkt vor der Gemeindeverwaltung Oberdorf bereit und kurz darauf kamen auch Heikos Vater und Rainer mit dem Auto vorgefahren. Zu meiner Überraschung waren sie aber nicht die einzigen, die aus dem Wagen stiegen. Auch Heidi war mitgekommen um uns noch einmal zu besuchen.

Der Inhalt unserer Wagen lag bereits auf einer Plane, so dass sie leer und damit umbaubereit waren. Rainer hatte vier Holzböcke mitgebracht, auf denen sie nun platziert wurden und sofort ging es ans Werk.

Rainer hatte viele Jahre lang im Rennsport als Automechaniker gearbeitet und war dort unter anderem für den reibungslosen Ablauf der Boxenstopps verantwortlich. Das ihm dies noch immer im Blut lag merkte man auch heute noch deutlich. Insgesamt brauchte er gerade einmal zweieinhalb Stunden, um beide Wagen in ihre Bestandteile zu zerlegen, neue Bremsen einzubauen und alles wieder zusammenzusetzen.

Und dies sogar trotz Panne, denn bei meinem Wagen brach ein Gewinde aus, so dass wir hier wirklich alles auseinander pflücken mussten, um einen Befestigungsring zu tauchen. Anders als der Besitzer des Kaiserhofes in Österreich waren die Schweizer vollkommen entspannt und störten sich nicht im geringsten an den Fremden, die hier auf dem Rathausplatz eine Werkstatt eröffnet hatten. Und das obwohl wir ausgerechnet ein Wahlwochenende erwischt hatten.

Eigentlich hatten wir das Rathaus als Treffpunkt gewählt, weil wir sicher waren, hier am Wochenende niemanden anzutreffen. Doch stattdessen, wimmelte es geradezu vor Menschen, die ihre Wahlentscheidungen in einen Briefkasten warfen.

Doch der Trubel hatte auch etwas gutes, denn auf diese Weise trafen wir auch zwei Rathausmitarbeiterinnen an, die uns erlaubten, den Rathausstrom für unser Laminiergerät zu nutzen. Dadurch sind wir nun auch gleich wieder für Frankreich gerüstet, zumindest was die Plakate an unserem Wagen anbelangt.

Heiko und Heidi unternahmen zwischenzeitig einen kurzen Spaziergang in den Ort und hatten so sogar etwas Zeit für sich.

Als alles fertig war, gab es noch ein gemeinsames Picknick. Heikos Mutter war zwar nicht mitgekommen, hatte uns fünf aber mehr als ausreichend mit Essen versorgt.

Es war so viel, dass wir bei weitem nicht alles essen konnten, doch es war nichts im Vergleich zu dem, was wir noch mit auf den Weg bekamen. Heiko schätzte die Tüte auf rund 20kg und hatte ordentlich Mühe, sie auf dem Wagen zu verstauen.

Zum Glück war die Strecke, die wir am Nachmittag zurücklegten relativ eben. Bevor wir wieder in die Berge kommen müssen wir auf jeden Fall reichlich schlemmen, denn sonst rollt Heiko wahrscheinlich einfach wieder rückwärts den Berg hinunter. Gut also, dass wir nun wenigstens anständige Bremsen haben.

Am Abend trafen wir im Nachbarsort auf einen Pfarrer aus Köln, der uns ein kleines Pilgergästezimmer zur Verfügung stellte.

Spruch des Tages: Danke für das schnelle Pilgerwagen-Tuning zwischendurch!

Höhenmeter: 460 m Tagesetappe: 20 km Gesamtstrecke: 19. 473,27 km Wetter: sonnig und freundlich, aber kalt Etappenziel: Bastel- und Fernsehzimmer im Keller des evangelischen Pfarrhauses, 3132 Riggisberg, Schweiz

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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