Tag 971: Wandern in der Slowakei

von Heiko Gärtner
09.09.2016 22:07 Uhr

15.08.2016

Auch die Slowakei machte auf uns den Eindruck, ein schönes und angenehmes Wanderland zu sein. Wir blieben den ganzen Tag auf kleinen Straßen und auf Feldwegen, begegneten nahezu keinem Menschen und keinem Auto und konnten das Wandern in der Stille so richtig genießen. Es war hier nicht spektakulär oder irgendwie besonders, aber es war friedlich und schön und es wirkte irgendwie vertraut und heimisch.

Bei einem kleinen Picknick im Wald testeten wir noch einmal die nächsten Sanktionen aus, die sich bei mir schon wieder angesammelt hatten. Es waren 16 Minuten Brennesseln und 205 Kneifer. Ganz so schlimm wie am Anfang waren die Brennesseln nun nicht mehr und es gelang mit immer leichter, sie anzunehmen. Trotzdem spürte ich noch immer die extreme Angst in mir und auch ein Gefühl von Verzweiflung kam wieder in mir auf. Die letzten sechs Minuten der Sanktionszeit verbrachte ich damit, selbst durch das Brennnesselfeld zu laufen, auf sie einzuschlagen, die um mich zu winden und an meinen Körper zu drücken. ich spürte dabei, wie eine immense Wut in mir aufstieg und ich beide verletzen wollte, sowohl die Brennnesseln als auch mich selbst. Es war jedoch nicht die Wut eines Erwachsenen, sondern die Wut eines kleinen Kindes, das sich trotzig gegen eine klare Anweisung seiner Mutter wehrt. Ein bisschen so, als wollte ich sagen: "Ich will aber noch nicht ins Bett!!!!" Es war, als würde ich nun noch einmal die Phasen durchleben, die ich als kleiner Jung hätte ausleben wollen, mir aber damals selbst verboten habe, da ich ein braver Sohn sein wollte. Bis zu unserem Zielort führte uns der Weg nun auf einem schier endlosen Damm entlang eines Flusses weiter. Als wir im Ort ankamen, hatte sich der Himmel bereits so zugezogen, dass es jeden Moment zu regnen beginnen musste. Im Garten eines Hauses neben der Kirche traf ich einen Mann, den ich nach dem Pfarrer fragte. Dieser sei nicht da, aber ich solle bei seinem Nachbarn klingeln, denn der sei hier der Boss, der uns weiterhelfen könne. Mit dieser Information klingelte ich an der genannten Adresse und landete bei einer Farmerfamilie, die uns tatsächlich weiterhelfen konnte. Wir bekamen das Gemeindehaus zur Verfügung gestellt, das so schön, gepflegt und modern war, wie wir es seit Deutschland nicht mehr erlebt hatten. Die Schwester unseres Gastgebers kam später noch einmal mit einem Mittagessen vorbei und blieb noch für ein längeres Gespräch. Es war lange her, dass wir von unserer Reise erzählen konnten und ich geriet dabei in eine Art Flash, bei dem ich kaum noch aufhören konnte. Wenn die arme Frau gewusst hätte, dass ich gleich so loslegen würde, hätte sie sich die Frage zu unserer Reise wahrscheinlich gespart.

Trotz unsere frühen Ankunft und trotz meines Wunsches, die Zeit zu nutzen, um den immensen Rückstand aufzuarbeiten, den ich mir durch das Buch und meinen Bericht über meine Wandlung zum Mönch eingehaldelt hatte, kam ich so gut wie überhaupt nicht voran. Ich spürte, dass ich vollkommen unkonzentriert war und es war, als würde die Zeit in der doppelten Geschwindigkeit an mir vorbeirasen. Ich hielt mich so gut es ging mit Kaffee wach und arbeitete bis um 05:00 Uhr in der früh, ohne dabei jedoch nennenswert voranzukommen. Irgendetwas blockierte mich und führte dazu, dass ich uneffektiver wurde als je zuvor. Die Frage war nur: Was?

Spruch des Tages: Wahrer Wohlstan bedeutet, mit dem zufrieden zu sein, was man hat.

Höhenmeter: 1300 m Tagesetappe: 22 km Gesamtstrecke: 17.602,27 km Wetter: überwiegend sonnig und warm, abends das heftigste Gewitter aller Zeiten Etappenziel: Kloster Kalwaria, Kalwaria Zebrzydowska, Polen

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

14.08.2016

Später am Abend bekamen wir noch einmal Besuch von unserem Gastgeber. Seine Englichkenntnisse hielten sich stark in Grenzen, weslhalb er einen Zettel mitbrachte, auf den er mit Hilfe von Googletranslater eine Botschaft geschrieben hatte: "Mitkommen, ich euch Ort zeigen!" Zunächst dachten wir, dass wir einen kurzen gemeinsamen Spaziergang machen würden, doch stattdessen erwartete uns der Jeep des Mannes, mit dem wir nun eine kleine Spritztour unternahmen. Zunächst ging es zum historischen Museum. Der kleine Ort hatte sich vor einigen Jahren als Fundgrube für arschäologische Ausgrabungen entpuppt und war in der Region daher zu einiger Berühmtheit gelangt. Das Museum hatte jedoch geschlossen, so dass wir es uns nur von außen anschauen konnten. Dann ging es weiter über die holprigen Feldwege mitten durch die schier endlose Agrarwüste.

"Dies alles gehört mir!" sagte unser Gastgeber. "Bis da vorne zur Grenze sind alles meine Felder." Tatsächlich war es sehr beeindruckend, wie viel Land einem einzelnen Menschen gehören konnte. Um dies noch einmal zu verdeutlichen, fuhren wir mit dem Jeep auf eine Anhöhe, so dass wir von oben über das gesamte weite Land blicken konnten. Anschließend machten wir noch einen kurzen Zwischenstopp in einem großen Gemüsegarten, in dem die Familie alles anbaute, was sie so zum Leben brauchte. Hier durften wir dann noch einmal Wein, Tomaten und Pflaumen ernten, bevor wir wieder zurück in unser Heim fuhren. Spannend war dieser Tripp aber vor allem deswegen, weil wir so noch einmal ein Gefühl für einen Geländewagen bekommen konnten. Auch ein Fahrzeug wie dieses kam zukünftig als Begleitwagen für schwierige Länder in Frage. Doch so wirklich überzeugt waren wir noch nicht. Klar kamen wir überall durch, aber es schaukelte so arg, dass uns beiden dabei schlecht wurde. Wirklich Spaß machte die Offroad-Tour eigentlich nur, als wir den Berghang hinunterheizten und als wir durch die richtig tiefen Schlaglöcher fuhren. Die kleinen Boller in der Straße waren hingegen eher zum Abgewöhnen. Irgendwie musste man also eine Möglichkeit finden, das Schaukeln zu verringern. Am nächsten Morgen bekamen wir Besuch vom Vater unseres Gastgebers, der uns zunächst ein Frühstück vorbei brachte und uns dann das alte Mopet seines Vaters zeigte. Es war eine gut gepflegte Maschine, bei der man sofort spürte, dass er eine besondere Verbindung dazu hatte. Er zeigte sie uns nicht, weil er sie präsentieren wollte, sondern weil er etwas mit uns teilen wollte, das ihn bewegte. Im Anschluss machten wir dann noch einmal eine Landbesichtigung, nun aber ohne Auto und mit dem Vater. Spannend war, dass wir beide Male fast genau die gleiche Strecke zurücklegten, aber etwas vollkommen anderes zu sehen bekamen. So hatte uns der Junge am Vortag seinen Besitz gezeigt. Der Vater hingegen zeigte uns nun seinen Reichtum. Auch er führte uns durch die Ländereien, die ihm bzw. seiner Familie gehörten, jedoch nicht, um sich damit zu profilieren, sondern um das mit uns zu teilen, was ihm selbst am meisten bedeutete. er führte uns auf eine Weide, auf der einige ungewöhnliche Kühe grasten, die wir so noch nie zuvor gesehen hatten. Sie sahen auf ihre Art so ulkig aus, dass man sie sofort gern haben musste und es war klar, dass der Alte sie nicht gekauft hatte, weil sie besonders profitabel waren, viel Fleisch ergaben oder viel Milch produzierten. Er hatte sie gekauft, weil sie ihm taugten und weil es ihm jedes Mal eine Freude machte, sie zu sehen. Der Junge hatte sie uns am Vortag ebenfalls gezeigt, jedoch nur von Weitem und im Vorbeifahren mit dem kurzen Kommentar: "Die Kühe da gehören auch mir!"

Auch mit dem Vater gingen wir auf die Anhöhe und suchten uns dabei wieder exakt den gleichen Aussichtspunkt wie am Vortag. Doch auch hier war das Erleben ein vollkommen anderes. Wir waren nicht hier, um den Besitz zu bewundern, sondern um die Aussicht zu genießen. "Hier her komme ich gerne," sagte der alte Mann, "einfach um in Ruhe zu sein um in die Ferne zu blicken und um meine Gedanken schweifen zu lassen!" Als wir dan durch den Gemüsegarten schlenderten, zog der Mann ganz gezielt die Weinreben raus, die bereits am süßesten waren. Er hatte ein Gefühl für die Pflanzen und wusste genau wie sie wachsen. Ähnlich war es auch mit den Tomaten und sogar mit den Pfirsichen, die er von einem Baum zupfte. Dann führte er uns noch an seinen Lieblingsplatz unter einem Baum, wo er sich gerne nach getaner Arbeit hinsetzte um den Tag ausklingen zu lassen.

Spannend war, dass wir für diesen entspannten Fußweg deutlich weniger Zeit gebraucht hatten, als für die Jeepfahrt ab Vorabend, und das obwohl wir viel mehr wahrnehmen und viel mehr genießen konnten. Es war immens, diesen großen Unterschied zwischen dem Leben des Vaters und dem des Sohnes zu sehen. Am auffälligsten war, dass das Vater vollkommen zufrieden war, mit dem wer oder was er war. Er war ein Bauer, nicht mehr und nicht weniger und dies war er aus vollem Herzen. Sein Sohn hingegen wollte mehr sein. Deswegen war ihm auch der Besitz so wichtig, deswegen hatte er das Amt des Bürgermeisters übernommen und deswegen musste er uns seinen Geländewagen präsentieren. Die Situation zeigte noch einmal deutlich, dass Zufriedenheit nichts mit dem Außen zu tun hat. Zwei Menschen konnten exakt das gleiche besitzen und dabei vollkommen unterschiedlich zufrieden sein. Für den einen war der Istzustand der vollkommene Reichtum und Wohlstand, weil er ihn mit dem Herzen wahrnehmen konnte. Für den anderen konnte es nie genug sein, weil er zu dem, was er besaß keinen direkten Bezug hatte.

Nachdem wir uns vom Vater verabschiedet hatten, wanderten wir auf einer Asphalt-Straße durch die Felder unserer Gastgeber, bis wir schließlich an ein kleines unauffälliges Schild mit der Aufschrift "Slowakei!" kamen. Gegenüber der Grenze, die wir von der Ukraine her überquert hatten, wirkte dies fast Lachhaft. Europa war wirklich eine Festung. Die Mauern nach außen hin waren nahezu undurchdringlich. Hatte man es aber erst einmal ins Innere geschaft, konnte man sich vollkommen frei bewegen und bekam nicht einmal mehr mit, dass man über eine Landesgrenze trat. Tatsächlich änderte sich mit dem Grenzübertritt zunächst einmal überhaupt nichts. Alles sah noch immer genauso aus wie in Ungarn. Wie wir kurz darauf erfahren sollten, war es das auch. Dieser Teil der Slowakei wurde nämlich tatsächlich fast ausschließlich von Ungarn bewohnt.

Man lernte Slowakisch hier in der Schule, aber zu hause wurde Ungarisch gesprochen und die Menschen sahen sich selbst auch nicht als Slowaken an. Dies wirkte sich auch auf ihre Persönlichkeit aus und so erfuhren wir auch hier die gleiche offene Gastfreundschaft, die wir aus Ungarn gewohnt waren. Gleich beim ersten Versuch trafen wir auf eine Pastorenfamilie, die uns sofort zum Essen einlud und sich dann um unseren Schlafplatz kümmerte. Sie selbst hatten bereits ein volles Haus, weil am Abend eine Fahrradtruppe vorbeikommen und ebenfalls hier übernachten wollte. Doch ein kurzes Gespräch mit dem Bürgermeister genügte und wir hatten einen Platz im örtlichen Kulturhaus der Gemeinde sicher. Bei der Hausführung präsentierte uns der Bürgermeister auch eine Gefriertruhe voller Rehfleisch, aus der wir uns bedienen durften. Zwei Tage zuvor hatten wir von unserem Verlag das lektorierte Buch zurück bekommen, um noch einmal die letzten Änderungen vorzunehmen.

Damit wurden wir heute fertig, so dass wir unser Buchprojekt nun endgültig abgeschlossen hatten. Dies konnten wir nun am Abend ordentlich feiern, in dem wir uns einen saftigen Rehrücken im Ofen zubereiteten. Nach der langen Zeit in Osteuropa, in der wir nahezu ohne jedes kulinarische Highlight auskommen mussten, war dies eine wahrer Genuss und definitiv eine angemessene Belohnung für die getane Arbeit.

Spruch des Tages: Wahrer Wohlstan bedeutet, mit dem zufrieden zu sein, was man hat.

Höhenmeter: 840 m Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 17.580,27 km Wetter: überwiegend sonnig und warm Etappenziel: Kleines Gemeindehaus, Trzebunia, Polen

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13.08.2016

Bevor wir unser kleines Holzhäuschen bezogen hatten, konnten wir einen kurzen Blick in die Fabriken unserer Gastgeber werfen. Er waren Industrienähereien, in denen verschiedene Kleidung hergestellt wurde. In einer großen, alten Halle saßen die Frauen an langen, in Reihen aufgestellten Tischen, an ihren Maschinen und nähten was das Zeug hielt. Die Rahmenbedingungen mochten hier besser sein, und doch kamen wir nicht umhin, den Anblick der Frauen im Licht der Leuchtstoffröhren und den rhythmisch tackernden Lärm der Maschinen sofort mit einem Gefühl von Sklavenarbeit zu verbinden. Klar waren es keine Sklaven im eigentlichen Sinne, da sie ja bezahlt wurden. Aber dennoch waren es Arbeitsbedingungen, die definitiv krank machten. Am nächsten morgen lernten wir unseren Gastgeber dann noch persönlich kennen. Er war ein netter junger und aufgeschlossener Mann und damit beeits der zweite grundsympathische Sklaventreiber, den wir auf unserer Reise kennenlernen durften.

Kurz hinter unserem Gästehaus endete unsere Straße wieder einmal an einem Fluss, über den man nur mit einer Fähre übersetzen konnte. Dieses Mal befand sich die Fähre jedoch auf der anderen Seite des Flusses und im ersten Moment sah es nicht so aus, als wäre überhaupt ein Fährmann anwesend. Direkt neben der Überfahrtstelle gab es jedoch einen kleinen Campingplatz mit einer Bar, in der wir nach weiteren Informationen fragen konnten. Der Campingplatzbesitzer war zunächst vollkommen erstaunt, warum wir denn auf die andere Seite des Flusses wollten. "Es macht keinen Sinn, überzusetzen", meinte er, "auf der anderen Seite gibt es nur noch Felder und dann kommt schon die Grenze zur Slowakei. Sicher, dass ihr da hin wollt?" Wir grinsten. "Ja, genau da wollen wir hin!" Wir erzählten ein bisschen von unserer Reise und am Ende war er so fasziniert, dass er sogar die Kosten für die Fähre übernahm. Dann ging er mit uns ans Ufer und schrie auf die andere Seite hinüber. Wir verstanden nicht genau was er sagte, aber es wird in etwa das Folgende gewesen sein: "Hey Schorsch! Beweg deinen faulen Arsch hier rüber! Du hast Kundschaft! Die Fahrt geht auf mich!"

Nun kam Leben auf die Fähre. Aus dem Schatten trat ein Mann, der zuvor reglos dagesessem und geangelt hatte. Dies machte anscheinden den Großteil seiner Arbeit aus, denn Menschen, die hier übersetzen wollten gab es wirklich so gut wie nie, wie uns der Campingplatzbesitzer aufgeklärt hatte. Unglücklicher Weise war die Ströhmung in diesem Fluss nicht stark genug, so dass sich das Schiff nicht mit ihrer Hilfe über den Fluss bewegen konnte. Stattdessen wurde ein Motor verwendet, der ein großes Schaufelrad antrieb. Das sah zwar recht lustig aus, war aber bei weitem nicht so effektiv. Was die Landschaft anbelangte, so hatter der Campingplatzbesitzer nicht gelogen. Es gab hier tatsächlich nichts außer Felder und Wälder und einige kleine Dörfer. Wir wanderten also durch ein Niemandsland und ihr könnt euch kaum vorstellen, wie angenehm das war. Die Welt konnte so unglaublich schön, ruhig und harmonisch sein, wenn es keine Menschen gab, die dies mit aller Macht zu verhindern suchten. Selbst die Dörfer waren hier nun so klein, dass man in ihnen sogar Picknicken konnte und nicht das Gefühl hatte, sofort wieder aus ihnen fliehen zu müssen. Erst mit der Schlafplatzsuche schwand die Entspannung heute etwas. In unserem Zielort gab es eine kleine schmucke Kirche mit einem bewohnten und belebten Pfarrhaus daneben. Dennoch ließ sich kein Pfarrer ausmachen. Die Information einer Nachbarin lautete, dass der Pfarrer mit seiner Familie gerade in Rumänien war und erst am Sonntag wieder nach hause kam. Also gingen wir weiter, versuchten unser Glück noch einmal erfolglos bei zwie oder drei anderen Adressen und entschieden dann, den langgezogenen Ort zu verlassen. Kurz vor dem Ortsausgang kamen wir jedoch am Friedhof vorbei, wo gerade eine Beerdigung stattgefunden hatte. Die Trauergemeinde strömte nun wieder nach hause und wir nutzen die Gelegenheit, um einzelne von ihnen nach dem Pfarrer zu fragen, der den Trauergottesdienst gehalten hatte. Die Information lautete, dass er bereits nach hause gefahren sei und sich nun in dem Haus aufhalte, in dem wir ihn zuvor nicht angetroffen hatten. War es also eine Lüge oder ein Irrtum gewesen, dass er nach Rumänien gereist war? Er konnte ja kaum gleichzeitig im Ausland sein und hier eine Beerdigung zelebrieren. Wir stellten unsere Wagen ab und ich joggte noch einmal den ganzen Weg zurück zur Kirche. Doch das Haus war noch immer verschlossen und leer. In der Schule nebenan fand der Leichenschmaus statt und es gelang mir, einen englischsprachigen Trauergast aufzutreiben, der mir mehr über die Sache sagen konnte. Die Nachberin hatte Recht gehabt, der Pfarer war tatsächlich im Urlaub und die Beerdigung war von einem Stellvertreter durchgeführt worden, der aus einem Nachbarort stammte. Es war also der Mann gewesen, der uns einen Bären aufgebunden hatte und nicht die Nachberin. Warum er das getan hatte, blieb uns ein Rätsel. Aber es half nichts. Ich joggte zurück zu Heiko und wir zogen einen Ort weiter um uns hier noch einmal auf die Suche nach einem Schlafplatz zu machen. Die slowakische Grenze lag nun bereits zum Greifen nahe.

Zunächst sah es so aus, als hätten wir auch hier wieder keinen Erfolg. Bei den Pfarrern der Region schien es eine Art Volkssport zu sein, aus irgendwelchen Gründen im Ausland zu verschwinden. Dieses Mal jedoch, gab es eine Alternative. Der ehemalige Bürgermeister lud uns ein, im alten, verlassenen Haus seines verstorbenen Großvaters zu übernachten. Wir mussten uns erst einen Platz zwischen all den alten, verstaubten Möbeln freischaufeln, die überall herumstanden, aber dann konnten wir es uns hier gemütlich machen. Kaum hatten wir uns eingerichtet, waren wir von der Familie bereits adoptiert worden. Dei Mutter des ehemaligen Bürgermeisters brachte und etwas zum Essen und nahm dafür unsere Kleidung mit, um sie in die Waschmaschine zu stecken, was diese auch dringend nötig hatten.

Spruch des Tages: Was ist denn nur mit diesen Pfarrern los!

Höhenmeter: 600 m Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 17.561,27 km Wetter: überwiegend sonnig und warm Etappenziel: Pfarrhaus, Trzemesnia, Polen

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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