Weltreise im Low Budget Wohnmobil

von Franz Bujor
28.05.2022 07:09 Uhr

Seit dem Sommer 2021 befinde ich mich auf einer Weltreise mit einem Low Budget Wohnmobil, das ich mir selbst aus einem alten LKW aufgebaut habe. Warum ich das mache, wie es zu dieser Entscheidung kam, welche Erfahrungen ich bisher sammeln konnte und was Sir Lanzelot zu all dem sagt, verrate ich euch hier in diesem Gastartikel bei den Lebensabenteurern.

 
Perfekte Aussicht: Mit Allrad Lada Taiga am Abgrund

Perfekte Aussicht: Mit Allrad Lada Taiga am Abgrund.

 

Ein Roadtrip im Low Budget Wohnmobil durch Südeuropa

Alles begann 2016 mit der Frage, wie lange man eigentlich bis nach Barcelona fahren würde. War es nah genug, um einfach mal einen Abstecher dorthin zu machen? Oder war dieser Gedanke utopisch?

Ein Blick auf die Karte brachte die Erkenntnis, dass man mit dem Auto in gerade einmal rund 20 Stunden dort sein würde, und so beschlossen mein Kumpel Michael und ich kurzerhand, mit meinem alten Lada Taiga und einem selbstgebauten Dachzelt einen Roadtrip durch Südeuropa zu machen.

Urlaub mit dem Lada Taiga nach Barcelona

Urlaub mit dem Lada Taiga nach Barcelona.

 

Unser Weg führte uns quer durch Österreich, Liechtenstein, die Schweiz, Frankreich, Andorra und Spanien bis nach Barcelona. Auf dem Rückweg ging es dann entlang der Südküste Frankreichs nach Italien und von dort wieder zurück nach Österreich. Die Reise war voller Abenteuer und machte uns mehr Spaß, als wir uns hätten träumen lassen. Sogar der Lada hielt durch und ließ uns nie im Stich.

Na gut, vielleicht einmal abgesehen von dieser einen Situation, bei der wir für ein paar Stunden in Barcelona am Strand feststeckten. Aber wegen genau solcher Abenteuer waren wir schließlich auch aufgebrochen. Und am Ende ist ja auch alles gut gegangen. Auch wenn viele das vielleicht anders sehen würden, gehört der Lada Taiga für mich seither ganz klar auf die die Liste der besten Geländewagen der Welt.

Nur am Strand kam die Offroad-Tauglichkeit des Lada Taiga einmal an seine Grenzen

Nur am Strand kam die Offroad-Tauglichkeit des Lada Taiga einmal an seine Grenzen.

 

Wo der Plan schiefgeht, fängt das Abenteuer an!

Gestärkt durch dieses positive Erlebnis wussten wir, so etwas müssen wir wieder machen! Das Jahr darauf war der Balkan dran. An der Küste ging es runter bis ans Schwarze Meer und über Moldawien, Polen und Tschechien wieder rauf nach Österreich. Bei dieser Reise war schon etwas mehr Abenteuer dabei, angefangen vom kaputten Kühler über Zündfehler des Motors bis hin zu extremen Offroadpisten bei ebenso extremen Wetter, mitten in der rumänischen Wildnis. Wenn du dann mitten im Nichts bei strömenden Regen dein Auto versenkst und dir dabei auch noch die Seilwinde abbrennt, dann hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst entweder total verzweifeln oder dich über die Situation freuen. Das klingt jetzt erst einmal merkwürdig, aber in diesem Moment konnte ich tatsächlich spüren, dass ich diese Entscheidung bewusst treffen musste. Gebe ich mich meinen Gedankenstimmen der Angst hin und verfalle in Panik, oder nehme ich die Herausforderung an und mache mich voller Tatendrang und Entdeckungsfreude auf die Suche nach einer Lösung.

Die Balkan-Reise: Mit dem Lada Taiga durchs Dickicht

Die Balkan-Reise: Mit dem Lada Taiga durchs Dickicht.

 

Ähnlich war es auch bei einer Fahrt durch die Pyrenäen, als uns plötzlich und vollkommen unerwartet die Lichtmaschine verreckte. Zum Glück waren wir vorbereitet und hatten für solche Fälle eine zweite als Ersatz dabei - Nur um dann festzustellen, dass diese ebenfalls nicht funktionierte. Also mussten wir improvisieren. Weil zu allem Überfluss draußen noch ein Unwetter tobte, zogen wir uns auf eine öffentliche Toilette zurück und bauten uns aus einem Gasbrenner und einem Taschenmesser einen MacGyver-Lötkolben, mit dessen Hilfe es uns gelang, die Bürsten so umzulöten, dass wir aus den zwei kaputten Lichtmaschinen eine funktionierende machen konnten.

Mit diesem improvisierten Lötkolben, ...

Mit diesem improvisierten Lötkolben, ...

... konnte der Lada wieder repariert werden.

... konnte der Lada wieder repariert werden.

 

Ich könnte jetzt noch unzählige solcher Situationen schildern, in denen ich vor der gleichen Entscheidung gestanden bin. Aber die Erkenntnis für mich war und ist immer wieder dieselbe:  In diesen Momenten zählt nur das Jetzt, alles Andere, alle Alltagssorgen sind egal. Das hat auch etwas unglaublich befreiendes! Mann muss sich nur um sein Auto und die Situationen kümmern, in die man sich damit bringt. Ob nun gewollt oder manchmal auch nicht.

 

Reisen als Lebenssinn

Es folgten mehrere Roadtrips mit meinem kleinen Low Budget Wohnmobil, zunächst wieder mit Michael, später dann mit Christian, einem anderen Freund. Dabei zog es uns ebenfalls wieder hauptsächlich nach Südeuropa und in den Balkan. Auch beim Pothole Rodeo sind wir zweimal gestartet. Insgesamt bereisten wir auf diese Weise rund 30 verschiedene Länder. Für mich wurde immer mehr klar, dass das für mich der Sinn des Lebens ist. Ich will kein Haus, keinen festen Job und keine zwei Kinder, wie es mir die Gesellschaft vorschreibt. Ich möchte die Freiheit spüren, indem ich einfach überall hin fahren kann, wo ich möchte. Ich will die Welt mit eigenen Augen sehen und fühlen und die Leute, Länder und Kulturen in echt und selbst erleben. Nicht, wie es in Film und Fernsehen gezeigt wird. Ich wusste schon immer, irgendwann mache ich eine Low Budget Weltreise und dafür möchte ich mir den Traum vom Allradwohnmobil erfüllen.

Die Trips in den Folgejahren mit dem Low Budget Mobil wurden noch um einiges abenteuerlicher

Die Trips in den Folgejahren mit dem Low Budget Mobil wurden noch um einiges abenteuerlicher.

 

Low Budget Weltreise mit dem LKW?

Der Lada Taiga wahr aufgrund seiner Einfachheit und Größe ein super Fahrzeug für Offroadtouren, aber für eine Weltreise wäre er mir dann doch zu klein gewesen. Und weil ich keine halben Sachen mache, entschloss ich mich, einen gleich einen richtigen Lkw zu kaufen und nicht erst einen Bus auszubauen. Für mich war es schon lange klar gewesen, dass ich einen Mercedes-Benz 1017 haben möchte. Wie ich das ganze finanzieren sollte, war mir noch unklar, aber ich glaubte an das Gute im Leben und an das Gesetz der Anziehung. Wenn mich das Schicksal in Situationen wie damals im Schlamm in Rumänien nicht im Stich gelassen hatte, dann würde es das auch jetzt nicht tun. Und so wusste ich, es wird alles gut gehen. Ich suchte im Internet schon einige Zeit nach passenden Modellen, doch nachdem der Entschluss einmal fest getroffen war, musste ich nicht mehr lange weiter suchen. Durch einen glücklichen Zufall lernte ich Oliver kennen, der mir mit seiner Erfahrung zu Seite stand. Dank seiner Hilfe war der passenden Lkw schnell gefunden und auch genau das, was ich wollte. Ich glaubte an mein Gefühl und habe den LKW noch in derselben Woche gekauft. 12000 € hatte ich gespart und der LKW kostet mich bereits 9990 €. Da blieb also nicht viel übrig, um ihn auszubauen, außer meiner eigenen Arbeitskraft. Aber ich glaubte dran, dass es schon alles irgendwie funktionieren würde.

Das neue Expeditionsmobil ist einsatzbereit!

Das neue Expeditionsmobil ist einsatzbereit!

 

Ein Expeditionsmobil aus einem LKW bauen

Die Heimreise von Deutschland mit dem LKW war gleich mal ein 16-stündiges Abenteuer, das ich gemeinsam mit meinem alten Freund Christian erlebte. Einen LKW-Führerschein habe ich mit 18 Jahren klugerweise gemacht, aber außer in der Fahrschule bin ich eigentlich mit keinem LKW mehr gefahren...

Nun baue ich seit 2019 an meinem LKW in dem ich seit Juni 2021 auch dauerhaft zusammen mit meinem Kater Sir Lanzelot lebe. Den LKW wahr ursprünglich ein Tanklöschfahrzeug mit Doppelkabine und einem 2500-Liter-Wasser-Tank. Anfangs hieß es zuerst einmal, alles Unnötige muss runter und das Fahrerhaus muss gekürzt werden. Ich bin gelernter Bauspengler und bin der Meinung das jeder alles schaffen kann, wenn er nur wirklich an sich glaubt. Den gesamten Umbau, mit allen anfallenden Arbeiten, über Schweißen bis zu Hydraulik, Tischlerarbeiten, Elektronik und Wasserinstallation, habe ich alles alleine oder gemeinsam mit meinem Vater bewältigt.

Das Expeditionsmobil ist nun permanenter Wohnsitz von Martin und Sir Lanzelot

Das Expeditionsmobil ist nun permanenter Wohnsitz von Martin und Sir Lanzelot.

 

Die Eckdaten zum LKW:

  • Gewicht: 10t
  • Leistung: 170Ps
    Unterwegs mit dem Expeditionsmobil

    Unterwegs mit dem Expeditionsmobil

  • Tankvolumen: 475 l Diesel, 400l Trinkwasser, 120 l Grauwasser, 10 l Warmwasser
  • Heizung: je 2 kW elektrische Standheizung für Fahrerkabine und Koffer + Split Klimaanlage + Holzofen
  • Stromspeicher: 200Ah LiFePo4-Akkus
  • Stromgewinnung: 1000 Wp Solaranlage
  • Ausstattung: Außendusche, Toilette, Trommelwaschmaschine, Bett mit 140 x 200, Couch in U Form 200x140x70, Esstisch für 2 Personen
  • Abmessungen: Koffer innen 2,11 x 4,25 und 2,10 m Stehhöhe.
  • Als Wohnkoffer dient ein Aufbau eines Trockenfrachttransporters.
Expeditionsmobil am Strand

Expeditionsmobil am Strand.

 

Leben im selbst gebauten Low Budget Allrad-Wohnmobil

Ich habe alles selbst geplant und umgesetzt, wobei “geplant” vielleicht etwas viel gesagt ist. Letztlich hatte ich ein paar Skizzen und Berechnungen zu Papier gebracht, und schon ging es los. Wichtig war mir vor allem, dass ich mich in der fertigen Kabine auch wohlfühle, daher wahr für mich klar, keine weißen Hochglanzschränke, sondern alles aus Holz und möglichst naturbelassen. Ich bin mit dem Ergebnis sehr glücklich und fühl mich sehr wohl auf meinen gut 7 m², die ich nun auch schon seit Juni 2021 auch dauerhaft mein Zuhause nenne. Besonders froh bzw. stolz bin ich darauf, dass ich die Dusche und das WC getrennt habe und auch das Bett mit der Seilzug Konstruktion ermöglichte es, eine große Liegefläche und zudem eine gemütliche Couch unterzubringen. So können auch mal 2 - 3 Leute zu Besuch kommen und man findet noch Platz. Ein Blickfang ist bestimmt auch der alte Holzofen, den ich nur durch Zufall geschenkt bekommen habe und der gleich perfekt gepasst hat. Er hatte tatsächlich genau die richtige Größe für den Bereich, den ich dafür freigelassen habe.

Man sieht also, alles fügte sich zusammen, auch wenn man sich nicht zuvor ewig den Kopf darüber zerbricht, sondern einfach nur mit positiver Energie an eine Sache herangeht. Man muss wissen, was man tut und darauf vertrauen können, dass es gelingt, dann wird es einem auch gelingen.

Die Küche im Expeditionsmobil

Die Küche im Expeditionsmobil.

 

Weltreise mit Katze

Zuletzt fügte ich noch ein sehr wichtiges Element zu meinem LKW-Home hinzu: Einen selbstgebauten Kratzbaum für meinen Kater Sir. Lanzelot, der ja auch wie ich zu einem permanenten Bewohner des Expeditionsmobils wurde. Auch er liebt das Reiseleben genauso wie ich und er fühlt sich richtig wohl im LKW. Das war auch schon während des Ausbaus so, wo er natürlich fast immer dabei wahr und  wo er sich bereits in der Roh-Kabine so verhielt, als wäre er hier zuhause. Er lief schnurrend durch die Gegend oder lag auf seiner Decke, vollkommen unbeeindruckt von Stichsäge, Bohrmaschine und Co.

Unterwegs mit Reisekatze Sir Lanzelot

Unterwegs mit Reisekatze Sir Lanzelot.

 

Wie finanziert man eine Weltreise im Low Budget Wohnmobil

Auf meiner Facebook Seite gibt es auch in Kürze eine detaillierte Auflistung aller Kosten und der Arbeitszeit, die ich in das Projekt hineingesteckt habe. Mittlerweile werden es ca. 55000 € sein, inkl. Kaufpreis des LKWs. Wenn ihr mich jetzt fragen würdet, ob ich mir das leisten kann, würde ich sagen nein! Doch wie es aussieht, konnte ich es am Ende doch irgendwie. Auch dafür spielte mir das Leben wieder in die Karten, auf verschiedene Art und Weise. So wechselte ich beispielsweise aus augenscheinlich zufälligen Gründen 2021 die Firma. Ich wusste es bei der Entscheidung nicht, aber es stellte sich heraus, dass ich dadurch einen riesigen Berg an angesammelten Überstunden plötzlich ausgezahlt bekam, die ich sonst nur hätte abbummeln dürfen. Dadurch hatte ich eigentlich immer genug Geld, um den Aufbau voranzutreiben und wenn mal kein Geld da wahr, dann gab es noch immer genug Arbeit, die "nur" Zeit kostete, sodass ich dennoch stets vorankam.

Wohnzimmer im Expeditionsmobil

Wohnzimmer im Expeditionsmobil.

 

Wie ist das Leben im Low Budget Wohnmobil?

Alles in allem bereichert das Wohnen und Reisen in meinem selbstgebauten Low Budget Wohnmobil und dessen Aufbau selbst, mein Leben ungemein. Ich konnte mir damit selbst beweisen, dass ich alles schaffen kann, wenn ich es möchte. Oft werde ich gefragt, ob das Leben im LKW mit wenig Geld nicht ein großer Verzicht auf Luxus und Komfort ist und eine Menge Entbehrungen mit sich bringt. Ich denke, das ist aber vor allem eine Frage der Perspektive. So wie es für einen Bürger aus der österreichischen Mittelschicht “Verzicht und Entbehrung” bedeutet, ist mein Low Budget Wohnmobil an vielen anderen Orten der Welt Hightech und Luxus pur. Ich selbst sehe es eher als eine Befreiung von so vielen alltäglichen Sachen, die rund um ein Haus oder Wohnung anfallen. Ich habe bei meinem Auszug aus der Wohnung nur einen kleinen Teil meiner Kleidung und zwei bis drei Erinnerungsstücke mitgenommen, der Rest liegt seither in der Garage meiner Eltern und wird verkauft oder verschenkt. Oft habe ich den Eindruck, dass ein Mensch umso glücklicher ist, je weniger er besitzt. Auf mich trifft das in jedem Fall zu, denn mit jedem Stück Ballast, das ich loswerden durfte, fühlte ich mich freier. Und wenn man alles, was man besitzt, ständig mit sich führen muss, bekommen die Dinge eine andere Bedeutung. Reichtum bedeutet dann nicht mehr, so viel Kram wie möglich anzusammeln, sondern optimal mit dem zurechtzukommen, was man bei sich hat.

Unterwegs mit Reisekatze Sir Lanzelot

Unterwegs mit Reisekatze Sir Lanzelot

 

Wo führt die Low Budget Weltreise hin?

Was meine Weltreise in dem Low Budget Wohnmobil anbelangt, halte ich es genauso, wie ich es auch schon beim Aufbau gemacht habe. Ich zerbreche mir nicht lange den Kopf mit einer Reiseplanung, sondern fahre dorthin, wo es mich gerade hinzieht. Das bedeutet es für mich, wirklich frei zu sein. Die Welt liegt offen vor mir und wenn ich Lust auf einen Ausflug ans Meer habe, dann fahre ich an irgendeinen schönen Strand. Oder es zieht mich in die Berge, in die Steppe oder wieder mal auf einen Roadtrip durch Europa. Es wird sich zeigen, und wenn ihr es mitverfolgen wollt, dann findet ihr alle Informationen darüber auf meiner Facebook-Seite!

Eine große Landkarte gehört in jedes Weltreise-Expeditionsmobil!

Eine große Landkarte gehört in jedes Weltreise-Expeditionsmobil!

 

Wir sehen uns!

Viel Spaß und Lebensfreude

Martin Strohmer

 

Bildergalerien

Hier bekommt ihr noch ein paar weitere Impressionen von meinen Reisen mit dem Lada Taiga:
Weltreise mit dem Auto

Für eine Weltreise mit dem Auto ist der Lada Taiga dann vielleicht doch etwas zu klein.

  Hier ist noch der Rest meiner Roomtour durch das große Expeditionsmobil:  
Ich liebe meinen Lada Taiga

Eine dicke Umarmung für einen treuen eisegefährten!

 

Andere Weltreisende:

Hier findet ihr noch spannende Artikel von anderen Reisenden, die auf ausgefallene Art unterwegs sind:  

Bildquellen:

© Martin Strohmer  

Mit jedem Schritt, den wir heute vorankamen, näherten wir uns der Slowenischen Grenze. Kroatien war sicher auch ein schönes Land, doch noch näherten wir uns der Grenze nur mit Widerwillen. Slowenien war uns wirklich ans Herz gewachsen und wir wären gerne noch etwas länger hier geblieben. Doch leider war das Land nun mal nicht größer. Später am Abend sollten wir erfahren, dass sich die Kroaten aus genau diesem Grund sehr gerne über ihren Nachbarstaat lustig machten. Es heißt hier, wenn man mit einem Schritt nach Slowenien geht, ist man mit dem zweiten schon wieder hinaus. So in etwa kam es uns ehrlich gesagt wirklich vor. Eine andere junge Dame meinte zu diesem Thema: „Als ich das letzte Mal in Slowenien war, habe ich einen Kollegen angerufen der dort wohn und meinte: ‚Hi, ich bin in Slowenien, kannst du mich sehen? Ich winke gerade!“

Nach gut 12km erreichten wir die Grenze dann wirklich. Sie schlängelte sich laut Karte kreuz und quer an einem Fluss entlang. Paradoxer Weise verläuft sie jedoch nicht im Fluss, wie es sonst oft der Fall ist, sondern mal ein paar Meter links von ihm und dann wieder einige Meter rechts davon. Wir hatten nach unseren letzten unspektakulären Grenzübergängen nicht erwartet, dass wir hier an einen echten Wachposten stoßen würden, doch diesmal wurde die Straße wirklich von einer Schranke versperrt. Als wir uns ihr näherten traten zwei junge Herren aus dem Grenzhäuschen hervor und schauten uns leicht verdutzt an.

„Dober Dan!“ – „Guten Tag!“ riefen wir ihnen zu. Sie grüßten zurück.

„Was habt ihr denn vor?“ fragte der ältere von beiden, nachdem wir uns auf Englisch als Verständigungssprache geeinigt hatten.

„Wir wandern ein bisschen um die Welt“, antwortete ich und wir erklärten ein bisschen mehr, über unsere Reise. Dann bat der ältere um unsere Ausweise. Einen Stempel bekamen wir aber leider nicht. Kroatien ist eben heute auch ein Teil der EU.

„Was ist denn das?“ fragte der jüngere und kleinere Beamte, als sein größerer Kollege gerade mit unseren Pässen im Grenzhäuschen verschwunden war. Dabei ging er auf unsere Wagen zu und deutete auf die verdächtig ausschauenden, langen grünen Stängel, die Heiko hinter seine Sitzmatte gespannt hatte.

„Oh,“ sagte ich, „das ist, ...mmh.... auf Deutsch heißt es Knoblauchrauke, aber den Englischen Namen kenne ich nicht.“

Interessiert näherte sich der Beamte und überlegte, ob er uns nicht gerade beim Drogenschmuggel erwischt hatte. Bevor er etwas sagen konnte fügte ich hinzu: „Es ist ein Wildkraut, das dort hinten wächst. Es schmeckt ein bisschen wie Knoblauch und wir haben es für unser Abendessen geerntet. Möchten Sie es probieren?“

Heiko rupfte ein Blatt von einem Stängel ab und hielt es dem Mann hin. Zögerlich griff er danach. In seinem Kopf schien sich folgende Überlegung abzuspielen: „Ok, ich habe keine Ahnung was das ist. Wahrscheinlich ist es eine Art Droge und ich sollte sie vielleicht konfiszieren. Andererseits riecht es echt lecker. Ein bisschen probieren kann ja nicht schaden. Und vielleicht ist es ja eine wirklich gute Droge, die ich noch nicht kenne. Aber ich bin natürlich im Dienst und sollte daher nichts einwerfen, von dessen Wirkung ich keine Ahnung habe. Auf der anderen Seite ist es wahrscheinlich wirklich nur ein Gewürzkraut für ein Abendessen und niemand wird mir einen Vorwurf machen, wenn ich einmal hineinbeiße.“

Anschließend steckte er sich das Blatt in den Mund und merkte, dass es wirklich nach Knoblauch schmeckte. Beruhigt und zufrieden nickte er und hatte keine Einwände mehr gegen die unverzollte Einfuhr von drei Stängeln Knoblauchrauke nach Kroatien.

Genau in diesem Moment kehrte sein Kollege mit unseren Ausweisen zurück. Es war alles in Ordnung und sie wünschten uns eine gute Reise.

„Wisst ihr schon, wo ihr heute übernachtet?“ fragte der große.

„Nein!“ antwortete Heiko, „wahrscheinlich in irgendeiner Pension oder bei einem Pfarrer. Wir werden sehen was sich so ergibt. Haben Sie vielleicht einen guten Tipp für uns, wo wir uns hinwenden können?“

„Da müssen Sie schon meinen Kollegen fragen!“ meinte er und deutete auf den kleineren Mann. „Ich bin von dieser Seite hier!“

Erwartungsvoll schauten wir den Grenzbeamten an, der für die kroatische Seite zuständig war doch dieser zuckte nur schüchtern die Schultern. Es kam wahrscheinlich nicht allzu oft vor, dass er an diesem Posten mit zwei seltsamen Wanderern konfrontiert war, die ihn erst mit komischen Wildpflanzen verwirrten und dann auch noch um rat bei ihrer Schlafplatzsuche fragten. Auch für uns war es die erste richtige Grenzüberquerung, bei der wir sogar auf Menschen getroffen sind. Abgesehen von Andorra natürlich. Doch nachdem alle anderen Grenzen so unauffällig gewesen waren, hatten wir nicht einmal damit gerechnet, dass uns überhaupt jemand nach irgendetwas fragt. Sonst hätten wir unsere Wildkräuter wohl erst auf der anderen Seite der Grenze gesammelt.

Dass sich mit einem Grenzübertritt plötzlich alles ändert waren wir ja schon gewohnt. Doch dieses Mal haben wir nicht damit gerechnet. Immerhin waren Slowenien und Kroatien vor nicht allzu langer Zeit noch ein und das selbe Land. Beide waren früher kommunistisch gewesen und gehörten heute als zwei der jüngsten Mitgliedsstaaten zur EU. So viel dürfte sich eigentlich nicht unterscheiden. Oder doch?

Wir waren mehr als nur überrascht, wie viel sich unterschied. Alles wirkte plötzlich wieder viel ärmlicher. Die Häuser waren nicht mehr so gepflegt, der Müll lag wieder an den Straßenrändern, die Gärten waren an vielen Stellen voll von Gerümpel und viele der Häuser waren verfallen. Dazwischen standen dann jedoch immer wieder auch frisch renovierte und sauber gepflegte Häuser, die fast gar nicht mehr ins Umgebungsbild passen wollten. Am kuriosesten waren jedoch die Gebäude, die zwar sauber und ordentlich waren, strahlend neue Dächer und neue Fensterscheiben hatten und in deren Balkonkästen uns frisch gepflanzte Blumen entgegenleuchteten, die aber ansonsten eher wie Bauruinen aussahen, weil beispielsweise der komplette Putz fehlte. Wir vermuteten bereits, dass es hier vielleicht eine ähnliche Regelung gab wie in Griechenland, dass man auf ein unfertiges Haus noch keine Steuern zahlen musste und dass deshalb viele Häuslebauer ihr Eigenheim lieber wie eine Baustelle aussehen ließen. Doch als wir am Abend danach fragten, erklärte man uns, dass dies nicht der Fall sei. Die Menschen bauten einfach soweit wie sie kamen und wenn ihnen das Geld ausging dann musste alles erst einmal warten, bis neues da war. Daher baute Man Wände, Dächer und Fenster zuerst, denn sobald das da war konnte man schon einmal einziehen. Verputzen konnte man sein Heim dann schließlich immer noch irgendwann.

Der zweite große Unterschied war, dass es hier nun gar keine Infrastruktur mehr zu geben schien. Die Ortschaften waren winzig und bestanden meist nur aus einigen Häusern, die sich links und rechts an die Hauptstraße reihten. Ideen, wo und wie wir hier unterkommen konnten hatten wir zunächst keine. Nach rund 6km kamen wir das erste Mal an eine Kirche.

Links davon befand sich das Pfarrhaus, das von allen Möglichkeiten die erfolgsversprechende war. Man könnte auch sagen, es war die einzige Möglichkeit, die wir überhaupt sahen.

Der Pfarrer öffnete schon mal die Haustür, was zumindest ein Anfang war. Fremdsprachen beherrschte er leider nicht und so blieb mir nichts übrig, als ihm den Zettel vor die Nase zu halten. Doch lesen war offensichtlich nicht sein Ding. Er winkte ab und machte eine Bemerkung, die wahrscheinlich bedeuten sollte, dass er keine Lust hatte, sich den ganzen Text zu Gemüte zu führen. Er sagte ein paar Sätze und schlug mir dann die Tür vor der Nase zu. Wenig später öffnete er sie mir erneut und hielt mir einen Zehner hin. Allerdings keinen Zehneuroschein, sondern einen Zehner in einer mir bis dahin vollkommen unbekannten Währung. Kroatien war zwar ein Teil der EU, doch am Euro beteiligte sich das Land noch nicht.

Ich dankte dem Mann, versuchte aber dennoch ihm klar zu machen, dass mir damit nicht wirklich geholfen war, denn es gab nichts, wo man das Geld hätte ausgeben können. Abgesehen davon hatte ich nicht die leiseste Ahnung, wie viel mir da überhaupt gespendet wurde. Es konnte locker mit zehn Euro vergleichbar sein, doch es war ebenso möglich, dass er mir lediglich ein paar Cent zugesteckt hatte. Und selbst wenn ich gewusst hätte, wie viel Geld ich da in der Hand hielt, dann wusste ich ja noch immer nicht, wie viel ich für eine Übernachtung brauchen würde.

Später erfuhren wir, dass dies eine sehr beliebte Taktik in Kroatien war, um jemanden loszuwerden. Man drückte ihm einfach ein bisschen Geld in die Hand und schob ihn aus dem Weg. Genau das machte der Pfarrer auch. Meine symbolischen Gesten, dass wir etwas zum Schlafen brauchten nahm er mit einem kalten Lächeln auf, zuckte mit den Schultern und sagte dann: „Nichts!“

Wenigstens ein deutsches Wort beherrschte er also doch. Anschließend verabschiedete er sich aus Kroatisch und ließ mich vor seiner Tür stehen.

Mit unserer neuen Beute in der Hand und der Erkenntnis, dass unser nutzbares Barvermögen gerade auf 10 Einheiten einer unbekannten Währung geschrumpft war, machten wir uns wieder auf den Weg. Zwei Kilometer weiter kamen wir an eine Bar. In Slowenien hatten uns diese schon des Öfteren geholfen, also versuchten wir auch hier unser Glück.

An der Theke stand ein hübsches, junges Mädel mit einer langen, zotteligen Mähne und freundlichen Augen. Zu meiner Erleichterung sprach sie Englisch und versuchte mir wirklich weiterzuhelfen. Zunächst hatten wir die Idee, in der Freiwilligen Feuerwehr zu übernachten, doch der Verantwortliche für die Feuerwehrgebäude teilte ihr mit, dass dort heute Abend eine Feier abgehalten wurde, so dass kein Platz für uns war. Rein Theoretisch schien es aber dennoch keine schlechte Adresse zu sein. Die junge Dame versprach mir, einige weitere Kontakte aus dem Ort anzurufen und zu versuchen uns etwas ausfindig zu machen. Solange wir warteten, sollten wir es uns auf der Terrasse gemütlich machen. Ohne dass wir danach fragten, schenkte sie uns je ein Brötchen mit einem Steak darin und einen Blaubeersaft, sowie eine Packung Kekse, die wir für den Notfall mitnahmen. Sie klärte uns auch über den Wert unseres neuen Vermögens auf. Ein Euro entsprach rund 7,50 HRK. Die Währung hieß Kroatische Kuna und wir besaßen nun umgerechnet immerhin schon 1,30€ in diesem Zahlungsmittel. Ob damit wohl schon ein Hotelzimmer drin war?

Leider stellte sich heraus, dass keiner der möglichen Kandidaten erreichbar waren und so konnte sie am Ende nichts weiter tun, als uns eine Skizze mit einer Wegbeschreibung zu zeichnen. Diese führte zu einem Haus, in dem eine Familie wohnte, die auch die Caritas betreute und die möglicherweise einen Platz für uns hatte. Der Haken war nur, dass dieses Haus genau in der Richtung lag, aus der wir gerade gekommen waren. Nach einiger Überlegung entschieden wir uns daher weiterzugehen und unser Glück an anderer Stelle zu suchen.

Nahrung hatten wir genug und unser Gaskocher war wieder repariert, es sprach also im Grunde nichts dagegen, uns einen Zeltplatz zu suchen. Doch auch das war leichter gesagt als getan. Es gab nahezu keine einzige gerade Fläche, die das Zelten erlaubt hätte. Und wenn es eine gab, dann lag sie direkt an der Hauptstraße oder es handelte sich um eine Feuchtwiese an einem Fluss auf der man unmöglich zelten konnte. Hinzu kam, dass es hier einfach keinen ungestörten Platz gab. In Slowenien hatte es immer kleine Ortschaften gegeben, zwischen denen sich reine Naturflächen befunden hatten. Hier jedoch gab es nur winzige Dörfchen mit drei oder vier Häusern und die waren so verteilt, dass man immer von einem gesehen wurde, egal wo man sich befand. Natürlich hätten wir auch einfach in Sichtweite eines Hauses zelten können, doch wir hatten keine Ahnung, wie die Menschen hier drauf waren und was sie von Wildcampern in ihrem Vorgarten hielten. Denn so wie es aussah war jede Wiese in Privatbesitz.

Schließlich kamen wir wieder in eine etwas größere Ortschaft. Größer bedeutete in diesem Fall, dass es eine Kirche und einen Sportplatz sowie drei oder vier Nebenstraßen gab, an denen ebenfalls Häuser lagen. Die Chancen waren also nicht schlecht, dass hier wieder ein Pfarrer lebte und vielleicht war dieser ja etwas Gastfreundlicher.

Ich klingelte an der Tür des Hauses neben der Kirche. Eine Frau öffnete und auf meine Frage hin, ob sie Englisch, Deutsch oder Spanisch spreche, drehte sie sich um und rief nach oben. Kurz darauf erschien ihre Tochter in der Tür. Sie war eine lustige junge Frau mit einem wirklich guten Sinn für Humor und bot mir an, mich zum Pfarrer zu begleiten, um ihn nach einem Schlafplatz zu fragen. Der Pfarrer wohnte auf der anderen Seite der Kirche und war noch weniger begeistert von unserem Besuch, als der letzte. Diesmal bekamen wir nicht einmal einen Geldschein, bevor er die Tür vor uns ins Schloss warf.

„Es ist unglaublich!“ meinte die junge Frau, „Ich wohne quasi direkt neben ihm und er wusste nicht einmal wer ich bin! Es ist wirklich schade, denn der letzte Pfarrer, den wir hier hatten, war wirklich cool und er hätte euch sicher hier übernachten lassen. Aber dieser ist nicht zu gebrauchen. Er säuft nur den ganzen Tag und sonst macht er nichts. Aber keine Sorge! Ich finde schon einen Platz für euch.“

Sie ging zurück ins Haus und tätigte ein paar Telefonate. Dann kam sie zurück und meinte: „Der Bürgermeister von diesem Ort hier, hat mir gerade das Ok gegeben, dass ihr im Veranstaltungssaal übernachten könnt. Es riecht noch ein bisschen nach der Party von gestern, aber wenn euch das nicht stört habt ihr den Platz. Es störte uns nicht. Vor allem auch deshalb, weil es gerade in diesem Moment zu regnen begann.

Spruch des Tages: Hinter jeder Grenze verbirgt sich eine neue Welt.

 

Höhenmeter: 330

Tagesetappe: 28 km

Gesamtstrecke: 8779,77 km

Wetter: sonnig, leicht bewölkt, später leichter Regen

Etappenziel: Veranstaltungssaal der Stadtgemeinde, 10296 Luka, Kroatien

 

Heute war ein gemütlicher, ruhiger und weitgehend unspektakulärer Tag. Wir haben unsere Wanderung fortgesetzt und sind weiter am Fluss entlang gelaufen. Alle paarhundert Meter gab es kleine Rast- und Campingplätze an denen Kanus gelagert wurden. Sie weckten in uns neue Ideen des Reisens und ließen uns von einer Kanudurchquerung von Kanada und Alaska träumen. Doch zunächst sollten wir vielleicht erst mal in Schweden und Norwegen üben, bevor wir uns an Gebiete wagen, die dreimal so groß sind wie Deutschland, ohne dass auch nur ein einziger Mensch darin lebt.

Bei unserem Picknick am Flussufer konnten wir eine verwirrte Ameise beobachten, die offensichtlich vollkommen die Orientierung verloren hatte. Sie war gerade auf den Tisch geklettert und hatte ein Samenkorn erbeutet, als wir uns an den selben Tisch setzten und unser Frühstück auspackten. Die vielen neuen Gerüche mussten ihre Duftspur überlagert haben, die sie sich als Heimwegmarkierung gelegt hatte. Wohin sie auch kam, sie stieß an Erdnüsse, Salami oder eingelegte Paprika, die sie zum verweilen und schlemmen verführten. Doch die kleine blieb hart. Sie hatte ihr Samenkorn gefunden und gab es nicht wieder her. Auch nicht im Tausch gegen eine Erdnuss oder eine Salamischeibe. Es war wie verhext! Irgendwie musste doch dieser Weg zurück in den Bau zu finden sein! War es hier lang? Nein! Dort lang? Auch nicht! Vielleicht hier rüber? Wieder nichts! Die Ameise war kurz vor der Verzweiflungsgrenze. Noch einmal lief sie hektisch über den ganzen Tisch und wieder zurück. Dann blieb sie stehen und schien über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken.

In der Zwischenzeit kam ein schwarzes Fliegewesen auf uns zugeflogen, das etwa dreimal so groß war wie die Ameise. Es setzte sich ebenfalls auf den Tisch, krabbelte auf Heikos Hand zu und verprügelte dessen Fingernagel mit seinen langen Fühlern. Was ihn zu diesem Akt der Aggression veranlasste ist bis heute ungeklärt. Einige Experten gehen davon aus, dass es sich vielleicht auch um ein Zeichen der Zuneigung gehandelt haben könnte. In diesem Fall war es vielleicht eine Art dreiste Anmache, ähnlich wie wenn man einer hübschen Frau auf den Arsch haut, um ihr zu zeigen, dass man sie toll findet.

Doch bevor wir die Absichten des kleinen Käfers klären konnten, verabschiedete er sich schon wieder und suchte das weite. Was immer er Heiko auch mitteilen wollte, er war mit dessen Reaktion offenbar nicht sonderlich zufrieden.

Die Ameise hatte nun wieder neuen Mut gefasst und setzte zu einem weiteren Fluchtversuch an. Ihr Nachteil gegenüber dem Flühlerstupser war, dass sie keine Flügel hatte, und daher zurück laufen musste. Ich versuchte ihr zu helfen und gab ihr ein paar Tipps: „Halten wir doch einmal fest, was wir sicher sagen können. Auf diesem Tisch ist dein Ameisenbau schon einmal nicht. Der erste Schritt ist es also, dass du wieder nach unten auf den Boden kommst. Dass ist ja nicht so schwer, du musst nur an eine Kante kommen und dann am Tischbein hinabklettern. Unten kannst du dann ja noch immer verwirrt in der Gegend herumlaufen, aber da steigen die Chancen, dass du über irgendetwas stolperst, dass dich weiterbringt!“

Die Ameise schaute mich verwirrt an, überlegte einen Moment und entschied sich dann dafür, meinen Rat zu ignorieren und mit ihrer bisherigen Strategie fortzufahren. Schließlich landete sie dabei auf der Unterseite des Tisches. Ob sie es von dort auf den Boden und vom Boden in ihren Bau geschafft hat, wissen wir leider nicht. Was wir aber sicher sagen können ist, dass sie bis zuletzt ihren Samen stolz über dem Kopf getragen und nicht eine Sekunde abgelegt hat.

Der weitere Weg führte uns wieder durch ein Waldstück und diesmal kamen wir an einem Bärlauchfeld vorbei, das sogar noch größer war, als alle bisherigen. Der Unterschied war diesmal jedoch, dass das Feld bereits vor strahlend weißen Blüten leuchtete. Es war wohl die sicherste Zeit für eine Bärlauchernte, denn die Blüten ließen sich anders als die Blätter nicht mit denen von Maiglöckchen oder Schlüsselblumen verwechseln. Für heute Abend haben wir also wieder eine gute Portion an Wildgemüse. Als wir Brezice erreichten verschafften wir uns zunächst einmal eine Orientierung über den weiteren Weg. Eigentlich war es noch etwas zu früh um anzukommen, doch wie wir feststellen mussten, war dies die letzte Ortschaft vor der Grenze. Morgen würden wir bereits nach Kroatien einreisen und wir haben noch keine einzige Vokabel übersetzt. Daher entschieden wir uns, zunächst einmal hier zu bleiben und den letzten Tag in Slowenien zu genießen. Dafür wurden wir sogar zum zweiten Mal von einem Pfarrer eingeladen. Diesmal bekamen wir wieder einen Raum für den Kommunionsunterricht. Sie schienen wirklich überall gleich zu sein, denn es fühlte sich sofort wieder an wie in Italien. Sogar das Brummen der Lampen war identisch.

Spruch des Tages: Man muss das Eisen schmieden wie sich selbst und seinen Nächsten lieben, solange er warm ist. (Spruch an der Wand im Keller des Pfarrers)

Höhenmeter: 110

Tagesetappe: 11 km

Gesamtstrecke: 87451,77 km

Wetter: sonnig, leicht bewölkt

Etappenziel: Pfarrhaus, 8250 Brezice , Slowenien

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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