Tag 483: Die Geistermast

von Heiko Gärtner
29.04.2015 19:59 Uhr

Zum Abendessen wurden wir von unserer Gastfamilie noch einmal in ihr Restaurant eingeladen. Es gab eine Backforelle die so unvergleichlich lecker zubereitet worden war, dass wir uns am liebsten hineingesetzt hätten. Der Fisch war so gut, dass wir dabei sogar die knusprigen Pommes vergaßen, die mitserviert wurden. Man spürte bei jedem Bissen, dass dieser Fisch im glasklarem Wasser eines Bergbaches aufgewachsen war und nicht in der chemikalienverpesteten Mündung eines Flusses in einer Industriestadt. Dazu gab es eine Paste aus frischem Knoblauch und Olivenöl. Ein Traum!

Unser Dolmetscher kam auch wieder auf einen Sprung vorbei. Diesmal erzählte er uns von drei Hippies, die er vor einer Woche hier im Ort getroffen hatte. Die Gruppe aus einem Mann und zwei Frauen war mit einem alten Planwagen unterwegs, der von einem Pferd gezogen wurde. Auch der Hotelbesitzer vom Vortag hatte uns bereits davon erzählt. Sie mussten also in der gleichen Richtung wie wir unterwegs sein. Mit etwas Glück treffen wir sie ja vielleicht sogar. Spannend wäre es auf jeden Fall.

Nach dem Frühstück wollte uns vor allem unsere Gastmama kaum gehen lassen. Obwohl sie ungefähr so viel Deutsch sprach wie wir Slowenisch, hatte sie uns richtig ins Herz geschlossen. Als wir sie zum Abschied umarmten hatte sie sogar Tränen in den Augen.

Nach dem fiesen Regen von gestern war es heute wieder angenehm sonnig und warm. Der Weg führte uns diesmal durch eine flachere Ebene und vorbei an einigen Feldern und Plantagen. Auch diese waren nicht gerade klein, doch es gab einen deutlichen Unterschied zu denen in Frankreich, Italien und Spanien. Hier wurde das angebaut, was man in Slowenien zum Essen brauchte. Es waren natürlich noch immer Monokulturen die genauso mit Gift behandelt wurden wie überall sonst, aber sie waren nicht mehr so überdimensioniert, dass sie das ganze Landschaftsbild zerstörten. Das meiste davon waren Gemüsefelder, die noch von richtigen Bauern betreut wurden. Und selbst bei einem großen Weizenfeld sahen wir einen älteren Herren, der mit seinem Rad hierher gefahren war, um nach seinen Pflanzen zu schauen. Es mochte nicht viel gesünder sein, wie hier angebaut wurde, doch die Menschen hatten zumindest noch einen direkteren Bezug zu dem was sie taten. Das machte es allerdings auf der anderen Seite auch gleich noch ein bisschen erschreckender, wie effektiv Monsanto und Konsorten mit ihrer Giftmittelpropaganda waren. Selbst oben in den Bergen liefen die Weinbauern durch ihre Felder und verteilten das Gift mit Handspritzen und ohne Atemschutz auf den jungen Reben.

Als wir am Fluss nach einem Picknickplatz Ausschau hielten, wurden wir jäh von dem lauten Knattern einer Kettensäge aufgeschreckt. Hier schien also für eine ruhige Pause nicht der richtige Ort zu sein. Kaum hatten wir die nächste Ecke umrundet, stellten wir fest, dass die vermeintliche Kettensäge überhaupt keine Kettensäge sondern ein Grasschneider war. Es war schon verrückt, dass man dank der Technik heute mehr Lärm verursachte, wenn man einen Grashalm durchtrennte, als wenn man einen Baumstamm fällte.

Einige Kilometer weiter fanden wir unseren ruhigen Picknickplatz dann aber doch noch. Direkt unten am Flussufer stand eine kleine Bank mit Blick über das Wasser. Jugendliche hatten hier eine Schwimminsel in den Fluss gebaut, auf der man sich im Sommer sonnen konnte. An einem Baum hatten sie außerdem ein Schwungseil installiert, mit dem man ins kühle Wasser springen konnte. Der ganze Platz wirkte ein bisschen wie aus Peter Pan oder aus einer anderen Abenteuergeschichte in irgendeinem Märchenland. Es machte Spaß, hier zu sitzen und hin und wieder einem Fisch dabei zuzuschauen, wie er aus dem Wasser sprang. Warum machten die Menschen wohl Reisen nach Indien um dort die Erleuchtung zu finden, wo es doch hier, so in der Nähe, ein solches Paradies gab?

Wenig später durften wir dann sogar noch einige Pferde auf einer großen Weide beobachten, die ihren Fohlen das Galoppieren beibrachten. Es war das erste Mal, dass ich ein solches Schauspiel zu sehen bekam. Die erwachsenen Tiere rannten in vollem Galopp über die Weide und kehrten dann zu den Jungtieren zurück. Anschließend amten diese ihre Eltern nach und wurden mit jedem Mal ein bisschen sicherer und eleganter. Es war eine richtige Unterrichtsstunde im Familienverband.

Zunächst wunderten wir uns etwas darüber, dass eines der älteren Pferde einen so sonderbaren Laufstiel hatte. Erst beim Näherkommen erkannten wir, dass man ihm die Vorderbeine zusammengebunden hatte. Offensichtlich hatte der gute bereits einen oder mehrere Fluchtversuche hinter sich und sollte nun gezähmt werden. Doch die Wildheit in seinen Augen verriet ganz deutlich, dass er nicht der Typ war, der sich zähmen ließ.

Die Situation zeigte jedoch auch noch einmal wie wichtig es ist, dass Kinder nicht nur von ihren eigenen Eltern sondern von einem Klan aufgezogen werden. Wäre das Pferd mit den zusammengebundenen Beinen das einzige Vorbild fürs Galoppieren gewesen, dann hätten die Jungtiere es kaum richtig lernen können. So aber hatten sie mehrere Anschauungsobjekte und konnten sich alles abschauen, was sie für ihre eigene Entwicklung brauchten.

Bei unserer zweiten Pause stolperten wir dann jedoch ausversehen in einen weniger paradiesischen Ort. Hier kamen keine Bilder von Märchen und Abenteuer auf, sondern viel mehr von Horrorszenarien, Gewalt und Elend. Über eine kleine Brücke erreichten wir ein verlassenes Gehöft mit lauter leerstehenden Gebäuden. Zunächst dachten wir uns nicht viel dabei, doch unsere Neugier war geweckt. Vorsichtig lugten wir in eines der Gebäude, das früher offensichtlich einmal ein Verwaltungsgebäude gewesen sein musste. Überall auf dem Boden lagen Quittungen und andere Papiere verstreut, darunter auch einige Eierkartons. Im Hinterzimmer befand sich eine Packstation für Hühnereier.

Offensichtlich waren wir in einem geschlossenen Betrieb für Legehennen gelandet. Wir schauten uns noch etwas weiter um und entdeckten die alten Hallen, in denen die Hühner ihr Dasein fristen mussten. Der Gestank von Kot und Verwesung schlug uns aus der Dunkelheit entgegen. Als sich unsere Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten, erblickten wir die Legebatterien. Wir hatten solche Anlagen schon des Öfteren in Filmen und Dokumentationen gesehen, doch wirklich einmal darin zu stehen war etwas völlig anderes. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Die engen Drahtkäfige mit dem scharfkantigen Gitterboden waren gerade groß genug für eine Henne. Vor den Käfigen befanden sich Laufbänder, in denen das Futter vorbeigefahren wurde.

Wenn ein Huhn ein Ei legte, dann kullerte dieses in eine Rinne unterhalb des Käfigs und konnte dort von einem Arbeiter entnommen werden. In einem der Käfige lag noch immer ein totes Huhn. Es war fast vollständig verwest, stank aber noch immer erbärmlich. Bei allem, was wir bereits über die Hühnermast und die industrielle Massenproduktion von Eiern wussten, waren wir noch immer schockiert. Es war einfach unfassbar, was wir mit Tieren anstellten, um Profit zu machen. Dabei war dies sogar noch ein moderner und relativ kleiner Betrieb gewesen. Gerne hätten wir uns eingeredet, dass er aufgrund der üblen Bedingungen geschlossen wurde und dass heute so eine Tiermisshandlung nicht mehr vorkommt. Doch das wäre einfach zu naiv gewesen. Der Betrieb musste vor rund zwei Jahren geschlossen worden sein und wahrscheinlich deshalb, weil er mit größeren und noch grausameren nicht mehr konkurrieren konnte. Dies war nicht die schreckliche Ausnahme. Es war der schreckliche Standard.

Wir brauchten eine Weile, bis wir uns von unserem düsteren Fund wieder erholt hatten. Als wir ein kleines Dorf erreichten, wurden wir auf eine Frau aufmerksam, die neben der Kirche wohnte und gerade nach Hause gekommen war. Vielleicht gab es hier ja einen Pfarrer und wenn ja, dann wusste sie sicher, wo er wohnte.

Die Vermutung war richtig und die Dame sprach darüber hinaus auch noch hervorragend Deutsch. Der Pfarrer war ihrer Meinung nach ein absolutes Zuckerstück und beherrschte neben Slowenisch und Deutsch auch noch Italienisch und Englisch. Er war gerade nicht zuhause, wollte aber in gut zehn Minuten zurückkommen. Bis dahin wurden wir von der Dame auf ein Wasser auf ihrer Terrasse eingeladen. Wie sich herausstellte hatte sie in Bezug auf den Pfarrer nicht übertrieben. Er war wirklich ein herzensguter Mensch und hatte dazu noch etwas drolliges, so dass man ihn sofort gern haben musste. Wir bekamen ein Gästezimmer bei ihm und durften uns wie zuhause fühlen. Kaum zehn Minuten nachdem wir gekommen waren, fuhr er noch einmal davon und vertraute uns nicht nur sein komplettes Haus sondern auch seine achtzigjährige Mutter an, die ihn gerade besuchte. So unterschiedlich kann Vertrauen sein.

Als die Dame von zuvor erfuhr, dass wir hier übernachten durften, freute sie sich mindestens ebenso sehr wie wir. Sie wünschte uns eine schöne Zeit und schenkte jedem von uns zum Abschied zwanzig Euro und eine Packung mit Tee.

„Versteckt dass aber ganz schnell!“ raunte sie uns dabei zu. „Nicht das mein Sohn dass sieht, der meckert dann wieder!“

Spruch des Tages:

Höhenmeter: 240

Tagesetappe: 9 km

Gesamtstrecke: 8740,77 km

Wetter: sonnig

Etappenziel: Pfarrhaus, 8263 Cerklje ob Krki, Slowenien

Warum monogame Beziehungen zum Scheitern verurteilt sind!

Als wir in der Früh aus dem Fenster schauten, war uns sofort klar, dass heute kein entspannter Picknicktag werden würde. Es schüttete mal wieder wie aus Eimern und es sah nicht so aus, als wollte es jemals enden. Zunächst jedoch konnten wir das Unvermeidliche noch ein bisschen hinauszögern, da wir im Restaurant zu einem Frühstück eingeladen wurden. Dann aber hieß es hinaus in die Nässe und in unser neues Thema, die monogame Beziehung ist zum Scheitern verurteilt. Die neuen Softshelljacken, die uns Heikos Eltern mitgebracht hatten, hielten zwar noch etwas mehr Wasser ab, als die alten, doch da es heute recht warm war und wir wieder fleißig bergauf wandern mussten, waren wir nach kurzer Zeit so durchgeschwitzt, dass wir auch ganz ohne Jacke hätten laufen können.

Die neuen Softshelljacken wurden prompt im Regen geprüft

Die neuen Softshelljacken wurden prompt im Regen geprüft

Um uns herum wirkte der Wald wie die Nebelwälder in Guatemala, die ich damals besucht hatte. Dichte Nebelschwaden stiegen über ihnen auf, während der Starkregen auf sie herab prasselte. Es hatte etwas von Urwald und trotz der Ungemütlichkeit war es etwas besonderes, hier entlang wandern zu dürfen.

Heiko kam nach einigen Metern noch einmal auf das Gespräch mit unserem Gastgeber vom Vortag zurück. Er hatte uns erzählt, wie viel sich in seinem Leben und vor allem in seiner monogamen Beziehung geändert hatte, seit er verheiratet war. Die alte Leidenschaft schien verloren zu sein und auch wenn er seine Frau noch immer liebte, konnte er es doch nicht verhindern, dass er sich nach Abwechslung und nach einer neuen Partnerin sehnte.

Welches tief verankerte Denkmuster hält uns gefangen?

Uns fiel auf, dass hier ein Denkmuster verborgen lag, dass so Tief in unserer Gesellschaft verankert war, dass man es kaum mehr aufrütteln konnte. Wir glauben, dass die Qualität unserer Beziehung, egal ob in Bezug auf die Liebe oder auf die Sexualität, von unserem Partner abhängig ist. Wenn es nicht funktioniert, dann war der Partner eben nicht der Richtige und wir brauchen einen Neuen. Das es mit dem falschen Partner nicht klappen kann ist ja logisch. Die Frage ist nur, warum erwischen wir nur immer wieder die Falschen? Oder kann Monogamie nicht funktionieren?

Doch ist dieser Gedanke nicht komplett irrsinnig? Gehen wir einmal davon aus, dass wir alles was in unserem Leben passiert, mit Hilfe unserer Gedanken, unserer Glaubenssätze und unserer Weltansichten selbst angezogen haben und dass alles was passiert aus einem bestimmten Grund geschieht. Wenn dem so ist, gibt es auch keine falschen Entscheidungen, denn wir entscheiden uns immer so, wie es uns im Moment der Entscheidung am besten erschien. Selbst wenn wir in diesem Moment schon wissen, dass wir die Entscheidung später wieder bereuen würden, so gab es doch immer einen guten Grund, warum wir genau so und nicht anders gehandelt haben.

Wir müssen unsere Denkmuster und Glaubenssätze hinterfragen!

Wir müssen unsere Denkmuster und Glaubenssätze hinterfragen!

Ihr findet, dass das etwas zu komplex klingt? Das ist wahrscheinlich nicht ganz falsch, denn das Thema, was dahinter steht ist schier unfassbar groß. Ich werde trotzdem versuchen, es kurz zu erklären.

Denkmuster und Verstrickungen

Das zentrale Prinzip, nach dem wir handeln ist unsere Selbstliebe und unser Selbsterhalt. Jede Entscheidung, die wir treffen, treffen wir so, dass sie uns ausgehend von unserem aktuellen Wissens- und Glaubensstand, die größtmögliche Heilung und den größtmöglichen Lust- bzw. Zufriedenheitsgewinn bringt. Bis hierhin ist es eigentlich ganz einfach. Das, was es komplex macht ist, dass wir seit unserer Zeugung verschiedenste Denkmuster von unseren Eltern und anderen Mitmenschen wie zum Beispiel die monogame Beziehung, aufgenommen haben die nicht unbedingt immer besonders hilfreich sind. Eine Wildkatze lernt von der ersten Sekunde ihres Lebens an, wie sie sich in der Wildnis zurecht findet, wie sie einen Partner findet, Beute fängt und es sich ansonsten gut gehen lässt. Sie bekommt kein schlechtes Gewissen eingeredet, wenn sie den halben Tag in der Sonne döst. Sie bekommt keine Existenzängste mit auf dem Weg, die sie glauben lässt, dass es im Wald nicht genügend Mäuse für alle gibt und sie muss auch keine Familienverstrickungen auflösen, die ihre Eltern bereits von den Großeltern übernommen haben.

Bei uns ist es etwas anders. Wir bauen uns bereits im Bauch unserer Mütter eine Weltsicht auf, die in unseren ersten Lebensjahren immer weiter verfestigt wird und die wir für wahr halten. Diese bildet dann die Grundlage für unsere späteren Entscheidungen und das wiederum ist der Grund, weshalb unsere Entscheidungen oftmals so falsch oder zerstörerisch wirken. Nehmen wir einmal an, Gundl hat als Kind gelernt, dass ihre Eltern sie nicht mehr lieben, wenn sie ihre wahren Gefühle zeigt. Ohne die Liebe ihrer Eltern, von denen sie als Kind vollkommen abhängig war, wäre sie gestorben, also war das Unterdrücken ihrer Gefühle eine der wichtigsten Überlebensstrategien, die sie aufbauen konnte. Viele Jahre später lernt Gundl einen Mann kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt.

Sie weiß, dass er sie ebenfalls mag und alles was sie machen muss, um ihn als Partner zu gewinnen, ist es ihm offen zu zeigen, wie sie sich fühlt. Ohne dass ihr dies bewusst ist, verbindet sie das Zeigen von intensiven Gefühlen jedoch noch immer mit der Gewissheit, dass sie dadurch sterben wird und dass will sie natürlich verhindern. Obwohl sie weiß, dass sie diese Entscheidung ihr Leben lang bereuen wird, schweigt sie und weist ihren Traumprinzen ab. Für sie selbst fühlt es sich zwar wie eine falsche Entscheidung an, doch wenn man alles mit einbezieht, dann war es die einzige Möglichkeit, die ihr blieb. Wäre die Angst vor dem Tod zur Gefühlsehrlichkeit inzwischen so weit aufgelöst worden, dass die Angst kleiner wäre vor dem Unglücklichsein aufgrund der verpassten Chance, dann hätte sie sich andersherum entschieden. Ob sie das Glücklicher gemacht hätte, weiß natürlich kein Mensch. Vielleicht hätte sie sich dann ihr Leben lang gefragt, was passiert wäre, wenn sie damals einfach die Klappe gehalten hätte.

Ein weiteres Beispiel

Hubert hat als kleiner junge gelernt, dass man es nur dann im Leben zu etwas bringt, wenn man stärker ist als andere und es diesen auch beweisen kann. Egal womit ein anderer in seine Selbstbestimmung eindringen will, er sieht sofort rot und geht auf die Barrikaden. Mit 21 bekommt er mit, wie sich ein Freund von ihm nach einem Diskobesuch an seine Freundin ranmacht. Sofort ist er zur Stelle und schlägt den Konkurrenten krankenhausreif. Auch diese Entscheidung diente der Selbstliebe, da er sich und seine Beziehung in Gefahr sah.

Die Kirche und deren Regeln sind nicht für jeden geeignet

Die Kirche und deren Regeln sind nicht für jeden geeignet

So wie Gundl implodierte und aus Selbstliebe ihre Gefühle nur in sich hineinfressen konnte. So ist Hubert jemand der explodiert und seine Gefühle so schlagartig nach außen entlädt, dass er damit anderen Schaden zufügt. Beide Wege sind weder richtig noch falsch. Sie sind die Resultate der inneren Glaubensmuster, die in den Menschen unbewusst vor sich hin schlummern. Es sind einfache Beispiele, doch egal welche Entscheidungen irgendjemand auch trifft, egal ob er seiner Oma einen Blumenstrauß schenkt, Präsident werden will oder als Serienmörder Leichen zerstückelt, es steht immer das gleiche Prinzip dahinter. Daher ist eine Entscheidung, egal was sie auch für Folgen hat niemals falsch, da wir immer so gut entschieden haben, wie wir es in diesem Moment konnten. Uns Vorwürfe oder Schuldgefühle wegen einer Entscheidung zu machen, die im Nachhinein Leid verursacht, ist nicht hilfreich, denn wir können die Entscheidung nicht ungeschehen machen. Und wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten um wieder an dem gleichen Punkt zu landen, dann würden wir uns wieder genauso entscheiden. Was wir jedoch tun können ist, die Konsequenzen der Entscheidung als Wegweiser anzunehmen. Wenn eine Entscheidung zu Leid führt, dann wissen wir, dass wir sie aufgrund einer unbewussten Überzeugung getroffen haben, die nicht mehr dienlich für uns ist. In dem Moment, wo wir verstehen, warum wir wie gehandelt haben und die Mechanismen aus dem Unbewussten ins Bewusste holen, können wir die nächste Entscheidung in diesem Bereich auch bewusst treffen. Das heißt natürlich nicht, dass wir dann mit dem Ergebnis absolut zufrieden sind, aber es bedeutet, dass wir uns auf einen Entwicklungsweg begeben können, der dazu führt, dass wir mehr und mehr Zufriedenheit in unser Leben ziehen können.

Doch kehren wir nun zum Thema Partnerschaft zurück

Wenn nun also all unsere Entscheidungen ausgehend von unserer aktuellen Lebenssituation immer die richtigen sind, dann sind auch automatisch unsere Partner immer die richtigen. Nicht unbedingt immer diejenigen, mit denen wir ein glückliches und erfülltes Leben bis in alle Tage führen, aber diejenigen, die in dieser Phase unseres Lebens wichtig waren, damit wir lernen und uns weiterentwickeln konnten.

Wenn wir jetzt also davon ausgehen, dass es keinen falschen Partner gibt und dass es nicht am Partner liegt, ob eine Beziehung erfüllt ist oder nicht, dann muss es eine andere Ursache dafür geben, dass eine Partnerschaft nach einiger Zeit die Spannung verliert. Und diese wiederum liegt in unserer eigenen Betrachtungs- und Denkweise, mit der wir durchs Leben gehen. Das Thema ist etwas zu groß und zu umfangreich um es hier jetzt komplett auszuführen. Heiko beschäftigt sich nun immerhin bereits seit mehr als vier Monaten damit und wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.

  Das Leben in Monogamie ist auf Dauer schwer, finden einige und daher kommen Seitensprünge oder das fremd gehen, auch in den besten Beziehungen vor. Warum wir an der sexuellen Treue immer wieder scheitern ist, weil wir nur an die vorhandenen Denkmuster glauben. Warum ist die Monogamie unrealtistisch? Vielleicht ist es an der Zeit über eine neue Monogamie nachzudenken und dies darf jeder für sich entscheiden. Und wie sieht es bei den Tieren und der Biologie aus? Monogamie findet sich nur ausgesprochen selten bei Fischen, Lurchen und Reptilien. Auch bei Säugetieren herrschen andere Paarungssysteme wie Polygynie und Promiskuität vor. Bei vielen Vögeln ist hingegen die Monogamie das vorherrschende Paarungssystem (wobei zwischen sozialer und sexueller Monogamie zu unterscheiden ist; ca. 90 % aller Vogelarten sind zumindest sozial monogam). Vielleicht habt ihr auch schon von der Variante Polyamorie gehört oder gelesen. Das Besondere an Polyamorie ist der Grundsatz, dass der Liebe keine Grenzen gesetzt werden sollten und dass man somit jede Person lieben kann, die man möchte und dies auch zeigen darf. Polyamorie wird daher als ganzheitliches Lebenskonzept gesehen, das einen Gegenentwurf zum traditionellen monogamen Beziehungsmodell darstellt. Falls ihr mehr über die Kritik und eventuelle Probleme zum Thema erfahren wollt, empfiehlt sich der ehrliche und interessante Polyamorie Blog. Hier können erste Informationen einen neuen Raum schaffen, aber dennoch könnt ihr auch eure eigene Einstellung dazu nachwirken lassen. Welche Gefühle kommen auf wenn ihr an ein Polyamorie Dating denkt? Oder ist dein Partner Polyamorie? Eine ausführliche Doku über das große und vielleicht auch neue Thema, wird euch viele Fragen beantworten können.
Was hat der Tischtennis Vergleich mit dem Partner zu tun?

Was hat der Tischtennis Vergleich mit dem Partner zu tun?

Das interessante Currywurst Debakel

Hier möchte ich nur auf einen Aspekt der monogamen Beziehung eingehen, der uns heute besonders beschäftigt hat. Denn fest verbunden mit dem Glauben, dass es die Aufgabe unseres Partners ist, uns Glücklich zu machen, ist auch die Angst, dass diese Aufgabe von einem einzigen Menschen überhaupt nicht zu bewältigen ist. Vor allem in Bezug auf die Sexualität spukt bei vielen von uns immer wieder die Frage im Kopf herum, ob eine einzige Partnerin oder ein einziger Partner auf Dauer nicht automatisch zu Langeweile im Bett führt. Bedeutet eine monogame Beziehung nicht automatisch, dass man sich sein ganzes Leben auf etwas festlegt, das immer gleich bleibt? So als würde man sich verpflichten, von heute an nur noch einen einzigen Fernsehsender zu schauen, nur noch ein einziges Bettspiel zu spielen und nur noch ein einziges Gericht zu essen. Selbst wenn dieses Gericht das absolute Lieblingsgericht ist, wie zum Beispiel Currywurst mit Pommes und man am Anfang glaubt, man könne sich niemals daran satt essen, dann hängt es einem doch früher oder später zum Hals heraus. Ich meine, niemand kann jeden Tag zum Frühstück zum Mittag und zum Abendessen Currywurst essen, oder doch? Aber selbst wenn er es kann, dann sieht schon bald die Pizza auf dem Teller des Nachbarn so viel verlockender aus, dass man beginnt von ihr zu träumen, auch wenn man es vielleicht gar nicht will. Und der Nachbar, der den tagein tagaus nur Pizza vorgesetzt bekommt, der verzehrt sich nun plötzlich nach unserer Currywurst oder nach der Schüssel voll Eis auf dem Tisch gegenüber.

Doch funktioniert dieser Vergleich überhaupt? Wenn wir in unserer Partnerschaft gelangweilt sind, dann glauben wir, dass dies an unserem Partner liegt. Es muss dabei nicht einmal Schuld sein. Die „Chemie“ stimmt einfach nicht mehr. Man hat sich eben auseinander gelebt. Ein neuer Partner macht da bestimmt alles besser. Doch schon bald stellen wir fest, dass mit diesem Partner wieder die gleiche Langeweile aufkommt und wir schon wieder einen neuen brauchen. Wenn wir das System perfektionieren, dann legen wir uns gar keine festen Partner mehr zu, sondern entscheiden uns für ein System mit vielen lockeren Partnerschaften und Affären. Das kann sogar ein System sein, mit dem wir sehr gut zurechtkommen und viele, die auf diese Weise Beziehungen pflegen sind damit zufriedener als viele, die einen festen Partner haben. Doch so wirklich erfüllend ist auch diese Variante nicht. Warum?

Das Gleichnis mit der Currywurst auch andersherum

Wir glauben, dass wir anderen Sex erleben, wenn wir andere Partner haben. Es ist wieder neu, wieder spannend, wieder aufregend, denn das Gesicht und der Körper des Partners sehen nun anders aus und auch vom Temperament und vom Charakter unterscheidet er sich. Es ist jedoch ein Trugschluss, dass dadurch der Sex selbst abwechslungsreicher wird. Es ist ein bisschen ähnlich, wie das System, mit dem wir früher unsere Wildniskurse geleitet haben. Natürlich kam zu jedem Wochenendkurs eine neue Gruppe und je nachdem wie sich diese zusammensetzte, war auch jeder Kurs immer etwas anders. Man hatte stets mit neuen Menschen zu tun und diese brachten eine gewisse Abwechslung. Gleichzeitig führte es aber auch dazu, dass man jedes Mal wieder bei Null begann und so auf Dauer immer wieder die gleichen Aufgaben und Übungen machte. Trotz der wechselnden Teilnehmer stellte sich schließlich eine Routine ein, die bei uns als Trainer zu einem akuten Gelangweilt-Sein führte. Und die gleiche Langeweile stellt sich auch dann wieder ein, wenn man täglich neue Sexualpartner und keine monogame Beziehung hat. Das Gleichnis mit der Currywurst ist also andersherum. Einen Partner zu haben bedeutet nicht, täglich Currywurst essen zu müssen, sondern immer beim gleichen Koch oder der gleichen Köchin zu essen. Wenn dieser Koch oder diese Köchin natürlich nur ein einziges Gericht kann und uns dieses bei jeder Mahlzeit wieder vorsetzt, dann ist der Brechreiz nach kürzester Zeit vorprogrammiert. Dass man sich nun nach einem neuen Koch umsieht ist nur verständlich. Selbst wenn dieser ebenfalls nur Currywurst serviert, so hat er doch wenigstens ein etwas anderes Rezept und bringt damit eine neue Nuance in die monogame Beziehung mit ein.

Der Tischtennis Vergleich mit dem festen Partner

Seine Partner ständig zu wechseln ist hingegen eher vergleichbar mit der Tätigkeit eines Restauranttesters, der sich auf Fastfood-Läden spezialisiert hat. Auch er isst täglich Currywurst, probiert dabei aber sämtliche Imbissbuden durch und kann so ein persönliches Ranking erstellen. Hier war es etwas besser, dort etwas schlechter. Doch letztlich bleibt er bei der Currywurst. Die Spannung die er den Langzeitpaaren voraus hat, liegt dabei nicht beim Sex selbst (Currywurst bleibt Currywurst) sondern viel mehr in der Jagd, dem Eroberungsprinzip, bei dem er seine Instinkte nutzen und seinen Trieb befriedigen kann. Mit einer erfüllten, heiligen und energetisierenden Sexualität hat es jedoch wenig zu tun. Man kann es ein bisschen mit dem Spielen von Tischtennis vergleichen.

Die Spannung und die Abwechslung entsteht dabei nicht dadurch, dass man stets einen neuen Partner hat, mit dem man auf immer gleiche Weise den Ball locker von einer Seite auf die andere tippeln lässt. Sie entsteht dadurch, dass man mit unterschiedlichen Techniken und Geschwindigkeiten spielt, dass man mal flache mal hohe, mal schnelle, mal langsame Bälle spielt, dass man zwischen Vorhand und Rückhand wechselt, dass man den Ball schmettert, andreht abfängt oder den Gegner mit einem Topspin überrascht.

Welches Gesicht einem von der anderen Seite der Platte entgegenblickt spielt natürlich auch eine gewisse Rolle, doch nicht so sehr, wie das Spiel selbst. Genauso ist es auch beim Sex in einer monogamen Beziehung. Die Spannung entsteht, wenn ich verschiedene Spielarten mische. Wenn ich mit Handschellen spiele, mit Wachs, mit verschiedenen Berührungen, Stimmungen, Massagen und der gleichen mehr. Das unterscheidet die Sexualität. Um das zu ermöglichen muss man sich jedoch wie zwei Tanzpartner auf einander einspielen. Es erfordert Vertrauen, Hingabe, die Bereitschaft sich fallen zu lassen und natürlich Übung. Seinen Partner ständig zu wechseln bedeutet immer auch im Anfängerbereich zu bleiben. Beim Kochen bedeutet dies, dass man mit jedem neuen Küchenpartner immer wieder nur die einfachsten Gerichte zustande bringt. Das kann natürlich ebenfalls Spaß machen, doch es sind die Gerichte, die am wenigsten Befriedigung, am wenigsten Energie und am wenigsten Verjüngung bringen. Wenn man wirkliche kulinarische Highlights zaubern will, dann muss man das Kochen lernen und das geht am besten dann, wenn man sich gemeinsam auf diesen Weg einlässt und ihn beständig weiter geht.

Wieviel Tiefe möchte man haben bzw. kreieren?

Der heilige Jakob als Wegweiser

Der heilige Jakob als Wegweiser

Wenn wir also spüren, dass unsere bisherigen monogamen Beziehungen und vielleicht auch die aktuelle, ihre Spannung verloren haben und uns mehr Energie kosten als sie uns bringen. Dann müssen wir uns fragen, ob wir wie der Restauranttester stets neue Varianten von Currywurst ausprobieren wollen, oder ob wir lieber in die Tiefe gehen und die Kunst des Kochens, bzw. der Partnerschaft und der Sexualität wirklich erlernen wollen. Denn täglich Currywurst, die auf die gleiche Weise hergestellt wird, ist definitiv die denkbar ungünstigste Lösung. Doch andauerndes wechselndes Fastfood führt irgendwann leider auch zur Verfettung.

Wir sterben jedes Mal einen kleinen Tod, verlieren jedes Mal ein bisschen Lebensenergie und brauchen unsere Lebenskraft so recht schnell auf. Wenn wir gesunde, energetisierende Nahrung und auch gesunden, bereichernden Sex haben wollen, dann brauchen wir Übung. Aber heißt das jetzt, dass wir nicht üben und lernen können, wenn wir unsere Partner wechseln? Nicht ganz, denn jeder Mensch ist etwas anders und hat andere Vorerfahrungen. Wenn wir mit einem Tischtennispartner spielen, der zwar ein Anfänger ist, aber bereits eine recht gute Rückhand hat, während alles andere ein Desaster ist, können wir von ihm natürlich etwas über das Rückhandspiel lernen.

Wir sehen die Sexualität nicht als Trainingssport an!

Der nächste Partner kann uns stattdessen vielleicht etwas über Ausdauer und Ballgefühl beibringen. Auf diese Weise können wir auch von einer Auswahl an Anfängern einiges für unsere eigene Entwicklung mitnehmen. Dies ist es wahrscheinlich auch, was diese Form der Beziehungsstrukturierung für viele so verlockend macht. Doch irgendwann ist eine Art Limit erreicht, ein Punkt an dem man Entwicklungstechnisch ins Stocken gerät, weil sich das meiste zu wiederholen beginnt. Und in den meisten Fällen ist dieser Punkt erreicht, bevor es wirklich zu einer energetisierenden Sexualität kommt. Es sei denn, man schafft es, andere Partner zu finden, die auf einem Fortgeschrittenen Level sind. Doch da wir Sexualität anders als Tischtennis nicht als Trainingssport ansehen, gibt es kaum jemanden, der sich hierin wirklich übt, so dass die Chancen einen Partner zu finden mit dem man bereits durch einen One-Night-Stand wirklich lernen kann, eher gering.

Doch was wäre, wenn es nicht nur Anfänger in diesem Bereich gäbe, sondern auch eine große Zahl an Fortgeschrittenen und Profis? Gehen wir noch einmal zu unserem Tischtennisbeispiel zurück. Wenn man den Ball nur locker über die Platte springen lassen kann, dann ist es relativ egal, mit wem man spielt. Doch bei einem Turnier ist es etwas anderes. Hier kann die Herausforderung schon darin bestehen, sich mit verschiedenen Gegnern zu messen. Was bedeutet das aber für die Sexualität? Auch hier wäre es Denkbar, dass ein Austausch unter Menschen, die es schaffen, eine heilende und energetisierende Sexualität zu leben, durchaus bereichernd sein kann auch ohne eine monogamen Beziehung. Wie immer dieser Austausch auch aussehen mag.

Wollen wir Köstlichkeiten mit der Zeit erschaffen?

Doch zunächst stehen wir vor einem anderen Problem. Denn die Tatsache, dass wir uns für monogame Beziehungen, in denen wir uns auf einen Partner einlassen, entwickeln können, heißt leider nicht, dass wir es auch machen. Im Normalfall betrachten wir es als eine Sache, die ist wie sie ist und je länger wir bei einander sind, desto mehr schleift sie sich ein. Hier spielen natürlich viele Komponenten mit. Man braucht Zeit, wirkliches Vertrauen und man muss vor allem Ehrlich zueinander sein. Wie man eine bereichernde Sexualität lernt ist ein Thema für sich, über das wir sicher später auch noch etwas schreiben können. Jetzt geht es erst mal nur um den Gedanken, dass es da überhaupt etwas zum Lernen und Weiterentwickeln gibt. Wenn wir uns wirklich darauf einlassen, dann können wir mit der Zeit die Köstlichkeiten erschaffen, die uns ein glückliches, lustvolles und langes Leben bescheren.

Köstlichkeiten in jeglicher Hinsicht

Wo wir gerade bei kulinarischen Köstlichkeiten sind. Als wir an diesem Punkt angelangt waren, hatten wir den kleinen Ort Podbocie erreicht. Es schüttete noch immer und auch wenn wir noch nicht viel Strecke hinter uns hatten, beschlossen wir doch, dass es uns langsam reichte. Einen Pfarrer fanden wir natürlich mal wieder nicht. Der wohnte hier zwar, verbrachte die nächsten zwei Tage aber in seiner Ferienresidenz mit Pool irgendwo außerhalb der Stadt. In dem Restaurant Gostilna Gadova Pec neben der Kirche fragte ich nach seiner Telefonnummer. Sofort wurden wir herzlich empfangen und alle Anwesenden überlegten, welche Möglichkeiten es hier geben würde.

Bevor etwas entschieden wurde, gab es jedoch erst einmal ein Grillhähnchen mit Salat und slowenischem Omelette für uns beide. Dann bekamen wir die Antwort. Der Pfarrer von hier und auch der aus dem Nachbarsdorf hatten abgesagt. Doch wir konnten in einem Gästezimmer der Restaurantbesitzer übernachten.

„Auf die Kirche ist eben kein Verlass!“ meinte der junge Gast, der sich als Dolmetscher angeboten hatte, mit einem grinsen. Zuvor hatte er sich bereits darüber lustig gemacht, dass es seit der kommunistischen Zeit in Slowenien, zwei Lager gab, die sich zwar nicht anfeindeten, aber auch nicht die besten Freunde waren. Die einen waren Anhänger der Kirche und die anderen die des Kommunismus. Als der Junge das Lokal verließ rief er uns noch schnell zu: „Erzählt überall herum, dass ihr heute zu Gast bei Kommunisten seit!“

Kommunismus oder nicht, wir bekamen einen warmen und vor allem trockenen Platz im Wohnzimmer zum Arbeiten und ein frisch für uns vorbereitetes Gästezimmer zum Schlafen. Es ist ein schöner Platz, an dem man gut einen Nachmittag verbringen kann, um mehr über die monogame Beziehung herauszufinden. Bars und Restaurants scheinen langsam unsere Hauptadresse für Schlafplätze zu werden.

Spruch des Tages:   Es ist das natürlichste auf der Welt zu lernen und sich weiterzuentwickeln, bis zu dem Moment wo Jemand kommt und uns dazu zwingt.

Höhenmeter: 60

Tagesetappe: 5 km

Gesamtstrecke: 8731,77 km

Wetter: regen, den ganzen Tag

Etappenziel: Gästezimmer der Familie Gadova, 8312 Podbocje, Slowenien

Sieben Uhr ist einfach zu früh zum Aufstehen. Schlaftrunken wankte ich von meinem Zimmer, das auf der Beschreibung an der Touristentafel im Hof so schön als Zelle bezeichnet wurde, auf den langen, leeren Gang hinaus und klopfte an Heikos Tür. Er sah so aus wie ich mich fühlte und brummte ein lustloses „Guten Morgen“ vor sich hin. Dann schleppten wir uns in Richtung Klosterkirche. Glücklicher Weise sollten wir im Gästebereich Platz nehmen, der sich auf einer Empore ganz hinten befand, wo uns niemand wirklich sehen konnte. Es war fast eine Einladung zum Weiterschlafen, ein bisschen so, wie wenn man in der Acht-Uhr-Vorlesung am Freitag Morgen vom Dozenten gebeten wurde, in der hintersten Reihe des Hörsaals Platz zu nehmen und ein Dickes Buch aufrecht vor sein Gesicht zu stellen.

Unten in der Mitte des Kirchenschiffes stand ein weißgewandeter Mönch und zog an einem langen Seil, dessen anderes Ende in der Kirchendecke verschwand. Hier wurden die Glocken also wenigstens noch ganz anständig mit der Hand geläutet und nicht von einem Computer gesteuert, der Vorgab, wann es wo, wie zu bimmeln hatte. Die nun folgenden 30 Minuten verbrachten wir in einer Art Dämmerzustand irgendwo zwischen Traum, Trance und Gebet. Soweit ich es beurteilen konnte wurde die Messe auf Latein gehalten, was uns noch mehr an unsere Zeit in Italien erinnerte. Der Ablauf unterschied sich auch nicht wesentlich von den Gottesdiensten, die wir schon kannten. Ob es wohl Absicht war, dass diese Kirchenbänke so unbequem waren, dass man es sich unmöglich gemütlich machen konnte?

Der Superior hatte uns gesagt, dass wir nach dem Vater Unser von der Empore herabsteigen und nach unten kommen sollten, damit wir bei der Vergabe des Leibes Christi nicht leer ausgingen. Doch aus irgendeinem Grund verpassten wir unseren Einsatz. Ich hatte damit gerechnet, dass man das Vater Unser anhand des Sprachrhythmus erkennen würde, auch wenn es in einer anderen Sprache aufgesagt wurde. Doch das war offensichtlich ein Irrtum. Auch Heiko war verblüfft, als die Kuttenträger plötzlich schön in einer Reihe vor dem Altar standen und die Oblaten ohne uns verputzten. Aber so traurig waren wir dann auch wieder nicht, denn nach der Messe wurden wir noch auf ein Frühstück eingeladen. Zwar gab es da keinen Christusleib mehr, aber immerhin ein paar Spiegeleier mit Sardinen. Zugegeben, das war ebenfalls ein etwas eigenartiges Frühstück und die Sardinen lagen uns noch lange recht schwer im Magen, aber es war auf seine Art ein gutes Frühstück.

So sehr wir uns auch über den Schlafplatz im Kloster gefreut hatten, so froh waren wir nun, die dicken Mauern wieder verlassen zu können. Ganz falsch war die Bezeichnung „Zelle“ für die Zimmer der Brüder nicht, denn irgendwie fühlte man sich schon etwas darin eingesperrt. Umso mehr konnten wir nun unsere Freiheit in den Wäldern des wilden Landes genießen. Die Strecke war wieder einmal traumhaft schön und auch wenn sich nicht mehr viel veränderte, hatte man doch jedes mal das Gefühl von neuem überwältigt zu werden, wenn man sich in irgendeine Richtung umdrehte.

Das absolute Tageshighlight erwartete uns jedoch vollkommen unerwarteter Weise bei einem Picknick oberhalb eines Weinberges. Ein älterer Weinbauer kam vorbei und lud uns auf einen Wein oder einen Schnaps in seine kleine Weinhütte ein. Hier standen nicht nur seine Schnapsbrennanlagen, sondern auch eine Kiste mit Bienenwaben, in denen sich noch immer der Honig befand. Antialkoholische Getränke, die er uns anbieten konnte, hatte er leider nicht, doch er wollte uns unbedingt etwas Gutes tun. Als er merkte, wie fasziniert wir von den Waben waren, nahm er eine Tüte und schenkte uns einige davon, die wir mitnehmen durften. Ich muss ehrlich zugeben, ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte ich ja schon, als wir mit der Tüte draußen an den Bienenstöcken vorbeigingen. Intuitiv hatte ich den Impuls, unser Geschenk vor den fleißigen Arbeiterinnen zu verstecken, so wie wenn man sich bei einem Frühstücksbuffet heimlich noch ein Picknickbrötchen schmiert und dieses an den Kellnern vorbeischmuggeln muss.

Einen knappen Kilometer weiter suchten wir uns eine sonnige Blumenwiese, breiteten unsere Matten aus und schauten uns unser neustes Geschenk aus der Nähe an. Habt ihr schon einmal Honig direkt aus den Waben genascht? Ich bis heute jedenfalls nicht und ich muss sagen, es gibt einfach nichts Besseres. Keine Ahnung, warum man das Zeug überhaupt schleudert, denn so macht es viel mehr Spaß. Man kann von den Waben einfach abbeißen und beim Kauen verbreitet sich die süße, klebrige Masse dann gleichmäßig im Mund. Die Waben selbst bestehen aus Bienenwachs, das man kauen kann wie Kaugummi. Es schmeckt ebenfalls leicht süßlich und hat dieses typische Aroma, das auch Bienenwachskerzen verbreiten. Wenn man allen Honig herausgelutscht hat, dann spuckt man das restliche Wachs einfach aus und beißt ein weiteres Mal in die Waben. Verdammt, jetzt wo ich darüber schreibe bekomme ich grad schon wieder Lust auf so eine Honigleckerei. Viel kann man nicht davon essen, denn es ist wirklich reinster Honig und der liegt einem bereits nach wenigen Bissen wie ein Stein im Magen. Aber es ist unglaublich lecker und gleichzeitig hat vermittelt es ein Gefühl von Freiheit und Natürlichkeit. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Teddybär und wir konnten wirklich verstehen, warum die Bären das Risiko auf sich nahmen, von einem ganzen Bienenvolk gestochen zu werden, um an diese Kostbarkeit zu gelangen. Auch das Menschen auf die Idee kamen die Honigwaben für sich zu nutzen leuchtet ein.

Heiko fiel auf, dass er in den letzten Tagen schon des Öfteren seltsame Begegnungen mit Bienen hatte, die ihm das Gefühl gaben, dass ihm die kleinen Flieger etwas mitteilen wollten.

„Es gibt mehr süße im Leben, als wir jemals Essen können!“ meinte er nun, „ich glaube, das ist die Botschaft. Die Welt ist so wunderschön und so unglaublich reich, dass wir jederzeit alles haben können, was wir für ein erfülltes Leben benötigen. Wir müssen nur damit aufhören, es uns selbst zu verweigern.“

Nach unserer Bienenpause wanderten wir weiter bis nach Kostanjevica na Krki, einem kleinen Dorf, dass sich auf einer Insel mitten im Fluss befand und nur über zwei hölzerne Brücken erreichbar war. Trotz seiner besonderen Lage wirkte die winzige und an sich sehr schöne Ortschaft seltsam verlassen. Einen Pfarrer trafen wir auch hier wieder nicht. Dafür wurden wir jedoch von dem Besitzer der Gastwirtschaft Gostilna Zolnir eingeladen, bei ihm in einem der Gästezimmer zu übernachten.

Gemeinsam setzten wir uns noch auf der Restaurantterrasse zusammen und unser Gastgeber freute sich riesig, dass er sich mit uns über alte Zeiten austauschen konnte. Er selbst war früher viel mit seinem Bully unterwegs gewesen und hatte unter anderem verschiedene Reggea-Festivals besucht. Jetzt, da er die Leitung des Familienbetriebes übernommen hatte und außerdem der Vater dreier Kinder war, hatte er für so etwas keine Zeit mehr. Doch er träumte noch gerne wieder zu diesen Zeiten zurück.

„Manchmal glaube ich,“ sagte er, „ist es das Beste, wenn man überhaupt nichts hat. Je mehr du besitzt, desto mehr Verpflichtungen hast du auch. Das Beste ist, man hat einfach nur ein Zelt und sonst nichts. Das ist Freiheit!“

Er erzählte uns auch, dass der slowenische Staat mit seinem Volk nicht viel besser umging, als andere Staaten. Wer einen eigenen Betrieb hatte, musste für alles, was er verdiente mindestens zweimal, manchmal sogar öfter Steuern zahlen, so dass am Ende fast nichts mehr übrig blieb. Gleichzeitig nahmen sich die hohen Politiker natürlich raus, was sie wollten. Gerade erst sei ein Prozess gegen einige hohe Politiker, die wegen Korruption und anderer übler Machenschaften während des Jugoslawienkrieges angeklagt wurden, wieder groß in die Presse gekommen. Nach einer sechsjährigen Verhandlung wurde nun beschlossen, das man noch einmal mit den Untersuchungen ganz vorn Vorne begann, da es irgendwo eine Art Formfehler gegeben hatte. Solange kein Entschluss gefällt war, waren die Politiker beurlaubt und bekamen weiterhin ihr fabulöses Gehalt. Sämtliche Prozesskosten inklusive der Anwälte der Angeklagten wurden von den Steuerzahlern übernommen. Warum auch nicht.

Als wir auf das Thema Kirche zu sprechen kamen, erzählte er uns noch eine weitere faszinierende Geschichte. Gerade vor ein paar Wochen war einer der beiden größten kirchlichen Konzerne Sloweniens Pleite gegangen. Es war eine Organisation gewesen, die ähnlich funktionierte wie der Vatikan, nur natürlich deutlich kleiner. Die Bischöfe und Kardinäle hatten mit dem Geld um sich geworfen, dass es nur so krachte. Nach der Pleite war herausgekommen, dass nicht wenige von ihnen allein rund fünftausend Euro für Schuhe im Monat ausgegeben hatten. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie dann der übrige Lebensstil gewesen sein muss. Es war also kein Wunder gewesen, dass das Unternehmen oder die Körperschaft, oder was es auch war, früher oder später bankrott gehen musste. Was jedoch noch spannender war, war die Liste der Firmen, in denen das Unternehmen überall ihre Finger im Spiel hatte. Dazu gehörte unter anderem auch eine der größten Mediengesellschaften Sloweniens. Diese beinhaltete nicht nur Fernseh- und Radiosender sowie eine Filmproduktion, sondern auch eine recht große und erfolgreiche Pornoindustrie. Soviel also zum Sittlichkeitsauftrag der christlichen Kirche.

Spruch des Tages: Es gibt mehr Süße im Leben, als wir jemals essen könnten.

Höhenmeter: 530

Tagesetappe: 12 km

Gesamtstrecke: 8726,77 km

Wetter: sonnig, leicht bewölkt, immer wieder kurze Regenschauer

Etappenziel: Hotelrestaurant Gostilna Zolnir, Krška Cesta 4, 8311 Kostanjevica na Krki, Slowenien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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