Tag 957: Im Land der Gewächshäuser

von Heiko Gärtner
06.09.2016 03:34 Uhr

01.08.2016

Obwohl wir uns bewusst einen Platz ausgesucht hatten, der Abseits der Ortschaften lag, hörte man das laute Geschrei der Kinder noch bis tief in die Nacht hinein. Man merkte einfach, dass sie Ferien hatten und nichts mit ihrer Zeit anzufangen wussten. Irgendwie war es schon auch schade für sie, dass es hier so gar nichts gab, was sie tun konnten. Als wir weiter durch den Canyon gingen wurde uns noch einmal bewusst, dass wir wirklich den einzigen Platz erwischt hatten, an dem man hatte zelten können. Hätten wir ihn nicht genommen, wären wir danach wieder in eine Großortschaft gekommen und hätten die Nacht über durchwanern müssen.

Das Positive an diesem Tag war, dass wir gleich zwei Mal ein Eis ergattern konnten. Sonst überwog das Gefühl, dass wir diese Gegend so schnell wie möglich hinter uns lassen wollten. Der Straßenverker hatte wieder einmal deutlich zugenommen und war nun kaum noch auszuhalten. Dafür bot er aber immer wieder auch recht amüsante, skurriele oder beängstigende Anblicke. Der coolste von ihnen war ein Junge, der oben auf einem Heuwagen stand und darauf balancierte wie beim Rodeo-Reiten. Um ein Haar wäre er dabei fast an einem Baum hängen geblieben, doch er konnte noch in letzter Sekunde ausweichen. Ein großer Holslaster, der bis zur vollkommenen Überladung gefüllt war, raste an uns vorbei. Er hatte seine Ladung nicht einmal mit einer einzigen Schnur gesichert. Das Holz lag einfach oben auf und hoffte wahrscheinlich selbst, dass es nicht abstürzte. Kurz darauf kam ein nagelneuer Mercedes an uns vorbei, aus dessen Fenster ein Metallrohr ragte. Klar musste dieses Rohr irgendwie transportiert werden und sicher erfüllte es später einmal einen wirklich guten Zweck. Wie aber kam man auf die Idee, es auf eine Weise in ein so teures Auto zu stecken, bei der vollkommen klar war, dass sie es kaputt machen musste? Und wie kam man darauf, bei einer Fahrt mit einem solchen Rohr auch noch laute Herz-Schmerz-Volksmusik zu hören? Heiko kam aus dem frotzeln gar nicht mehr heraus: "Du musst dir das noch einmal auf der Zunge zergehen lassen!" meinte er scherzhaft, "Da bist du jetzt mit fünf Männern in einer so dicken Karre unterwegs und hast ein riesiges Rohr. Ich meine, das allein ist ja schon bemerkenswert, also fünf Männer, die mit einem solchen Rohr unterwegs sind. Und dann hört man so eine Musik dazu? Haben die Leute denn gar keinen Anstand mehr? Passen zu den fünf Männern mit dem Rohr kamen wir dann an einer Discothek mit dem großartigen Namen "Status" vorbei. Gab es eine Möglichkeit, um noch klarer zu offerieren, worum es den Menschen bei einem Besuch in diesem Etablissement ging? Man hätte die Disco ja auch gleich "Discothek Phallussymbol" oder "Disco zum Prollkopf" nennen können.

Schließlich kamen wir auf eine Nebenstraße, von der wir hofften, dass sie ruhig genug war, um in der Nähe zelten zu können. Leider wurden wir enttäuscht. Sie war zwar weniger befahren, bestand dafür jedoch aus Kopfsteinpflaster und war somit gleich dreimal so laut. Links und rechts von ihr gab es zudem nur Felder, auf denen es keinen geeigneten Schattenplatz gab. Drei oder vier Mal versuchten wir, hier irgendwo einen Platz zu finden, doch außer dass wir damit noch einmal gut vier Kilometer Umweg machten, erreichten wir damit nichts. Wenn wir jedoch geglaubt hatten, dass diese Gegend ungünstig war, dann hatten wir uns auch damit schon wieder geschnitten. Denn im nächsten Bereich, in dem wir eigentlich auf eine Besserung gehofft hatten, tauchte plötzlich ein Meer von Gewächshäusern auf. Soweit das Auge reichte leuchteten hier die Häuser aus weißlichem Plastik, in dem Tomaten und Paprika für die ganze Ukraine angebaut wurden. Erschreckenderweise kamen die abgeernteten Paprika in große Plastiksäcke und wurden dann auf LKWs geworfen. Es stand also von Vornherein fest, dass sie kaputt gehen mussten. Schlechter konnte man die Bedingungen für sie kaum schaffen. Es war heiß, sie waren in Plastik einepfercht und bekamen Druckstellen und Prellungen. Plötzlich wunderte es uns nicht mehr, warum das Gemüse in den kleinen Läden immer so schäbig aussah. Auf der anderen Seite wurden dann aber auch gleich hier wieder Unmengen an Lebensmitteln weggeworfen. Allein der Müllplatz von einem der Gewächshäuser enthiel einen Berg von Tomaten, mit dem man eine Kleinstadt hätte ernähren können. Die meisten von ihnen waren vollkommen in Ordnung und wiesen nicht einmal eine Druckstelle auf. Wenn man es hochrechnete mussten es locker wieder zwei Drittel des Gemüses sein, das hier produziert wurde, die im Müll landeten, noch bevor der Verbraucher eine Chance hatte, sie zu kaufen.

Während die Paprika in Plastiktüten transportiert wurden, stapelte man die Tomaten in Bananenkartons von Chiquita. Das kam nicht nur bei einigen der Gemüsebauern vor, sondern bei allen. Wo kamen nur all diese Kartons her und warum waren alle von der gleichen Firma? Ob der Großkonzern hier wohl doch mehr war, als nur ein Kartonliferant? Am heftigsten an der ganzen Geschichte aber empfanden wir jedoch die Giftsprüher. Immer wieder gingen Männer durch die Gewächshäuser, die große Geräte auf dem Rücken hatten, mit denen sie ihre Pflanzen mit Gift besprühten. Die Geräte liefen dabei mit einem Motor, der lauter war als er einer Kettensäge. Warum man für ein Gewächshaus ein solches Gerät brauchte, während die Giftsprüher auf den Feldern meistens mit Tanks auskamen, die einen einfachen Pumpmechanismus besaßen, war uns ein Rätsel. Warum die Männer ihre Arbeit vollkommen ohne Atemmaske oder anderweitigen Schutz ausführten ebenfalls. Sie mussten sich mit dieser Arbeit einfach selbst krank machen. anders ging es nicht. Und für ihre Mitmenschen, die Anwohner, die Tomaten und die Kunden war es sicher auch nicht besonders gesund. Als wir vor einigen Jahren in der Türkei waren, hatten wir den Umgang mit den Pflanzen schon als erschreckend empfunden, doch das hier war noch tausend mal härter. Spannend war, dass es den Herstellern der Sprühgeräte offenbar wirklich wichtig war, dass die Bauern ihre Produkte lange und regelmäßig einsetzten. Die Farmer warfen sie in die Ecke oder auf die Ladeflächen ihrer Pickups und heizten damit durch die Gegend. Einmal sprang ein Sprühgerät einen knappen Meter hoch als der Fahrer durch ein Schlagloch prügelte. Dem Gerät machte das aber nichts aus. Sie mussten also extrem stabil und robust sein.

Nach einigen Kilometern und einem Blick von einem erhöhten Punkt über das Tal, sahen wir es ein: Es gab kein Entkommen! Das Land bestand nun aus Gewächshäusern und das würde sich nun auch nicht mehr ändern. Die einzige Möglichkeit, überhaupt noch einen Schlafplatz aufzutreiben war es, in einen Seitenarm einzubiegen und drei Kilometer in die Berge zu laufen, bis wir das letzte Haus hinter uns gelassen hatten. Hier mussten wir unsere Wagen nur noch auf eine zwei Meter hohe Anhöhe wuchten und schon hatten wir den besten Schlafplatz, den wir heute finden konnten. Er bestand zum gößten Teil aus Kuhscheiße und war sowohl abschüssig als auch buckelig, aber dafür lag er mitten in der Sonne. Alles, was man sich von einem Zeltplatz wünscht. Kaum hatten wir zu ende aufgebaut, kamen auch schon die ersten Hirten mit ihren Kühen vorbei. Es war also egal, wie weit man raus ging. Ungestört war man hier nie.

Spruch des Tages: Gewächshäuser soweit das Auge reicht.

Höhenmeter: 20 m Tagesetappe: 20 km Gesamtstrecke: 17.239,27 km Wetter: sonnig und heiß, später Regen Etappenziel: Gemeindehaus der Kirche, Oborín, Slowakei

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

30.07.2016

Heute hat Heikos Computer wieder einmal den Geist aufgegeben. Es war das gleiche Problem, das wir schon mehrere Male hatten, doch dieses Mal wollte das Gerät überhaupt nicht mehr angehen. Offensichtlich war es für ihn also an der Zeit, sich nach der Fertigstellung des Buches ein wenig Ruhe zu gönnen und einmal einen Gang zurück zu schalten. Die Wanderung verlief heute nicht viel anders als an den letzten Tagen, nur dass wir dieses Mal einen recht guten Schlafplatz auf einer Apfelwiese ergattern konnten. Es war der abhängigste Platz den wir je hatten, aber es war ein Platz, für den wir keine 40km wandern mussten. Unten im Ort suchte ich dann gleich ein Postamt in Ungarn, an das nun mein Computer geschickt wird, der ja inzwischen wieder repariert wurde.

31.07.2016

Durch die viele Erschöpfung der letzten Tage waren wir heute so müde, dass wir unseren Wecker überhört und einmal richtig ausgeschlafen haben. Wir starteten unsere Reise daher erst um 11:00Uhr und kamen so genau pünktlich zur Gottesdienstzeit in den nächsten Ort. So angenehm wie zu dieser Zeit hatten wir es in ukrainischen Ortschaften noch überhaupt nicht. Fast niemand schien mehr mit dem Auto zu fahren, denn der Gottesdienst war offensichtlich das einzige, wohin man zu fuß ging. Von allen Seiten pilgerten die Menschen zur Kirche. Diese war bereits so überfüllt, dass die meisten draußen im Freien standen und dem Gottesdienst von hier aus lauschten. Auffällig dabei war, dass fast nur Frauen anwesen waren. Fast alle hatten sich dabei zurecht gemacht, als würden sie in eine Disco oder auf einen Ball gehen. Viele trugen aufreizende, kurze Kleider oder Röcke mit hohen Schuhen und oftmals wirkte es fast ein bisschen nuttig. Gleichzeitig waren ihre Köpfe in Tücher gehüllt und sie standen andächtig mit gesenktem Haupt vor dem heiligen Haus un beteten. Spannend war dabei, dass die Kopftücher erst ab einem bestimmten Alter getragen werden mussten. Die Miniröcke hingegen nicht. Als wir das Dorf verlassen hatten, kamen wir zum ersten Mal auf eine kleine, nicht befahrene Straße, die sogar mit gutem Asphalt bedeckt war. Sie weckte Erinnerungen an den Balkan und plötzlich wussten wir wieder, warum uns das Wandern damals so gut gefallen hatte. Solche Straßen waren immer der Normalzustand gewesen. Hier machte man fast einen Luftsprung, wenn man mal eine entdeckte.

Was unsere Schlafplatzsuche anbelangte, kamen wir uns nun langsam wie verflucht vor. Sobald man einen finden wollte, gab es nur noch Besiedelung. Heute kamen wir sogar an einem Kloster vorbei, zu dem unter anderem auch ein großes Gästehaus gehörte. Nachdem mich die Nonnen eine knappe Stunde warten ließen, entschieden sie sich dafür, uns nicht aufzunehmen. Einen Grund gab es nicht. Sie hatten einfach keine Lust. Jetzt, da ich mich als Franz selbst wirklich wie ein Mönch fühlte, spürte ich, dass mich das gleich noch einmal mehr störte. Nicht so sehr, dass wir abgelehnt wurden, sondern einfach die Art und Weise, wie man uns dabei behandelt hatte. Ich fragte mich, ob mir das wohl mit Robe auch passiert wäre und langsam freute ich mich richtig darauf, sie zu erhalten. Schließlich erreichten wir eine Wiese, oberhalb der Straße, auf der wir unser Zelt aufbauen konnten. Es war bereits wieder kurz davor, dunkel zu werden und so begannen wir gleich mit dem Kochen. Zum Arbeiten setzte ich mich anschließend in eine kleine Wanderhütte, die hauptsächlich als Sauf- und Bumsburg genutzt wurde. Es gab hier sogar zwei Mattratzen, auf denen man entweder seine Lust ausleben oder seinen Rausch ausschlafen konnte. Besonders beliebt waren sie aber bei dem kleinen Siebenschlägfer, der über mir im Dachgebälk saß und der die Mattratzen hin und wieder gerne einmal annagte.

Spruch des Tages: Auf diese Apfelprodukte ist einfach kein Verlass!

Höhenmeter: 60 m Tagesetappe: 16 km Gesamtstrecke: 17.219,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Kulturhaus der Stadt, Zemplin, Slowakei

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29.07.2016

Heute hatten wir bereits den vierten Tag in Folge, an dem wir eine Strecke von 45km zurücklegen mussten. Es war, als würde uns die Ukraine wie mit einer Flutwelle aus sich herausspülen. Im Nachhinein betrachtet war dies auch nicht verkert, da wir andernfalls viel zu weit in den Herbst gekommen wären, doch jetzt im Moment fühlte es sich nicht besonders gut an. Es war wie auch an den letzten Tagen immer das gleiche vertrackte Spiel. Nach dem es die Nacht wieder einmal durchgeregnet hatte, brachen wir auf und kamen zunächst wieder durch Gegenden, in denen es einigermaßen angenehm war und in denen man vielleicht sogar einen Zeltplatz hätte finden können. Dann erreichten wir wieder einmal einen Pass, der Menschenleer und wunderschön in der einsamen Natur lag. Hier hätten wir schlafen können, doch dafür hatten wir nicht genügend Wasser und Nahrung bei uns. Nach dem Pass jedoch, gab es wieder einmal für endlose Kilometer überhaupt keinen Platz, an dem man sich zum Zelten hätte hinlegen können, da alles wie üblich bebaut war.

Auch heute begleitete uns die kleine Hündin wieder auf Schritt und Tritt. Immer, wenn wir nun einen Garten fanden, der belebt aber unbeaufsichtigt war, schnappten wir sie uns setzten sie hinein. Es wurde fast schon zu einem Ritual, denn jedes Mal schaffte sie es wieder aufs Neue, sich zu befreien und unsere Fährte wieder aufzunehmen. Kein einziges Mal nahm sie uns den Versuch, sie loszuwerden böse, es war fast, als freute sie sich sogar darüber, uns zeigen zu können, was für eine geschickte ausbrecherin sie war. Auf der einen Seite wollten wir natürlich wirklich, dass die aus unsere Herde wieder ausrat, auf der anderen Seite waren wir aber auch mächtig stolz auf sie, wie gut sie im Entkommen war. Wir hatten keine Ahnung von ihrer Vorgeschichte, aber sie musste einen unglaublichen Hunger nach Liebe, Freiheit, Bewegung Wertschätzung haben. Vermutlich war sie zuvor die Hündin eines Schäfers gewesen, denn das einzige Mal, dass sie tagsüber zu bellen begann war, als wir an einer Schäferstatue vorrüber kamen. Sonst war sie immer Friedlich und Fröhlich gewesen, doch in diesem Moment sprach der blanke Hass aus ihr. In Anlehnung an ihren großen Erfolg als Entfesselungskünstler, tauften wir sie auf den Namen Hund-Dini. Insgesamt schaffte sie es heute noch fünf mal, zu entkommen und uns wieder zu finden. Erst beim sechsten, also beim achten Versuch insgesamt blieb sie wirklich im Garten zurück. Für lange Zeit trauten wir uns nun nicht mehr, eine Pause zu machen, da wir fürchteten, dass sie sich doch noch befreien und unsere Witterung aufnehmen würde. Als wir jedoch eine Pause machten, stellten wir uns noch einmal intensiv die Frage, warum die kleine Hündin in unser Leben getreten war. Wir kamen dabei auf drei verschiedene Aspekte. Zum einen war sie ein Spiegel unseres Helfersyndroms. Wir hatten sie nicht eingeladen und doch fühlten wir uns irgendwie für sie verantwortlich, weil sie bei uns war. Ihr keine Nahrung abzugeben und sie in diesem Bereich sich selbst zu überlassen fiel uns nicht leicht und mehrfach scheiterten wir damit sogar, wenn auch immer nur ein bisschen. Ihre Anwesenheit zeigte jedoch noch einmal deutlich, dass ein Herdenmitglied auch einen Vorteil für die Herde bringen musste, wenn es dabei sein wollte. Einfach nur da zu sein, war belastend und energieraubend, änhlich wie es auch bei Paulina der Fall gewesen war. Selbst dann, wenn es sich um ein Wesen handelte, das man mochte und das eigentlich ziemlich cool war.

Der zweite Punkt, auf den uns die Hündin hinwies, war der Aspekt der Tierkommunikation. Franz von Assisi hatte damals die Fähigkeit gehabt, mit Tieren zu sprechen. Unter anderem hatte er dabei auch mit einem Wolf kommuniziert, von dem er einen wichtigen Schlüssel für sein Leben gelernt hat. Auch hier machten wir später noch eine spanndende Entdeckung, als wir unsere Muskeln zum Thema frühere Leben befragten. So wie es aussah, hatte ich bereits 301 Leben hinter mir, in dem ich es nicht geschafft hatte, meine Lebensaufgabe zu erfüllen und zur Erleuchtung zu kommen. Alle 301 Leben war ich dabei ein Mensch gewesen und fast immer hatte ich einen starken religiösen Bezug gehabt. Einer dieser früheren Inkarnationen war, wie bereits erwähnt, Franz von Assisi. Heiko hatte es insgesamt 16 Mal nicht geschafft, in die Erleuchtung zu kommen. Alle 16 Leben vor diesem war es jedoch kein Mensch, sondern ein Wolf gewesen, der es nicht geschafft hatte, die Erdzerstörer in Form der Menschen zu lieben und anzunehmen. Nun war er schließlich selbst zu einem geworden um auch diese Perspektive einmal kennenzulernen, damit er den alten Hass loslassen und wieder zurück ins Gottbewusstsein finden konnte. Einer der Wölfe, die er in seinen früheren Leben gewesen war, war jener, der damals Franz von Assisi begegnet war. Unsere Wege hatten sich also bereits vor mehr als 600 Jahren einmal gekreuzt und schon damals war die Begegnung bedeutsam gewesen.

Schließlich aber gab es noch einen dritten Punkt, auf den uns die kleine Hündin hinweisen wollte. Dieser hatte mit ihrer Fähigkeit in Sachen Entfesselungskunst zu tun. Sie zeigte uns mit einer Eindringlichkeit, die kaum stärker hätte sein können, dass es immer einen Ausweg gab und man sich immer irgendwie befreien konnte. Nach unserem Picknick überquerten wir den Pass, der mindestens so schön wie anstrengend war. Über dem Horizont braute sich schon wieder ein Gewitter zusammen und langsam bekamen wir die Sorge, dass wir wieder in einen heftigen Regenguss geraten würden. Dieses Mal blieb es jedoch aus. Stattdessen trafen wir an der höchsten Stelle der Straße auf zwei große Forstwägen, die uns den Durchgang versperrten. Wenn man sich diese Fahrzeuge einmal genauer anschaute, dann war es kein Wunder mehr, dass sie sämtliche Straßen und Forstwege komplett zerstörten. Mit den Hintergrundinformationen von Anton verstanden wir nun aber, warum die Menschen nichts dagegen sagten. Die Holzabbaufirmen waren hier so mächtig wie die Drogenkartelle in Columbien. Niemand der bei Verstand war, wollte sich mit ihnen anlegen und so nahm es auch jeder hin, dass die Straßen und Wege schließlich nur noch aus Schlaglöchern und Schlamm bestanden. Die Holzfäller selbst schienen davon jedoch nur wenig mitzubekommen, denn sie waren bereits jetst vollkommen betrunken. Unser Auftauchen nahmen sie zwar war, doch sie ließen sich nicht davon stören und so mussten wir mit unseren Wagen über die Wiesen und einen Hang ausweichen. Nachdem wir das Tal erreicht hatten, war es mit der Idylle wieder einmal vorbei. Hier gab es nun wieder nur noch Besiedelung. Es war hart, mit anzusehen, dass dieses Land eigentlich das Paradies sein könnte, es durch die Menschen aber immer mehr in eine Hölle verwandelt wurde. Je länger wir nun in diesem Land unterwegs waren, desto unangenehmer wurden uns die Leute. Langsam kamen wir uns vor wie in einem Zoo, wobei wir die Tieger hinter dem Gitter waren, die permanent an neuen Besuchern vorbeizogen. Wo immer wir auch hinkamen, wir wurden begafft, als wären wir Außerirdische. Oft kam es sogar vor, dass wir von einem Menschen entdeckt wurden, der dann schnell ins Haus lief und seine ganze Familie ans Gartentor holte, damit sie alle gaffen und staunen konnten. Irgendwo konnte man es ja verstehen, dass die Leute fasziniert waren, wenn einmal ein Ausländer vorbei kam, aber das machte es leider nicht angenehmer. Vor allem, da das Starren ohne jeden Ausdruch und ohne jedes Gefühl stattfand. Man hatte ein bisschen das Gefühl, dass die Stasi-Zeit hier noch immer nicht vorrüber war. Jeder überwachte jeden und alles, was nur ein klein Bisschen von der Norm abwich wurde zu einer Art Skandal. Gleichzeitig hatte aber auch niemand ein Problem damit, dass sechsjährige Jungen öffentlich Bier tranken und mit dem Roller durch den Ort heizten.

Auch die wenigen Gespräche, die hin und wieder mit Einheimischen entstanden, die Deutsch oder Englisch sprachen, kamen uns immer skuriler vor. "Oh, ihr seit aus Deutschland! Meine Tochter spricht gut Deutsch, aber sie ist gerade nicht hier!" Was soll man mit einer solchen Aussage anfangen? Man macht sich darüber keine Gedanken, aber stellt euch das Gespräch einmal anders herum vor: "Hallo Sie, ich sehe, Sie sind Ukrainer! Das ist ja spannend. Ich kann leider kein Ukrainisch, aber mein Kumpel Huber schon. Wenn der jetzt hier wäre, dann könnten sie sich mit ihm unterhalten!" Wenn man es so sagt, klingt es vollkommen lächerlich und andersherum ist es ja eigentlich genau das selbe. Nach guten 45km erreichten wir dann endlich einen Platz, an dem wir einigermaßen ungestört zelten konnten. Es war eine private Wiese neben einem Friedhof. Wieder waren wir vollkommen fertig und ausgehungert. Aber ehe wir uns ans Kochen machen konnten, musste ich erst noch die Bremsscheiben erneuern, die sich durch die vielen Berge bereits wieder abgefahren hatten.

Spruch des Tages: Dieser Hund ist ein wahrer Hund-Dini!

Höhenmeter: 20 m Tagesetappe: 30 km Gesamtstrecke: 17.203,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: altes, verlassenes Bauernhaus, Karos, Ungarn

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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