Wandern auf dem Donauradweg

von Heiko Gärtner
07.10.2016 00:39 Uhr

23.09.2016

Nach dem Frühstück lernten wir zunächst noch die Leiterin des Pflegeheims kennen und verabschiedeten uns dann von Alois dem Portier.

Es war ja nun schon eine ganze Weile her, seit wir das letzte Mal ein Altenheim von innen gesehen hatten und die letzten Eindrücke, die wir dabei bekommen hatten waren nicht allzu positiv gewesen. Dieses hier fiel uns jedoch sehr positiv auf. Es hatte insgesamt einen sehr familiären Charakter und zumindest der Teil, den wir zu Gesicht bekamen, wirkte, als könne man hier wirklich wohnen und würde nicht nur vor sich hin vegetieren. Wenn man wollte, konnte man sich hinaus in den Park oder ins Café setzen und hier hatte man nicht im Mindesten das Gefühl in einem Altenheim zu sein.

 

Der Weg an der Donau entlang wurde nun langsam immer ruhiger. Noch immer fuhren die Züge im Fünfminutentakt an uns vorbei und verbreiteten dabei einen Höllenlärm. Doch die Straßen hatten nun soviel Abstand zum Weg gewonnen, dass man sie kaum noch hören konnte. Bereits am Vortag hatten wir uns mit einer Frau verabredet, die für die niederösterreichischen Nachrichten in Korneuburg arbeitete. Diese Stadt läge genau auf der anderen Donauseite gegenüber von Klosterneuburg, war aber was den Medieneinflussbereich angelangte eine gänzlich neue Region. Auch hier sollte es ein Interview und einen Fototermin geben, wobei es wichtig war, dass wir dafür einmal die Donauseite wechselten, damit wir auch durch den entsprechenden Bezirk kamen. Den Lesern aus Korneuburg nutzte es ja schließlich nichts, wenn zwei Weltreisende durch Klosterneuburg zogen. Wenn mussten besagte Reisende schon auch durch ihre eigene Stadt wandern und wenn es auch nur für einige Meter am äußersten Rand war.

 

Laut unserer Karte wirkte es ohnehin so, als wäre der Weg auf der linken Donauseite noch einmal um einiges Ruhiger und entspannter, weshalb es uns durchaus sinnvoll erschien, wirklich auf der anderen Seite zu wandern. Der einzige Überweg, den es in greifbarer Nähe gab, war ein Wasserkraftwerk, das einmal über die komplette Donau gebaut worden war. Es war ein überaus imposantes und beeindruckendes Bauwerk, wenngleich es keine Staumauer gab, so dass die Turbinen nur die ganz normale Strömung nutzen.

 

Auf der anderen Seite angekommen stellten wir fest, dass der Plan mit dem Zeitungsinterview einige dezente Haken hatte. Der erste war, dass unser Handy mal wieder keinen Empfang bekam. Ich weiß nicht, wer von euch bereits Erfahrungen mit Telefonica gemacht hat, aber seit Blau von ihnen aufgekauft wurde, funktioniert unsere Karte so gut wie überhaupt nicht mehr. Die einzige Möglichkeit, Kontakt mit unserer Ansprechpartnerin in der Redaktion aufzunehmen bestand darin, einen vorbeikommenden Fahrradfahrer um sein Handy zu bitten. Nun aber ergaben sich die nächsten Schwierigkeiten. Die Dame von der Redaktion kannte sich in der Gegend nicht allzu gut aus und so wie es aussah, gab es hier weder eine naheliegende Ortschaft, noch die Möglichkeit mit dem Auto anzureisen. Im Endeffekt entschieden wir uns dann dafür, das Interview telefonisch zu machen und ihr die Bilder per Mail zu schicken. Wir waren ja nun in der richtigen Region, also war es auch in Ordnung, wenn dies niemand mitbekam.

Die Strecke war wirklich so schön wie wir es uns erhofft hatten. Hin und wieder hörte man leise den Zug vom anderen Ufer her zu uns herüberschallen. Zweimal kam ein Frachtschiff an uns vorbei und einmal ein Speedboot. Ansonsten war es ruhig und man konnte wieder die Natur in ihrer entspannten Baseline hören. Der einzige Haken war, dass für die nächsten 16km keine Ortschaft mehr kam. Eine entspannte, kurze Wanderung bei der wir Mittags ankamen und wieder einmal einiges Abarbeiten konnten, war also nicht möglich. Die einzigen Gebäude die überhaupt in unser Sichtfeld fielen, waren ein Wohnwagen- und Kleinhüttencamp für FKK-Begeisterte und ein Dorf mit lauter kleinen Sommerhäusern, die allesamt auf hohen Stelzen standen, weil sie sich mitten im Überschwemmungsgebiet befanden.

 

Direkt bei Tulln führte dann eine offizielle Zug- und Autobrücke wieder zurück auf unsere altbekannte Rheinseite. Dabei landeten wir natürlich wieder einmal in einem Knotenpunkt, der den Eindruck vermittelte, Tulln sei eine Millionenstadt. Für einen kurzen Moment glaubten wir, dass eine Schlafplatzsuche in so einer Großstadt vollkommen unmöglich sei. Doch je weiter wir in die Innenstadt kamen, desto angenehmer und ruhiger wurde es. Im Pfarramt traf ich einen älteren Herren, der gerade dabei war, die Reste des Flohmarktes der vergangenen Woche aufzuräumen. Er selbst hatte in der Gemeinde keine Entscheidungsgewalt und alle anderen waren gerade dabei, nach Mariazell zu pilgern. Verzweifelt versuchte er irgendjemanden zu erreichen, was ihm zunächst aber nicht gelingen wollte. Unter anderem lag dies daran, dass er nicht verstand, wie dieses verdammte Telefon im Pfarrbüro funktionierte. Mehrere Male wollte ich bereits gehen und versicherte ihm, dass wir auch irgendwie einen Platz in einem anderen Ort auftreiben würden, doch dies wollte er nicht akzeptieren. "Aufgeben tun wir hier nicht!" meinte er, "Abgeben tun wir höchstens einen Brief! Außerdem kann es ja nicht sein, dass wir hier Pilger abweisen müssen, weil unsere ganze Gemeinde auf Pilgerschaft ist!"

 

Er erreichte eine Frau vom Gemeindevorstand und über sie wiederum den wandernden Pfarrer. Letztlich bekamen wir dann einen Raum im hinteren Bereich des Pfarrhauses, in dem normalerweise die anonymen Alkoholiker tagten. Als wir dort eintrafen stießen wir auf einen älteren Herren, der gerade noch Deutschunterricht für eine serbische Mitbürgerin gab. Er war früher einmal der Lehrer der Sonderschule gewesen und unterrichtete nun mit seinen 74 Jahren noch privat. Acht Sprachen hatte er gelernt, darunter eben auch Serbokroatisch und dies nutze er nun, um den Muttersprachlern Österreichisch beizubringen. Spannend war dabei zu sehen, wie fit und jung es ihn hielt, dass er sich diese Aufgaben bewahrte. Im Pflegeheim hatten wir am Morgen deutlich jüngere Menschen gesehen, die jedoch bei weitem älter gewirkt hatten.

Spruch des Tages: Man ist immer so alt, wie man sich fühlt!

Höhenmeter: 25 m Tagesetappe: 16 km Gesamtstrecke: 18.462,27 km Wetter: bewölkt und regnerisch Etappenziel: Gasthaus „Idylle am Donauufer“, 4083 Haibach ob der Donau, Österreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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