Wie findet man seine Lebensmission – Teil 1

von Franz Bujor
10.02.2015 17:28 Uhr

„Das ist eigentlich ganz einfach!“ antwortete Heiko auf meine Frage nach dem Darma. „Alles im Universum ist eins, denn es ist alles Teil eines großen Ganzen, das sich immer im Gleichgewicht befinden muss. Du liebst also alles oder eben nichts. Jedes einzelne Atom, jede Kraft und jedes Lebewesen leistet seinen Beitrag um dieses gigantische System am Laufen zu halten. Am einfachsten ist es, wenn man sich dieses System wie eine Maschine vorstellt, in der jedes Bestandteil des Universums ein Zahnrad darstellte. Nur wenn sich alle Zahnräder nahtlos in einander fügen, kann diese Maschinerie reibungslos laufen. Jedes Zahnrad hat dabei Auswirkungen auf alle anderen Zahnräder, am meisten aber natürlich auf sich selbst und diejenigen, die es umgeben. Würde das Zahnrad Sonne zum Beispiel plötzlich aufhören, Licht und Wärme auszustrahlen, hätte dies verheerende Folgen auf alle Zahnräder der umliegenden Planeten. Tanzt das Zahnrad Heiko Gärtner aus der Reihe ist dessen Auswirkung natürlich nicht ganz so groß. Dennoch kann es dadurch sich selbst und die ihm nahestehenden Lebenszahnräder aus dem Gleichgewicht bringen und nachhaltig schädigen. Auch wenn das vielleicht nicht so dramatisch ist, wie der Ausfall einer gesamten Galaxie, führt es doch dazu, dass das Gesamtkonzept Universum ein klein wenig schlechter funktioniert, als wenn es mir gelingt, meine Lebensaufgabe anzunehmen. Das bedeutet im Klartext: Jedes Lebewesen oder jedes Geschöpf im gesamten Universum hat mit seiner Geburt eine Aufgabe bekommen, die nur er erledigen kann und die dazu beiträgt, dass das Gesamtsystem des Universums funktioniert.

Als ich das erste Mal von der Vorstellung hörte, dass ich eine Lebensbestimmung hätte, fand ich diesen Gedanken zunächst recht befremdlich. Auf der einen Seite, fand ich die Idee, ein klares Ziel im Leben zu haben, auf das ich meine Handlungen ausrichten konnte, sehr erleichternd. Gleichzeitig meldete sich jedoch auch gleich mein Selbstbestimmungs-Ich zu Wort und rief empört: ‚Lebensbestimmung? Soll das heißen, dass ich mich nicht selbst entscheiden kann, wie ich mein Leben leben will? Soll das heißen, dass alles vorbestimmt ist und ich mich fügen muss wie in einem diktatorischen Militärstaat?’ Das Konzept einer Lebensbestimmung wollte einfach nicht zu meinem Freiheitsbedürfnis passen. Doch mit der Zeit merkte ich, dass es in Wirklichkeit keinen Widerspruch zwischen leben in Freiheit und Leben nach der eigenen Bestimmung gab. Im Gegenteil. Zu keinem Zeitpunkt meines Lebens, hatte ich mich je so frei gefühlt, wie nach dem Ausstieg aus dem Egoleben, als ich meine Berufung endlich für mich anerkannte. Berufung oder Lebensbestimmung heißt nicht, dass mir irgendjemand vor schreibt, was ich tun muss und dass ich keine andere Wahl habe, als ihm zu gehorchen. Es bedeutet viel mehr, dass ich mich selbst aus tiefster Seele dazu entschlossen habe, etwas mit meinem Leben zu bewirken und dass ich mir in diesem Entschluss treu bleibe. Es ist ein bisschen wie mit einem Schachspiel. Niemand schreibt mir wirklich vor, dass ich mich an die Regeln halten muss. Ich kann jederzeit meine Spielfiguren so setzen wir ich möchte, ich kann die meines Gegners mit einem Hammer zerschlagen oder sie ihm an den Kopf werfen. Ich kann sogar das Spielfeld knicken und versuchen einen Flieger daraus zu bauen. Doch mit all diesen Handlungen mache ich das Spiel selbst kaputt. Erkenne ich die Regeln jedoch an, habe ich innerhalb des Spieles mehr Möglichkeiten, als ich mit meinem Gehirn jemals berechnen kann. Innerhalb des Rahmens, den ich mir selbst als Teil der Schöpfung von meinem höheren Sein aus gegeben habe, bin ich frei alles zu tun und zu lassen was ich will, solange ich dabei nicht das gelingen meiner Mission gefährde. Die neugewonnene Freiheit bestand auch darin, dass ich nun ganz nach meinem Herzen entscheiden konnte und mir nicht mehr überlegen musste, was andere wohl von mir halten würden. Es ging mir nicht mehr darum, ob die Leute mich anhimmelten, sondern ob ich meine Lebensbotschaft in die Welt tragen konnte. Ab diesem Augenblick war ich nicht mehr in der Achterbahn der Anerkennung von anderen Menschen gefangen. Nun war es für mich nur noch wichtig, dass ich mir selbst treu blieb und meiner intuitiven Präsenz folgte.

Wenn wir davon Sprechen, dass jeder Mensch eine Lebensmission hat, die es zu erfüllen gibt, dann halten viele Menschen das im ersten Moment für einen hochspirituellen Gedanken. ‚Was das Leben soll einen tieferen Sinn haben? Jetzt wird mal nicht gleich zum Esoterik-Heini!’ Aber im Grunde ist es etwas ganz einfaches, ganz natürliches und keine große Sache. Jede Fliege hat ihre Lebensaufgabe, jede Mücke, jeder Einzeller, jeder Baum und jeder Stein. Ohne die Bienen würde es keine neuen Pflanzen geben, ohne die Mücken würde die halbe Fischpopulation aussterben, weil sie nichts mehr zu fressen hätte. Das größte Problem bei uns in der Gesellschaft ist, dass wir zwischen lebender uns toter Materie unterscheiden. Wir glauben, wir leben in einem toten Universum auf einem Planeten aus leblosem Stein und leblosem Wasser. Jedes Lebewesen, das hier über den Erdboden kreucht halten wir für einen eigenständigen Organismus, der nichts mit den anderen zu tun hat. Wir nehmen uns als getrennt von allem wahr. Doch dabei übersehen wir, dass das ganze Universum ein einziger, lebender Organismus ist und das wir alle ein Teil davon sind. Jedes Geschöpf im Universum ist wie die Zelle in einem Körper. Unser Körper besteht aus Billiarden von Zellen, die alle eigenständig funktionieren. Jede von ihnen hat einen eigenen Zellkern, eine eigene Haut in Form einer Membran und lauter kleine Organellen. Jede einzelne Zelle ist also im Grunde genommen ein eigenes Lebewesen für sich. Dennoch hat sie eine klare Aufgabe, die sie erfüllen muss, damit der gesamte Organismus funktionieren kann. Stell dir vor, was passieren würde, wenn eine deiner Leberzellen plötzlich beschließt, lieber so zu leben, wie eine Bronchialzelle. Das gäbe ein ziemliches Durcheinander. Wenn nur eine Zelle so einen Blödsinn machen würde, wäre das wahrscheinlich kein Problem, aber was wäre, wenn alle Leberzellen vergessen würden, warum sie eigentlich da sind und was ihre Aufgabe ist?“

„Wir hätten ein komplettes Leberversagen oder vielleicht einen Leberkrebs!“ führte ich den Gedanken fort.“

„Genau!“ sagte Heiko, „Aus diesem Grund kann das Universum nicht zulassen, dass wir unsere Aufgabe nicht erledigen. Klar, als Menschheitskollektiv im Universum sind wir nicht gerade die Leber sondern wahrscheinlich eher der Nagel der linken kleinen Zehe, aber auch die kann einem das Wandern ganz schön vermiesen, wenn sie komisch wuchert und schmerzt. Da aber alles im Universum aus Liebe besteht und somit auf Leben und Heilung ausgerichtet ist, kümmert sich die Schöpfung auch darum, dass dieser kleine Zehennagel wieder heilt. Der Schöpfer hat also die Aufgabe, die Harmonie im Schöpfungskreis wieder herzustellen, sobald ein Zahnrad in der Lebensmaschine seiner Aufgabe nicht nachkommt, auch dann, wenn es Schmerz bedeutet.“

„Aber wie kommt es dann, dass heute kaum mehr jemand weiß, was seine Schöpfungsaufgabe ist?“ wollte ich wissen.

„Aus irgendeinem Grund, haben wir irgendwann einmal damit begonnen, die Verbindung zur Urquelle und damit zur Schöpfung selbst zu trennen. Statt im Urvertrauen und in der bedingungslosen Liebe zu leben haben wir uns entschieden ein Leben in Angst, Sorge, Mistrauen und im Ego-Verstand zu führen.

Als ich meine irdische Existenz begann, war ich eine kleine, befruchtete Eizelle, die den Code meiner Lebensaufgabe durch den heiligen Geist der Schöpfung erhalten hatte. Der kleine Fleck der im Leib meiner Mutter heranreifte, trug bereits alle Informationen des Lebens in sich. Zu diesem Zeitpunkt stand zweifelsfrei fest, was ich einmal werden würde. Alle Zell- und Lebensinformationen um meine Bestimmung zu finden, waren zu dieser Zeit in diesem kleinen Lebensfleck vorhanden. Von der Empfängnis bis zur Geburt, war alles für mich geregelt. Ich musste mir zu keiner Zeit den Kopf darüber zerbrechen, ob ich schwarzhaarig werden möchte oder ob ich doch mein derzeitiges Köterblond bekommen würde. Jegliche Information war in diesem kleinen Tropfen gespeichert. Meine Augenfarbe, meine Hautfarbe aber auch meine Bestimmung waren in meinem Ahnengedächtnis hinterlegt. Ich ließ alles einfach geschehen und vertraute. Viele Jahre später wurde mir bewusst, dass ich nie wieder so voller Vertrauen war, wie im Leib meiner Mutter. Ich war zu 100 % beschützt und alles war für mich erledigt. Ich musste keinen einzigen Gedanken daran verschwenden, was ich zu tun hatte oder welche Aufgabe mich noch am Tag erwartete. Ich wusste, dass für mich gesorgt wurde. Ich ließ alles geschehen und spürte den Magnetismus meiner eigenen inneren Zukunft in mir pulsieren. An sich ist es eigentlich kurios, das man genau in dieser Lebensphase der Entwicklung ohne jeden Zweifel vertraut, denn auf meinem Weg zur Geburt machte ich wie auch jeder andere Mensch die komischsten Entwicklungsschritte durch. Ich entwickelte Kiemen und Schwimmhäute, hatte eine komplett verkrümmte Wirbelsäule und sogar einen Schwanz. Einen zweiten meine ich, einen der nicht der Fortpflanzung dienen sollte. Und trotzdem kamen weder die Ärzte, noch meine Eltern noch ich selbst auf die Idee, dem Schöpfer seine Arbeit aus der Hand zu reißen und zu sagen: „Gib das her, du hast ja keine Ahnung was du da machst, der Kerl sieht ja aus wie ein Fisch!“ Jedem war klar, das ich ein Mensch werden würde, der seinen angedachten Platz im Universum einnehmen würde. Wie ein überdimensionierter Magnet zog mich eine magische Kraft in meine mir vorgesehene Lebensrichtung. Wenn in diesen ersten neun Monaten alles für mich vorgesehen und geregelt war, warum sollte das jetzt plötzlich nach meiner Geburt enden? War es wirklich so abwegig zu glauben, das die Schöpfung mir eine Bestimmung zugetragen hat? Konnte es nicht sogar sein, dass mein Leben genauso leicht und locker ins fließen kommen würde wie in meiner Embrionenzeit, wenn ich meiner inneren Vision folgte anstatt gegen sie anzukämpfen? Hatte ich vielleicht nur deswegen immer das Gefühl dass mein Leben ein Kampf war, weil es mir an Urvertrauen in die Schöpfung fehlte? Wenn ich meiner Schöpfungslinie folge würde, würde ich mich wahrscheinlich auf die Urkraft des Universums verlassen können und mein Lebenskampf würde sich auflösen. So hatte ich seit Anbeginn meiner Zeugung meine Bestimmung tief verwurzelt in meinen Genen in mir. Nicht nur die Persönlichkeit und die physische Präsenz war in meinen Körperzellen abgespeichert, sondern auch mein Darma. Es war wichtig für mich zu lernen, dass ich das Leben einfach zuzulassen musste. Sich einfach vom Leben leben lassen.

Als ich geboren wurde, war es für meine Eltern klar, dass ich vollkommen bin. Am liebsten hätten sie dem Schöpfer vor lauter Freude gesagt: "Super, danke Gott, da hast du wirklich gute Arbeit geleistet." Warum sollte der Schöpfer, wenn er alles perfekt kreiert hatte und uns bereits unseren Geist in unserem Körper geschickt hatte, plötzlich nach der Geburt nicht mehr für uns sorgen? Welchen Grund hätte der Schöpfer, uns so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen, so dass wir unserer Bestimmung die er für uns auserwählt hat, nicht mehr folgen können? Doch leider werden wir in eine Welt geboren, in der Urvertrauen ein Fremdwort ist. Unsere Eltern haben es von ihren Eltern nicht gelernt und somit konnten sie es auch an uns nicht weitergeben. Es ist, als würden unsere Eltern direkt nach unserer Geburt sagen: ‚Gott, du hast das soweit wirklich gut gemacht, aber ab hier übernehmen wir die Verantwortung und erziehen unser Kind nach unseren eigenen Maßregeln.’

So war es bei dir und so war es auch bei mir. Wie jedes Elternpaar hatten also auch meine Eltern nach meiner Geburt die Führung über mein Leben übernommen. Da es keine anderen Orientierungshilfen gab, richteten sie sich bei meiner Erziehung nach ihren Erinnerungen an ihre eigene Kindheit und die zu der Zeit aktuellen gesellschaftlichen Normen und Richtlinien. Diese Richtlinien enthielten leider keinen einzigen Abschnitt zu den Themen Urvertrauen und Lebensvision. Meine Eltern bemühten sich, den für mich sichersten Lebensweg auszuwählen. Sie taten dies mit der besten und ehrenswertesten Absicht, sorgten aber damit dafür, dass ich jedes Vertrauen in mich und die Schöpfung verlor. Als kleines Kind war ich plötzlich in einer Gesellschaft, die mir ständig suggerierte, dass ich nicht mehr meiner inneren Herzensstimme vertrauen könnte, da überall Gefahren lauerten. Ständig hörte ich die Erziehungsparadigmen: "Wenn du nicht lernst, wird aus dir nie etwas!“ Oder der Lieblieblingsspruch der meisten Eltern: "Wenn du nicht hart arbeitest, wirst du nie Geld verdienen." Aber nicht nur die Lebensleitsätze meiner Eltern, Lehrer und anderer Erziehungsmaßregler führten dazu, dass ich das Vertrauen in meine Lebensaufgabe und in die Schöpferkraft verloren hatte. Ich entfremdete mich zusehends von meiner wahren Natur. Ich konnte nicht erkennen, dass alle Gesellschaftslemminge die damals in meiner Klasse befunden hatten in die falsche Richtung des Lebens rannten. So wollte auch ich die neuesten Markenschuhe und einen Walkman der mit Leuchtdioden versehen war besitzen. Ich versuchte durch Äußerlichkeiten Anerkennung und Liebe zu erhalten. Kurz: ich wollte cool sein. Mein Ego befahl mir so zu sein wie alle anderen. Plötzlich musste ich auf etwas vertrauen, das außerhalb von meinem Selbst lag. Die Gruppenmeinung der anderen wurde zu einem wichtigeren Entscheidungsträger als meine eigene Intuition. Dies ist besonders erschreckend, wenn man sich bewusst macht, dass auch von den anderen niemand mehr seiner Intuition vertraute. Auch die Paradigmen des fehlenden Vertrauens in die Schöpfung, die mir meine Eltern weitergaben, die sie selbst in ihrer Erziehung erfahren hatten, sollte ich aufnehmen. Anstelle des Gefühls ein Teil einer großen, liebevollen und intelligenten Schöpfung zu sein, hatte sich damit der Glaubenssatz in mein Herz eingenistet, dass ich nur überleben konnte wenn ich kämpfte und stets besser war als alle anderen.

Der Ehrgeiz war damit fest in meinem Egoverstand installiert. Der Wunsch meinen Eltern gefallen zu wollen, war in mir ein neues Egogesetz. Es war dieser eine Satz gewesen: „Ab hier Gott, übernehmen wir!“ Diese eine Entscheidung, mit der das Desaster begann. Isa, der mongolische Schamane, den ich damals auf dem Jakobsweg traf, formulierte es mit den besten Worten: „Sorge ist eine Angst zu einem Zeitpunkt an dem es keinen Grund gibt um Angst zu haben. Sorge ist damit der Tod jeden Vertrauens“ Die Sorgenmuster unseres Gesellschaftskollektiv sind so tief in jedem Menschen verankert, dass wir sie durch die Elternerziehung wie ein Branding auf unsere Seelen gebrannt bekommen. Bei mir wurde dadurch unter anderem der Drang zum Perfektionismus geboren, denn jeder Fehler konnte Gefahr oder Schmerz bedeuten. Die Gedankenkonzepte bestimmten meine Handlungen und diese wiederum mein Leben. Durch das fehlende Vertrauen verdrängte ich nach und nach die Kraft der Schöpfung und eliminierte das Göttliche in mir. Unser Ego ist eigentlich nur dafür da, um uns in einer lebensbedrohlichen Situation zu beschützen. Es ist unser Selbsterhaltungstrieb, der nur im Notfall einschreiten sollte. Wenn es hart auf hart kommt und wir in eine Situation geraten in dem es heißt, dass entweder wir oder jemand anders weiterleben kann, sorgt es dafür, dass wir uns für uns selbst entschieden. Man könnte also sagen, es ist unsere innere staatliche Leibgarde. Leben wir jedoch immer in Angst und Sorge, weil wir die Welt als etwas Böses und Gefährliches ansehen, muss auch unser Ego immer in Bereitschaft sein. Durch die anhaltende Sorge haben wir unbemerkt einen permanenten Ausnahmezustand in unserem Herzen ausgerufen und regieren uns selbst mit einer Militärherrschaft. Ähnlich wie ein Staat, der von einem militärischen Diktator regiert wird, keine in freien, offenen Grenzen in jede Richtung haben kann, kann sich auch ein Mensch, der von seinem Ego regiert wird, nicht mit der Schöpfung verbunden fühlen. Unser Ego teilt uns daher mit, dass wir ein einzelnes, von allem getrenntes Individuum sind, das nichts mit seinem von Natur aus perfekten, göttlichen Ich zu tun hat. Dementsprechend befiehlt uns unser Ego, dass alle unsere Handlungen nur unserem eigenen Vorteil dienen dürfen und ich nichts tun kann, was die harten Grenzen zwischen uns und dem Rest Welt aufweichen könnte. Ab diesem Zeitpunkt sind wir nicht mehr ein Ableger Gottes, sondern ein Geschöpf der angsterfüllten Erziehung der Gesellschaft. Da wir weder uns selbst noch der Schöpfung als solches Vertrauen können, müssen wir unsere Sicherheit durch etwas anderes beziehen. In einer konsumorientierten Gesellschaft, die die kollektive Meinung vertritt, dass man das ist, was man besitzt, wunderte es nicht, dass wir unser Urvertrauen durch das Anhäufen von Besitztümern ersetzen. Das fängt schon mit dem Spielzeug an. Dann kommt das erstes Bankkonto und ehe wir uns versehen, sind wir in der Spirale des zwanghaften Besitzdenkens gefangen. Wir sind das, was wir besitzen. Daraus folgt natürlich der logische Schluss, dass wir mehr wert sind, wenn wir mehr besitzen. Und falls an dieser Schlussfolgerung irgendwelche Zweifel hätten aufkommen sollen, bestätigen unsere Erfahrungen als Jugendliche immer und immer wieder, dass sie stimmte. Ich weiß es noch aus meiner eigenen Jugend. Je cooler, teurer und sinnloser die Klamotten oder Besitztümer eines Mitschülers waren desto mehr Freunde hatte er. Meine Eltern versuchten auf die liebevollste Art und Weise mich auf die Kultur der momentanen Geldgeilheit des Kollektivs vorzubereiten. Es wurde fast zu meinem Lebensmantra, dass ich immer mehr und mehr haben musste, wenn ich wertvoll sein wollte. Doch mit dem Mehrbesitz kommt automatisch auch die Angst, dass einem ein Fremder das erkämpfte Hab und Gut wegnehmen könnte. Damit wäre die Anerkennung in der Gesellschaft dann dahin. Diese Muster sitzen so tief in uns verankert, dass wir sie nur schwer loslassen können. Selbst auf unserer Reise, wo wir eh schon fast nichts mehr haben, ist trotzdem indirekt noch immer die Angst da, dass unser Hab und Gut und somit die Existenz verloren gehen könnte. Es ist natürlich schon bedeutend besser als Früher. Ich weiß noch genau, wie mich die Frage immer mehr quälte, wie ich meinen Besitz vor Schicksalsschlägen schützen konnte. Ab diesem Zeitpunkt war ich in der Spirale des Denkmusters gefangen: "Ich bin, was ich habe." Ein weiterer Aspekt meines Egos den die Erziehung in mir erschaffen hatte war, dass ich, bin was ich tue. Nicht nur, dass ich in der Gefangenschaft des Besitzes war, jetzt identifizierte ich mich auch noch darüber was ich tat. Mein Ego sehnte sich nach Leistung und Erfolg um Anerkennung zu bekommen. Mein Gedankenbild war: ‚Ich werde erst dann geliebt, wenn ich erfolgreich bin, um dadurch meinen Wert zu symbolisieren.’ Mein Stellenwert als menschliches Wesen war nun von meiner Bereitschaft an Leistung abhängig. In mir wuchs der Zwang noch mehr Geld zu verdienen. Ich sehnte mich nach jedem sportlichen, wie beruflichen Erfolg. Nur wenn ich mit allen anderen kämpfte und zeigte, dass ich der Beste war, bekam ich die Anerkennung die ich brauchte. Ich lebte den Leitsatz, der mir immer wieder durch das Gesellschaftskollektiv vorgelebt wurde: ‚Es ist nicht genug für alle da. Du musst kämpfen, wenn du etwas erreichen willst. Nur die Stärksten überleben!’ Erst als ich damit begann, wieder einheimisch in der Natur zu werden und erkannte, dass die Schöpfung für mich jegliche Fülle und wahren Wohlstand bereithielt, wenn ich meiner Lebensaufgabe folgte. Auch in meiner Sportvergangenheit wurde mir eingeredet, dass der Erste Platz alles war was zählte. Erst wenn du die Nummer eins bist, bist du besser als all die anderen. Der zweite ist ja schließlich besiegt worden. Somit war in mir das ständige Konkurrenzdenken ein fester Bestandteil meines Wettkampfegos. Ich trug in mir den Leitsatz: "Das ganze Leben, ist ein Wettkampf." Mein Ego redete mir zusätzlich ein, dass meine Selbstliebe davon abhängig war, was andere von mir dachten. So strebte ich vergeblich nach einem guten Ruf in meiner Kindheit. Von meinen Klassenkameraden wurde mir eingebläut was ich anzuziehen hatte, um cool zu sein und respektiert zu werden. Es leuchtete mir damals nicht ein, warum ich mich so anziehen sollte, dass ich anderen gefalle. Doch der Nachdruck war so groß, dass ich irgendwann glaubte, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Also bemühte ich mich, mich anzupassen, sodass ich von meinen Mitschülern und der Gesellschaft anerkannt wurde.“

„Ok,“ sagte ich, „Das leuchtet mir ein! Weil wir in einer Gesellschaft leben, in der eigentlich niemand Urvertrauen hat und jeder im Ego lebt, ist es schwer, wenn nicht sogar fast unmöglich, sein eigenes Urvertrauen nicht zu verlieren und weiter auf sein Herz zu hören.“

Fortsetzung folgt...

 

 

Spruch des Tages: Alles folgt einem höheren Plan

 

Höhenmeter: 440 m

Tagesetappe: 37 km

Gesamtstrecke: 7289,27 km

Wetter: Erst bewölkt, am Nachmittag dann Dauerregen

Etappenziel: Parrocchia de San Andreas e San Francesco, 01019 Vetralla, Italien

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare