Einfach Ich-Sein, ohne jede Erklärung

von Franz Bujor
13.09.2017 07:12 Uhr

26.05.2017

Intensiver Kontakt zu Shania

Heute hatten wir seit längerem einmal wieder einen intensiven Kontakt zu Shania, die grade in Deutschland dabei ist, die Vorbereitungen zu treffen, um ganz in ihr Sein zu gelangen. Eines der Themen dabei war die äußerliche, körperliche Wandlung, um ihren Medizinkörper annehmen zu können. Das klingt erst einmal ein bisschen verwirrend, ist aber eigentlich ganz einfach. Stellt euch vor, ihr tragt in eurer Seele die Lebensaufgabe Türsteher zu werden und wollt dieser Aufgabe auch nachgehen. Ihr wollt euch nicht einfach nur an irgendeine Tür stellen, ihr wollt diese Aufgabe gut machen und darin vollkommen aufgehen. Wenn es wirklich eure Lebensaufgabe ist, dann ist für euch wahrscheinlich auch ein Körper vorgesehen, der dieser Aufgabe entsprechend gebaut ist.

Ihr braucht ein grundsolides Auftreten und einen sportlichen, durchtrainierten Körper, der jedem im Umkreis auf den ersten Blick sagt: Oha, an dem komme ich niemals vorbei, wenn er mich nicht lässt!“ Jetzt kann es sogar sein, dass ihr genau einen solchen Körper haben solltet, ihn jedoch aufgrund von Ängsten oder anderen Ursachen nicht ausprägen konntet. Ihr seid klein, bucklig und könnt kaum eure eigenen Hände nach oben halten, geschweige denn so etwas wie eine Hantel. Wie wollt ihr so eurer Berufung nachgehen? Richtig, es funktioniert nicht. Wenn ihr euren Weg gehen wollt, dann müsst ihr zunächst den dazu passenden Körper annehmen. Und genau an diesem Punkt stand nun auch Shania. Und einer der Unterpunkte, der zu diesem Annehmen des Medizinkörpers gehörte, war ein etwas katzenartiges Auftreten, das gleichzeitig Anmut und Eleganz aber auch Stärke und Unberechenbarkeit ausstrahlte. Unter anderem sollte dies mit Hilfe von Permanent Make-up an den Augen ausgedrückt werden.

Darf man das?

Bei Heiko führte der Gedanke an das Katzenhafte Aussehen zu einem seltsamen, unbehaglichen Gefühl, das er erst nicht so recht erklären konnte. Es war kein: Das gefällt mir nicht, oder das kann ich mir nicht vorstellen. Sondern viel mehr ein Gefühl von „Darf man das so haben?“ Ist es in Ordnung, so aufzutreten, bzw. eine Freundin zu haben, die so auftritt. Hier sind wir auch noch einmal auf einen ganz zentralen Kernschlüssel gestoßen. Es geht natürlich wieder um die Frage, wie sehr kann ich zu mir stehen. Auf der einen Seite sind wir darin ja schon recht gut geworden. Es macht uns nichts mehr aus, extravagant zu sein und aus allen erdenklichen Mustern zu fallen und doch gibt es hier noch eine Grenze, die es noch immer schwierig macht, die 100 % zu erreichen.

Es ist die Grenze zwischen dem „Ich bin so weil ich so bin“, und dem „Ich bin der ich bin!“

 

Kann unsere Umgebung zu uns stehen?

Das erste funktioniert schon gut. Wir wissen, was zu uns gehört und warum das so ist. Also können wir es den Menschen in unserer Umgebung erklären, so dass auch sie es verstehen und annehmen können. Das bedeutet, dass wir in einer passenden Umgebung zu 100 % zu uns stehen können. Man kann es recht gut am Beispiel vom jugendlichen Heiko erkennen. In seiner Party-Phase liebte er es, mit aufblasbaren Jacken, neon-getönten Haaren, Nietengürteln und ähnlich ausgefallener Kleidung auf Tour zu gehen und zu feiern (Jedenfalls theoretisch, denn praktisch bestand diese Zeit ja quasi nur aus Filmen) Seine Eltern waren jetzt vielleicht nicht hocherfreut darüber, aber sie akzeptierten es, solange es eine bestimmte Grenze nicht überschritt. Die Grenze bestand nicht darin, wie krass und abgedreht er sich gab, sondern WO er sich dabei aufhielt. Solange alles innerhalb der Raver-Szene blieb, war es kein Problem. Hier war das abgedrehte eine gewisse Normalität. Jeder der hier ein Teil davon war, verstand es und sah die Dinge ähnlich. Niemand nahm daran Anstoß oder verurteilte einen, weil man war, was man war. Niemand stellte Fragen dazu, da die hier gängige Norm alle Fragen bereits geklärt hatte. Wer als Raver etwas auf sich hält, der zeigt sich auch so.

Das gleiche Auftreten auf der Arbeit wäre aber ganz und gar nicht in Ordnung gewesen. Hier hätten die Menschen ja weiß Gott was gedacht! Man hätte ihn als Geschäftspartner nicht mehr akzeptiert, zumindest nicht so ohne weiteres.

Das, worauf es beim Auftreten also ankommt, ist die Möglichkeit, sich an die gegebene Situation anzupassen. Dort vor man akzeptiert wird, kann man sich zeigen, dort wo jemand Anstoß nehmen würde, versteckt man sich. In beiden Fällen muss man nichts erklären, weil das Auftreten keine Fragezeichen in den Gesichtern entstehen lässt. Doch genau das ist der Punkt. Das 100 %  zu sich Stehen bedeutet, dies auch dort zu tun, wo es eben nicht normal ist. Wo es keine Anerkennung findet und wo es eben Fragezeichen in den Gesichtern entstehen lässt. Der Switch ist, diese Fragezeichen stehenzulassen und sich damit vollkommen wohl zu fühlen, dass man andere komplett verwirrt, abstößt oder irritiert.

Wie gehen wir mit unserem Grundbewusstsein um?

Als wir angefangen haben mit unseren Wandlungsprozessen, hatten wir ganz stark das Bedürfnis, es allen, vor allem aber unseren Eltern erklären zu wollen, weil das Gefühl da war, nur ganz du selbst sein zu dürfen, wenn die anderen es verstehen können. Genau darum, dieses Gefühl und die damit verbundene Angst abzulegen, geht es. Bei uns und auch bei Shania. Ihr Dodem ist eine Mischlings-Raumkatze aus Puma und Gepard, also tritt sie als Katzenwesen auf. Dies jedem zu erklären ist vollkommen unmöglich, also können die Menschen es entweder gut oder schlecht finden, sich daran freuen oder erzürnen, es verstehen oder ungläubig den Kopf schütteln. Es ändert nichts. Es ist das gleiche Grundbewusstsein mit denen viele Behinderte zurechtkommen müssen, wenn sie vollkommen anders aussehen, als die Norm. Auch sie können sich nicht jedem erklären, warum sie sind, wie sie sind. Sie sind es einfach. Wenn man als blaues Kamel mit Giraffenhals und Schlappohren mitten durch eine Stadt geht, dann werden die Menschen guckten. Und doch kann man sich nicht jedem erklären. Man kann nur sein, wer man ist. Und darum geht es ja auch beim Erwachen: „Werde der, der du bist“ Ich bin der ich bin. Es gibt kein Warum, Wieso und Weshalb. Nur ein reines Sein. Es gibt wenige Menschen, die dies tatsächlich beherrschen, aber hin und wieder trifft man sie. Menschen, die aus jeder Norm fallen, vollkommen anders sind als alle anderen und bei denen man trotzdem sofort das Gefühl hat: „Klar, das ist er/sie! Da gibt es keine Frage! Anders könnte er nicht sein!“ Dies ist die Ausstrahlung des 100 % zu sich Stehens, ohne etwas erklären zu müssen. Recht cool, oder?

Spruch des Tages: Ich bin, der ich bin und muss nichts erklären!

Höhenmeter: 90 m

Tagesetappe: 24 km

Gesamtstrecke: 22.710,27 km

Wetter: heiß, schwül und sonnig

Etappenziel: Methodisten-Kapelle, CW6 Bunbury, England

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare