Fährfahrt von Rosslare nach Cherbourg

von Heiko Gärtner
04.02.2018 04:34 Uhr

Die Fährfahrt beginnt

Mit unserem kleinen aber kostbaren Schatz im Gepäck machten wir uns nun auf zum Hafen, wo unsere Fähre bereits bereit stand. Besonders vertrauenerweckend wirkte sie nicht gerade. Irgendwo hatten wir gelesen, dass Rosslare auch einer der Häfen gewesen war, an dem die Titanic anlegte, bevor sie ihre schicksalshafte Fahrt nach Amerika antrat. Dieses Schiff hier sah aus, als wäre es aus der gleichen Zeit, nur bei weitem nicht so luxuriös und solide gebaut.

Der Hafen von Rosslare aus der Ferne

Der Hafen von Rosslare aus der Ferne

Unser Schiff von Stena Line sah leider bei weitem nicht so einladend aus wie die Variante von der irischen Konkurrenz

Unser Schiff von Stena Line sah leider bei weitem nicht so einladend aus wie die Variante von der irischen Konkurrenz

Während wir auf unser Ticket warteten, kamen allerlei skurrile Gestalten an uns vorbei, darunter auch eine Pfadfindergruppe, die mit Fahnen und Trompeten aus einem Bus stieg und sich dann über den Hafenterminal verteilte. Einer von ihnen sah sonderlicher aus als der nächste, bis hin zu einem Jungen, der ohne erkennbaren Grund weiße Samthandschuhe trug. Da waren sie also, die Eliteschüler aus den englischen Internaten, bereits für einen Sommeraustausch mit ihren französischen Kollegen. Ich muss sagen, so ein klein wenig beunruhigend war es schon, sich vorzustellen, dass dies die neue Elite werden würde, die in ein paar Jahren unsere Welt beherrschen würden. Aber es erkläre auch ein bisschen, warum die Dinge in unserer Gesellschaft liefen, wie sie liefen.

Eine Viertelstunde später begann die längste und grauenhafteste Fährfahrt unseres Lebens. Die Details darüber haben wir noch einmal separiert im Testbericht über die „Stena Horizon“ zusammengestellt. Hier daher nur ein paar kurze Sätze dazu. Die Kabine, die wir extra gebucht hatten, damit wir unsere Ruhe haben, lag genau über dem Maschinenraum und war somit der lauteste Platz, den man auf dem Schiff finden konnte.

Abgesehen vom Maschinenraum selbst natürlich. Hinzu kam, dass Boden und Wände wie ein Presslufthammer vibrierten und dass etwa jede Stunde eine laute und übersteuerte Durchsage gemacht wurde, die einen jedes Mal wieder aus dem hart erkämpften Schlaf riss. Dass ich in dieser Nacht überhaupt ein Auge zubrachte, lag vor allem daran, dass ich im Moment eine Dauermüdigkeit in mir trage, die dazu führt, dass ich fast permanent unter allen Bedingungen einschlafe. Erholsam war dieser Schlaf aber trotzdem nicht.

Nachdem alle Lüfter zugestopft waren, wurde es erträglich.... Bis die Fahrt begann.

Nachdem alle Lüfter zugestopft waren, wurde es erträglich.... Bis die Fahrt begann.

Heiko in seinem persönlichdn Lärmschutzbunker

Heiko in seinem persönlichen Lärmschutzbunker

Heiko Trick war da um einiges besser. Ihm gelang es, sich in einer Meditation in eine Kindheitserinnerung zurückzuversetzen, in der er mit seinen Eltern im Auto in den Urlaub gefahren ist. Dadurch setzte sein Geist neue Verknüpfungspunkte und drosselte den Lärm der Schiffsmotoren in seiner Wahrnehmung aus, wie das Brummen des Automotors von früher. Auch die Vibrationen sanken auf den Level, den das Auto verursacht hatte und zu denen er sogar einen positiven Bezug hatte. Der Effekt war gigantisch. Trotz der widrigen Umstände schlief Heiko so entspannt und seelenruhig wie damals als Kind, als ihn das sanfte Brummen der Urlaubsfahrt in den Schlaf wiegte.

Langsam nähern wir uns dem Hafen von Cherbourg.

Langsam nähern wir uns dem Hafen von Cherbourg.

Spruch des Tages: Diese Seefahrt war mal alles andere als Lustig...

Höhenmeter 65 m

Tagesetappe: 12 km

Gesamtstrecke: 25.511,27 km

Wetter: erst Regen, dann sonnig warm

Etappenziel: Christliche Jugendherberge, Chézelles, Frankreich

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare