Fährfahrt von Rosslare nach Cherbourg
Die Fährfahrt beginnt
Mit unserem kleinen aber kostbaren Schatz im Gepäck machten wir uns nun auf zum Hafen, wo unsere Fähre bereits bereit stand. Besonders vertrauenerweckend wirkte sie nicht gerade. Irgendwo hatten wir gelesen, dass Rosslare auch einer der Häfen gewesen war, an dem die Titanic anlegte, bevor sie ihre schicksalshafte Fahrt nach Amerika antrat. Dieses Schiff hier sah aus, als wäre es aus der gleichen Zeit, nur bei weitem nicht so luxuriös und solide gebaut.
Während wir auf unser Ticket warteten, kamen allerlei skurrile Gestalten an uns vorbei, darunter auch eine Pfadfindergruppe, die mit Fahnen und Trompeten aus einem Bus stieg und sich dann über den Hafenterminal verteilte. Einer von ihnen sah sonderlicher aus als der nächste, bis hin zu einem Jungen, der ohne erkennbaren Grund weiße Samthandschuhe trug. Da waren sie also, die Eliteschüler aus den englischen Internaten, bereits für einen Sommeraustausch mit ihren französischen Kollegen. Ich muss sagen, so ein klein wenig beunruhigend war es schon, sich vorzustellen, dass dies die neue Elite werden würde, die in ein paar Jahren unsere Welt beherrschen würden. Aber es erkläre auch ein bisschen, warum die Dinge in unserer Gesellschaft liefen, wie sie liefen.
Eine Viertelstunde später begann die längste und grauenhafteste Fährfahrt unseres Lebens. Die Details darüber haben wir noch einmal separiert im Testbericht über die „Stena Horizon“ zusammengestellt. Hier daher nur ein paar kurze Sätze dazu. Die Kabine, die wir extra gebucht hatten, damit wir unsere Ruhe haben, lag genau über dem Maschinenraum und war somit der lauteste Platz, den man auf dem Schiff finden konnte.
Abgesehen vom Maschinenraum selbst natürlich. Hinzu kam, dass Boden und Wände wie ein Presslufthammer vibrierten und dass etwa jede Stunde eine laute und übersteuerte Durchsage gemacht wurde, die einen jedes Mal wieder aus dem hart erkämpften Schlaf riss. Dass ich in dieser Nacht überhaupt ein Auge zubrachte, lag vor allem daran, dass ich im Moment eine Dauermüdigkeit in mir trage, die dazu führt, dass ich fast permanent unter allen Bedingungen einschlafe. Erholsam war dieser Schlaf aber trotzdem nicht.
Heiko Trick war da um einiges besser. Ihm gelang es, sich in einer Meditation in eine Kindheitserinnerung zurückzuversetzen, in der er mit seinen Eltern im Auto in den Urlaub gefahren ist. Dadurch setzte sein Geist neue Verknüpfungspunkte und drosselte den Lärm der Schiffsmotoren in seiner Wahrnehmung aus, wie das Brummen des Automotors von früher. Auch die Vibrationen sanken auf den Level, den das Auto verursacht hatte und zu denen er sogar einen positiven Bezug hatte. Der Effekt war gigantisch. Trotz der widrigen Umstände schlief Heiko so entspannt und seelenruhig wie damals als Kind, als ihn das sanfte Brummen der Urlaubsfahrt in den Schlaf wiegte.
Spruch des Tages: Diese Seefahrt war mal alles andere als Lustig...
Höhenmeter 65 m
Tagesetappe: 12 km
Gesamtstrecke: 25.511,27 km
Wetter: erst Regen, dann sonnig warm
Etappenziel: Christliche Jugendherberge, Chézelles, Frankreich