Tag 421: Die Gründung des Franziskanerordens

von Heiko Gärtner
27.02.2015 21:29 Uhr

Fortsetzung von Tag 420:

Ungefähr in der Zeit in der Franziskus Gemeinschaft seine ersten Anhänger bekam, muss sich der Legende nach auch ein Ereignis zugetragen haben, dass Franziskus enge Verbindung zur Natur verdeutlichte. Oft schon haben wir uns gefragt, warum der heilige Franz so oft mit einem Wolf abgebildet wird. Dieser Wolf trieb damals in der Nähe sein Unwesen. Unwesen aus Sicht der Menschen natürlich, denn eigentlich trieb der Wolf das, was Wölfe nun mal so treiben. Er streifte umher, suchte nach Nahrung und freute sich dabei, dass ihm die Menschen vielerorts so nette Selbstbedienungstheken in Form von Schafsherden und Hühnerställen aufgebaut haben. In den Köpfen der Menschen wurde er durch diesen Hang zur Bequemlichkeit jedoch schon bald zur blutrünstigen Bestie, die nicht einmal davor zurückschreckte Menschen mit Haut und Haar zu verschlingen. Als Franziskus von dem Wolf hörte, zog er los, um ihm entgegenzutreten. Seine Brüder und auch die anderen Menschen, die davon Wind bekamen, warnten ihn davor. Es wäre reiner Selbstmord, sich zu dieser Bestie vor das Stadttor zu wagen. Sicher würde der junge Bettelmönch in tausend Stücke zerfetzt und über den Waldboden zerstreut werden. Franz jedoch gab nichts auf dieses Gerede und wanderte ohne jeden Schutz in den Wald hinaus. Als er den Wolf sah, trat er vorsichtig auf ihn zu und Begrüßte ihn wie einen Bruder. Franz hatte verstanden, dass es in einer Gottgeschaffenen Welt auch nur göttliche Geschöpfe geben konnte und somit war der Wolf für ihn genau wie jedes andere Wesen ein Seelengefährte. Es gelang ihm, mit dem Wolf in eine Verbindung zu treten und ihm klar zu machen, wie gefährlich das Spiel war, dass er dort trieb. Die Menschen würden Jagd auf ihn machen und nicht eher Ruhe geben, bis sie seinen Kopf als Trophäe mit nach Hause brachten, wenn er weiterhin die Schafe reißen würde. Franz schlug ihm daher vor, ihn von nun an mit ausreichend Nahrung zu versorgen und sich darum zu kümmern, dass er in der Stadt nicht mehr als Gefahr galt. Der Wolf war einverstanden und in den kommen Jahren kam er täglich in die Stadt um sich dort von Franz und seinen Brüdern füttern zu lassen. Auch die anderen Dorfbewohner stellten dem Wolf Nahrung vor die Tür und hießen ihn von nun an willkommen, bis er Jahre später schließlich an Altersschwäche starb. Auf seine Art war der Wolf nun in der Stadt genauso ein Sonderling wie Franz. Und genau wie mit ihm hatten sich die Menschen auch mit dem Wolf arrangiert und begannen ihn zu achten. Nicht einmal die Hunde bellten, wenn ihr wilder Verwandter durch die Straßen trottete. Und das will wirklich was heißen, so wie die Hunde hier drauf sind. Die bellen ja normalerweise schon, wenn nur eine Fliege über den Gartenzaun fliegt.

1209 war die Zahl von Franz Anhängern bereits auf zwölf gestiegen. Ob dies wirklich so war oder ob die Zahl in den Biographien bewusst gewählt wurde, um damit noch eine Parallele zu Jesus und seinen zwölf Jüngern zu ziehen, bleibt wohl Spekulation. Damals jedenfalls beschloss Franz seine kleine Gemeinschaft beim Papst anzumelden und so eine Legitimierung dafür zu bekommen, dass er und seine Brüder offizielle Buß- und Wanderprediger waren, die Laiengottesdienste abhalten durften. Dies war deshalb besonders wichtig, weil in dieser Zeit überall in Europa Ketzerkriege geführt wurden. Man konnte nicht einfach beschließen, eine Ordensgemeinschaft zu gründen und von nun an seinen Glauben auf seine eigene Weise leben. Jedenfalls nicht, wenn man nicht riskieren wollte, kurze Zeit später als Ketzer und Gotteslästerer gefoltert, gequält, verbrannt oder auf andere Weise ermordet zu werden. Dabei war es egal, ob man den Teufel, die heilige Kuh von Hinterhubelhapfingen oder Jesus anbetete. Es ging nicht darum, ob man sich gegen den christlichen Glauben richtete oder nicht, es ging darum, ob man eine Gefahr für die Alleinherrschaft des Papstes war. Die Katharer, auf dessen Spuren wir bereits in den Pyrenäen gewandert sind, spürten dieses Schicksal am eigenen Leib, ebenso wie viele andere Glaubensgemeinschaften dieser Tage. Franz wollte dies vermeiden, da er zwar ein Leben in Buße und Armut für wichtig und richtig hielt, jedoch davon überzeugt war, dass man als Toter der Schöpfung nicht mehr besonders gut dienen konnte. Außerdem war er kein Revolutionär. Seine Botschaft war Frieden und Brüderlichkeit, nicht Aufstand gegen die Kirche in Rom. Ein Umstand, der leider dazu führte, dass der Vatikan den jungen Mönch später für ihre eigenen Zwecke benutzte. Doch dazu kommen wir noch. Franz hatte jedoch nicht vor, einen Mönchsorden zu gründen. Ihm ging es einfach um die Anerkennung als kleine Bruderschaft, die nach den Idealen der Besitzlosigkeit, des Gehorsams zu Gott und der Keuschheit lebten und predigten. Ob die Sache mit der Keuschheit damals wirklich seine eigene Idee war ist fraglich. Wenn ja, dann mag es vielleicht daran liegen, dass er von seinem ausschweifenden Partyleben auch in Sachen Frauen recht frustriert war. Gut überlegt war die Sache wahrscheinlich nicht denn spätestens als Klara in sein Leben trat führte diese Regel wohl zu einigen inneren Komplikationen.

Um jedoch die Bestätigung für seinen Orden zu erhalten, brauchte Franz zunächst einmal eine Audienz beim Papst, was auch keine leichte Sache war und wohl nur über eine gute Portion Vitamin-B und einige hilfreiche Fürsprecher gelang. Denn aus den gleichen Gründen, aus denen man die unliebsamen Glaubensgruppierungen verfolgte und tötete, stand man jedem Menschen, der eine neue Gruppierung gründen wollte äußerst skeptisch gegenüber. Vor allem Armutsbewegungen waren für die Kirche gefährlich, da sie die Grundfeste des Kirchenstaates in Frage stellten. Wenn sich Jesus für ein besitzloses Leben ausgesprochen hatte und sich diese Idee in den Köpfen der Menschen verankerte, wie konnte man dann den Prunk rechtfertigen, mit dem sich die Kirchenelite so gerne umgab?

Das erste Gespräch beim Papst war dementsprechend eher mäßig erfolgreich. „Schafft sie mir aus den Augen!“ soll Papst Innocent III, der Überlieferung nach laut ausgerufen haben, als er die 13 Lumpenträger in seiner prunkvollen Audienzhalle stehen sah. In seinem Hohn schickte er sie in einen Schweinestall, da er meinte, sie seien dort sicher besser aufgehoben als in seinem Palast. Franz ließ sich jedoch davon nicht unterkriegen. Er ging wie befohlen in den Schweinestall, wälzte sich im Dreck und im Mist und kehrte anschließend zum Papst zurück. Als ihn dieser nun entgeistert und mit gerümpfter Nase anstarrte fragte Franz schnippisch: „Bin ich jetzt so, wie du dir das vorgestellt hast?“

Beeindruckt von dem Mut des stinkenden Mannes war er einen Blick auf dessen Anliegen und stimmte ihm zunächst einmal mündlich zu. Einer Legende zufolge soll der Papst zuvor eine Vision von einer Palme gehabt haben, die vor seinen Füßen zu wachsen begann. Auf ihrer Spitze saß ein armer, junger und unbekannter Mönch, der mit seinen Armen die höchsten Mauern der Laterankirche in Rom stütze. Egal, ob es diese Vision wirklich gab oder nicht, sie macht deutlich, dass es dem Papst bei der Bestätigung von Franziskus Glaubensgemeinschaft nicht um einen Akt der Nächstenliebe sondern viel mehr um eine Hoffnung auf die Erfüllung seiner eigenen Pläne ging. Die Kirche hatte viele Probleme und ihre Macht begann zu bröckeln. Wenn man sie wieder stützen wollte, dann brauchte man einen starken Mann mit festen Überzeugungen, dem die Menschen vertrauten und folgen würden. Für diesen Job schien Franzisco genau der richtige zu sein.

In der Bevölkerung war es nicht verborgen geblieben, dass sich die römisch katholische Kirche bereits Kilometerweit davon entfernt hatte. Die Kirche hatte den wahrscheinlich nicht ganz unbegründeten Ruf korrupt zu sein und bei all dem Reichtum und Prunk, den sie sich angehäuft hatte, kam der Wunsch nach der Einfachheit und dem Verzicht von weltlichen Gütern auf, die auch das Leben von Jesus Christus geprägt hatten. Armutsbewegungen wie die Katharer, die Waldenser, die Humiliaten und die Brüder und Schwestern des freien Geistes schossen überall aus dem Boden und waren bei den Menschen sehr beliebt, da auch sie ähnlich wie Francesco zurück zu den Ursprüngen der christlichen Ideale wollten. Sie mit Waffengewalt zu bekämpfen und als Ketzer zu ächten war eine Möglichkeit um die Feinde in Schach zu halten und um mögliche Sympathisanten abzuschrecken. Doch damit konnte man die Grundidee nicht töten. Sie steckte in den Köpfen der Menschen und breitete sich immer weiter aus. Waffen konnten dagegen nichts ausrichten, denn die Gegenwehr führte automatisch dazu, dass man dem Feind Recht gab und ihn in seiner Grundidee bestärkte. Wenn man der Lage wirklich Herr werden wollte, dann musste man das Pferd von hinten aufzäumen. Und genau dafür kam Franz mit seiner Idee der Bettelbruderschaft, der nichts weiter wollte als schlicht und einfach nach dem Evangelium leben zu dürfen gerade recht. Seine Idee unterschied sich nicht wesentlich von der der anderen und damit wäre er eigentlich auch ein Fall für die Inquisition gewesen, doch stattdessen konnte man ihn auch einfach instrumentalisieren. Wenn der Papst ihn und seine Gemeinschaft anerkannte und als neuen Bestandteil mit in die Kirche aufnahm, dann konnte der Papst den Menschen nun plötzlich genau das bieten, was sie sonst bei den Katharern und ihren gleichgesinnten suchten. Mit Franziskus an ihrer Seite stand nun auch die katholische Kirche wieder für Einfachheit, Armut, Gottestreue und Frömmigkeit. Damit änderte sich auch das Verhältnis zu den anderen Glaubensvereinigungen. Sie waren nun nicht mehr die bösen, weil sie für Bibeltreue und Besitzlosigkeit plädierten. Das war wichtig, darin war man mit ihnen einer Meinung. Die Idee war überall die gleiche. Das Problem war, dass diese Gruppierungen aus lauter anderen Gründen vom Teufel besessen waren und damit den Tod verdient hatten. Wer in Armut leben wollte, der konnte diese nun auch innerhalb der Kirche finden und musste nicht mehr zu ihren feinden wechseln. Damit konnte man nun die Feinde ausrotten ohne dass die Gefahr bestand ihre Ideale auf diese Weise noch fester in die Köpfe der Menschen zu meißeln.

Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Als Franziskus von seiner Papstaudienz zurückkehrte ahnte er von all dem noch nichts. Im Gegenteil, er war gut gelaunt und freute sich darüber, dass er es geschafft hatte, seine kleine Gemeinschaft nun offiziell anzumelden und das er den Segen des Papstes bekommen hatte. Wenn er geahnt hätte, wie viele Kompromisse man ihm später für diesen Schritt noch aufhalsen würde, wie weit sich seine Gemeinschaft bereits zu seinen Lebzeiten von seinen Idealen entfernen würde und wie sehr er später zum Instrument des Papstes gemacht werden würde, dann wäre ihm seine Freude wahrscheinlich im Halse stecken geblieben.

Zunächst jedoch entwickelte sich alles besser, als er es selbst geglaubt hätte. 1211 konnte er ein weiteres Kloster bei Cortona gründen, so groß war seine Anhängerschaft bereits geworden. Ein knappes Jahr später sollte sein Leben noch einmal eine radikale Wandlung treffen. Dieses Mal war es nicht Gott, der so unverhofft in sein Leben trat. Diesmal war es eine Frau.

Fortsetzung folgt...

 

 

Spruch des Tages: Alle Gebilde der Schöpfung sind Kinder des einen Vaters und daher Brüder. (Franz von Assisi)

 

Höhenmeter: 520 m

Tagesetappe: 29 km

Gesamtstrecke: 7725,77 km

Wetter: durchgängig Regen und kalter Wind

Etappenziel: Gemeindehaus, 06027 Scheggia, Italien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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