Ohne Geld durch Irland

von Heiko Gärtner
24.01.2018 19:58 Uhr

Fortsetzung von Tag 1335:

Das Land wandelt sich

Irland aus der Luft betrachtet

Irland aus der Luft betrachtet

Auch wenn die Landschaft selbst noch immer überall aussieht wie an unserem ersten Tag auf diese Insel, gibt es doch einige auffällige Veränderungen. Die Kirchen werden nun immer kleiner und gewöhnlicher, je mehr wir uns aus dem Grenzgebiet und damit auch aus dem früheren Kriegsgebiet entfernten. Es wurde also noch einmal deutlich, dass all der Prunkt und all die Größe nichts mit dem Glauben an sich, sondern nur mit dem Konkurrenzkampf jener zu tun hatten, die die Religion für ihre Machtspielchen und ihr Ego missbrauchten, ähnlich wie es auch in Bosnien der Fall gewesen war. Seltsam war jedoch, dass sich auch die Pfarrern selber komplett zu wandeln schienen. Dort, wo im Norden nur pompöse und gut gepflegte Kirchen gewesen waren, haben wir auch nur penible, ordentliche und zumeist etwas spießige Pfarrer getroffen, die stets dafür sorgten, dass Kirche wie Villa in bestem Zustand waren. Hier im Süden trafen wir hingegen nur Messis, deren Häuser innen wie außen in einem katastrophalen Zustand waren und die zumeist ein schlampiges Jungegesellenleben führten. Dies war bislang keine Tendenz sondern ein Switch, der mit Grenzübertritt begonnen hatte und seither zu 100% zutraf.

Junge Männer bei einer sonderbaren, irischen Sportart.

Junge Männer bei einer sonderbaren, irischen Sportart.

Aber auch die Häuser und Gärten der Privatpersonen wandelten sich, wobei ich noch nicht sicher bin, ob mir die Wandlung gefällt. Die Häuser werden zunehmend schäbiger und ärmer. Farben gibt es fast keine mehr und viele der noch immer bewohnten Häuser wirken verlassen und verfallen. Selbst die Häuser der Reichen waren hier kalt, steril und trostlos. In Deutschland hatten wir oft festgestellt, dass die Menschen in einer Art Museum lebten, die zwar schick aussahen, in denen es aber kein Leben gab. Hier gab es nun nicht einmal mehr Ausstellungsstücke, sondern nur noch die leeren, kalten und kahlen Museumsräume und Museumsgärten. Viele der Häuser hatten große Grundstücke, die jedoch zu mehr als der Hälfte von Einfahrten und Privatstraßen belegt waren, die einmal um das ganze Haus führten. Der Rest des Gartens bestand in der Regal aus kahlen, eckigen Grünflächen mit kurzgeschorenem Rasen. Beete oder gar Blümchen auf der Wiese gab es so gut wie nie.

Kaum zu glauben: Es gibt sirklich Palmen in irland

Kaum zu glauben: Es gibt sirklich Palmen in irland

Die Menschen bleiben gleich

Was sich hingegen leider überhaupt nicht zu ändern schien waren die Menschen selbst. Natürlich gab es immer wieder einzelne Zuckerstücke, also Menschen, die herausstachen, die freundlich, hilfsbereit und ermutigend waren und ohne deren Hilfe wir längst vollkommen aufgeschmissen wären. Aber die Grundhaltung in diesem Land war eine ablehnende und kaltherzige, stärker als wir es je zuvor irgendwo erlebt hatten. Es begann bereits damit, dass hier noch mehr Verbotsschilder und schriftliche Drohungen zu sehen waren, als in England. „Keep Out“, „Betreten verboten!“, „Ballspielen Verboten!“, „Parken verboten!“ „Leben verboten!“

Verfallene Festungen wie diese, darf man leider nur von außen berrachten

Verfallene Festungen wie diese, darf man leider nur von außen berrachten

Sogar die ältesten und abgeranztesten Bruchbuden hatten hier ein oder zwei Kameras und große Schilder mit „Warnung vor unseren Wachhunden!“ „Achtung: Videoüberwachung.“ Sobald man in die Nähe eines Hauses kam, wurde man von mindestens zwei Hunden angekläfft, die über die Wiese auf einen zugerast kamen, um einen aus sicherem Abstand zu belagern. Sie spiegelten die Haltung ihrer Besitzer recht gut wieder, die ebenfalls am liebsten alles verbellt hätten, was ihnen Fremd war. Nirgendwo zuvor waren hatten wir es erlebt, dass man uns erst von weitem zugröhlte, und sich dann kichernd in kleinen Gruppen zusammenstellte um mit dem Finger auf uns zu zeigen. Das passierte bei Kindern wie auch bei Jugendlichen und Erwachsenen. Auf der anderen Seite konnte man es auch irgendwo schon fast wieder verstehen, wenn man bedachte, wie langweilig es den Menschen hier war. Es gab einfach nichts zu tun, weder für die Kinder, noch für ihre Eltern. Sich um drei Uhr nachmittags in einem Pub zu treffen war nicht ungewöhnlich. Zwei kleine Mädchen zeigten recht deutlich, wie man hier seine Ferienzeit verbrachte. Sie saßen vor einer kleinen Wohnsiedlung auf einer eiskalten, nassen Steinmauer und versuchten Hämorrhoiden zu bekommen. Mehr konnte man hier einfach nicht tun. Nicht einmal im Balkan war es den Kindern so langweilig gewesen und die hatten wenigstens noch den Vorteil gehabt, dass ihre Mauern von der Sonne angewärmt waren.

Spruch des Tages: Die großartigsten und did schrecklichsten Dinge geschehen aus Langeweile.

Höhenmeter. 190 m

Tagesetappe: 23 km

Gesamtstrecke: 25.231,27 km

Wetter: bewölkt, leicht sonnig, hin und wieder Regen

Etappenziel: Ehemaliger Kindergarten, 53100 Châtillon-sur-Colmont, Frankreich

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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