Wandern durchs Jagsttal

von Franz Bujor
11.01.2014 19:19 Uhr
 

Heute lernen wir das Jagsttal kennen

Hier sind wir schon sehr gespannt, was uns im schönen Jagsttal erwarten wird, aber erst mal schildern wir unser Erlebnis von gestern. Gestern Abend haben wir noch lange bei Tee, selbstgebackenen Keksen und selbstgemachtem Apfelbrot mit Franz und Elisabeth zusammengesessen. Unsere Gespräche waren herzlich und bewegend und es hat sich angefühlt, als wären wir bei alten Freunden zu Besuch, die wir seit Langem nicht mehr gesehen haben.

annakapelle

Die Annakapelle im Jagsttal

 

Markus, der Sohn der beiden war vor einigen Jahren bei plötzlichen einem Unfall im Urlaub in Ägypten ums Leben gekommen. Er hatte am Rand eines Swimmingpools gesessen, als es einen Defekt an einer unterirdischen Stromleitung gab, der Markus einem tödlichen Stromschlag aussetzte. Alle Menschen die sich komplett außerhalb des Beckens befanden und alle, die ganz im Wasser waren, blieben unverletzt. Außer den Jungen traf es nur noch einen jungen Mann, der gerade das Becken verlassen wollte. Anstatt der Familie beizustehen, machte ihnen das Hotel, die Situation jedoch noch viel schlimmer, als sie eh schon war.

Die Gäste und die Gesellschaft sollte belogen werden!

Der Unfall sollte verheimlicht werden und es wurde behauptet, dass Markus schlichtweg ertrunken wäre. Damit die Eltern den anderen Hotelgästen nichts über das Geschehene verraten konnten, wurden sie separiert und unter eine strenge Bewachung gestellt. Nur weil sie einige gute Kontakte hatten und es schafften die Bildzeitung auf ihren Fall aufmerksam zu machen, gelang es ihnen schließlich, mithilfe des deutschen Botschafters für sich selbst und für die Leiche ihres Sohnes die Heimreise zu organisieren. Ohne diese Hilfe, wäre Markus verbrannt worden, um den Fall zu vertuschen. Einige Zeit später, wurden sie in die Talkshow von Hans Meisner eingeladen, um von den Ereignissen zu berichten. Der Moderator stellte ihnen zu Beginn der Sendung eine Frage, würgte sie dann aber ab und kam den ganzen Abend nicht mehr auf sie zurück. Hinterher fanden sie heraus, dass der Sender von der Reisegesellschaft unter Druck gesetzt worden war, da es diese versäumt hatte, dem Elternpaar beizustehen. Auch die deutsche Reisegesellschaft, hatte es also vorgezogen, den Fall zu vertuschen, um negative Publicity zu vermeiden. Soviel also zum Thema Pressefreiheit in Deutschland.

jagsttal

Das schöne Jagsttal

 

Nachdem wir uns mit einem guten Frühstück gestärkt und von unseren Gastgebern verabschiedet hatten, setzten wir unsere Reise auf dem Jakobsweg  fort in Richtung Jagst Tal. Das Wetter hatte uns in den letzten Tagen recht verwöhnt. Gestern hatten wir fast den ganzen Tag Sonnenschein gehabt und sogar schon die ersten austreibenden Weidenkätzchen gesehen. Als wir heute nach dem Aufstehen aus dem Fenster sahen, war die Welt jedoch weiß über froren. Den ganzen Tag über wollte es nicht gemütlich werden. Die Temperatur verharrte um den Gefrierpunkt und der Himmel schickte uns abwechselnd Schneegestöber, leichte Hagelschauer und Regen. Dafür war die Landschaft im Jagsttal, die wir heute durchwanderten eine der schönsten seit unserem Reisebeginn.

Im Jagsttal wurde uns die Freiheit von Besitzlosigkeit bewusst

Im Jagsttal wurde uns die Freiheit von Besitzlosigkeit bewusst

Wir folgten der Jagst durch ihr idyllisches Tal mit urigen Wäldern und kleinen verschlafenen Ortschaften. Anders als an den ersten Tagen konnte das Wetter unserer Stimmung heute nichts anhaben. Wir waren gut gelaunt und fühlten uns reich und frei. Jetzt, da wir nahezu alles an Besitztümern abgegeben hatten, hatten wir plötzlich die Ruhe und die Gelassenheit, jede Kleinigkeit zu genießen. Wie oft hatten wir früher das Gefühl, dass wir irgendetwas Wichtiges, wertvolles brauchten um glücklich sein zu können. Jetzt reicht dafür eine Thermoskanne mit heißem Tee an einer Bushaltestelle, die den Wind abhält. Oder eine Wärmflasche für die kalten Füße. Oder eine Essiggurke zum Abendessen.

Oft verwechseln wir Genuss mit Besitz!

Langsam schwindet auch unsere Sorge vor dem Ungewissen immer mehr. Wenn es ungemütlich oder anstrengend bei unserer Wanderung wie hier z. B. im Jagsttal wird, freuen wir uns auf einen warmen Platz am Abend und ein gutes Essen. Wir wissen zwar nicht wie beides aussehen wird, aber Zweifel daran, dass es kommen wird, haben wir im Moment nicht mehr. Es ist so paradox, wie sehr wir normalerweise Genuss mit Besitz verwechseln. Wir glauben, dass wir etwas nur dann wirklich genießen können, wenn es uns auch gehört. Doch vergessen wir dabei, dass wir unseren Besitz oft mit so viel Lebenszeit bezahlen, dass wir ihn im Endeffekt nicht mehr genießen können.

Hilfsbereitschaft die unser Herz erwärmte

Als wir bei einem Metzger nach etwas zu essen fragten, bekamen wir nicht nur vom Verkäufer etwas, sondern auch von der Dame, die nach mir bedient wurde. Das Jakobspilgern sei auch schon immer ein Traum von ihr und sie fände unsere Sache super. Daher wolle sie uns hier im schönen Jagsttal auch noch etwas unterstützen. Als wir uns draußen nach einer Toilette umsahen, kam sie noch einmal auf uns zu und schenkte uns noch ein Brot, das sie gerade frisch beim Bäcker gekauft hatte. Wir konnten es fast nicht fassen, wie lieb und hilfsbereit diese Dame war.

wanderwegmarkierung

Die vorhandenen Wanderwegmarkierungen können hilfreich sein

Spruch des Tages: Wahren Wohlstand kann man nicht mit Geld erkaufen.

Tagesetappe: 19 km

Gesamtstrecke: 218,37 km

 

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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