Der künstliche Strand von Bibione – Vorbereitungen auf den Massentourismus

von Heiko Gärtner
30.04.2019 07:22 Uhr

Bibione gehört zu den bekanntesten Urlaubsorten im Nordosten von Italien. Die kleine Küstenstadt ist im Winter nahezu unbewohnt und schwillt dann im Sommer auf ein vielfaches ihrer tatsächlichen Einwohnerzahl an. Die meisten Häuser hier sind Ferienhäuser, Hotels und Apartments und nahezu jeder Einheimische arbeitet im Tourismusgeschäft. Damit ist Bibione ein Musterbeispiel für Massentourismus. Gerade jetzt, vor der eigentlichen Saisoneröffnung, wird dies besonders deutlich. Denn nun befindet sich alles in der Aufbauphase. Und damit meinen wir wirklich alles! Angefangen beim Sonnenschirm und Liegestuhl bis hin zum Sandstrand selbst. Denn dieser ist in Bibione keineswegs von Natur aus so schön, wie man ihn von den Fotos her kennt. Im Gegenteil, es handelt sich um einen komplett künstlichen Strand, der mit Traktoren, Baggern und Kettenfahrzeugen erschaffen wird.

Strand von Bibione

Strand von Bibione

Ein Urlaubsort aus Kindheitstagen

Bibione war einer jener Orte, die Heiko schon aus seiner Kindheit kannte. Dementsprechend hätte er mit den schier unendlichen Liegen und Sonnenschirmen am Strand eigentlich vertraut sein müssen. Dennoch waren wir mehr als nur überrascht von dem, was wir hier sahen. Der Weg vom zentrumsnahen Strand in die Außenbereiche war ein bisschen wie eine Zeitreise, bei der wir die unterschiedlichen Phasen der Saisonvorbereitung erleben durften.

Parrocchia Cesarolo

Parrocchia Cesarolo

 
Norditalien

Norditalien

Die Vorbereitungsphasen des künstlichen Strandes

Direkt im Zentralbereich war der Strand bereits soweit fertig, dass die Touristen kommen konnten. Hier standen nun in Reih und Glied die Sonnenschirme aufgereiht, jeweils mit zwei Liegestühlen darunter. Jeder Strandabschnitt hatte seine eigenen Farben.

Leerer Massenstrand

Leerer Massenstrand

 
Massenstrand

Massenstrand

Ein kleines Stückchen weiter konnten wir zusehen, wie die Sonnenschirmständer mit großen Sandbohrern in den Strand eingelassen wurden. Noch etwas weiter wurden gerade die Kunststoffplatten verlegt, die später die Gehwege bilden sollten. Aber auch die Steinplatten, aus denen die Strandpromenade bestand, lagen nicht das ganze Jahr über. Es war wie ein Baukasten, bei dem nach und nach alle Bestandteile platziert wurden. Und je weiter wir kamen, desto spannender wurde es. Denn dass auch die Palmen nur für die Sommersaison hier eingepflanzt wurden, hätten wir beispielsweise nicht erwartet.

 
Sonnenschirmständer für Massentourismus am Strand

Sonnenschirmständer für Massentourismus am Strand

 
Vorbereitung für Massentourismus in Bibione

Vorbereitung für Massentourismus in Bibione

Auch der Sand wird herangeschafft

Aber wie hätte es auch anders sein sollen, denn der nächste Schritt bestand darin, überhaupt erst einmal den Strand hier herzuschaffen. Riesige LKWs kippten eine Fuhre nach der nächsten an einer steinigen Küste aus, wodurch sich zunächst lauter kleine Sandberge auftürmten. Diese wurden dann von großen Baggern gleichmäßig verteilt. Wie zuvor bei den Sonnenschirmen wurde auch hier wieder nichts dem Zufall überlassen. Jede einzelne Baggerspur war präzise mit einem Laser so ausgerichtet, dass der Strand am Ende perfekt immer die gleiche Breite hatte.

 
künstlicher Strand Bibione

künstlicher Strand Bibione

Renovierung der Hotels

Auf der anderen Seite der Straße ging es dann gleich weiter. Denn auch sämtliche Hotels der Stadt wurden gerade erst wieder soweit auf Vordermann gebracht, dass sie überhaupt nutzbar waren. Man fühlte sich ein bisschen wie in einem Ameisenhaufen. Wohin man auch blickte, wimmelte es von fleißigen Arbeitern, die gerade dabei waren, irgendetwas zu bohren, zu schrauben, zu sägen, zu streichen, zu verputzen oder herum zu räumen.

Verlassene Ruinen

Ebenso interessant war es jedoch auch zu sehen, was alles nicht gemacht wurde. So gab es einige Gebäude an perfekten Standorten, die man einfach aufgegeben hatte und die nun dem Verfall oblagen. Darunter war auch ein gewaltiger Komplex, der einst der Kirche gehört hatte und der einmal ein Seminarzentrum mit Pflegeeinrichtung und Kloster gewesen war. Heute waren es nur noch Ruinen.

 
Moderne Kirche Bibione

Moderne Kirche Bibione

Der Vatikan als Investor im Tourismussektor

Doch noch ehe wir uns eingehender mit der Frage beschäftigten, warum die Kirche derart geniale Plätze an Orten wie Bibione aufgab, wandern wir heraus, dass der Komplex nicht das einzige gewesen war, das der Vatikan hier besaß. Tatsächlich übernachteten wir sogar in einem Hotel, das ebenfalls der Kirche gehörte und daher vom hiesigen Bischof verwaltet wurde. Da wir vollkommen zufällig darauf stießen, liegt es nahe, dass auch viele der übrigen Gebäude im Besitz des Vatikans sind. Warum auch nicht, wenn insgesamt rund ein Drittel der Häuser in Italien dem Vatikan gehören mussten diese ja auch irgendwo stehen.

 
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.