Leben als Marionette

von Heiko Gärtner
31.12.2016 00:22 Uhr

16.12.2016

Von unserer Herberge aus konnten wir zunächst an einer wenig befahrenen Straße oberhalb eines Flusses in eine Kleinstadt wandern. Mit erreichen der Stadt änderte sich auch die Verkehrslage und mit einem Mal war es ganz und gar nicht mehr gemütlich. Erst ein gutes Stück außerhalb war es wieder soweit erträglich, dass wir die Sonne für ein Picknick nutzen konnten. Für eine Weile wanderten wir dann wieder durch menschenleere Gefilde, bevor uns der Jakobsweg wiederum in eine laute und unangenehme Kleinstadt führte. Langsam begannen wir ernsthaft an ihm zu zweifeln. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hatte er ebenfalls oft seltsame Etappenziele ausgewählt, bei denen wir oft nicht wussten, was wir davon halten sollten. Aber sie waren zumeist auf irgendeine Weise interessant und sehenswert gewesen, auch wenn sie nicht unbedingt das sein mochten, was man ein ruhiges und besinnliches Pilgerziel nennen würde. Hier aber gab es in den Ortschaften nichts mehr, weder Ruhe noch irgendetwas sehenswertes. Auch die Menschen erschienen uns hier bei weitem nicht so freundlich und hilfsbereit, wie wir es von Frankreich gewöhnt waren. Bei unserem ersten Besuch in diesem Land hatte ein Zettel mit einigen Worten auf Französisch gereicht um einen Platz zu bekommen. Nun präsentierte ich unser Projekt und unsere Reise mit einem Folder voller Anschauungsmaterial und wurde dennoch abgelehnt. Als wir mein Gespräch mit den Stadtangestellten im Nachhinein noch einmal reflektierten wurde klar, dass ich trotz des umfangreichen Materials, das ich zur Verfügung hatte und trotz meiner etwas erweiterten Französischkenntnisse noch immer die gleichen Fehler machte wie am Anfang. Ich leierte noch immer alles herunter wie ein Roboter und ich trat noch immer wie ein Bittsteller auf, der nur wollte, aber nichts zu geben hatte.

„Wo ist der Schinken?“ fragte Heiko wie schon so oft zuvor, „Du präsentierst noch immer nur ein trockenes Brötchen, ohne einen Schinken hineinzulegen, der dafür sorgt, dass es den Menschen schmecken kann!“ Die Frage, die sich hier aufdrängte lautete aber viel mehr: Warum machte ich dies? Warum stellte ich mich in diesem und auch in vielen anderen Bereichen als so vollkommen Lernresistent heraus? Wieder kamen wir der Antwort dabei einen Schritt näher. Einer der Leitsätze, die ich in mir verankert habe lautet: „Ich darf nicht ins System eingreifen! Ich darf nichts verändern, denn alles ist gut so wie es ist und alle anderen wissen schon was sie da tun.“ Jetzt, wo ich einmal wirklich darüber nachdachte wurde mir bewusst, dass ich diesen Satz schon seit Ewigkeiten in mir Trug und dass ich ihn immer wieder im Großen wie im Kleinen deutlich zu spüren bekam. Während meiner Studienzeit beispielsweise spielte ich eine Weile in einem Improvisationstheater mit. Improtheater lebt davon, dass alle Beteiligten permanent irgendwelche Ideen einwerfen und Impulse geben, aus denen dann die Szenen entstehen. Wenn ich eine feste Figur hatte oder wenn ich eine Szene begann, war das kein Problem. War aber alles offen und jeder sollte irgendwann irgendetwas ins Spielgeschehen hineingeben, dann war ich plötzlich wie blockiert. In mir kam sofort der Gedanke auf: „Du darfst die Szene nicht an dich reißen. Du darfst reagieren und sie mittragen, aber du darfst sie nicht übernehmen und in eine neue Richtung lenken! Denn dann könnte es sein, dass sie den anderen nicht gefällt und du etwas kaputt oder falsch machst.“

Das gleiche Thema hatte ich aber auch in unterschiedlichen Lebenssituationen und jedes Mal spürte ich, wie es mich Blockierte. Eine Seminarteilnehmerin erzählte mir bei einer Wildnisausbildung, wie sie gerade ihre Kinder erzog und ich spürte sofort, wie es in mir verkrampfte, weil sie sich da unbewusst auf einen Weg begab, der weder ihr noch ihren Kindern gut tat. Ich wollte etwas dazu sagen und ihr so die Möglichkeit geben, noch einmal über alles nachzudenken und vielleicht einen neuen Weg einzuschlagen. Doch ich konnte es nicht. Ich hatte das Gefühl, nicht das Recht zu haben, mich in ihre Angelegenheiten einzumischen. Nicht weil dies schlecht ankommen könnte, oder weil die Gefahr bestand, dass sie vielleicht sauer wurde. Nein, nur weil ich Angst hatte, damit wirklich etwas in ihrem Leben verändern zu können. Was war, wenn sie danach nicht mehr so weitermachen konnte wie bisher? Dann würde sich vielleicht ihr ganzes Leben wandeln und ich wäre daran Schuld. Die Tatsache, dass diese Wandlung vielleicht gut sein könnte und ihr und ihren Kindern das Leben deutlich erleichterte, änderte daran nichts. Es ging nicht darum, was geschah, sondern dass ich nicht das Recht hatte, überhaupt eine Änderung im System zu erzeugen. Der Satz, der dahinter steht lautet: „Ich bin klein und unfähig und weiß nicht was richtig ist. Alle anderen wissen es besser, deswegen ist alles was sie machen richtig und alles was ich mache oder machen könnte falsch.“

Wieder stellt sich natürlich die Frage, wie man auf so einen sinnigen Lebensgrundsatz kommt. Und auch hier zeigte sich ein Lösungsansatz, der einleuchtend war. Seit meiner Geburt war mein Leben darauf ausgerichtet, der perfekte Sohn in der perfekten Familie meiner Mutter zu sein. Aufgrund der traumatischen Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit gemacht hat, war es ihr höchstes Ziel, eine Familie zu erschaffen, in der es keine negativen Gefühle gibt und in der immer alles friedlich und freundlich ist. An und für sich keine schlechte Idee, aber sie funktioniert natürlich nicht wenn es Menschen mit unterschiedlichen Gefühlen, Interessen und Lebenseinstellungen gibt. Sobald zwei Menschen aufeinander treffen gibt es Reibungspunkte, da jeder die Welt aus seiner Perspektive betrachtet. Als kleines Kind hatte ich also zwei Möglichkeiten, mit dem Plan meiner Mutter umzugehen. Entweder ich entschied mich dafür, ihr die Illusion zu nehmen und ihr zu zeigen, dass es so etwas wie eine perfekte Familie in ständiger Harmonie nicht geben kann und auch nicht geben sollte, oder ich entschied mich dafür, ihr die Illusion zu lassen und einfach kein Mensch zu werden. Denn die besagten Reibungspunkte gibt es ja nur dann, wenn es auch mehrere Individuen mit eigenen Gefühlen gibt. Mein Vater hatte sich bereits für die zweite Variante entschieden und auch ich schlug diesen Weg ein. Diese Entscheidung brachte natürlich gewisse Herausforderungen und Probleme mit sich. Jedes Wesen bekommt von Natur aus eine innere Stimme, also eine Intuition mit auf den Weg, die ihm stets verrät, was es tun und lassen soll, worauf es seinen Fokus richten und wohin es im Leben gehen soll und was ihn stärkt oder schwächt. Diese innere Stimme ist wie eine Art Kommandozentrale, die in unserem limbischen System zuhause ist, also in dem Teil unseres Gehirns, der für unsere Instinkte, unser Unterbewusstsein und alle intuitiven Prozesse zuständig ist. Sie ist direkt mit unserem höheren Selbst, also mit unserem Gottbewusstsein verbunden und funktioniert ein bisschen wie ein weiser Befehlshaber, der immer genau weiß, was zu tun ist. Wenn wir ihm vertrauen und ihm folgen, bleiben wir genau auf unserem Lebensweg und handeln stets so, dass es das für uns aber auch für alle anderen heilsam ist. Nach dieser inneren Kommandozentrale zu handeln und zu leben hätte in meinem Fall aber bedeutet, dass ich die Illusion der perfekten Familie zerstört hätte. Mein innerer Kommandant hätte mir Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit befohlen und mir aufgetragen, zu jeder Zeit für mich einzustehen und nach meinem Gefühl zu handeln. Was also konnte ich tun? Um die Illusion bestehen zu lassen schaltete ich meine Kommandozentrale aus, fesselte und knebelte meinen inneren Befehlsgeber und sperrte ihn in eine dunkle Kammer irgendwo tief in meinem Unterbewusstsein. Hin und wieder schaffte er es trotzdem, mit irgendwie eine Nachricht zu übermitteln, doch sie war stets so leise, dass es mir keine Mühe machte, sie zu überhören und zu ignorieren.

Nun gab es jedoch noch ein zweites Problem. Ohne den Befehlsgeber war ich nun vollkommen orientierungslos. Ich war wie ein Soldat in einem fremden Einsatzgebiet, der keine Anweisungen mehr bekam und daher nicht mehr wusste, wer Freund und wer Feind war. Woran also sollte ich mich halten? Die Lösung lag nahe, da ich meine Kommandozentrale ja mit einem bestimmten Grund ausgeschaltet hatte. Meine Mission war es, die Illusion meiner Mutter am Leben zu halten und somit war es unabdingbar, sie zu meinem neuen Befehlsgeber zu machen. Ich folgte nun also nicht mehr meiner inneren Stimme, sondern der äußeren Stimme meiner Mutter. Auf diese Weise machte ich mich zu ihrer Marionette. Sie hielt die Schnüre in der Hand und ich tanzte danach, so wie sie es wollte. Was immer sie von mir wollte, war mein Befehl und da sie nun der Ersatz für meine innere Stimme war, folgte ich ohne ein Zögern und ohne ein Zweifeln. Das Problem war nun jedoch, dass sie natürlich nicht in meinem, sondern in ihrem Sinne handelte. Ich kam also mit jedem Schritt, den ich tat, mit jedem Atemzug, mit jeder Handbewegung und mit jedem Gedanken weiter von meinem Lebensweg ab. Ich selbst gab mir nun kein Lebensrecht mehr sondern machte mich zu 100% von meiner Mutter abhängig. Das bedeutete natürlich auch, dass ich selbst von mir aus nicht mehr ins System eingreifen und etwas ändern durfte. Selbst dann nicht, wenn es meinen Tod bedeuten würde. Wenn meine Mutter die Fäden so zog, dass ich mich verteidigen sollte, dann tat ich es. Zog sie sie nicht, ließ ich alles mit mir geschehen. Wenn sie beschloss, dass ich sterben sollte, dann war dies für mich in Ordnung. Der Impuls: „Verteidige dein Leben!“ war nicht mehr länger aktiv. Selbst wenn ein Pudel auf mich zukommen würde um mich zu fressen, würde ich ihn gewähren lassen, auch wenn ich ihn mit einem Finger vertreiben oder töten könnte. Die Idee, dass ich mich überhaupt verteidigen könnte, kam in meinem Handlungsrepertoire nicht einmal mehr vor. Damit dies gutgehen konnte, musste ich natürlich auch all meine Gefühle ausschalten, denn sonst hätte ich es ja mitbekommen, wenn mich jemand verletzt oder mir schadet. All dies hätte mein Leben als Marionette durcheinander gebracht und das war nicht in Ordnung.

Nun bringt so ein Leben als Marionette aber gewisse Probleme mit sich, die sich auf das gesamte Leben auswirken. Solange man die Fäden akzeptiert und nach ihnen tanzt wie Urmel aus dem Eis bei der Augsburger Puppenkiste, kommt man zunächst einigermaßen gut durch. Man braucht nicht großartig zu denken, muss keine eigenen Entscheidungen treffen und wird komplett geleitet. Der einzige Haken ist, dass man nicht wirklich lebt. Man ist kein eigenständiger Mensch, verschüttet seine Talente und Potentiale und empfindet keinerlei Freude oder Zufriedenheit. Man lebt also das Leben eines Untoten, eines Zombies. Die Fremdbestimmtheit führt zudem noch zu einem anderen Problem. Trifft man seine Entscheidungen bewusst, fällt es einem in der Regel relativ leicht, dazu zu stehen und die Konsequenzen zu tragen. “Ja, ich habe ich bewusst dafür entschieden, Scheiße zu bauen und auch wenn es nicht sinnvoll war, hatte ich doch meine Gründe und ich weiß, dass sich die Entscheidung in diesem Moment richtig angefühlt hat.” Handelt man jedoch aus einem Marionettenbewusstsein heraus fühlt es sich nicht im Geringsten so an, als hätte man die Entscheidung selbst getroffen. Viel mehr findet man sich plötzlich mitten in der Scheiße wieder und versteht nicht, wie man da hat landen können. Man hat keine Ahnung, warum man so handelt wie man handelt, man weiß nur, dass man dies, was man da macht eigentlich gar nicht ist. Hätte man sich frei entschieden, wäre man einen anderen Weg gegangen und so beginnt man plötzlich, sich dafür zu schämen, was passiert. Scham entsteht immer nur dann, wenn man das Gefühl hat, nicht direkt verantwortlich für das Geschehene zu sein, sich aber trotzdem als Verursacher wiederfindet. Es ist ein bisschen wie beim Fremdschämen. Geht man beispielsweise mit seinem neuen Partner auf ein Banquette und stellt dort unvermittelt fest, dass er sich vollkommen daneben benimmt und dabei auf eine Weise reagiert, die man nicht beeinflussen oder vorhersagen kann, schämt man sich für ihn. Ist man sich zuvor jedoch vollkommen klar darüber, dass er das Buffet plündern und die Reichen Schnösel beleidigen wird und entscheidet man sich bewusst dafür, ihn mitzunehmen, genau weil er dies tut, entsteht kein Schamgefühl. Aus dem gleichen Grund schämen wir uns in der Regel auch für alles, was wir unter Alkohol- und Drogeneinfluss machen. Gehen wir beispielsweise bei vollem Bewusstsein und mit einer gezielten Entscheidung mit jemand vollkommen Fremden ins Bett ist das in der Regel kein Problem. Machen wir das gleiche unter Alkoholeinfluss schämen wir uns im Anschluss jedoch meist.

Genau so ist es auch mit allen anderen Entscheidungen, die wir als Marionette treffen, ohne dass wir sie eigentlich treffen wollen. Es ist, als würde jemand mit einer Knarre hinter uns stehen und uns dazu veranlassen, etwas zu tun, das wir nicht tun wollen. Nur dass der Erpresser nicht wirklich hinter uns steht, so dass wir ihn erkennen und ausmachen können, denn in diesem Fall wäre es leichter. Dann wüssten wir, dass wir nur aufgrund einer Bedrohung gehandelt haben und könnten uns wiederum verstehen. Doch der Schütze ist viel mehr ein Schafschütze, der irgendwo versteckt in einem Turm liegt und auf uns zielt wohin wir auch gehen. Wir handeln also aus der angst heraus, ohne diese klar begründen oder deuten zu können. Wir wissen nicht einmal, ob wirklich ein Schütze da ist, oder ob wir uns dies nur einbilden und schon bald glauben wir, dass wir uns bewusst für Dinge entscheiden, die wir in Wirklichkeit nur aus der Angst vor der Bedrohung heraus tun. Das Problem ist nur, dass wir uns nur dann ändern können, wenn wir uns bewusst entscheiden und auch wirklich verantwortlich für unsere Taten sind. Werden wir gelenkt oder haben wir auch nur das Gefühl, gelenkt zu werden, können wir nichts dagegen machen und handeln immer so weiter, da wir uns nicht als Urheber unserer eigenen Handlungen sehen. Wir sind wie eine Eisenbahn, die auf schienen fährt und daher nicht bewusst nach links oder rechts abbiegen kann. Und genau hier beginnt die Krux an der Sache. Irgendwo in seinem inneren fühlt man, dass man ein Zombie ist. Man weiß, dass man nicht der ist, der man eigentlich wäre und man spürt, dass irgendetwas nicht stimmt. Egal wie sehr man die Herzensstimme knebelt, kleine Laute gibt sie dennoch von sich und auch wenn man sie nicht verstehen und ihnen folgen kann, reicht es doch aus, um einen daran zu erinnern, dass man eigentlich ein göttliches Wesen ist. Die Sehnsucht, dem eigenen Lebensweg zu folgen und die eigene Göttlichkeit wieder zu entdecken verstummt nie ganz und mit der Zeit wird sie immer lauter und lauter. Es ist, als wäre man in seinem Herzen durch ein untrennbares Gummiband mit seinem Lebensweg verbunden. Je weiter man sich also davon entfernt, desto stärker spannt es sich und desto größer wird der Zug, der einen dorthin zurückziehen will. Irgendwann wird er so stark, dass man sich aus seinem Marionettendasein befreien will. Sobald man dies der Fall ist, gerät man jedoch in einen neuen Konflikt.

Auf der einen Seite spürt man nun, dass der Marionettenspieler einen vom Leben abhält, dass er einen unterdrückt, einem die Lebensfreude nimmt, verhindert, dass man sein Darma lebt, dass man sein Sein annimmt und dass man in die Glückseligkeit kommen kann. Auf der anderen Seite ist er aber auch das einzige, was einem Halt und Sicherheit im Leben gibt. Man hat nie gelernt, selbst zu stehen, eigene Entscheidungen zu treffen, selbstständig zu denken. Man hängt eben an schnüren und wenn die Muskeln immer nur extern bewegt werden, verkümmern sie und werden unbrauchbar. Schneidet man die Fäden nun also ab, sackt man einfach in sich zusammen und stirbt. Man ist alleine nicht Handlungs- und Lebensfähig. Eine Marionette braucht Fäden, an denen sie gespielt wird, ohne sie ist sie nur ein regungsloser Haufen. Es ist ähnlich wie bei Gefangenen, die nach Jahrzehnten in die Freiheit entlassen werden, oder wie bei Menschen, die nach einem Beruf, der sie tagtäglich vollkommen eingenommen hat, plötzlich in die Rente kommen. Man ist nun frei, kann tun und lassen was man will, doch man hat nicht den Hauch einer Idee, wie man sich in dieser Freiheit zurecht finden soll. Der externe Marionettenspieler ist nun weg, aber die innere Kommandozentrale ist noch immer lahmgelegt und gibt einem keine Anweisungen und keine Orientierung. Aus diesem Grund fällt es uns so schwer, die Fäden wirklich zu lösen. Wir haben Todesangst davor, dass wir sie verlieren könnten, auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen, dass sie weg sind. Wir spüren, dass sie uns in eine Richtung ziehen, in die wir nicht gehen wollen und dafür hassen wir sie, aber wir haben auch Angst davor, sie zu verlieren, weil sie uns am Leben halten. Um sie wirklich loslassen zu können, brauchen wir daher die Sicherheit, dass wir auch ohne sie überleben. Wir brauchen also etwas oder Jemanden, der uns auffängt und der den für uns wichtigen Teil der Aufgaben unseres Marionettenspielers übernimmt. Wir brauchen eine Art Krückenspieler, also jemanden, der weiterhin unsere Fäden zieht und uns dabei Stück für Stück zeigt, sie wir selbstständig Leben können. Wir brauchen einen Marionettenspieler, der uns in Richtung unseres Darmas führt und nicht mehr davon weg.

Hieraus ergibt sich natürlich ein weiteres Problem, denn solange wir uns nicht zu 100% sicher sind, dass uns der neue Strippenzieher genauso gut leitet wie der alte, lassen wir die alten Fäden bestehen. Wir sind nun also eine Marionette, die von zwei Puppenspielern gleichzeitig gespielt wird und jeder Puppenspieler zieht in eine vollkommen andere Richtung. Eines der wichtigsten Instrumente, das man als Marionette hat, um sicher zu gehen, dass einen der Marionettenspieler nicht fallen lässt, ist Harmoniesucht. Es ist immer elementar wichtig, dafür zu sorgen, dass der Spieler nicht sauer auf einen ist, denn dann besteht die Gefahr, dass er sich entweder rächt oder schlimmer, das er einen fallen lässt, was den Tod bedeuten würde. Hat man nun jedoch zwei Puppenspieler, die in entgegengesetzte Richtungen ziehen, ist dies plötzlich unmöglich. Verhällt man sich so, dass man den einen zufrieden stellt, verärgert man automatisch den anderen. Dadurch schaukelt sich ein extremer und immer stärker werdender Wettstreit zwischen dem alten und dem neuen Puppenspieler auf. Es ist ähnlich wie bei den Stufen der Krankheiten. Handeln wir gegen unser Herz zeigt uns unser Körper dies in der Regel zunächst durch ein kleines Leiden, wie beispielsweise eine Erklätung oder eine Grippe. Drücken wir diese Krankheit weg und handeln weiterhin gegen uns, bekommen wir als nächstes eine stärkere Krankheit, die schwerer zu ignorieren ist. Dies geht so weit, bis schließlich unser Leben bedroht wird und wir nur noch die Entscheidung zwischen dem Erkennen und der Wandlung auf der einen, und dem Neustart durch den Tod auf der anderen Seite haben. So ist es auch im Wettstreit der Puppenspieler. Es beginnt mit einem leichten zupfen an einem Faden und steigert sich immer weiter, bis man als Marionette permanent hin und hergerissen wird. Um das zu verstehen ist es wichtig zu erkennen, dass die Puppenspieler die man als Marionette hat nicht wirklich Menschen sind. Alles ist eins, alles ist ein Traum, eine Phantasie die aus dem gleichen, göttlichen Bewusstsein erschaffen wird. Meine Mutter ist also nur die Manifestation von Gedanken und Überzeugungen, die ich in meinem inneren Trage. Das bedeutet, dass die Befehle, denen ich als ihre Marionette gehorche nicht zwingend aus ihrem Mund kommen müssen. Sie sind in meinem Kopf. Ich werde also auch dann noch von ihr geleitet, wenn ich keinen Kontakt mehr zu ihr habe oder sogar dann, wenn sie selbst nicht einmal mehr am Leben ist. In mir ist ein Glaubensmuster, das besagt: Verhalte dich auf die und die Weise, so dass du dich von deinem Lebensweg entfernst. Im Außen habe ich dieser Stimme die Gestalt meiner Mutter gegeben, sie existiert auch darüber hinaus. Genauso ist es mit dem neuen Puppenspieler Er ist letztlich nichts anderes, als ein Aspekt von uns selbst, den wir im Außen manifestieren und der unsere Herzensstimme repräsentiert, weil wir unserer inneren nicht vertrauen. Das Tauziehen zwischen dem alten und dem neuen Puppenspieler ist also nichts anderes als der Innere Konflikt der entsteht, weil wir unsicher sind, ob wir am alten festhalten oder uns auf das neue einlassen sollen. Er wird immer akuter, bis wir es schaffen, uns vollständig für eine Seite zu entscheiden.

Bis jetzt besteht in meinem Fall das Marionetten-Verhältnis zu meiner Mutter noch immer, da es nach rund dreißig Jahren des Sklaventums gegenüber ihren Befehlen, für mich keine andere Instanz mehr gibt, der ich vertraue. Wenn wir auf meine Mutter bzw. auf die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf höre, dann weiß ich: “Ich verbiegen mich, machen mich unglücklich und unzufrieden, komme nicht weiter und gehe von meinem Weg ab, aber ich bin sicher, bekomme Anerkennung, also Schein-Liebe und muss nicht sterben.” Vertraue ich hingegen auf meine Intuition, weiß ich überhaupt nicht was passiert. Es könnte klappen, aber es könnte auch dazu führen, dass ich einfach sterbe, so wie ich es als Kind gelernt habe. Hinzu kommt, dass meine Intuition, also meine Herzensstimme so leise und schwach ist, dass ich sie kaum noch von anderen Stimmen unterscheiden kann, die in meinem Kopf herumspuken oder von außen auf mich einprasseln. Dadurch entsteht eine immense Unsicherheit, die in den meisten Fällen zu einer Nicht-Entscheidung führt, was zu mindestens ebenso viel Leid führt, wie das Sklavendasein den Eltern gegenüber. Es ist ein bisschen wie bei einer Revolution. Zuvor hat man erkannt, dass die alten Herrscher einen unterdrücken und man versucht daher, sie los zu werden und sich zu befreien. Wenn man jedoch frei ist, merkt man, dass man keine Ahnung hat, wie man mit dieser Freiheit umgehen soll. Man besitzt keinerlei Fähigkeiten, die man als freier Mensch benötigt. Die Gefängnismauern haben einen eingesperrt, aber sie haben einem auch Schutz geboten. Die Gesetze haben einen unterdrückt, aber sie waren auch etwas, an dem man sich orientieren konnte. Nun steht man vollkommen orientierungslos inmitten der Freiheit und hat keine Ahnung, in welche Richtung man sich wenden soll. Was ist gefährlich und was nicht? Was stärkt mich und was verletzt mich? Was bringt mich weiter, was lässt mich stagnieren? Auf all diese Fragen haben wir keine Antwort. Ein freier Mensch würde einfach in sich hineinhorchen, den Befehl von seiner Kommandozentrale des Herzens abwarten und dann Zielsicher in die vorgeschlagene Richtung gehen. Unsere Kommandozentrale ist aber nicht besetzt, da die Herzensbefehlshaber noch immer gefesselt in einer Ecke sitzen und sich nicht bewegen können. Vom Sprechen einmal ganz zu schweigen. Wie also gehen wir mit dieser Situation um?

Die Geschichte zeigt, dass dieser Zustand ein äußerst gefährlicher ist. Denn um nicht vollkommen Handlungsunfähig zu bleiben, brauchen wir eine neue Orientierungshilfe. Wir brauchen einen Befehlshaber, der uns sagt, was zu tun ist, entweder im Innen oder im Außen. Wenn uns dies nicht bewusst ist, verfallen wir im Glauben, nun vollkommen Frei und selbstbestimmt handeln zu können schnell wieder einem neuen Sklaventreiber, der uns nach seinen Wünschen verformt und verbiegt. Da wir dieses Verbiegen bereits seit unserer Kindheit gewohnt sind, fühlt es sich nicht einmal unbedingt schlecht, sondern viel mehr vertraut an. Wir können noch immer nicht erkennen, ob uns etwas dient oder schadet und handeln daher nach dem Prinzip: „Wenn es anders ist, als das, was mir meine Eltern befohlen haben, dann muss es wohl richtig sein!“ Genau hierin liegt die Herausforderung bei der Befreiung aus der Verbiegungssklaverei, an der wir so oft scheitern. Denn gerade dadurch, dass wir versuchen, jede Form der Sklaverei zu vermeiden und selbstbestimmt zu agieren, obwohl wir keine Ahnung haben, wie das gehen soll, rutschen wir ganz automatisch in eine neue Abhängigkeit, die uns wahrscheinlich noch schlimmer verbiegt als zuvor. Was also können wir tun, um wirklich frei zu werden? Der erste Schritt ist es, den Ist-Zustand anzuerkennen und liebevoll anzunehmen. Ja, ich habe mich mein ganzes Leben lang als Sklave verbiegen lassen, so dass ich nun keine Ahnung mehr habe, wer ich eigentlich bin! Ja, ich habe mein inneres Kind vergewaltigt und misshandelt, so dass ich jede Orientierung im Leben verloren habe. Ja ich habe meine Intuition gefesselt und geknebelt, so dass ich von ihr keine Lebensorientierung mehr erhalten kann! Ja, ich habe keine Ahnung, wie man mit Freiheit und Selbstbestimmung umgeht, ich werde bei der kleinsten Entscheidung unsicher und falle auf jeden Trick herein, mit dem man mich manipulieren will. Ja, ich bin alleine und ohne Hilfe nicht lebensfähig, weil ich immer nur den Befehlen meiner Eltern gehorcht habe! Wenn man dies annehmen kann, ist man auch wieder bereit, ganz bewusst Hilfe von außen anzunehmen. Jeder Mensch braucht eine Kommandozentrale, also eine Instanz, durch die er weiß, was er tun muss, um seine Lebensaufgabe zu erfüllen. Solange die eigene, innere also lahmgelegt ist, braucht man eine externe, also einen Helfer im Außen, der einen Leitet, bis man wieder soweit auf dem Kurs ist, dass man sich auf die eigene, innere Stimme verlassen kann. Ähnlich wie man Krücken benötigt, nachdem man sich ein Bein gebrochen hat, bis man wieder selbstständig laufen kann, benötigt man auch einen Navigator, bis man sich in der Welt wieder zurechtfindet. Die Kunst dabei ist nur, dass man sich hier einen Navigator auswählen muss, dem man zu 100% vertrauen kann, weil man weiß, dass er stets im Sinne der eigenen Herzensstimme handeln wird. So wie einen die Eltern zuvor vom Weg abgebracht haben, braucht man nun einen Reiseleiter, der einen wieder auf den Weg führt und dort begleitet, so dass man die Spur halten kann und sich nicht immer wieder erneut verläuft. Ohne diesen Helfer wird man entweder immer wieder auf die innere Versklavungsstimme der Eltern zurückgreifen und in Unsicherheitssituationen stets so reagieren, wie man es gewöhnt ist, oder man verfällt einem anderen Verwirrer, der einen auf neue Weise vom Weg abbringt.

In einigen Übungen der Gestalt-Therapie wurde es deutlich. Egal wie sehr ich auch verletzt oder misshandelt werde, ich komme von mir aus nicht auf die Idee, mich zu verteidigen und zu wehren. Diese Erkenntnis brach im Rollenspiel wie ein Blitzschlag über mich herein. Erst als Heiko mir die Frage stellte: „Wie lange willst du warten, bist du dich wehrst?“ und mir so indirekt den Befehl zur Selbstverteidigung gab, wurde die Idee in mir freigeschaltet, dass ich mich überhaupt wehren konnte. Von diesem Moment an war es kein Problem mehr, für mich selbst einzustehen. Selbst wenn ich gegen einen übermächtigen Gegner kämpfen musste, war ich nun bereit, alles zu geben. Zuvor verteidigte ich mich nicht einmal gegen eine Stubenfliege. Langsam aber sicher wurde mir klar, warum ich mich seit Jahren im Kreis drehte. Ich versuchte tanzen zu lernen, obwohl ich nicht einmal laufen konnte und wunderte mich warum ich es nicht hinbekam. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, was es bedeutete, wirklich einen Mentor anzunehmen und sich zu 100% darauf einzulassen. Und zum ersten Mal spürte ich wirklich die immense Angst, die ich davor hatte. Als ich mich entschied, als Mönch zu leben waren mir viele Bereiche des Kodex von vornherein klar und einleuchtend gewesen. Was ich jedoch nie verstanden hatte war der Teil mit dem „Gehorsam“ gewesen. Einen anderen Menschen als Meister anzunehmen und ihm zu 100% zu folgen, egal was er auch sagen oder verlangen würde, kam mir abstrakt und falsch vor. Mein alter Puppenspieler in Form meiner Mutter setzte zudem alles daran, dieses Gefühl noch zu verstärken, indem sie mir - natürlich indirekt über meine früheren Freunde – die Idee in den Kopf setzte, dass ich dabei war, mich in eine Sekte zu begeben und mich zu einem Sklaven zu machen. Heiko wurde auf diese Weise zu einem „Guru“ erklärt, der andere nach seinen Vorstellungen manipulierte und mit ihnen spielte. Die Idee ist unserer Gesellschaft so sehr mit Negativassoziationen verknüpft, dass es fast unmöglich ist, sie anzunehmen. Aber was steckt wirklich dahinter? Ein Guru ist nichts anderes als ein geistiger Führer, ein Mentor, ein Meister. Solange diese Rolle nichts mit Glaube und Lebensweg zu tun hat, ist sie vollkommen akzeptiert. Jeder Handwerker hat in seiner Ausbildung einen Meister, dem er folgt um von ihm das Handwerk zu erlernen. Jeder Angestellte hat einen Chef, auf dessen Anweisungen er hört und dessen Vorstellungen er umsetzt. Jeder Soldat hat einen Kommandanten, dessen Befehle er ausführt. All diesen Führern vertrauen wir mehr oder minder uneingeschränkt, da wir wissen, dass sie uns zumindest in einem gewissen Rahmen sicher sind, dass sie in unserem Sinne handeln und so das Beste aus uns herauskitzeln. Dies funktioniert natürlich nur dann, wenn der Meister seine Rolle ebenfalls zu 100% annimmt und wenn er tatsächlich über das Wissen verfügt, dass er für die Führung braucht. Ein Wolfsrudel ist kein antiautoritärer Haufen in dem jeder macht was er will, weil er glaubt nur sich selbst gegenüber verantwortlich zu sein. Wäre dies der Fall, wäre das Rudel nicht überlebensfähig. Um Leben zu können, gibt es eine klare Hierarchie, eine Rangordnung, die von allen eingehalten wird. Dem Leitwolf wird dabei blind vertraut, nicht aus Dummheit oder weil man selbst zu Faul zum Denken ist, sondern weil man weiß, dass er immer und in jedem Fall zum wohle des Rudels handeln wird. Man ist sich zu 100% sicher: Wenn ich einen Befehl nicht verstehe, dann nicht deshalb weil er unsinnig ist, sondern weil ich selbst das Gesamtbild noch nicht überschauen kann. Ähnlich ist es auch bei den Einheimischen-Völkern. Jeder Klan hat einen Häuptling, dem der ganze Klan folgt, weil er weiß, dass dieser stets im Sinne des Klans handeln wird. Die Führung ist nicht dazu gedacht, die anderen zu unterdrücken oder in ihren Fähigkeiten einzuschränken. Sie ist auch nicht gedacht, um jemanden zu bevormunden oder ihn klein zuhalten. Sie dient dazu, aus jedem das größtmögliche Potential herauszukitzeln, so dass alle den größten Beitrag für sich und für die Gruppe leisten können. Dies ist es auch, was es den Mönchen im Shaolin-Kloster erlaubt, so unglaubliche Fähigkeien zu entwickeln. Die Meister wissen genau, was welcher Schüler zu welcher Zeit braucht um den größtmöglichen Lernerfolg zu erzielen. Und die Schüler vertrauen ihren Meistern zu 100% so dass sie sich vollkommen auf jede Übung einlassen können. Würde sich ein Schüler gegen seinen Meister sperren und ihm mit Misstrauen begegnen, würde er sich dadurch selbst in einer Lernentwicklung blockieren. Das Problem bei uns in der Gesellschaft ist nur, dass wir zwar noch immer das alte System der Rangordnung nutzen, dabei aber keine Verbindung zu unserer Intuition mehr haben und daher auch nicht mehr im Sinne der Gemeinschaft und des Einzelnen handeln können. Ein Ältester in einem Naturklan weiß von der ersten Minute an, was der Lebensweg eines Neugeborenen ist, was seine Talente sind und wie er gefordert und gefördert werden muss, damit er zur vollen Entfaltung kommt. Er kann dem Kind also stets die Aufgaben stellen, die er benötigt, so dass das Kind weiß, dass es dem Mentor vollkommen vertrauen kann. Wir hingegen haben in der Regel nicht einmal eine Idee davon, dass es so etwas wie eine Lebensaufgabe überhaupt geben könnte. Wir befehlen also irgendetwas und pfuschen am anderen herum, wie es uns gerade passt. Da wir selbst voller Unsicherheiten sind haben wir ständig Angst davor, dass wir unsere Führungsposition verlieren könnten und so erziehen wir den anderen nicht zum größtmöglichen Potential sondern dahin, dass er unsere eigene Machtposition festigt. Das gleiche System, das auf der einen Seite zu Freiheit und Entwicklung führt, wird nun also zu einer Pyramide der Unterdrückung und Einschränkung. Und genau da liegt der Knackpunkt.

Solange ich meiner Mutter als Puppenspielerin folge, bleibe ich im System der Unterdrückung gefangen. Um mich daraus befreien zu können, muss ich also den Schritt wagen, mich auf einen neuen Puppenspieler einzulassen und mir selbst zu vertrauen, dass ich in einem System voller Unterdrücker einen der wenigen erwähle, der keiner ist. Das witzige an der Sache ist eigentlich, dass die Entscheidung in meinem Fall extrem leicht sein müsste. Eine fremdbestimmte Marionette bin ich ohnehin schon, also selbst wenn ich mich falsch entscheide, passiert nichts anderes, als das ich da lande, wo ich bereits bin, nur vielleicht mit einer etwas anderen Färbung. Gleichzeitig habe ich Heiko als Freund und Mentor bereits über viele Jahre hinweg kennengelernt und weiß, dass er sowohl mir als auch Heidi gegenüber zu 100% ein zuverlässiger und vertrauenswürdiger Mentor ist. Wir haben uns vor nun bereits 3 Jahren gemeinsam auf einen Heilungsweg und bereits seit mehr als 6 Jahren sind wir nun gemeinsam dabei, uns Stück für Stück unserem wahren Sein zu nähern. Das einzige, was mich bislang von Lernen abgehalten hat war, dass ich mich innerlich dagegen Gesträubt habe, ihn wirklich als Mentor anzunehmen und damit meine alten Marionettenfäden zu meiner Mutter hin loszulassen. Somit wurde ich nach jedem Fortschritt immer wieder in die alte Position zurückgerissen, da ich ja stets auch ihre treue, gefühlsleere und unveränderliche Puppe bleiben musste. Nun ist es an der Zeit, wirklich loszulassen und mich ins Vertrauen fallen zu lassen. Nicht einfach blind und unüberlegt zu sagen „Ja ich entscheide mich!“ sondern mir wirklich bewusst zu werden, was diese Entscheidung bedeutet. Was gehört alles dazu, ein Teil einer Herde zu sein und einen Mentor anzunehmen?

Nicht anders ist es bei Heidi, die auf ihre Art einen ähnlichen Lebensweg als Marionette hinter sich hat. Die Entscheidung steht damit fest: Wir legen unser Amt als Sklaven unserer Eltern ab und mit ihm auch die Brandmale unserer Zugehörigkeit. Wir werden also gewissermaßen umetikettiert und treten nun bewusst und aus freien Stücken in unseren neuen Klan ein, in dem uns Heiko wieder auf unserem Weg leitet, bis unsere inneren Stimmen wieder stark genug sind, um die Führung selbst zu übernehmen. So wie wir durch unsere Mütter und Väter zuvor das Mann-Sein, bzw. Frau-Sein aufgegeben haben, nehmen wir es nun zeitgleich mit dem Wechsel zum neuen, liebenden Herren an, der nun eine Art Häuptling unserer kleinen Herde ist. Als solcher trifft er keine Entscheidungen aus einem Macht- oder Herrschverlangen heraus, sondern aus seiner Intuition. Er ist der Führer, weil es ihm am leichtesten fällt, seiner Herzensstimme zu folgen und so weise und zielführende Entscheidungen zu treffen. Die Ketten und Fesseln zu unseren Eltern lassen wir vollkommen los. Das sie uns als ein Teil des Gottbewusstseins zunächst in die Verwirrung geführt haben war gut und wichtig, denn nur deshalb können wir nun die Liebe ausdehnen, indem wir zu unserem Lebensweg zurückkehren. Durch sie, sind wir aus dem sicheren Hafen des Gottbewusstseins mitten in der Tiefsee gelandet, wo das Abenteuer der Wegfindung am Größten ist. Nun aber ist es an der Zeit, mit einem neuen Steuermann wieder auf das Ufer unseres Lebensweges zuzusteuern. Indem wir uns Vertrauensvoll in die Führung durch Heiko fallen lassen, können wir nun mit Leichtigkeit und Freude wachsen und täglich neue Schritte zu unserem Gottbewusstsein gehen. Heiko ist dabei nicht der Hauptheiler, sondern viel mehr der Ritualleiter, also derjenige, der den Überblick behält und dafür sorgt, dass stets alles in den rechten Bahnen läuft, so dass das Erschaffungs- und Wachstumspotential am Größten ist.

Er ist ein bisschen wie der Capt´n der Enterprise oder der Chef vom A-Team, der dafür sorgt, dass alle an einem Strang ziehen und stets über sich hinauswachsen. Solange wir die Marionetten unserer Eltern sind, können wir nicht heilen und nicht hilfreich sein, da wir uns klein uns unbedeutend fühlen und da wir keine eigene Entscheidungskraft haben. Wählen wir jedoch bewusst den richtigen Marionettenspieler, kann er die Schnüre so ziehen, dass wir automatisch heilend und hilfreich sind. Wir können darauf vertrauen, dass Gott, also das Einsbewusstsein durch uns handelt und dass wir daher stets das tun was gerade benötigt wird. Dabei trifft er die Entscheidungen in all jenen Bereichen, in denen bei uns die Verwirrung durch den fehlenden Kontakt zu unseren Herzensstimmen am größten ist. Noch immer spüre ich die große Angst vor der Entscheidung und mir wird immer mehr bewusst, wie sehr ich noch an den alten Fäden festhalte. Doch zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich es schaffen kann, loszulassen und damit echte Schritte nach vorne zu gehen. Die nächste Zeit wird also eine Zeit des Umbruchs werden. Eine knappe Stunde wanderten wir nun noch durch das kalte Hügelland. Dann kamen wir an einen Sportplatz, an dem gerade eine Weihnachtsfeier stattfand. Zu unserem Glück trafen wir hier auch auf eine junge Frau, die den Bürgermeister kannte und die bereit war, ihn anzurufen. Kurze Zeit später stand er bei der Feiergemeinde und war froh, bei dieser Gelegenheit gleich noch ein Bier ergattern zu können. Er führte ein paar Telefonate und kurz darauf hatten wir einen Schlafplatz in einer privaten Pilgerherberge. Einziger Haken: Bis zur Herberge waren es noch gut 4km steil den Berg hinauf. Für den Bürgermeister und seinen Gehilfen war klar, dass diese Strecke nur mit dem Auto überwindbar war. Es wurden zwei Hochdachkombis bereitgestellt und man begann, sich an das Verstauen unserer Wagen zu machen. Heiko und ich waren von Anfang an der Überzeugung, dass dies keinen Erfolg haben würde und dass wir die paar Kilometer einfach gehen sollten. Doch die beiden waren nicht zu stoppen. Erst als der Assistent kurz davor war, die Kofferraumtür zuzuschlagen, obwohl mein Wagen eindeutig nicht ins Innere seines Fahrzeuges passte, war bei mir das Maß überschritten und ich stoppte die Aktion so energisch, dass die beiden Männer es akzeptierten. Wenige Minuten zuvor hatten wir noch darüber gesprochen und nun war es bereits soweit, dass ich es schon am eigenen Leib erfahren durfte. Wie weit lässt du Dinge geschehen, auch wenn sie dich zerstören, bevor du eingreifst? Jetzt konnte ich es testen. Und zumindest in diesem kleinen Bereich hatte ich die Prüfung bestanden.

Spruch des Tages: Es ist an der Zeit, die alten Marionettenschnüre zu durchtrennen!

Höhenmeter: 30 m Tagesetappe: 15 km Gesamtstrecke: 19.836,27 km Wetter: Nebel bis zum Nachmittag, dann überwiegend bewölkt bei 3°C. Etappenziel: Privates Gästezimmer, 38260 Nantoin, Frankreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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