Von hüpfenden Brüsten und kuschelnden Nonnen
06.-07.12.
Der Nikolaustag war unser vorerst letzter Tag in Deutschland, bevor wir die Grenze nach Belgien überquerten. Es gibt eigentlich nicht viel darüber zu berichten, abgesehen von einer Kleinigkeit am Morgen vielleicht, die uns gleichermaßen faszinierte und irritierte.
Da Nikolaus war, fühlte sich rund die Hälfte der Weltbevölkerung dazu berufen, seine Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen, dass heute ein besonderer Tag ist, indem sie lustige oder festliche Videos per Facebook verschickte. Auch wir bekamen einige davon, doch unter allen fiel uns besonders eines auf. Es zeigte eine junge, recht attraktive Frau im Bikini, die ihre Brüste mithilfe ihrer Brustmuskulatur im Takt von Jingle-Bells tanzen ließ. Viele von euch werden das Video kennen, denn wurde innerhalb der ersten Minuten nach seiner Veröffentlichung über eine Million Mal geteilt. (Nicht nur angeschaut, sondern wirklich auch geteilt) auffällig waren dabei vor allem zwei Punkte:
- Die äußerst ernüchternde Aussage über die zweifelsfrei primitive Natur der Menschen, die dieses Video belegte. Man konnte YouTube ja durchaus für viele Dinge nutzen. Zum Beispiel, um in einer kurzen, klaren Erklärung die wichtigsten Kernessenzen für Heilung zu offenbaren und damit jedem die Möglichkeit an die Hand zu geben, in vollkommener Gesundheit zu leben. Der Witz war nur, dass man niemanden damit hinter dem Ofen hervorlocken konnte. Ein solches Video, und wäre es noch so hilfreich, hätte alle Mühen, auch nur 100 Mal angesehen zu werden. Zeigte man hingegen ein paar hüpfende Titten, war die ganze Welt innerhalb von Sekunden dabei und wollte sie sich anschauen. Ist das nicht absurd?
- Der ebenfalls etwas ernüchternde Umstand, dass wir zugeben mussten, dass wir das Video durchaus auch lustig fanden und dass wir uns dabei ertappten, wie wir es ebenfalls gleich einmal an eine ganze Reihe von Leuten posteten.
Am 7.12. erreichten wir dann die belgische Stadt Sankt Vith. Der Winter war hereingebrochen und es hatte sogar schon leicht zu schneien begonnen. Umso mehr freuten wir uns, als wir gleich auf Anhieb je eine Portion heiße Pommes zum Aufwärmen bekamen. Wenig später wurden wir dann von einem Nonnenkloster eingeladen, das uns der Pfarrer der Stadt empfohlen hatte. Die Nonnen hatten gerade einen Seminartag und als wir an der Tür klingelten, öffnete zunächst nur die Reinigungskraft.
„Ich fürchte, ich kann die Mutter Oberin gerade nicht stören!“, sagte sie entschuldigend auf unsere Frage hin, „sie befindet sich gerade mitten in einem Seminar!“
Normalerweise hätten wir dies natürlich respektiert, aber aufgrund der Kälte konnten wir nicht vor der Tür warten und so baten wir darum, sie wenigstens einmal kurz um eine Tendenz zu bitten. Es dauerte keine drei Minuten, da tauchte die Mutter Oberin in der Tür auf und rief: „Hier braucht jemand Hilfe? Was kann ich für euch tun? Wollt ihr hereinkommen? Ja kommt erst einmal rein und ich mache euch einen Tee.
„Soll ich das übernehmen, Schwester?“, fragte die Haushälterin, „Sie verpassen sonst ihr Seminar!“
„Nein, nein!“, erwiderte die alte Frau fast ein bisschen zu energisch. „Gäste wollen versorgt werden! Ich komme noch früh genug wieder zurück zum Seminar!“
Die Mutter Oberin wies uns einen Raum mit gemütlichen Sesseln und einem kleinen Tisch zu und verschwand in der Küche, um kurz darauf mit heißem Tee und Gebäck zurückzukehren.
„Jetzt erzählt erst mal!“, sagte sie und machte es sich in einem Sessel bequem. Für die nächsten eineinhalb Stunden musste das Seminar nun ohne sie auskommen. Später beim gemeinsamen Abendessen mit den Schwestern erfuhren wir, dass es diese Art der Seminartage jedes Jahr gab und dass sie jedes Jahr vom gleichen Pfarrer durchgeführt wurde, der bis auf den letzten Wortlaut auch immer wieder genau das Gleiche sagte. Als die Mutter Oberin daher den Aufruf der Haushälterin vernahm, war es, als wären nun endlich ihre Gebete erhört worden. Unvermittelt zog sie damit den Neid der anderen Nonnen auf sich, die nur zu gerne ebenfalls eine Ablenkung bekommen hätten.
„So!“, erklärte die Mutter nun ihren Mitschwestern und wandte sich dabei zugleich an uns:
„Die beiden sind nun seit 4 Jahren unterwegs und das als zwei Familienväter. Wie macht ihr das eigentlich?“
„Nein, nein!“ korrigierte ich, „wir haben keine Familien. Heiko hat eine Freundin, ist aber kinderlos und zieht als Heiler um die Welt. Ich lebe als Mönch!“
„Ach so!“, sagte die Nonne und man sah, ihre zuvor verwirrten Gesichtszüge hellten sich auf. „Stimmt, deswegen trägst du wohl auch eine Robe! Ich habe mich schon gewundert, warum sie so etwas anhaben. Aber ja, jetzt erinnere ich mich! In Klöstern trägt man so etwas, deswegen habe ich ja auch eine an!“
Allein für diesen Satz hätte man sie schon knuddeln können. Aber auch die anderen Nonnen waren auf ihre Art äußerst liebenswerte und niedliche Personen. Einige von ihnen stammten aus Indien und waren offenbar nicht ganz freiwillig Nonnen geworden. Zumindest was den körperlichen Kontakt zu Männern anbelangte schienen sie äußerst interessiert zu sein und sie freuten sich wie kleine Teenagerinnen, als sie während des Gruppenfotos die Gelegenheit bekamen, sich ein bisschen an uns heranzukuscheln.
Während des Abendessens entwickelte sich unser Gespräch dann aber noch einmal in eine viel tiefere Richtung und wir kamen auf essenzielle Glaubensfragen zu sprechen, bei denen Heiko und ich unsere Ansichten erläuterten. Viele der Fragen, die sie uns stellten hatten sie offenbar auch während des Seminars gestellt, doch nun erhielten sie zum ersten Mal neue und inspirierende Antworten darauf.
„Waow!“, sagte eine der jüngeren Nonnen aus Indien, er hätte gedacht, dass wir heute am Ende doch noch einen spannenden Seminartag erleben würden, nur auf eine ganz andere Weise als erwartet?“
Spruch des Tages: Oft erfüllen sich unsere Wünsche auf völlig andere Weise, als wir es erwarten.
Höhenmeter 73 m / 65 m / 40 m / 39 m
Tagesetappe: 15 km / 19 km / 14 km / 16 km
Gesamtstrecke: 28.568,27 km
Wetter: Sonnig und teilweise sogar warm
Etappenziel Tag 1524: Gebäude der Friedhofsverwaltung, Harplinge, Schweden
Etappenziel Tag 1525: Gemeindehaus der Kirche, Slöinge, Schweden
Etappenziel Tag 1526: Private Gästezimmer, Falkenberg, Schweden
Etappenziel Tag 1527: Gemeindehaus der Kirche, Morup, Schweden