Micro-Needling

von Heiko Gärtner
05.12.2014 19:01 Uhr

Gott wie habe ich dieses Gefühl vermisst! Unser letzter Saunabesuch ist nun schon so lange her, dass ich fast vergessen habe, was so eine Sauna überhaupt ist. Doch kaum saßen wir in dem heißen Raum aus Holz, kamen die ganzen alten Erinnerungen wieder auf. Unsere Zeit im Fitnessstudio Zeitlos in Neumarkt, dessen Sauna unsere Kraft- und Entspannungsoase unter all dem Reisevorbereitungs-Stress war. Unsere Zeit in der Türkei, wo wir uns in der Sauna entspannten um anschließend wieder inspiriert ans Schreiben von unserem Buch zu gehen. Und natürlich die Zein in Ungarn wo wir von den Weltmeistern im Saunaaufgießen lernen durften! Heiko ließe es sich auch diesmal nicht nehmen und schwang das riesige Handtuch in der kleinen Sauna umher, um die heiße Luft gut zu verteilen. So entspannt haben wir uns schon lange nicht mehr. Nach gut zwei Stunden kehrten wir dann auf unser Zimmer zurück und fuhren dort mit unserem heutigen Beauty-Programm fort. Der zweite Teil war jedoch nicht ganz so entspannend wie der erste.

Vor einiger Zeit sind wir auf eine neue Therapiemethode zur Heilung der Haut gestoßen, die auf den ersten Blick sonderbar klingt, mit der man aber große Erfolge erzielen kann. Die Methode heißt Micro-Needling, wird aber in der medizinischen Literatur auch Collagen-Induktions-Therapie (CIT) oder Perkutane-Collagen-Therapie (PCI) genannt und ist ebenfalls unter dem Namen Derma Akupunktur bekannt.

Entwickelt wurde die Methode in Indien, doch inzwischen hat sie es als neue Schönheitsrevolution bis nach Hollywood geschafft, wo all die schönen Stars und Sternchen gar nicht genug davon bekommen können, sich kleine Nadeln in die Haut zu rammen.

Das Prinzip ist einfach und funktioniert genauso, wie das Training von Shaolin-Mönchen, die sich auf das Zerschlagen von Brettern vorbereiten.

Durch das regelmäßige Training fügen sich die Mönche selbst sogenannte Mikroverletzungen zu. Das sind kleine Wunden, die nicht weiter ins Gewicht fallen, die vom Körper jedoch als Irritation wahrgenommen werden. Der Körper bekommt also den Impuls, hier heilend aktiv zu werden und somit werden die Regenerationskräfte angeregt. Im Falle der Mönche entstehen mikroskopisch feine Risse in den Knochen, die der Körper selbst wieder heilt und dabei die Knochenmasse ständig härter werden lässt, so dass man irgendwann in der Lage ist, selbst Steine oder dicke Bretter damit zu zerschlagen. Ein ähnliches Prinzip findet man auch beim Gitarre-Spielen. Wenn man mit dem Proben beginnt, dann hat man bereits nach kurzer Zeit schmerzhafte Druckstellen an den Fingern die die Saiten greifen. Mit zunehmendem Training wird die Haut an den Fingerspitzen jedoch immer dicker und unempfindlicher gegen den Saitendruck, so dass man schließlich stundenlang spielen kann, ohne dass einem die Finger schmerzen. Auch hier kommt es zu feinen Verletzungen in der Fingerhaut, die den Körper zur Selbstheilung und zur Stärkung in diesem Bereich anregen.

Nichts anderes passiert beim Mircro-Needling. Hierbei fügt man der Haut mit der Hilfe von kleinen, feinen Nadeln winzige Verletzungen zu, die sofort wieder ausheilen. Dadurch passieren gleichzeitig mehrere Dinge. Zum einen werden die Reparationsvorgänge in der Haut provoziert und der Körper beginnt Botenstoffe für das Hautwachstum, sowie Hormone zum Aufbau von Gewebe auszuschütten. Dazu gehören unter anderem körpereigenes Kollagen, Elastin sowie Hyaluronsäure, die für die Elastizität und Festigkeit des Bindegewebes zuständig sind. Es werden neue sogenannte Collagenfasern ausgebildet, die die Haut straff, flexibel und stabil machen. Dadurch wirkt die Haut bereits nach der ersten Anwendung jünger, glatter, frischer und fester. Wiederholt man den Prozess regelmäßig, wird die Haut dadurch insgesamt elastischer, straffer und dicker. Dies ist vor allem dann praktisch, wenn man mit dem Micro-Needling Hautfalten, schlaffe Haut, Zellulite und ähnliches behandeln will. Das geschwächte Bindegewebe wird so wieder gestärkt und aufgebaut.

Dieser Effekt ist auch bei der Behandlung von Schwangerschaftsstreifen äußerst nützlich. Nach den offiziellen Statistiken leiden in Deutschland 90% aller Schwangeren oder jungen Müttern an Dehnungsstreifen, die durch ein zu schwaches Bindegewebe entstehen. Diese Bindegewebsschwäche haben jedoch nicht nur schwangere Frauen, sondern auch viele andere Menschen und so können die gleichen Dehnungsstreifen auch bei großen Gewichtsschwankungen mit anderen Ursachen entstehen. Bierbäuche oder allgemeine Fettleibigkeit zum Beispiel. Durch die Überdehnung reißt die Interhaut und die Blutgefäße leuchten durch, so dass die Streifen zunächst rötlich schimmern. Im Laufe der Zeit verblassen sie zwar meist, hinterlassen dann aber silbrige Narben.

Durch das Micro-Needling wird die Haut noch einmal runderneuert. Es ist ähnlich wie in unseren Haushalten. Stellt euch vor, ihr habt eine Unebenheit unter eurer Wohnzimmertapete, die euch seit Jahren auf den Keks geht, jedes mal, wenn euer Blick darauf fällt. Solange die Tapete darüber schön ist, wird diese Unebenheit jedoch so bleiben. Erst wenn ihr eh renovieren müsst, weil beispielsweise jemand lauter kleine Löcher in die Tapete gemacht hat, dann werdet ihr die Wand darunter wahrscheinlich gleich mitglätten. Das gleiche macht auch unsere Haut. Durch den angeregten Regenerierungsprozess werden die Unterhautschichten gestärkt und das Bindegewebe wird regeneriert. So können nicht nur Dehnungsstreifen sondern auch Orangenhaut und Zellulite erfolgreich behandelt werden. Gleichzeitig werden in den oberen Hautschichten große Poren, Hautunreinheiten und Narbengewebe aufgelöst und normalisiert.

Dies ist besonders bei Narbengewebe hilfreich wie es durch die Dehnungsrisse aber auch durch Verbrennungen, Operationen, Verletzungen, Akne oder andere Ursachen entsteht. Narbengewebe ist eine Art Ersatzgewebe der Haut, das schlecht durchblutet wird und oft entweder verhärtet oder zu weich ist. Durch die Stimulation mit den Nadeln wird die Durchblutung in diesem Bereich angeregt und mit den neuen Kollaganfasern bildet der Körper wieder gesunde Gewebezellen aus. Die Narben werden so gelockert, neu formiert und in vielen Fällen verschwinden sie schließlich ganz.

Gleichzeitig werden durch die Mikro-Verletzungen in den oberen Hautschichten die blockierten Ausgänge der Talkdrüsen geöffnet, so dass die Haut eingelagerte Gift- und Abfallstoffe leichter abtransportieren kann. Auf diese Weise kann man Mitessern und Pickeln vorbeugen und die Zahl der vorhandenen Mitesser reduzieren. Auch nach einer Aknebehandlung kann es eingesetzt werden, um die Haut bei der schnelleren Heilung und bei der Rückbildung der übergroßen Poren zu unterstützen. Nur direkt auf stellen mit dicken Eiterpickeln sollte man nicht direkt mit den Micro-Nadeln einwirken. Hier ist es besser, abzuwarten bis die Pickel abgeklungen sind und dann mit der Behandlung zu beginnen.

Die Öffnung der Hautporen und die Anregung der Durchblutung regt außerdem das Haarwachstum wieder an. Damit kann Micro-Needling auch sehr erfolgreich bei zunehmendem Haarausfall und bei verschwinden der Haarpracht angewendet werden. Ob es auch beim Bartwachstum hilft, werde ich in den kommenden Wochen wohl noch herausfinden müssen.

Die durchblutungsfördernde Wirkung der kleinen Nadelstiche führt zudem dazu, dass Besenreißer abgebaut werden können.

Ein weiterer Effekt, den das Micro-Needling hat, ist die Normalisierung der Melaninproduktion, wodurch die Pigmentierung ausbalanciert wird. Das bedeutet, dass man die Therapie auch bei Pigmentstörungen wie Über- oder Unterpigmentierung anwenden kann.

Wie genau wendet man das Micro-Needling an?

Um nicht mit einer Nähnadel immer wieder in den Körper pieksen zu müssen, haben schlaue Dermatologen passende Instrumente erfunden, die einem die Arbeit erleichtern. Es gibt sowohl Roller als auch Stempel, die jeweils dicht an dicht mit winzigen Nadeln versehen sind. Dabei werden jeweils mehrere Dutzend feine Nadeln pro Quadratzentimeter in die Haut eingebracht. Die Nadeln haben je nachdem, wie intensif und wie tiefenwirksam man die Behandlung haben möchte, eine Länge zwischen 0,25mm und 3mm. Kurze Nadeln eignen sich dabei vor allem für die Behandlung von kleinen Knitterfältchen im Gesicht, um den Mund und um die Augen herum. Um auch das Bindegewebe und die Unterhautschichten zu stimulieren braucht man längere Nadeln.

Als Micro-Needling-Therapie kann man die Anwendung bei einem Dermatologen machen lassen. Dabei wird die Haut meist mit einer Salbe leicht betäubt, damit die Nadelstiche nicht so schmerzen. Die Creme wird 60 Minuten vor der Behandlung aufgetragen, dann wird die Haut desinfiziert und schließlich mit der kleinen Nadelwalze unter Druck berollt. Bei kurzen Nadeln passiert nichts weiter. Bei Nadeln ab 1mm Länge kann es dabei zu kleinen Kapilarblutungen kommen, die jedoch innerhalb von wenigen Minuten wieder abklingen und in der Praxis meist mit einer Kochsalzlösung abgetupft werden.

Oftmals wird die Behandlung dabei mit Hautkuren kombiniert, da die Haut durch die feinen Einstiche direkt nach dem Needling 1200 mal so aufnahmefähig ist wie normal. Hier sollte man aber genau darauf achten, dass man sich keine chemischen Pflegeprodukte aufschwatzen lässt, da die darin enthaltenen Giftstoffe nun ebenfalls 120mal besser in den Körper gelangen. Achtet also gut darauf, dass dass keine Duftstoffe, Zusatzstoffe, Mineralöle, Emulgatoren, Konservierungsstoffe, Farbstoffe und ähnliches enthalten sind. Sinnvoll können Hautkuren mit Fruchtsäuren, Aloe-Vera und anderen natürlichen Produkten sein.

Beim Dermatologen wird das Micro-Needling in der Regel Mehrmals im abstand von 14 Tagen wiederholt und das für die Dauer von rund einem Jahr.

Da die Behandlung jedoch sehr einfach und gleichzeitig nicht ganz billig ist, bietet es sich an, sie einfach selbst zu hause durchzuführen. Dabei hat man zudem den Vorteil, dass man es in größerer Regelmäßigkeit durchführen kann. Denn empfehlenswert ist eine Behandlungshäufigkeit von 3-4mal die Woche, wenn man wirklich langfristige Erfolge und nicht nur kurzzeitige Verbesserungen erzielen will.

Für eine Behandlung zu hause kann man sich einen Micro-Needling-Roller oder –Stempel einfach selbst im Internet oder bei einem Dermatologen besorgen. Vor der Behandlung sollte man ihn ebenfalls kurz desinfizieren. Falls man ihn nicht nur für sich sondern gemeinsam mit einem Partner, einem Freund oder in der Familie genutzt, sollte man gut darauf achten, dass er nach jeder Behandlung gründlich gewaschen und mit Alkohol desinfiziert wird. Andernfalls besteht die Gefahr, dass man sich körperfremdes Eiweiß in die Haut einbringt, was zu Entzündungen führen kann.

Da die Haut nach der Behandlung zunächst deutlich sensibler ist, sollte man die Therapie im Herbst oder im Winter beginnen und nach den Behandlungen direktes Sonnenlicht vermeiden. Oft wird empfohlen, dass man Sonnencreme auftragen soll um die Haut zu schützen, doch in Anbetracht der vielen Gifte in der Creme halten wir das für keine gute Idee. Gegen natürliches Sonnenöl ist natürlich nichts einzuwenden.

Bei kleinen Nadeln verläuft die Therapie weitgehend schmerzfrei. Bei längeren kann es hingegen ganz ordentlich weh tun. Wir haben uns bei unserem ersten Versuch gleich einmal für die Maximallänge von 3mm entschieden. Frei nach dem Motto: „Viel hilft viel!“ Ob wir das unbedingt empfehlen können, kann ich noch nicht sagen. Die Beschreibung: „Das Microneedling ist weitgehend Schmerzfrei“ trifft bei dieser Nadellänge auf jeden fall nicht mehr zu. Heiko hätte mir fast ins Gesicht getreten, als ich sein Knie behandelt habe und ich musste mich wirklich zusammenreißen um nicht laut aufzuschreien, als es an meine Kniekehlen ging. Anschließend war die Haut ordentlich gerötet und auch heute ist sie an einigen Stellen noch etwas gereizt. Laut Beschreibung sind die Einstiche nach 1-2 Tagen nicht mehr sichtbar und so wie es aussieht können wir das unterschreiben.

Welche Nebenwirkungen hat das Micro-Needling?

Die Behandlung ist einfach, unkompliziert und birgt keine wirklichen Risiken. Bei Nadeln ab einem Millimeter Länge kommt es zu leichten Blutungen, die aber selbst wieder abklingen und dann mit einem feuchten Tuch abgewischt werden können. Nur wenn man Bluter ist, muss man da natürlich vorsichtig sein. Bei dunkel pigmentierten Menschen kann es in seltenen Fällen durch die Einstiche zu einer Überpigmentierung in dem entsprechenden Bereich kommen, die man mit einer Bleichcreme wieder weg bekommt. Wer dazu neigt, überschnell Narben zu bekommen, (sogenannte Keloiden) sollte ebenfalls etwas vorsichtig sein und nur mit den ganz feinen und kurzen Nadeln arbeiten, da sonst die Stiche bei ihm weitere Narben erzeugen könnten. Die Schutzfunktion der Haut wird durch das Micro-Needling nicht beeinträchtigt, da sich die Haut bereits nach wenigen Minuten wieder verschließt. Bis zu 24 Stunden kann es zu Rötungen kommen, was im Gesicht dann recht lustig aussieht. Wenn man die Therapie mit einer Frustsäurebehandlung kombiniert, kann es auch sein, dass die Rötung bis zu einer Woche anhält. In sehr, sehr seltenen Fällen kam es zu bleibenden Sensibilitätsstörungen, zu langanhaltenden Schmerzen oder zu Heilungsstörungen. Wer jedoch bisher keine bleibenden Schäden davon getragen hat, wenn er sich mit einer Nadel gestochen hat, braucht sich hierbei zunächst keine Sorgen zu machen.

Micro-Needling und Mesotherapie

Bei unseren Recherchen sind wir zusätzlich noch auf ein anderes Anwendungsgebiet von Micro-Needling gestoßen. Dies ist die sogenannte Mesotherapie. Dabei werden verschiedene Wirkstoffe auf die Haut aufgetragen, die sie bei der Regeneration unterstützen sollen. Anschließend werden sie mit dem Nadelroller direkt in die Haut mit eingebracht. Diese Therapie wird vor allem im Gesicht, am Hals und am Dekolleté angewendet. Man verwendet dabei hauptsächlich Vitamincocktails und Hyaluronsäure, die die Haut verjüngen und ihre Regeneration fördern. Durch die Nadeln werden die Stoffe dann direkt in die Dermis der Haut transportiert, wo sie deutlich schneller und effektiver wirken können, als wenn sie einfach nur oberflächlich aufgetragen werden.

Soweit zunächst das, was wir über das Micro-Needling bislang in Erfahrung bringen konnten. Unser eigener erster Versuch war jedenfalls schon recht positiv. Vor allem derjenige, der den Therapeuten spielte hatte seinen Spaß. Wer keinen Partner hat, der die Therapie durchführen kann, der sollte zunächst mit kürzeren Nadeln beginnen, da man die langen bei sich selbst kaum anwenden kann. Dafür ist die eigene Schmerzabwehr zu hoch. Auf den Bildern könnt ihr sehen, dass es bei mir ganz schön ordentlich geblutet hat, doch nach wenigen Minuten war es wieder gut und die Haut fühlte sich hinterher deutlich glatter und weicher an. Ich bin gespannt, was es langfristig für einen Effekt hat.

Spruch des Tages: Piksen für einen guten Zweck.

 

Höhenmeter: 20 m

Tagesetappe: 7 km

Gesamtstrecke: 6319,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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