Moderne Schulen – Sicherheit oder Entmündigung
Seit wir selbst die Schulbank gedrückt haben ist nun bereits eine ganze Weile her. Dass sich seitdem offenbar verändert hat, war uns bewusst. Wie arg diese Veränderungen sind, durften wir jedoch heute einmal aus nächster Nähe betrachten. Eine Erfahrung, bei der uns ein wenig die Spucke wegblieb, da wir kaum mehr fassen konnten, was wir sahen. Inwiefern einen die Schule früher aufs „echte Leben“ vorbereitet hat, darüber lässt sich sicher streiten.
Aber die moderne Schule von heute scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die Kinder in einer Art verantwortungsfreien Seifenblasenwelt großzuziehen um ihnen jede Möglichkeit der Selbstbestimmung und des Wachstums zu nehmen. So jedenfalls empfanden wir es. Ein anderer würde vielleicht sagen, dass man heute einfach deutlich bessere Sicherheitsvorkehrungen trifft, sodass unseren Kindern nichts passieren kann. Aber unsere Frage dabei ist, ist das wirklich sinnvoll? Sollte man ein Kind, das gerade laufen lernt, wirklich daran hindern, hin und wieder hinzufallen? Denn genau das ist es, was wir hier versuchen.
Hochsicherheitstrakt Grundschule
So ist das moderne Schulgebäude in jeder einzelnen Eigenschaft darauf ausgelegt, dass die Kinder auch nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr Acht geben müssen. Ich weiß noch genau, dass mir meine Eltern als kleines Kind immer wieder eingebläut haben, dass ich meine Finger nicht in den Spalt zwischen Tür und Türrahmen stecken darf, wenn mir etwas an ihnen liegt. Ein anschauliches Beispiel, was mit einem Strohhalm passiert, den man in der Tür einquetscht, reicht dabei normalerweise aus, um einem Kind deutlich zu machen, dass es hier die Finger weglassen möchte.
Heute ist dies nicht mehr nötig. Denn jede einzelne Tür unserer Grundschule hatte einen Schutzrahmen, der verhinderte, dass man mit den Fingern in die Tür geraten konnte. Diese Gefahr war also schon einmal gebannt. Tatsächlich hätten wir uns das auch eingehen lassen, wäre es nicht der Anfang einer schier unendlichen Palette an Vorsichtsmaßnahmen gewesen. Schließlich waren wir uns nicht mehr sicher, warum man die Kinder nicht einfach in große Kissenbezüge einnähte und intravenös ernährte, damit sie sich nicht verschlucken konnten.
In einer modernen Schule läuft alles automatisch
So gab es beispielsweise keine einzige Tür mehr, die sich nicht automatisch von selbst wieder verschloss, wenn man sie einmal geöffnet hatte. So etwas wie „Achte bitte darauf, dass du die Tür geschlossen hältst!“ war nun unnötig geworden. Weiter ging es im Bad, in dem es keine echten Spültaster mehr gab, sondern nur noch Bewegungsmelder, die einen automatischen Spülvorgang auslösten um kleine und große Geschäfte sicher zu entfernen. Dass Wasserhähne von selbst wieder ausgehen, ist ja seit langem keine Neuerung mehr. Auch nicht, dass man in Fluren und zum Teil in öffentlichen Toiletten Bewegungsmelder anbringt, sodass das Licht nicht unnötig brennt.
Dass es diese Bewegungsmelder aber auch in den Klassenräumen gibt, war uns dann schon neu! Man hatte zwar noch Lichtschalter und konnte diese auch noch betätigen, doch kam man auch vollkommen ohne aus. Wenn man einen Raum betrat, ohne den Schalter zu drücken, ging das Licht trotzdem an. Bewegte man sich zu lange nicht, ging es aus, ohne dass jemand den Schalter drückte. Ob dies für ein Klassenzimmer wirklich sinnvoll ist, in dem die Schüler ja eigentlich still sitzen und lesen oder schreiben sollen, ist tatsächlich eine Frage. Was würde man nur ohne die ADHSler und ihren Bewegungsdrang machen?
Es gibt nichts, das man nicht automatisieren könnte
Und noch immer waren wir nicht am Ende. Die Heizung stellte sich automatisch ein und aus, ohne dass man hierauf noch Zugriff gehabt hätte. Gleiches galt für die Rollos: Man konnte sie zwar rauf und runter fahren, doch wenn sie das Licht, dass durch die Fenster in einen Raum fiel, für zu hell empfanden, dunkelten sie automatisch ab. Ebenso fuhren sie wieder hoch, sobald es draußen dunkler wurde.
Aber auch das war noch nicht alles! Anstelle von Tafeln, auf die man mit Kreide schrieb und die man mit Schwamm und Wasser wieder reinigte, gab es nun „Digital White Boards“ die über den Computer gesteuert wurden. Antippen reichte aus, um Flächen auszumalen oder die ganze „Tafel“ wieder zu reinigen.
Macht es das wirklich sicherer?
Wie soll man in so einer Umgebung noch irgendetwas lernen? Abgesehen davon, dass es vollkommen egal ist, was man tut, da nichts eine Konsequenz mehr zu haben scheint. Nur wird dies ein böses Erwachen, wenn man eines Tages auf die Straße tritt und merkt, dass die Autos nicht automatisch ausweichen, wenn man unachtsam über die Fahrbahn läuft.
Weisheit des Tages: So viel Sicherheit ist ganz schön verunsichernd. Tagesetappe: 14 km Höhenmeter: 135 m Etappenziel: Grundschule, Sommepy-Tahure, Frankreich