Angst vor dem nächsten Schritt

von Heiko Gärtner
18.07.2017 22:38 Uhr

14.04.2017

Es gibt nun einen festen Termin für mein Ritual mit dem Branding. Oder einen relativ festen, denn die Dinge laufen hier sehr locker. Wir sollen am Dienstag oder Mittwoch irgendwann im Laufe des Tages in Worthing sein, trinken dann gemeinsam einen Tee und besprechen wie wir weiter vorgehen. Das Telefonat mit Quentin, dem Mann, der das Ritual durchführen wird, habe ich die letzten Tage immer wieder hinausgezögert. Natürlich waren es immer wieder gute Gründe, die einen Anruf verhindert haben, aber die Wahrheit ist, ich hatte Angst, es konkret zu machen. Heute Mittag haben wir bei einem Picknick noch einmal nachgetestet, wie sehr ich mich bereit fühle und wie sehr ich nun bereits davon überzeugt bin, mit dem Ritual wirklich den richtigen Schritt zu machen.

Mein Herz, meine Seele, mein Geist, mein Körper, meine Intuition, mein inneres Kind und mein höheres Selbst, sie alle stehen zu 100 % hinter der Entscheidung. Nur mein Verstand bricht etwas aus der Rolle. Obwohl hier ein vollkommenes Verständnis besteht, versucht er noch immer zu 99,9 % die Entscheidung abzuwenden. Ich spüre es auch deutlich. Vom Gefühl her weiß ich, dass es richtig ist, ich kann auch die Kraft spüren, die darin liegt, fühle den Medizinmann in mir, der durch diesen Schritt an die Oberfläche kommen will und wird und ich kann es als ein Geschenk annehmen. Aber die ganze Zeit über ist es, als säße mein Verstand in Form eines kleinen Mannes in meinem Kopf der wild mit den Armen wackelt und permanent „Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!“ schreit.

Kaum hatten wir darüber gesprochen, sorgte ich auch schon durch eine Fehlinterpretation meiner Karte dafür, dass wir irgendwo an einem ganz anderen Ende herauskamen, als wir eigentlich geplant hatten. So wanderten wir insgesamt noch einmal einen Umweg von rund acht oder neun Kilometer. Dabei kamen wir an einer Kirche vorbei, in der wir eine freundliche Dame trafen, die uns den Weg zurück in unsere Richtung zeigte. Sie war kurz davor zu fragen, ob wir hier nicht einen Schlafplatz bräuchten und von der Uhrzeit war es durchaus auch nicht verkehrt, bereits jetzt anzukommen. Doch als wir nach testeten war die Antwort eindeutig.

Wir sollten weiter wandern bis zu dem Ort, der für heute für uns angedacht worden war. Denn tatsächlich hatten wir bereits einen Schlafplatz sicher. Wie immer in der Kirche und wie immer sollten wir einfach hineingehen und es uns gemütlich machen, bis jemand kommen und nach uns schauen würde. Der Kirchenvorsitzende von St. Michael, der uns gestern in unserem Heim betreut hatte, war heute in der Früh noch einmal mit dem Auto hinter uns her gefahren, um uns mitzuteilen, dass er mit seiner Kollegin aus unserem Zielort gesprochen hatte, dass sie uns erwarte und sich auf unsere Ankunft freue.

Gestern Abend hatten wir übrigens noch eine weitere lustige Begegnung. Wie bereits am Vorabend gab es eine Chorprobe, die lustigerweise von genau der gleichen Frau geleitet wurde, wie der letzte. Sie kannte uns also schon und da der Chor so kurz vor Ostern eine Sondersitzung hatte, die weniger aus Singen und mehr aus Essen bestand, wurden wir zur Chor Verköstigung mit eingeladen. Es gab traditionelles „Fish and Chips“ von der Imbissbude. Dafür wurde im Mittelgang der Kirche ein Tisch aufgebaut, um den herum wir alle Platz nahmen. Dann saßen wir gemeinsam mit sechs älteren Damen vor dem Altar und aßen Fastfood mit Plastikgabeln direkt aus der Papiertüte. Man kann sagen, Kirche wird nicht überall gleich zelebriert.

Spruch des Tages: Aaaaaahhhhhhhhhhhh! (mein Verstand zum Thema rituelles Branding)

Höhenmeter: 350 m

Tagesetappe: 34 km

Gesamtstrecke: 22.084,27 km

Wetter: heiter bis wolkig und windig

Etappenziel: Kirche, Edburton, England

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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