Mystische Herbstwälder zum Genießen

von Heiko Gärtner
07.04.2018 01:46 Uhr

21.-23.10.2017

Seit drei Tagen befinden wir uns nun mitten im Herbst. Das Wetter ist deutlich kälter und nasser geworden und die Wälder haben nun ihre ganze orange-gelbe Pracht aufgesetzt. Mit der Gemütlichkeit ist es also erst einmal vorbei, aber dafür haben die Herbsttage ihren eigenen mystischen Charme. Es ist ein echtes Geschenk, gerade um diese Zeit durch ein so ausgedehntes Waldgebiet wandern zu dürfen. Einen Großteil der Strecke legen wir dabei auf holprigen Waldwegen zurück, die sind zwar nicht immer angenehm zum Wandern sind, geben einem dafür aber viel mehr das Gefühl, ein Teil des Waldes zu sein, als dies eine Straße je könnte. Wenn dann noch teilweise der Nebel zwischen den Bäumen hindurchzieht, irgendwo ein Käuzchen schreit und hin und wieder ein Reh oder ein Eichhörnchen zwischen den Bäumen umherspringt, dann fühlt man sich wirklich wie im Märchenland.

Auch unsere letzten Schlafplätze passten auf ihre eigene Art dazu. Vor drei Tagen erreichten wir ein kleines Dörfchen, in dem gerade ein Festival veranstaltet wurde. Überall im Ort waren kleine Stationen mit Verkaufsständen, Spielmöglichkeiten und Bastelangeboten für Kinder aufgebaut. Es gab sogar ein handbetriebenes Kettenkarussell. Der Bürgermeister stellte uns das ehemalige Feuerwehrhaus zur Verfügung, das nun nicht mehr war, als eine Abstellkammer, in der gelegentlich kleine Feste gefeiert wurden. Von den letzten Aktionen hier standen noch immer die halb vergammelten Lebensmittel herum, aber wenn man einmal für ein bisschen Ordnung gesorgt hatte, war der Platz gar nicht schlecht. Da es kein Internet gab, erlaubte uns der Bürgermeister zudem, sein Büro im Rathaus zu nutzen. Auch in der Nacht. Verglichen mit dem letzten, der uns nicht einmal einen w-LAN-Zugang geben wollte, also ein sehr vertrauensvoller Mensch.

Obwohl das Jahr dem Ende zugeht, treibt hier noch eine Walnuss aus.

Obwohl das Jahr dem Ende zugeht, treibt hier noch eine Walnuss aus.

Die nächste Übernachtung hatten wir in einem kleinen Hotel. Wie bereits beim letzten Hotelbesuch bot man uns auch hier zunächst ein Zimmer an, das direkt über der Küche lag und in dem permanent verschiedene Lüfter, Klimaanlagen und Kühlschränke dröhnten. Wir beschlossen daher noch einmal mit den Verantwortlichen zu sprechen und zu fragen, ob nicht ein Tausch möglich sei. Ein bisschen dreist kamen wir uns dabei schon vor, denn immerhin war es ja ein geschenktes Zimmer. Dennoch sahen wir keinen Grund, warum man sich einen Tag lang unwohl fühlen sollte, nur weil man etwas geschenkt bekam. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass es überhaupt kein Problem war, ein anderes Zimmer zu bekommen. Ich fand sogar noch einen Raum, in dem ich nachts in Ruhe arbeiten konnte, denn obwohl die Zimmer inzwischen ihre eigenen Badezimmer hatten, gar es noch immer eine Toilette auf dem Gang, die nicht mehr genutzt wurde.

Gestern schließlich wurden wir dann in ein altes Kloster eingeladen, dass sich einsam mitten im Wald befand. Auch hier stellten wir fest, dass man deutlich mehr bekommen konnte, wenn man nur danach fragte. So wäre das Abendessen eigentlich gemeinsam mit rund 100 Seminarteilnehmern und Klosterbesuchern in einem großen Speisesaal geplant gewesen. Eine kurze Erläuterung zu unserer Einstellung gegenüber Stille und großen Menschengruppen reichte aus, und wir durften unser Essen mit aufs Zimmer nehmen.

Spruch des Tages: Es ist viel mehr möglich als man glaubt! Man muss nur danach fragen.

Höhenmeter 20 m

Tagesetappe: 26 km

Gesamtstrecke: 27.036,27 km

Wetter: Regen, Wind und  Kälte

Etappenziel: Männerkloster, Roermond, Holland

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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