Partyurlaub in Italien

von Franz Bujor
24.07.2019 02:23 Uhr

Heute haben wir zum ersten Mal seit langem wieder in einem Hotel übernachtet. Es war tatsächlich ein Erlebnis der besonderen Art, was wir am Nachmittag bei unserer Ankunft nicht vermutet hätten. Genauer gesagt, war es unser erster echter Partyurlaub in Italien seit sehr langer Zeit. Wenngleich nicht ganz freiwillig.

Urlaub in Basilikata

Vor zwei Tagen haben wir die Südküste und damit das Bundesland Basilikata erreicht. Es ist laut Aussagen der Einheimischen das ärmste Bundesland Italiens und man kann sagen, dass sich diese Information durchaus mit unseren eigenen Beobachtungen deckt.

Viele Orte hier sind verlassen und regelrechte Geisterstädte. Andere sind voll von Migranten aus Afrika und anderen Ländern. Offiziell sind sie hier, um Asyl zu bekommen, doch es ist ein offenes Geheimnis, dass fast alle von ihnen als Arbeiter auf den Feldern eingesetzt werden.

Viele Gebäude in Italien wirken wie in einem Slum

Viele Gebäude in Italien wirken wie in einem Slum.

 

Auch die Natur ist nicht immer idyllisch

Vor zwei Tagen erreichten wir dann einen Ort namens Castellaneta Marina, der vollkommen anders aufgebaut war, als die italienischen Städte, die wir bisher kannten. Man hatte hier einmal nicht versucht, jedes bisschen Natur zu beseitigen und durch Beton zu ersetzen. Der Ort war eine Art Luxus-Urlaubsort für Reiche, die hier ein Zweithäuschen im Schatten der Fichtenwälder hatten. Das klingt erst einmal schön und idyllisch, doch leider haben auch ungefähr 5 Millionen Grillen, Zirpen und Zikaden von diesem schönen Platz, zum Wohnen in der Natur, Wind bekommen. Der Lärm, den sie verursachen, ist nahezu unerträglich. Und dennoch verhielten sich die Menschen, als wäre es das Paradies auf Erden. „Keine Angst!“, meinte der Pfarrer, das machen die nur im Sommer und auch nur von Sonnenaufgang bis -untergang! Danach geben sie Ruhe.

Der einzige Ort, an dem man es tagsüber hier wirklich aushalten konnte, war der Strand.

Dementsprechend froh waren wir am nächsten Tag, endlich weiter ziehen zu dürfen. Dummerweise gerieten wir dabei in einen Wald, in dem es nahezu nur Sandwege gab. Und natürlich weitere Millionen besagter Grillen.

Diese kleinen Insekten machen einen schier unerträglichen Lärm.

Diese kleinen Insekten machen einen schier unerträglichen Lärm.

 

Wandern an der Südküste Italiens

Zum Wandern ist der südliche Küstenbereich deutlich ungeeigneter als der nördliche, denn es gibt hier keine durchgängige Straße mehr, wenn man von der Autobahn absieht. Dies bedeutete, dass wir für eine Entfernung von knapp 10 km Luftlinie rund 25 km durch eine wüstenartige Steppe laufen mussten. Das „Hotel Meta“, das dann plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte, wirkte also wie unsere Rettung. Vor allem, als sich dann auch noch herausstellte, dass das Personal überaus freundlich war und wir vom Manager auf eine kostenlose Übernachtung eingeladen wurden.

Sonnenuntergang über dem Meer

Sonnenuntergang über dem Meer.

 

Besuch im Hotel Meta

Bei unserer Ankunft herrschte allerdings gerade Siesta, weshalb es in unserer Residenz still war, wie auf einem Friedhof. Nicht einmal der Pool wurde genutzt. Von Heiko und mir natürlich abgesehen.

Das Gesicht unseres ruhigen Schlaförtchen änderte sich jedoch völlig, als die Uhr 15:30 schlug. Von diesem Moment an herrschte Party-Time bis um 1:00 in der Nacht. Zu unserer Überraschung war damit jeder der Gäste einverstanden und man versammelte sich am Abend zur Animationsshow im Hotelgarten, wie zu einem Open-Air-Konzert. Alle Generationen waren vertreten und keiner ließ sich lumpen, für Spiele oder Mitmachaktionen auf die Bühne zu springen. Sogar ein alter Opa mit ca. 80 Jahren, der nichts weiter als ein rotes Hemd und eine weiße Feinripp Unterhose trug, tanzte, was das Zeug hielt.

So etwas hatten wir tatsächlich noch nie erlebt.

Unterschiedliche Arten von Gastfreundschaft

Heute hatten wir hingegen weniger Glück. Nach einer knappen, aber ausreichenden Wanderung kamen wir in einen jener Orte, die fast ausschließlich noch von Flüchtlingen/Feldarbeitern bewohnt wurden. In der Kirche trafen wir zwei junge Pfarrer, von denen einer aus der Ukraine stammte. Er erzählte uns, dass die gesamten Wohnblocks im hinteren Bereich des Ortes nur noch von Einwanderern bewohnt wurden und dass es dort weder Strom noch fließend Wasser gab. Und genau dies entpuppte sich später auch als ein Problem für uns. Denn der Raum, der uns als Pilgerherberge beschrieben wurde, erwies sich bei genauerer Betrachtung als Aufenthaltsraum für diese Flüchtlinge. Genau genommen war es der einzige Ort, an dem sie duschen und ihre Handys laden konnten. Bei rund dreitausend Personen könnt ihr euch also vorstellen, wie es dort zuging.

Die Idee der Pfarrer wäre also gewesen, diesen Raum für die Nacht zu sperren und uns zur Verfügung zu stellen. Doch dies kam für uns nicht in Frage und so brachen wir am Abend noch einmal von neuem auf, um 14 km weiter unser Glück zu versuchen. Dort sah die Sache ganz anders aus. Wir trafen auf einen Pfarrer, der uns direkt zu sich nach Hause einlud und dessen Tür auch für Flüchtlinge jederzeit offen stand, wenn diese beispielsweise zum Fernsehschauen vorbeikommen wollten. Er selbst verabschiedete sich jedoch kurz nach unserer Ankunft wieder, denn er hatte sich noch mit ein paar Freunden in der Stadt verabredet.

„Fühlt euch einfach wie zu Hause! Wir sehen uns dann morgen!“ meinte er nur.

 
Spruch des Tages: Gastfreundschaft hat viele Gesichter
  1. Etappe: 16 km, 175 Höhenmeter, Ziel: Franziskanerkloster, Castellaneta, Italien
  2. Etappe: 22 km, 265 Höhenmeter, Ziel: Pfarrheim, Castellaneta Marina, Italien
  3. Etappe: 20 km, 35 Höhenmeter, Ziel:  Hotel Meta, Metaponto, Italien
 
Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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