Tag 839: Polizeikontrolle

von Heiko Gärtner
17.04.2016 22:07 Uhr

04.04.2016

Ein dichter Nebel lag über dem Tal, ansonsten war es aber bereits am Morgen sonnig und warm. Hier in Griechenland scheint es temeraturtechnisch nur zwei Modi zu geben: Sonne an und Sonne aus. Entweder es ist scheinekalt oder es ist heiß. Langsam dürfen wir also wieder eine tiefere Hautfarbe annehmen, wenn wir nicht als geröstete Puter enden wollen. Eine sanfte Eingewöhnung ist uns hier wohl eher nicht vergönnt. Nach gur 12km Wanderung über Feldwege und mitten durch ein Flussbett erreichten wir die Stadt Grevena. Seit Igoumenitsa war es die größte Stadt, die wir in Griechenland besucht hatten. Nach italienischen Standart war die Stadt noch einigermaßen im Rahmen. Es war laut, die gebäude waren hässlich und heruntergekommen und es gab kein Konzept, an das man sich irgendwie halten konnte. Nichts also, was man nicht bereits gewöhnt war. Doch hier in Grichenland hatten wir nun schon so viele schöne, kleine Ortschaften gesehen, dass es uns gleich noch einmal unangenehmer vorkam. Nicht unspannend, auf keinen fall, aber eben auch nicht schön und nicht angenehm. Heiko schlug die Basis auf einem kleinen Spielplazt kurz vor dem Stadtzentrum auf und ich machte mich wie üblich auf die Suche nach dem Rathaus. Auf halber Strecke kam mir ein Mann mit einer schwarzen Robe und einer eigenartigen schwarzen Kopfbedeckung entgegen. Ich hatte noch nicht viele Menschen in derartigen Gewändern gesehen, aber genug um zweifelsfrei sagen zu können, dass es sich um einen orthodoxen Pfarrer handelte. Wenn er schon so frei auf mich zukam, dann war das doch einen Versuch wert, dachte ich und sprach ihn an. Die Freundlichkeit in der Person war er nicht gerade und er versuchte sich immer wieder aus dem Gespräch zu winden. Englisch und Deutsch sprach er nicht, also arbeitete ich mal wieder mit Händen, Füßen und meinem Spikzettel. Plötzlich tauchte ein Polizist neben mir auf. Der letzte Gesetzeshüter, den ich getroffen hatte, war ein äußerst hilfreicher und freundlicher Mann gewesen, also gab ich mich der Hoffnung hin, dass es bei diesem hier vielleicht genauso sein könnte. "Sprechen Sie Englisch?" fragte ich auf Griechisch.

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Der Mann nickte und bejate die Frage. "Super!" rief ich, könnten Sie dann für mich übersetzen? Ich habe eine Frage an den Pfarrer, aber er versteht mich nicht!" "Ok!" sagte der Polizist und ich begann sofort mit meiner Erklärung. Der Pfarrer, der sah, dass ich nun mit dem Polizisten sprach versuchte sich derweil heimlich aus dem Staub zu machen. "Nein, nein!" rief ich, "Sie müssen das dem Pfarrer sagen! Ihn brauche ich!" Der Polizist hielt den Pfarrer auf, sagte aber ansonsten keine Wort zu ihm und wandte sich wieder mir zu: "Ausweis bitte!" "Kein Problem!" antwortete ich, "aber erst müssen Sie für den Pfarrer übersetzen, denn sonst steht er hier rum uns langweilt sich." "Ausweis Bitte!" wiederholte der Polizist. Langsam kam ich ins Zweifeln, ob er mich überhaupt verstanden hatte. Noch einmal wiederholte ich meine Bitte und erklärte dem Beamten was ich wollte. Nun sprach er mit dem Pfarrer für einen moment auf Griechisch. Der Pfarrer wedelte mit den Händen herum und erklärte irgendetwas. "Hat er einen Platz für uns?" fragte ich. "Ja!" antwortete der Polizist, "Ausweis bitte!" "Ok, ok" sagte ich und holte unsere Ausweise hervor. "Aber was ist jetzt mit dem Pfarrer? Hilft er uns jetzt oder nicht?" "Ja, ja!" sagte der Polizist, "er hilft!" Doch das Verständnis von Hilfe sah in seinen Augen wohl ein bisschen anders aus, denn der Schwarzgewandete winkte dem Polizisten noch einmal zu und ging. "Warum wollen Sie eigentlich meinen Ausweis sehen?" fragte ich den Polizist, erhielt aber keine Antwort. Er stieg in sein Dienstfahrzeug und ließ mich stehen. Langsam bereute ich es, den Parrer überhaupt angesprochen zu haben. Einen Moment wartete ich, dann winkte mich der Polizist zu sich herüber und befahl mir, in den Streifenwagen einzusteigen. "Warum das denn?" fragte ich mit einer Mischung aus Verwunderung und Verärgerung. Nicht nur, dass sie mir grundlos meine Zeit stahlen und mir einen möglichen Schlafplatz versaut hatten, jetzt sollte ich auch noch wie ein Krimineller abgeführt werden, nur weil ich als Tourist in einer Stadt spazieren ging? Wieder bekam ich keine antwort. Ich solle einsteigen, dann würden wir meinen Freund abholen und schließlich aufs Präsidium fahren, wo unsere Ausweise noch einmal gegengecheckt würden. Noch immer war ich nicht erfreut über die ganze Aktion, aber ich ließ micht breitschlagen und stieg in den Wagen. Zunächst folgte nun eine sinnlose Fahrt kreuz und quer durch die Stadt, bis der Polizist auf die Idee kam, mich nach dem genauen Aufenthaltsort von Heiko zu fragen und nicht einfach nur herumzugurken und zu schauen, ob er ihn irgendwo von alleine findet. Heiko lag auf der Wiese im Schatten und hatte sich die Ohrenstöpsel in die Ohren gesteckt, um den Lärm auszublenden. Die Polizisten blieben neben ihm stehen und drückten mehrmals auf die Hupe. Heiko reagierte nicht im geringsten. Zum einen hörte er nicht besonders viel und zum anderen waren wir derartige Lärmbelästiger von Italien her viel zu sehr gewöhnt, um auf jedes dämliche Hupen zu reagieren. Also versuchte der Polizist es mit der Sirene, war Heiko genauso ignorierte wie sein unfreundliches "EY!", das er anschließend durchs Fenster brüllte. Jetzt reichte es mir. Es kann doch nicht sein, dass man so unmöglich behandelt wird, nur weil man hier kein Einheimischer war. Ich sprang aus dem Wagen und weckte Heiko auf düe übliche Weise aus seinem Halbschlaf, um ihn über die Lage zu informieren. "Ihr müsst einsteigen und mit aufs Präsidium kommen!" befahl der Polizist. Sein Kollege war nun auch ausgestanden und spielte die ganze Zeit an seiner Maschinenpistole herum, weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte. Er sprach kein Wort Englisch, konnte außer seiner Waffenpräsenz also nichts zur Situation beitragen. Ist es nicht erschreckend, dass ein normaler Streifenpolizist in einer normalen Kleinstadt mitten in Europa mit einer MP herumläuft und permanent damit spielt? Eine normale Pistole am Gürtel demonstriert ja an sich schon Macht genug, aber eine automatische Waffe, mit der man gleich eine komplette Gruppe niedermähen kann ist wohl doch ein bisschen Übertrieben. In Guatemala standen grimmige, ausdruckslose Männer mit solchen Gewehren vor den Banken und Juvelieren herum. Damals fand ich dies schon äußerst besorgniserregend, aber ich war eben in einem exotischen Land ohne echte Regierung in dem es mehr Banden und Drogenkartelle gab als Sportvereine in Deutschland. Doch dass ich hier in Europa einmal ein ähnliches Bild sehen würde, konnte ich mir damals noch nicht vorstellen. "Das geht nicht!" sagte ich und erklärte, dass wir die Wagen nicht unbeaufsichtigt hier stehen lassen konnten. Nach einer kurzen Beratungszeit wollten die Beamten, dass wir mit unseren Wagen zu Fuß auf die Wache gehen.

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"Warum?" fragten wir wieder und erklärten den beiden Nervensägen, dass sie sich auch einfach in ihr Auto setzen und alles durchgeben konnten, anstatt uns noch weiter auf den Geist zu gehen. Genau das taten sie dann auch. Wir sind nun schon sehr oft kontrolliert worden aber eine Sache verstehe ich noch immer nicht. So ein Ausweis enthält nicht mehr Daten als einen Namen, ein Geburtsdatum und eine Ausweisnummer. Das Abzutippen und via Lanverbindung mit der Datenbank abzugleichen dürfte nicht mehr als drei Minuten dauern. Bei einer schlechten Verbindung vielleicht fünf. Selbst wenn man dann noch den kompletten digitalen Fingerabdruck gegencheckt, das Facebookprofil einsieht, das Online-Kaufverhalten überprüft, mögliche Verkehrsvergehen vom Verkehrsamt abfragt und die Zahlungsmoral bei den Banken überprüft, müsste die ganze Aktion noch immer eine Sache von 10 Minuten sein. Warum also braucht jeder Polizist dafür mindestens eine Stunde? Die beiden Jungs hier wollten dann sogar noch die Vornamen unserer Eltern haben. Wieder fragte ich mehrfach warum das nötig sein sollte und wieder bekam ich keine vernünftige Antwort. "Keine Sorge, das gehört zur Standartprozedur!" erklärte er mir. "Nein, gehört es nicht!" erklärte ich ihm. "In Deutschland nicht?" fragte er mit gespielter Verwunderung. "Nein!" antwortete ich, "aber auch hier in Griechenland nicht. Wir wurden nun schon sechs Mal kontrolliert und Sie sind der erste, der diese Angaben wollte!" Das beeindruckte ihn aber wenig. Heiko kam schließlich auf die Idee, ihm unseren Trailer zu zeigen, um ihn etwas freundlicher zu stimmen. Außerdem konnte es vielleicht nicht schaden, wenn ihm klar wurde, dass wir mit der Presse zusammenarbeiteten und dass seine unsachgemäße Behandlung durchaus veröffentlicht wurde. "Handy ausschalten!" befahl er mir, als er sah, wie ich den Trailer raussuchte. War das zu fassen? Er verbot mir sogar zu telefonieren. Ich wurde gerade ohne einen Grund von der Polizei aufgehalten und wie ein Verbrecher behandelt. Da hatte ich doch wohl jedes Recht, die Botschaft oder einen Anwalt anzurufen, wenn ich es wollte.

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"Er hatte wirklich Angst", meinte Heiko später, "Ihm war schon bewusst, dass es nicht legal war, was er da machte und dass er einen ordentlichen Ranzer bekommt, wenn wir wirklich mit der Botschaft gesprochen hätten." Ich erkärte dem Beamten, dass ich ihm nur ein Video zeigen wollte und sein Argwohn verschwand. Der Plan funktionierte. Seine Aufmerksamsspanne reichte zwar nur für das halbe Video aus, aber er verstand worum es ging. Danach dauerte es nur noch gute 10 Minuten und wir durften gehen. Bei der Schlafplatzsuche halfen sie uns aber trotzdem nicht weiter. Dafür bekamen wir wieder einmal Hilfe vom Rathaus. Das muss man diesem Land hier lassen! Die Rathäuser sind insgesamt eine sehr gute Adresse. Heute durften wir in einem Studentenwohnheim schlafen und bekamen sogar etwas zum Essen.

Spruch des Tages: Nicht schon wieder eine Polizeikontrolle

Höhenmeter: 15 m Tagesetappe: 10 km Gesamtstrecke: 14.838,27 km Wetter: sonnig Etappenziel: Ehemaliges Rathaus/Wartezimmer des Dorfarztes, 58300 Galatades, Griechenland

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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