Tag 298: Pyrenäen-Überquerung mit dem Pilgerwagen

von Heiko Gärtner
27.10.2014 01:11 Uhr

Gestern Mittag war es dann soweit. Ich durfte meine neue Brille abholen und ausprobieren. Das einzige Problem war nur, wo befand sich dieser verdammte Optiker? Wir hatten uns zwar seinen Namen gemerkt, dabei jedoch übersehen, dass es sich um eine Kette handelte, die mehr als sieben Filialen in der Stadt hatte. So fanden wir schließlich einen neuen Pulli für Heiko und ein paar heiße Maronen zum Frühstück, doch von meiner Brille gab es noch immer keine Spur. Die Stadt war einfach zu komplex für uns Landeier. Also rekapitulierten wir den Weg von gestern Nacht noch einmal genau und versuchten unsere Schritte nachzuvollziehen. Dass tags auch immer alles so anders aussah als nachts! Doch dank Heikos unfehlbarem Orientierungssinn standen wir letztendlich doch vor dem gleichen Schaufenster, in dem wir sie gestern entdeckt hatten. Heute fehlte sie dort und wartete mit neuen Gläsern bereits hinter der Theke auf mich. Ich hatte sie bewusst ein klein wenig schwächer gewählt, um meine Augen zu trainieren. Es war gerade so wenig, dass ich nicht einmal groß einen Unterschied merkte.

Es fühlte sich jedenfalls gut an, sie auf der Nase zu tragen und als ich direkt vor der Ladentür dann auch noch von einer Polizistin angeflirtet wurde, hatte ich wirklich das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung war. Im Laufe des Tages schaute mich Heiko immer wieder etwas sonderbar an und meinte dann: "Ich muss mich da wirklich erstmal dran gewöhnen, das du nicht mehr aussiehst wie ein Frosch!"

Vor uns lagen nun noch gut 30km bis zum Bergpass und die Uhr zeigte bereits 13:00 an. Dennoch brauchten wir etwas zum Essen, wenn wir den Aufstieg überleben wollten. Was wäre da besser als ein chinesisches Restaurant? Es hatte eigentlich noch geschlossen, aber für uns machte der Koch trotzdem eine Portion Hühnchen in gelbem Curry. Das war mal ein Service!

Als wir auf das Essen warteten, hinkte ein alter, gebrechlich wirkender Mann mit einem Krückstock an uns vorbei. Er lächelte uns freundlich zu, blochte dann wieder auf den Boden und blieb unvermittelt stehen. Vorsichtig, um nicht das Gleichrichter zu verlieren, kratzte er mit seinem Stock auf dem Boden herum. Fasziniert schauten wir ihm dabei zu, um herauszufinden, was er genau machte. Ein kleiner Nägel lag auf dem Gehweg und schaute so nach oben, dass er für Radfahrer oder auch für Pilgerwagen eine Gefahr darstellte. Mit seinem Krückstock bugsierte der Mann den Nagel nun so in die Rille zwischen die Steinplatten, dass er unschädlich gemacht wurde. Wir waren beeindruckt. Selbst, wenn man nicht mehr machen konnte, als von einer Parkbank in der Sonne zurück zu seiner Wohnung zu humpeln, so konnte man dabei dennoch wirklich hilfreich sein. Wohlmöglich war der alte man in diesem Moment hilfreicher, als jeder andere Mensch in der Stadt.

Nachdem der Mann verschwunden war und wir uns über unser Curry-Gericht hermachten, fiel unser Blick auf ein großes, futuristisches Gebäude. Es sah genauso aus, wie der Komplex auf den Werbeplakaten, die überall zu sehen waren und die Andorras größte Therme anpriesen. Das war doch mal eine Alternative zum Wandern! Was wäre, wenn wir den Tag Inder Therme verbringen und die Nacht durch wanderten? So könnten wir jetzt entspannen und würden gleichzeitig auch noch die verkehrsärmste Zeit auf der Straße verbringen.

Herausforderung angenommen! Wir schaffen es einen Saunabesuch im Tausch für Werbung und für unsere Fähigkeit als Saunaaufgießer zu bekommen, ohne Geld zählen zu müssen!

Immerhin hatte das in Frankreich auch bereits einmal funktioniert.

Hier jedoch hatten wir nicht ganz so viel Glück. Die gesamte Chefetage sowie die Marketingabteilung arbeiteten am Samstag nicht. Der Verantwortliche Leiter, für den heutigen Tag konnte uns daher nur einen Rabatt von 50% anbieten. Das war zumindest schonmal ein Teilerfolg. Doch 50% war bei einem mehr als nur stolzen Eintrittspreis von 64€ pro Person noch immer Wucher und so verzichteten wir auf den Besuch. Sicher würde sich in Frankreich bald eine andere Gelegenheit finden.

Den Rest des Tages verbrachten wir dann damit, die ersten 10km in Richtung Bergpass zu erklimmen. Auf der Hälfte machten wir eine Pause um uns mit einem Salat zu stärken und um einem andorranischen Straßenarbeiter dabei zuzusehen, wie er Weihnachtsbeleuchtung an einer Straßenlaterne befestigte. Das Happening war nicht nur für uns faszinierend, sondern lockte die ganze Nachbarschaft auf die Straße.

Die letzten fünf Kilometer waren fast zu viel für uns. Steiler und immer steiler führte die Straße nach oben und wir könnten kaum mehr richtig schnaufen. Die Aussage von unserem letzten Hotelier, dass nach der Hauptstadt kaum noch Verkehr existierte, war leider mehr als übertrieben gewesen. Es war nicht mehr ganz so voll wie in Richtung Spanien, aber von Ruhe konnte dennoch nicht die Rede sein. Als wir unseren Zielort erreichten, wären wir vor Freude fast in die Luft gesprungen. Nur der Umstand, dass wir nicht einmal mehr genug Kraft zum Atmen hatten, hielt uns etwas davon ab.

Außerhalb der Hauptstadt merkte man deutlich dass wir auch außerhalb der Saison hier waren. Von den Hotels hatten fast alle geschlossen, und die wenigen, die geöffnet hatten, wollten uns nicht. Dafür verriet mit eine ältere Dame, dass der Pfarrer gerade Kommunionsunterricht in der Kirche gab und dass er ein lieber Kerl war, der sicher etwas für uns hatte.

Die Kirche lag, wie konnte es auch anders sein, am höchsten Punkt des Dorfes. Sie war ein uriges, altes Natursteingebäude und passte im Gegensatz zu den Hotelbunkern und der Schnellstraße wirklich in diese Gegend. Um den Pfarrer zu treffen musste ich durch eine winzige Tür hinter dem Altar steigen,die mich an Alice im Wunderland erinnerte. Nur hatte ich leider keine Pilze dabei, die mich klein machen konnten. Also kroch ich wie ein Riese im Land der Hobbits durch die kleine Tür und bat den Pfarrer, ihn kurz stören zu dürfen. Vor lauter Anstrengung, die mich der Aufstieg auf den Berg gekostet hatte, konnte ich kaum sprechen und japste daher nach jedem zweiten Wort nach Luft. Ich muss ein wirklich lustiges Bild abgegeben haben, wie ich da so gekrümmt und atemlos zwischen den Steinwänden hervorlugte.

"Am Ende des Ortes findet ihr ein Jugend-Gästehaus. Die Türen sind offen. Wenn jemand kommt, dann sagt einfach, ich hätte euch gesagt, dass ihr dort übernachten könnt. Ansonsten treffen wir uns dort um 20:00Uhr!"

Das war mal unkompliziert! Das Gästehaus wär zunächst wirklich komplett leer. Dann trafen wir einen Mann, der uns ein kleines Häuschen aufschloss, in dem wir auf einem Matratzenlager schlafen konnten. Den Pfarrer trafen wir nicht mehr.

Heute folgte dann der wahre Aufstieg! Bis zum Gipfel waren es von hier noch ca. 15km und gute 1000 Höhenmeter! Das konnte heiter werden! In der früh war es so kalt, dass wir kaum unsere Finger bewegen konnten. Die Sonne brauchte ewig,bis sie hinter den Bergen hervorkam, dann aber wurde es heiß und innerhalb von wenigen Minuten waren wir komplett nass geschwitzt. Eine große Hoffnung darauf, früh anzukommen hatten wir eh nicht und so beschlossen wir, den Fokus darauf zu legen, heute überhaupt anzukommen. Wir wanderten gemütlich und machten immer wieder Pausen, wenn sich eine Möglichkeit dazu bot. Die erste fanden wir in Form eines Supermarktes, in dem man allerlei andorranische Spezialitäten kaufen konnte.

Diese bestanden hauptsächlich aus Schnaps und Zigaretten, sowie aus Destillen, mit denen man sich seinen Schnaps auch einfach selbst brauen konnte. Darüber hinaus gab es Schinken, Käse, Süßigkeiten und allerlei Kinkerlitzchen. Warum durfte man davon eigentlich nur die ungesunden Sachen probieren? Schweineschinken und Schweinesalami gab es ohne Ende. Auch Käse, Süßigkeiten und sogar alkoholische Getränke konnte man verköstigen, wenn man es wollte. Oliven, Rinderschinken, Nüsse und all das andere feine Zeug, das wir noch aßen, blieb hingegen verschlossen. Überhaupt war es erstaunlich, das der ganze Laden fast ausschließlich mit Suchtstoffen und Genussmitteln gefüllt war, die man hier kaufen und dann illegal über die Grenzen nach Frankreich und Spanien bringen konnte.

Die zweite Pause machten wir für ein kleines Mittagessen auf der Sonnenterrasse des Parador-Hotels. Hier im Windschatten war es fast so warm, dass man es kaum aushielt. Doch wir genossen diese Sonnenstrahlen. Wer weiß, wie lange es noch Wärme geben würde.

Es war die letzte größere Pause, die wir vor dem Pass einlegen konnten. Von hier an führte die Straße geradewegs auf den Höhepunkt zu. Zunächst ging es weiter durch den Canyon. Dann jedoch sahen wir die Serpentinen. Ein Schild zeigte, dass es nun noch gut 400 Höhenmeter und 6km zum Pass waren. Bis in das letzte Dorf vor der Grenze waren es noch 11,5km. Rechts ging eine weitere Straße mit dem gleichen Ziel ab. Sie führte durch einen Tunnel, mitten durch den Berg. Hier waren es insgesamt nur 6km bis ins Dorf und 0 Höhenmeter. Wieder so ein unwiderstehliches Angebot. Sollten wir den Gipfel einfach links liegen lassen und durch den Tunnel schlappen? Doch wieder wurde uns ein Strich durch die Rechnung gemacht. Diesmal in Form eines großen, roten Schildes, das unmissverständlich klar machte, dass Fußgänger in diesem Tunnel nichts zu suchen hatten. Auch Pferde waren verboten. Sonst hätten wir mit den Wagen vielleicht noch als Reitergespann durchgehen können. Doch diese Andorraner hatten offenbar an alles gedacht.

Es half also nichts, wir mussten über den Berg. Die Sonne hatte hier oben nun bereits bedeutend an Kraft verloren und es ging ein eisiger Wind. Dennoch sorgte ie Anstrengung dafür, dass unser Kreislauf auf Hochtouren lief und wir ordentlich ins Schwitzen kamen. Wie konnte einem gleichzeitig so eiskalt und so heiß sein? Müsste das nicht rein technisch vollkommen unmöglich sein? Das die Natur hier nicht viel von solchen Gesetzen und ignorierte sie einfach. Höher und höher schraubten wir uns über die Serpentinen in den Himmel. Die Ortschaft unter uns wurde immer kleiner, genau wie unsere Energiereserven. Gott sei Dank hatten wir uns am Vorabend reichlich mit Nüsschen eingedeckt und konnten uns auf diese Weise immer wieder einen kleinen Energiekick verschaffen. Ohne dieses Doping würden wir nun wahrscheinlich wie zwei Käfer am Straßenrand liegen und die Beine in die Luft strecken.

Dann endlich erreichten wir den Gipfel. Was wir dort zu sehen bekamen, werdet ihr niemals erraten. Nie! Versucht es gar nicht!

Mit einem Gipfelkreuz hätten wir gerechnet oder mit einer Berghütte. Doch nichts von dem war zu finden. Stattdessen starrten wir ungläubig auf das riesige Werbeschild einer Tankstelle.

TOTAL

Eine Tankstelle? Das konnten die doch nicht ernst meinen!

Doch! Konnten sie! Sogar so ernst, dass es hier nicht. Ur eine, sondern gleich vier Tankstellen gab. Drei davon gehörten TOTAL. Sonst gab es hier nichts. Keine Berghütte, kein Restaurant, keine Bar und nicht einmal eine schöne Aussicht. So hatten wir uns unser Gipfelfest nicht vorgestellt! Bereits beim Aufstehen heute morgen hatten wir uns schon auf ein Picknick oben auf dem Berg gefreut, bei dem wir uns in unsere Jacken kuschelten und den Blick ins Tal genossen. Doch daraus wurde nun nichts. Es war ungemütlich, sackkalt, windig und die schöne Aussicht war komplett mit Tankstellen zugebaut. Dahinter befand sich dann ein großes Ski-Gebiet, dass ohne den Schnee sein vernarbtes Sommergesicht zeigte. Mir war nie klar gewesen, wie sehr der Ski-Tourismus die Berge in so großen Höhen zerstörte. Die Lifte hatten tiefe Schneisen in die Magerwiesen geschnitten. Alles in allem war es kein Ort an dem wir lange verweilen wollten. Erst jetzt im Nachhinein realisierten wir so richtig, was es führ ein Wahnsinn war, mit je 50kg Gepäck an der Hüfte eine Bergbesteigung bis auf 2408m zu unternehmen. Das waren gerade einmal rund 500m weniger, als bei unserer Zugspitzen-Besteigung!

Der Abstieg war bedeutend leichter, aber auch bedeutend kälter. Der Kreislauf fuhr herunter und außer den Schienbeinen, die für das abbremsen zuständig waren, lief nun alles auf Sparflamme. Das bedeutete, Mützen raus und Jacken an, vor allem, weil wir durch den Aufstieg natürlich komplett nass waren.

Der erste Blick auf das kleine Dorf an der Grenze hätte uns eigentlich bereits ausreichen können um es links liegen zu lassen und einfach weiter bis nach Frankreich durchzugehen. Es war eine reine Touristenhochburg, ohne echtes Stadtleben und ohne gewachsenen Dorfkern. Jeder Mensch, der hier lebte, lebte hier nur aus einem Grund. Er wollte den Touris das Geld aus der Tasche ziehen. Einen ungünstigeren Ort als diesen konnte jemand ohne Geld also kaum finden. Doch die Tatsache, dass der nächste Ort gute 13km entfernt sein sollte, ließ uns unsere Intuition ignorieren. Während Heiko versuchte, auf dem letzten Sonnenplatz eine Position zu finden, mit der er nicht erfror, holte ich mir bei den Hotels eine Absage nach der nächsten ab. Die einzige Option, die ich auftreiben konnte, war der Flurbereich eines großen, fast völlig unbewohnten Apartmentkomplexes. Doch hier war es fast genauso kalt wie draußen. Außerdem brannte die ganze Nacht das Licht, es gab keine Toiletten und man wusste nicht, welche Betrunkenen Gestalten nachts durch die Gänge geistern würden. Dennoch überlegten wir eine weile, bevor wir uns dann doch fürs weitergehen entschieden.

Auf dem Weg aus dem Dorf trafen wir dann doch noch auf den Pfarrer, der zunächst unauffindbar gewesen war. Was eigentlich unsere Rettung hätte sein sollen, versaute uns jedoch nur den guten Schnitt im Bereich Freundlichkeit von andorranischen Geistlichen. Der Mann war, positiv ausgedrückt, ein schmieriges Arschloch, das kein Problem damit hatte, einen aus reiner Bequemlichkeit in der Kälte krepieren zu lassen. Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht etwas überzogen,aber letztlich ist es genau das. Er wusste, dass wir zu Fuß und ohne Geld waren und dass die Temperaturen in der Nacht auf rund Null Grad fallen würden. Dennoch war sein einziger Kommentar, dass wir in diesem Ort sicher nichts finden würden. Wir sollten einfach nach Frankreich weiter gehen, das könne ja nicht so schwer sein. In Andorra sei es verboten, dass jemand in den Räumen der Kirche nächtigt.

Da standen wir dann nun also. Wer hätte gedacht, dass wir nach einer 20km-Etappe  bei der wir rund 1000 Höhenmeter überwunden hatten, nun noch einen 13km langen Abendspaziergang bis nach Frankreich machten? Nur dass du es weist, Andorra, du hättest in unserem Reisetagebuch gerne noch einen weiteren Eintrag bekommen können, wenn du uns ein bisschen freundlicher aufgenommen hättest. Nun wird daraus nichts mehr! Selber Schuld, sag ich da, selber Schuld!

Glücklicher Weise führte die Straße nach Frankreich weiterhin permanent Bergab. Weniger glücklich hingegen war die Verkehrslage, denn inzwischen war es bereits 19:00Uhr geworden, und damit begann die Rushhour der Schmuggler. Jeder Franzose im Umkreis, der hier günstig Alkohol und Zigaretten gekauft hatte, war nun wieder auf dem Heimweg. Und jeder Franzose, der keine Zigaretten und keinen Alkohol mochte, schien um diese Zeit für ein Abendessen in den Zwergstaat zu fahren. Das ganze hatte aber auch einen positiven Nebeneffekt, der uns den Tag noch einmal deutlich versüßte. Vor dem Grenzübergang bildete sich ein Stau, an dem wir einfach vorbeiziehen konnten. Es machte einen Riesenspaß, den wartenden Autofahrern zuzulächeln und zu winken, während man sie zu Fuß, mit einer Art Schneckenhaus im Gepäck überholte. Und das beste war, dass sich die Autofahrer darüber ebenfalls freuten und fast immer genauso fröhlich zurück winkten.

Die Grenze selbst war eher ein Witz. Ein einziger Grenzbeamter war damit beschäftigt, eines der ca. tausend Autos auf zu versteuernde Zigaretten oder andere Genussmittel zu durchsuchen. Sonst waren alle Grenzposten unbesetzt. Nicht einmal eine Passkontrolle gab es und dabei hatten wir uns schon so auf unseren Französischen Stempel gefreut. Außerdem hatten wir geplante, die Beamten um einen Schlafplatz zu bitten, doch daraus wurde wohl nichts. ein Grenzhäuschen hätte sich auf unserer Liste mit außergewöhnlichen Übernachtungsorten sicher recht gut gemacht.

Langsam begann die Sonne unter zu gehen und von unserem Zielort gab es noch immer keine Spur. Laut dem letzten Schild hätten es eigentlich nur noch 3km sein sollen, doch so weit man in den Canyon hineinblicken konnte, ließen sich keine Häuser erkennen. Die Strecke zog sich wie Kaugummi und langsam begannen wir daran zu zweifeln, ob es dieses ominöse Dorf überhaupt gab.

Plötzlich hielt ein Auto neben und an. Der Mann auf dem Beifahrersitz kurbelte die Scheibe herunter und fragte uns, ob wir irgendwelche Ware zu verzollen hätten.

"Nein!" Antworteten wir, "aber wir suchen nach einem Schlafplatz!"

"In Hospitaliet gibt es eine Wanderherberge!" Antwortete der Beamte. Dort könnt ihr es versuchen.

Meine Frage, wie weit denn dieses verdammte Dorf noch entfernt sei, bekam er jedoch schon nicht mehr mit.

Es war nun vollkommen dunkel und die Tatsache, dass heute fast Neumond war, machte es nicht unbedingt besser. Wo steckte nur dieses Kaff, von dem immer alle sprachen? Hatte vielleicht jemand die 1 von dem Schild gekratzt, so dass es in Wirklichkeit 13km waren und nicht drei? Das würde aber bedeuten, dass uns sowohl der Pfarrer als auch dermaßen aus der Touristeninformation dreist belogen hatten, als sie von einer Gesamtstrecke von 13km gesprochen hatten. Alles klar! Zuzutrauen war es beiden. Als wir uns schon vollkommen sicher waren, dass dieses Dorf nichts als ein Mythos war, tauchten links von uns im Tal einige Lichter auf. Das einzige Problem war nur, dass unsere Straße komplett daran vorbei führte? Hatten wir die Abzweigung im Dunkeln übersehen? Nein, wir befanden uns nur wieder auf einer Serpentinen-Strecke, was wir im Dunkeln jedoch nicht erkennen konnten. Stück für Stück schraubten wir uns nun ins Dorf hinunter.

Jetzt waren wir nun wirklich wieder in Frankreich. Man merkte es sofort. Zum einen, weil einen niemand mehr verstand, zum anderen weil einem die Menschen plötzlich wieder zuhörten. Die Wanderherberge wurde von einem Pärchen geleitet, dass uns freundlich empfing, nachdem es uns mit den Googletranslater auf unserem Handy, mit Hilfe von Pantomime und mit den paar Brocken Französich, an die wir uns noch erinnern konnten, gelungen war, ihnen zu erklären,was wir wollten.

Spruch des Tages: Wir haben es bis auf 2408m in die höhe geschafft!

 

Höhenmeter: 1028 m

Tagesetappe: 34 km

Gesamtstrecke: 5787,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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