Reisebekanntschaften sind besondere Begegnungen

von Franz Bujor
14.01.2014 20:59 Uhr
 

Heute erleben wir einen Tag der besonderen Begegnungen

Trotz der sehr bequemen Betten, in denen wir die Nacht verbringen durften, spürten wir heute Morgen beide jeden einzelnen Muskel im Körper. Die Kälte in Kombination mit der andauernden Belastung durch unser Gepäck führt täglich zu neuen Verspannungen, auch wenn uns heute ganz besondere Begegnungen erwarten würden. Gestern haben wir einmal versucht dem Desaster mit Dehnübungen entgegenzuwirken. Als wir jedoch feststellten, dass wir mit durchgestreckten Beinen kaum noch unsere Kniescheiben erreichen konnten, waren wir so deprimiert, dass wir den Versuch erst einmal wieder aufgaben. Mit dem festen Vorsatz natürlich, ab sofort täglich unsere Flexibilität zu trainieren.

Auch Lydia hatte uns zum Abschied ein sehr gutes Frühstück bereitet. Obwohl wir jeden Tag woanders sind und immer wieder neue Menschen um besondere Begegnungen kennenzulernen, von denen wir nach kurzer Zeit wieder Abschied nehmen müssen, fühlt es sich fast überall ein bisschen wie Heimat an. Wir könnten nicht sagen, wo wir am herzlichsten aufgenommen wurden oder wo wir uns am wohlsten gefühlt haben.

Besondere Begegnungen mit Tieren voraus - Heiko Gärtner in Action!

Besondere Begegnungen mit Tieren voraus - Heiko Gärtner in Action!

 

Für eine herzliche Tierbegegnung - sind wir immer sehr dankbar!

Unser Weg führte uns zunächst nach Möckmühl zurück. Wieder kamen wir durch die Altstadt und am Rathaus vorbei, wo uns die Dame am Vortag so freundlich weitergeholfen hatte. Die allgemeine Grundstimmung des Wetters und der Natur war noch immer die gleiche wie an den vergangenen Tagen. Trübe, grau, kalt, nebelig und feucht. Langsam wurde es schwierig, selbst fröhlich zu bleiben, wenn alles um einen herum die Atmosphäre eines Totenreichs ausstrahlt. Wie schafften es nur die Vögel bei diesem Wetter noch immer so gut gelaunt zu sein, dass sie fröhlich ihre Lieder trällern konnten?

hirschbock

Ein majestätischer Hirschbock einer Dammwildherde

Nach ein paar Kilometern kamen wir am Schloss Assunstadt vorbei, wo wir durch eine besondere Begegnung, einer Dammwildherde empfangen wurden. Vorsichtig aber voller Neugier beobachteten sie unsere Schritte und kamen immer dichter auf uns zu. Als ich ihnen anbot, den Apfel mit ihnen zu teilen, den mir Lydia geschenkt hatte, fraßen sie mir sogar aus der Hand. Vor allem der Leithirsch konnte gar nicht genug bekommen und schleckte sogar noch meine Finger ab. Die kleinen Hirsche waren kaum größer als Ziegen und wirkten gleichzeitig verspielt und majestätisch. Ganz im Hintergrund hielt sich eine fast weiße Hirschkuh mit einem Schlappohr, die recht drollig dreinblickte.

Ein Schauspiel mit einem Gefühl von Freiheit

Kaum hatten wir die Dammhirsche verlassen, begegneten wir auch schon den nächsten tierischen Weggefährten für besondere Begegnungen. Auf einer großen Weide tollten drei Pferde, die gerade dabei waren, ihren Morgensport auszuüben. Sie galoppierten hintereinander her, bissen sich gegenseitig zum Spiel in die Mähne und bäumten sich immer wieder auf. Es war ein beeindruckendes Schauspiel, dass uns sofort das Gefühl von Freiheit und unbändiger Wildheit übermittelte. Wie würde dieses Land wohl aussehen, wenn noch immer besondere Begegnungen mit Herden von Wildpferden über die Ebenen ziehen würden? Wenn wir an ausgestorbene Tierarten in Deutschland denken, dann denken wir dabei fast immer an Bären und Wölfe. Doch die majestätischen Pflanzenfresser wie Wildpferde, Wildesel und wilde Rinder kommen uns fast nie in den Sinn. Wie würden sie das Landschaftsbild verändern, wenn es sie wieder geben würde? Wird man sie je wieder in unseren Regionen beobachten können?

Wie wäre wohl eine besondere Begegnung mit Wildtieren?

Anstelle der gewünschten Tierbegegnung von Wildpferden, konnten wir kurz darauf ein Klärwerk beobachten. Es vermittelte nicht ganz so sehr den Eindruck von Freiheit, wie die galanten Vierbeiner, brachte uns aber auch ins Grübeln. Wie oft hatten wir Seminarteilnehmer, die kein Wasser aus wilden Quellen trinken wollten, weil sie Angst vor möglichen Bakterien oder Krankheitserregern hatten. Und dann vertrauen wir auf der anderen Seite darauf, das diese ekelhaft stinkende braune Brühe im Klärwerksbecken am Ende so sauber ist, dass wir sie bedenkenlos Trinken können, wenn sie aus unseren Wasserhähnen fließt...

Die herzliche Reisebekanntschaft einer Schwan-Liebe

Viele herzliche Tierbegegnungen wie hier mit einer Schwanen-Liebe

Eine Reisebekanntschaft mit der Zweisamkeit der Schwäne

Wenig später hatten wir wieder solch besondere Begegnungen. Diesmal trafen wir auf zwei Schwäne, die am Wegesrand miteinander kuschelten. Heiko pirschte sich an sie heran, um eine Foto von der gefiederten Zweisamkeit zu machen. Die Schwäne waren von dieser Idee eher mäßig überzeugt und suchten das Weite. Leider hatte ich keine zweite Kamera, denn das Bild von Heiko wie er den geflügelten Reisebekanntschaften mit gezücktem Fotoapparat hinterhereilte, war für die Götter.

Besondere Begegnungen mit Menschen in Worten beschreiben

Es ist schon etwas Besonderes Menschen zu begegnen, sie wirklich auch spontan kennenzulernen. Die Gedanken und Gefühle, Meinungen und Ansichten mit ihnen auszutauschen. Ja, andere Menschen können uns bereichern mit ihrem Horizont. Besonders dann, wenn diese außergewöhnlich und voller Herz sind. Mit einem schönen Zitat für eine besondere Begegnung, können wir die Wertschätzung zurück geben.

Unsere heutige Etappe hätte laut unserem Pilgerführer eigentlich 25,5 km haben sollen. Zusammen mit den 2,5 km an zusätzlicher Strecke wären wir dann heute auf 28 km gekommen. In Anbetracht unserer schmerzenden Knie und Schultern, waren wir uns jedoch nicht sicher, ob wir heute wirklich so weit laufen wollen. Als es dann auch noch zu regnen begann und wir genau in diesem Moment am Pfarrhaus in Herbolzheim vorbeikamen, zögerten wir nicht lange und drückten auf die Klingel. Die Diakonin, die daraufhin öffnete, bot uns einen Platz im Kolpinghaus unterhalb des Kindergartens an.

Den Nachmittag nach unseren besonderen Begegnungen mit unterschiedlichsten Tieren, verbrachten wir damit uns den kleinen Ort noch etwas genauer anzuschauen. Dabei zeigte sich wieder einmal, welche Kraft Gedanken, Wünsche und zweifelsfreier Glauben haben. Schon seit drei Tagen, wünschten wir uns Leberkäs-Semmeln mit Senf. Als ich in der Metzgerei um eine kleine Nahrungsspende bat, bot mir die Verkäuferin genau diese an. In einer kleinen Bäckerei trafen wir kurz darauf wieder auf unsere Diakonin, die dort mit einer Freundin bei einem Kaffee zusammensaß.

Wie lange wird es die traditionellen Familienbetriebe der Bäckereien noch geben?

Die freundlichen Reisebekanntschaften luden uns ein, uns dazuzugesellen und so nahmen wir an der offiziellen Herbolsheimer Kaffeeklatschrunde teil, zu der natürlich auch ein Kaffee und ein leckeres Stück Kuchen gehörte. Die Bäckerei war ein alter, traditioneller Familienbetrieb und das schmeckte man auch. Doch wie leider so oft bei Familienunternehmen in kleinen Ortschaften, würde es auch diese Bäckerei nicht mehr lange geben. Denn wenn die Bäckerin in Ruhestand ging, gab es keinen Nachfolger. Schon jetzt konnten sie ihren Betrieb nur deshalb aufrechterhalten, weil ihnen die Räumlichkeiten seit Generationen gehörten. Das Leben in den kleinen Ortschaften starb immer mehr aus. Eine zweite Bäckerei war bereits geschlossen worden. Bald würde es nur noch den Supermarkt an der Hauptstraße geben. Und auch dieser wird wahrscheinlich irgendwann zugunsten einer noch größeren Filiale in der nächsten Stadt geschlossen werden.

Spruch des Tages: Glück ist nicht eine Station, an der man ankommt, sondern eine Art zu reisen.

Tagesetappe: 17 km

Gesamtstrecke: 274,37 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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