Tag 1126: Traumreise zum inneren Medizinkörper

von Heiko Gärtner
17.02.2017 02:24 Uhr

30.01.2017

Die Fensterfront, die eine komplette Wand in unserem Saal ersetze, wärmte etwa so viel wie eine Papiertischdecke. Der Erfolg war, dass wir in unserem Schlafraum die exakt gleiche Temperatur hatten, die auch draußen auf der Straße herrschte. Der Vorteil, den unser Quartier bestand also lediglich darin, dass es hier windstill und trocken war und dass wir Strom hatten. Ansonsten war es als hätten wir im Freien übernachtet. Gut nur, dass unsere Schlafsäcke warm genug waren, um uns soweit zu wärmen, dass wir dennoch schlafen konnten. Wäre dies nicht der Fall gewesen hätte Heiko in der Nacht einen langen und intensiven Traum verpasst, der eine wichtige Botschaft für ihn und unsere Herde hatte. Der Traum begann damit, dass Heiko bewusst wurde, dass er bereits in früheren Träumen alles schon einmal gesehen hatte, was in der Zukunft passieren würde. Er hatte Erinnerungen an Träume, in denen er von Schlangen gebissen wurde und in denen er verschiedene Situationen oder wenigstens Situationsfragmente erlebt oder gesehen hatte. Mit diesem Vorwissen machte er sich auf zu einem Wildnistreffen, wie er es früher in seiner Ausbildung zum Wilnismentor oft getan hatte. Er traf hier auf eine Gruppe von anderen Schülern, die er teilweise noch immer von damals kannte. Auch sein alter Mentor Wolf war anwesend und leitete das Seminar oder besser das Ritual, das nun kommen sollte. So wie bei den Treffen in Österreich, als wir von den Medizinleuten ausgebildet wurden, ging es auch bei diesem Treffen darum, den eigenen Medizinkörper zu erkennen und anzunehmen, um so seine volle Heilkraft entfalten zu können. Das was dann jedoch geschah, hatte nichts mit irgendeinem Seminar, Ritual oder Treffen zu tun, das Heiko jemals in der wachen Welt erlebt hatte.

Wolf bereitete das Ritual vor, indem er lauter Schlangen in den Raum ließ. Unterschiedlichste Schlangen von überall auf der Welt, vom Amazonasgebiet bis Australien und Afrika. Es waren Giftschlangen dabei, wie Vipern und Kobras, aber auch viele ungiftige Natternarten und Trugschlangen. Heikos Blick viel auf eine der Nattern und blieb sofort bei ihr hängen. Sie war etwa so dick wie ein kleiner Finger, hatte einen etwas größeren, länglichen Kopf und große, gelbe Augen mit schwarzen Pupillen. Er erkannte diese Schlange zum einen, weil er sie bereits einige Male in unserem Schlangenführer betrachtet hatte. Zum anderen kannte er sie aber auch aus seinen Visionsträumen. Und genau das ließ ihn so sehr erschrecken und führte dazu, dass die Schlange ihn so sehr in ihren Bann zog. Er wusste sofort, dass sie eine wichtige Rolle spielte, denn er hatte nicht nur einmal von ihr geträumt, sondern gleich vier mal. Plötzlich wurde Heiko bewusst, dass er von den Schlangen im Raum regelrecht belagert wurde. Sie interessierten sich für niemanden sonst, nur für ihn. Er wich ein wenig zurück, doch ehe er auch nur wusste, wie ihm geschah hatte ihn die gelbäugige Natter bereits in die Hüfte gebissen. Es war jene Hüfte, die ihm auch in der wachen Welt schon seit zwei Jahren immer wieder Schmerzen bereitete. Er wusste zwar, dass sie ungiftig war und geriet deshalb nicht in Panik oder Todesangst, aber loswerden wollte er die Schlange trotzdem. Er versuchte, sie mit einem Kissen abzuwehren und als das nichts half, griff er zu allem was er finden konnte, um die Schlange irgendwie wieder von seiner Hüfte zu lösen. Doch es half nichts, sie wollte einfach nicht weg. Nun begann Wolf, der Mentor auf Heiko zu reagieren. Er kam auf ihn zu und wurde nun ebenfalls gebissen, doch anders als Heiko schien es ihm nicht das geringste auszumachen. Eine Natter biss ihn direkt in die linke Po-Backe, doch er machte sich nichts daraus. „Ok, ich wurde gebissen, aber das ist weder schlimm noch unnatürlich!“ Heiko konnte diese Haltung nicht begreifen. Wie konnte er das nur so gelassen hinnehmen, während er selbst in vollkommener Aufruhr war. Die Gelassenheit seines Mentors steigerte den eigenen Aufruhr sogar noch weiter.

Bei all den Gedanken an die Natter in seiner Hüfte und die Gelassenheit seines Mentors merkte er nicht, dass ihn bereits die nächste Schlange erreicht hatte. Wieder war es eine Schlange, die er bereits aus einem Traum kannte. Es war eine Korallenschlange mit schwarzen, roten und weißen Streifen. Auch über sie wusste Heiko einiges aus den Schlangenbüchern, doch dieses Mal beruhigte er ihn weniger. Eine Schlange dieser Musterung konnte eine giftige Korallenviper sein aber ebenso gut auch eine ungiftige Trugschlange, die bewusst das Aussehen der Viper imitierte, um mögliche Feinde abzuschrecken. Um welche handelte es sich nun? War sie harmlos oder konnte ein Biss von ihr ihn töten? Dieses Mal stieg die Panik in ihm auf und als nun auch diese Schlange zubiss, tickte er regelrecht aus. Doch die Korallenschlange war nicht die einzige, die sich an seinem Körper befand. Direkt unter seiner Kleidung kroch eine weitere Viper an seinem Körper nach oben. Es war eine riesige Schlange, die er jedoch nicht genauer identifizieren konnte, da sie sich ja unter seiner Kleidung befand. Sie hatte bereits fast seinen Hals erreicht, als Wolf nun doch in die Situation eingriff. „So kann es nicht weiter gehen! Das ist zu gefährlich! Wenn diese Schlange dich auch noch beißt, könntest du innerhalb von Sekunden sterben!“ Mit diesen Worten zog er zunächst die Korallenschlange und dann die große Viper von Heikos Körper weg. „Das Ritual ist zu wichtig und wir können nicht zulassen, dass es aufgrund eines Todesfalls nicht stattfinden kann!“ erklärte er sein Eingreifen. Nun folgte das eigentlich Ritual, bei dem es darum ging, den Medizinkörper zu erhalten. In Heiko kam nun eine große Unsicherheit auf. Kann ich meinen Medizinkörper wirklich bekommen? Oder schaffe ich es nicht?

An dieser Stelle wurde der Traum nun etwas undeutlich. Das Ritual sollte vorbereitet werden und Heiko erinnerte sich später daran, dass sie irgendwie aus dem Raum in ein Tal hinab gestiegen waren. Es war ein langer, weiter Abhang, den man mit einem Schlitten hinunterfahren sollte und von früheren Gruppen waren überall Hindernisse und Lebensmittel versteckt. Wenn man die Hindernisse überwand, kam man an die Nahrung und durfte sie mitnehmen. Dann aber verschwamm dieser Teil des Traumes vollkommen und Heiko war sich im Nachhinein nicht einmal sicher, ob die Rodelpiste überhaupt etwas mit dem Rest des Traumes zu tun hatte. War es vielleicht ein ganz anderer Traum gewesen, den er zuvor in der Nacht hatte und der sich hier nun mit hineinschmuggeln wollte? Er erinnerte sich jedoch noch sehr deutlich daran, dass er den Raum mit den Schlangen und dem Ritual alleine verließ, da er das Gefühl hatte, Zeit für sich selbst zu brauchen. Er ging ein bisschen Spazieren und bemerkte unvermittelt, dass sich vieles in ihm veränderte. Er schaute auf seine linke Hand und sah, dass sie sich in eine Art Klumphand verwandelte. Er hatte kaum noch Finger und die Hand selbst nahm eine spitze, konische Form an, ein wenig wie ein Kegel. Sofort wurde ihm klar, dass er auch dies bereits zuvor in einem Traum gesehen hatte.

Er ging weiter und kam an ein Dach, an dem er nun die große Viper wieder sah, die zuvor auf seinen Hals zugekrochen war. Nun aber war es ihr selbst an den Kragen gegangen, denn jemand hatte ihr den Kopf abgeschlagen. Auch diese Szene kannte er aus einem Visionstraum und er erinnerte sich daran, dass ihn der Anblick bereits im Traum schockiert hatte. Es war nicht einfach ein Prophezeiungstraum gewesen, sondern sondern ein Alptraum, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Als er seinen Blick von der toten Schlange abwandte erschrak er sofort wieder aufs Neue. Vor ihm lag ein Haus mit einer Treppe, die er ebenfalls aus einem Traum kannte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, denn er wusste, dass dies ein bedeutungsvoller Ort war, an dem nun etwas wichtiges passieren würde? Die Frage war nur: „Was?“

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Manchmal muss man ein Ritual durchführen und manchmal kommt es ganz von alleine, während man schläft.

Höhenmeter: 330 m Tagesetappe: 15 km Gesamtstrecke: 20.599,27 km Wetter: sonnig und nachmittags sogar schon sommerlich Etappenziel: Mehrzweckraum der Gemeinde, 31580 Villeneuve-Lécussan, Frankreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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