Gespräch mit dem eigenen Rücken

von Franz Bujor
15.11.2017 16:11 Uhr

Lektion 13: Innere Klärung und Gespräch mit dem eigenen Rücken.

Lieber Rücken,

es tut mir leid, dass ich dich einfach so überfallen habe, ohne überhaupt jemals mit dir zu sprechen oder mich in dich hinein zu fühlen. Seit Tagen wirst du nun mit Nadeln gestochen, die Farbe unter deine Haut bringen sollen, von der du nicht einmal weißt, ob du sie dort wirklich haben willst. Wie solltest du dies auch, wo ich doch mein ganzes Leben lang eine strikte Abneigung gegen Tattoos hatte und habe immer gesagt habe, dass ich niemals eines haben möchte. Es muss verwirrend für dich sein, dass du nun trotzdem eines bekommst und dies auch noch auf eine so ungewöhnliche Art und Weise. Vor allem da du spürst, dass auch in mir noch viel Unsicherheit ist und es einige Stimmen gibt, die sich mit aller Macht gegen das Tattoo sträuben. Für mich war der Gedanke am Anfang auch sehr fremd und ich habe sicher noch immer nicht alles verstanden, was es hier zu verstehen gibt. Und doch fühlt es sich inzwischen richtig und kraftvoll an, dieses Tattoo zu bekommen. Ich spüre immer mehr, dass es ein Teil von mir ist und dass die Abneigung, die ich dagegen hatte nicht von mir selbst kam, sondern bewusst erzeugt wurde, gerade um mich von diesem wichtigen Schritt abzuhalten.

 
Warum also bekommst du ein Tattoo?
Franz auf neuen Wegen

Franz auf neuen Wegen

Das, was hier auf meinem Rücken entsteht ist nicht einfach ein Bild, das ich trage, weil ich glaube dadurch besser auszusehen oder männlicher zu wirken. (Ok, es gab eine Phase, in der ich genau das dachte, aber ich habe inzwischen kapiert, dass es darum nicht geht und auch nicht gehen kann) Das Tattoo ist ein rituelles Kraft- und Schutztattoo durch dass ich mich für meinen Medizinkörper eröffnen kann, dass mir hilft, die Verbindung zu meinen Krafttieren auszubauen, und dass mir als Ankerpunkt dient um mich immer wieder daran zu erinnern, wer ich wirklich bin. Gleichzeitig ist es ein Schutz vor den Kordeln des Verwirrers, durch die ich mich so lange habe steuern und lenken lassen. Das Ritual, mit dem wir dieses Tattoo nun stechen ist ein Schritt auf dem Weg in mein Gottbewusstsein, also ein Schritt aus der Welt der lebenden Toten hinaus in ein bewusstes, präsentes und aktives Leben.

Was heißt das genau?
Durch das rituelle Tätowieren wird die ganze Kraft des Medizinrades in das Tattoo gelegt.

Durch das rituelle Tätowieren wird die ganze Kraft des Medizinrades in das Tattoo gelegt.

Das Tattoo besteht aus mehreren Teilen, die alle ihre ganz eigenen Bedeutungen, Kräfte und Qualitäten haben. Gemeinsam bilden sie die Krafttiere des Medizinrades und verkörpern so die Ganzheit, also das Eins-Sein von allem. Alles ist eins! Diesen Satz habe ich oft gehört, oft gesagt und oft geschrieben und ich habe ihn zum Teil verstanden. Aber ich fühle es noch immer nur zu einem winzigen Teil und falle stets in den Glauben zurück, ein einzelnes, getrenntes Wesen zu sein. Noch immer hänge ich an dem Konzept, dass ich dieser Tobias bin, der mir viele Jahre lang in „Filmen“ gezeigt wurde. Das Medizinrad auf meinem Rücken hilft mir nun dabei, mich immer wieder daran zu erinnern, dass alles eins ist und dass ich nicht getrennt bin. Ich bin Gott, ich bin der Adler, ich bin der Bär, ich bin der Wolf, ich bin der Büffel, ich bin der Osten, der Süden, der Westen und der Norden. Nun darf ich lernen, dies nicht nur als Information in meinem Schädel herumzutragen, sondern wirklich zu wissen, zu fühlen und zu leben. Das Tattoo ist also ein Ankerpunkt und eine Unterstützung dabei, meinen Fokus zu finden und zu halten.

Der Bereich zwischen den Schulterblättern ist unser blinder Fleck. Hier sind wir am Anfälligsten.

Der Bereich zwischen den Schulterblättern ist unser blinder Fleck. Hier sind wir am Anfälligsten. Designed by kjpargeter / Freepik

Gleichzeitig ist es aber auch ein Schutztattoo, das sich genau auf meinem blinden Fleck der höchsten Unaufmerksamkeit befindet. Aufmerksamkeit ist, wie du ja weißt, ohnehin schon mein Thema und der Bereich zwischen den Schulterblättern ist der Bereich, in dem sie am niedrigsten ist. Dadurch ist es hier am leichtesten, energetische Kordeln andocken zu lassen, die mich manipulieren, lenken und steuern. Hier sitzen noch immer Kordeln zu meiner Mutter, oder besser du dem Konzept von ihr, dass ich selbst in meinem Kopf trage. Ich kann noch immer nicht frei und noch immer nicht ich sein, weil ich in so vielen Bereichen diese Kordeln nicht loslassen kann. Somit werde ich immer noch hin und her geworfen, wodurch ich meinen Fokus und meinen Weg stetig wieder verliere. Ich bin noch immer auf vielfältige Weise mit den alten Filmen der Irrealität verbunden, die mich in der Idee festhalten, Tobias zu sein. Das Ritual des Tätowierens hilft auch dabei, diese Schnüre herauszuziehen und zu trennen, um in meine Freiheit zu kommen und ganz ich zu werden. Nur so kann ich auch ins Erschaffen kommen und wirklich hilfreich werden. Das Tattoo selbst wird mich durch die Krafttiere, die von nun an meinen Rücken bewachen vor neuen ungewollten Schnüren schützen.

Die Flügel auf meinen Schulterblättern verbinden mich nach oben, zur kosmischen Kraft, zur oberen Welt und zur Freiheit. Sie verbinden mich mit der Medizin des Adlers, die ich nun immer mehr für Heilungen nutzen kann. Sie geben mir die Freiheit zurück, von der ich schon immer Träume und die ich mir aufgrund meiner Glaubenssätze durch die Filme selbst verwehre. Die gleiche Kraft liegt auch in der blauen Farbe, die meiner eigentlichen, wahren Augenfarbe entspricht. Jedes Kind wird mit blauen Augen geboren, die zeigen, dass es vollkommen Frei und im Gottbewusstsein ist. Wer sich diese innere Freiheit erhalten kann, der behält auch seine blauen Augen. Meine hingegen färbten sich fast umgehend braun, da ich die innere Freiheit sofort verloren habe. Nun wird sie durch das Tattoo und die blaue Farbe wiedererweckt.

Jeder Stick trägt nicht nur die Farbe sondern auch die Kraft der Urenergie unter die Haut.

Jeder Stick trägt nicht nur die Farbe sondern auch die Kraft der Urenergie unter die Haut.

Zwischen den Flügeln befinden sich die Köpfe des Adlers, die die Kraft seiner scharfen und wachsamen Sinne in sich tragen. Mit diesen Sinnen wachen sie über mich und helfen mir gleichzeitig dabei, meine eigenen Sinne soweit zu stärken und zu schärfen, dass auch ich wieder einen Adlerblick bekommen kann. Denn der Adler besitzt beides, die Fähigkeit jedes einzelne Detail genaustens wahrzunehmen, wie auch stets den Überblick über das große Ganze und alle Verknüpfungspunkte und Zusammenhänge zu wahren.

Genau in der Mitte zwischen den beiden Adlerköpfen befindet sich das dritte Auge. Es liegt genau im Bereich der Beziehungswirbel, so dass es darüber wachen kann, welche Beziehungskordeln andocken dürfen und welche nicht. Als Sitz der Intuition und des Hellsehens hilft es mir dabei, meine eigene Intuition und meine mentalen Sinne wieder zu aktivieren und auf sie zu vertrauen. Es ist außerdem der letzte Punkt des Tattoos, der gestochen wird und mit dem das ganze Tattoo aktiviert wird, so dass es seine Kraft und seine Lebendigkeit erhält.

Unterhalb der Adler, ganz im Zentrum des Tattoos befindet sich der Kopf des Bären, meines persönlichen Krafttieres, dessen Medizin meiner eigenen am nächsten kommt und mit dem ich theoretisch die stärkste Verbindung hätte. Wenn ich denn überhaupt schon eine Verbindung hätte. Das Gesicht verkörpert außerdem sämtliche physischen Sinne, die ich noch schulen und trainieren darf, um ganz in meine Präsenz zu kommen. Die Zunge ist dabei sowohl die Verbindung zum Geschmackssinn, als auch das Zeichen der Maori für Kraft und Stärke. Die Zähne hingegen stehten für die Fähigkeit, sich auszudrücken und zu sich zu stehen.

In der Mitte des Rückens befindet sich eines der größten Kraftzentr

In der Mitte des Rückens befindet sich eines der größten Kraftzentren unseres Körpers. Designed by kjpargeter / Freepik

Zu beiden Seiten des Bären befinden sich die Rabenköpfe, die zugleich Shanias Krafttiere sind und somit unsere Verbundenheit als Herde, wie auch als Spiegel- und Lernpartner verkörpern, die den gleichen Weg gehen und sich daher stets gegenseitig unterstützen können. Bär und Rabe beobachten einander und passen gegenseitig aufeinander auf, da es ihnen stets leichter fällt, die gemeinsamen Lebensthemen im anderen zu erkennen, als in sich selbst. Dadurch können Sie sich gegenseitig immer wieder aus dem Sumpf der Verwirrtheit und der Stagnation ziehen.

Der Rabe ist zudem einer der intelligentesten Vögel der Welt und besitzt einen umfangreichen und ausgeklügelten Wortschatz mit dem er präziser und klarer kommunizieren kann, als nahezu jedes andere Wesen. Mit dieser Kraft hilft er uns dabei, unsere eigene Klarheit zu finden und unsere Visionen, Gefühle, Ängste, Träume und Gedanken so plastisch und gezielt auszudrücken, dass sie perfekt nachempfunden werden können. Gerade hierbei steckt Shania im Moment mitten in einem Prozess, da ihre Kommunikation vor allem in Bezug auf Gefühlsangelegenheiten ein zentrales Thema bei ihr ist. Irgendetwas blockiert sie hier, so dass sie sich nahezu nicht ausdrücken kann.

Unterhalb des Bärenkopfes befindet sich sein Körper mit dem Herzen als zentralsten Punkt. Es befindet sich genau im Zentrum des Tattoos und bildet so die siebte, innere Himmelsrichtung des Medizinrades. Umgeben ist es von den Pfoten, bzw. Tatzen des Bären, die zugleich Wolfstatzen und Coyotetatzen sind. Als solche verkörpern sie zum einen das dritte Tier des Medizinrades und zugleich Heikos Krafttiere. Wie die Raben stellen also auch sie die Verbindung zur Herde her, allerdings auch eine andere Art und Weise. Der Wolf und der Coyote sind genau wie Heiko selbst Mentoren, die sich auf dem gleichen Weg ein Stück weiter vorne befinden und einem so Helfen können, die Richtung nicht zu verlieren. Dass Wolf und Coyote durch ihre Füße präsent sind, zeigt, dass der Fokus hier auf dem Voranschreiten liegt. Sie sind die Wächter der Wandlung und des permanenten Vorankommens auf dem Lebensweg.

Um Erfolgreich zu sein, müssen wir auch mit unserem Körper kommunizieren und ein gutes Verhältnis pflegen.

Um Erfolgreich zu sein, müssen wir auch mit unserem Körper kommunizieren und ein gutes Verhältnis pflegen. Designed by kjpargeter / Freepik

Der unterste Teil des Tattoos verkörpert den Büffel, der zum einen für Gelassenheit, Hingabe und Annahme steht und zum anderen für die Verbindung zu Mutter Erde, die sich den Menschen in Form der weißen Büffelkalbsfrau offenbarte. Zwischen den Augen des Büffels befindet sich ein Ankerpunkt, der zum Einen die Verbindung zur Erde manifestiert und zum anderen für Halt und inneres Gleichgewicht sorgt.

Somit verkörpert das Tattoo alle zentralen Verbindungen nach innen und außen, sowie das Bewusstsein darüber das alles eins und alles mit einander verbunden ist. Denn letztlich sind all diese Symbole, Wesen und Manifestationen nur Teile eines einzigen, in sich geschlossenen Gesamtbildes.

Obwohl alles eine Balance ergibt, ist das Tattoo jedoch nicht vollkommen symmetrisch, sondern leicht verschoben, so dass eine lebendige Dymanik entsteht, die mir dabei hilft, die tote Scheinharmonie aus meinen Kindheitsfilmen abzulegen und in meine Lebendigkeit zu kommen.

Dies alles ist, soweit ich es bislang erkannt habe, die Heilkraft, die in meinem Tattoo liegt und der Grund dafür, warum es ein Teil von mir ist.

Höhenmeter: 430 m

Tagesetappe: 38 km

Gesamtstrecke: 23.541,27 km

Wetter: überwiegend trocken und windig

Etappenziel: Gemeindehalle, Kinloch Rannoch, Schottland

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

 
Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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