Tag 589: Survival-TV

von Heiko Gärtner
12.08.2015 19:35 Uhr

Njemac Familie lud uns sogar für den nächsten Morgen zum Frühstück ein, so dass wir gleich gestärkt in den Tag starten konnten. Wir schafften es sogar, vollkommen im Zeitplan aufzubrechen und mussten diesmal nicht auf Paulina warten. Es zeigten sich also bereits jetzt deutliche Fortschritte.

Dafür fiel uns jedoch ein anderes Thema auf, das sie begleitete. Sie hatte sich von zuhause eine starke Sonnencreme mitgebracht, die sie sich vor einigen Jahren gekauft hatte. Letztes Jahr hatte sie unsere Berichte zum Thema Sonnenschutz gelesen und auch bei ihrer Ankunft hatten wir darüber gesprochen, dass die chemische Schutzmilch nicht gerade förderlich war. Ihr war vollkommen bewusst, dass sie ihrer Haut damit schadete und doch verwendete sie die Creme weiter. Warum? Als wir ihr diese Frage stellten, sagte sie, sie müsse sie doch noch aufbrauchen. Immerhin könne man etwas, für das man einmal Geld bezahlt habe ja nicht einfach wegwerfen.

Es war ein kleines, banales Beispiel, doch es steckte auch wieder viel mehr darin, als man hätte vermuten können. Es war das Grundmuster des Nicht-Loslassen-Könnens, dass sie in so vielen Bereichen begleitete. Dahinter steckte der folgende Glaubenssatz: „Lieber schädige ich mir selbst, als dass ich etwas verschwende, loslasse oder wegwerfe, für das ich einmal Geld bezahlt oder in das ich Arbeit investiert habe. Das beginnt bei einer einfachen Sonnencreme, reicht aber hin bis zu wirklich großen Lebensentscheidungen. Nicht nur bei Paulina, sondern bei vielen Menschen.

Ich kann mich doch nicht einfach von meinem Freund trennen, denn ich habe so viel in die Beziehung investiert. Klar weiß ich, dass es mir schadet, aber das allein ist doch kein Grund dafür es aufzugeben!

Klar wollte ich diese Ausbildung nie machen, aber jetzt wo ich sie abgeschlossen habe muss ich auch in dem Job arbeiten, denn sonst wäre ja alles umsonst gewesen.

Natürlich weiß ich, dass es keinen Zweck hat, auf diesem Weg noch weiter nach einem Schlafplatz zu suchen, aber jetzt bin ich ihn schon so weit gegangen, jetzt muss ich noch weiter und zumindest eine Absage bekommen, um mich nicht zu ärgern.

Ja, das Haus in dem ich lebe liegt an einer beschissenen Stelle, direkt neben der Autobahn und ich kann keine Nacht mehr schlafen, aber es ist das Haus meiner Eltern und ich kann es nicht einfach aufgeben.

Die Liste mit Beispielen ist endlos. Jeder kennt sicher ähnliche Situationen, in denen er sich selbst schadet, weil er glaubt, etwas nicht loslassen zu können. Es ist das gleiche Prinzip, das auch dazu führt, dass sämtliche Bösewichte bei Indiana Jones am Ende immer sterben. Sie sehen den Schatz, für dessen Entdeckung sie so viel tun mussten und sie wissen, dass sie sterben werden, wenn sie ihn wirklich mitnehmen wollen. Doch sie können ihn nicht loslassen.

Lustiger Weise habe ich diese Lektion das erste Mal beim Poker-Spielen gelernt, denn hier ist die Fähigkeit des Loslassens eine Eigenschaft, die einen guten von einem schlechten Spieler unterscheidet. Solange man schlechte Karten auf der Hand hat, gibt es meist kein Problem. Man weiß, man kann damit keinen Blumentopf gewinnen und schmeißt sie weg. Schwierig wird es, wenn man gute Karten hat. Denn damit wagt man sich nach vorne und setzt möglicherweise einen ganzen Haufen Kohle. Irgendwann aber kommt dann der Punkt, an dem es darum geht, sich zu fragen ob man einfach nur gute, oder wirklich die besten Karten im Spiel hat. Und genau hier liegt die Gefahr. Denn wenn man weiß, oder sich zumindest sehr sicher ist, dass man nicht die besten Karten hat, dann könnte man theoretisch einfach aussteigen. Doch dazu müsste man alle Chips, die man bereits gesetzt hat, zusammen mit der verschwindend kleinen Hoffnung auf einen Sieg loslassen. Wenn man das kann, hat man zwar einen Teil verloren, konnte sich jedoch retten. Hält man jedoch an seinem Blatt fest, weil man bereits zu viel investiert hat um nun einfach aufzugeben, verliert man alles und ist aus dem Spiel.

Unsere Wanderung führte uns auch heute weiter am Fluss entlang, bis wir in ein kleines Dorf kamen, in dem es eine Kirche gab. Den Pfarrer trafen wir in seinem Garten beim Kaffeetrinken mit einer benachbarten Familie. Er selbst hatte keine Räume, die er uns zur Verfügung stellen konnte, doch er holte sich für uns die Genehmigung ein, in der alten Schule zu übernachten. Von außen und von der Straße aus war das Haus gerade schön renoviert worden, so dass die Fassade sehr gut über den tatsächlichen Zustand des Gebäudes hinwegtäuschte. Die Rückseite und vor allem der Innenraum waren komplett verfallen und schäbig, so dass sie kaum Nutzbar waren. Sogar der Strom war abgedreht worden. Viele Vorteile gegenüber einer Wiese für unser Zelt bot es also nicht, aber immerhin konnten wir in der gegenüberliegenden Bar unsere Laptops aufladen. Außerdem war es schattig, einigermaßen kühl und wir brauchten einmal nicht unsere Zelte aufbauen. Deshalb nahmen wir das Angebot schließlich doch an. In unserem Schlafraum begannen wir dann auch mit unserer ersten Trainingsstunde für den Muskelaufbau. Zumindest der ersten ohne Geräte. Anschließend machten wir uns wieder an die Arbeit, um mit den Tagesberichten und den anderen Texten voranzukommen. Paulina hatte sich nun dafür entschieden, zunächst keine Tagesberichte zu verfassen, weil sie noch nicht bereit war, über sich selbst und über ihre Gefühle zu schreiben. Die Angst, was andere von ihr denken würden, wenn sie das lasen war einfach noch zu groß. Stattdessen widmete sie sich anderen Themen, die sie interessierten und über die sie etwas lernen wollte. Heute war zunächst einmal Orientierung an der Reihe.

Am kommenden Morgen war der Himmel bewölkt. Zunächst erzeugten die dicken Wolken eine friedliche, ruhige und leicht mystische Stimmung, dann erzeugten sie Regen. Und wie immer in dieser Region meinte es der Regen ernst. Es regnete nicht oft, aber wenn es hier regnete, dann regnete es richtig. Nach kurzer Zeit waren Heiko und ich wieder einmal vollkommen durchnässt. Nur Paulina blieb einigermaßen trocken, denn ihre Regenkleidung war ja gut eineinhalb Jahre neuer als unsere. Dafür hatte sie nach nur wenigen Metern komplett nasse Füße, was aber kein Wunder war, da sie Sandalen trug.

Ich selbst hatte mich inzwischen daran gewöhnt, aber Paulina war vollkommen überrascht, als sie feststellen musste, dass die Menschen uns heute weitaus weniger freundlich und hilfsbereit begegneten, als an sonnigen Tagen. Es war eine Art Hilfsbereitschafts-Regel, die nichts mit einem Land oder einer Region zu tun hatte. Je schlechter das Wetter war, desto weniger waren Menschen bereit einem zu helfen. Das galt sowohl für Essenspenden als auch für Übernachtungsmöglichkeiten. Vor allem der Pfarrer in dem kleinen Ort war so unfreundlich, dass Paulina ihn am liebsten vermöbelt hätte. Ich konnte das sehr gut nachvollziehen und ohne ihr Dabeisein wäre es mir sicher ähnlich gegangen. Doch irgendwie schien es mir wohl zu reichen, dass sie sich aufregte und so hatte ich das Gefühl gar nicht mehr. Zumindest deutlich geringer.

„Ich hätte eigentlich gedacht, dass es genau anders herum ist!“ sagte Paulina verwirrt. „Wenn ich hätte raten sollen hätte ich gesagt, dass einem die Menschen gerade dann weiterhelfen wenn es kalt und ungemütlich ist und einen eher bei strahlendem Sonnenschein abweisen, weil man dann ja sagen kann, dass man bestimmt auch so durchkommt.“

Warum es genau andersherum war, wusste ich auch nicht. Ich kann es mir nur so erklären, dass die meisten Menschen bei Sonnenschein eine bessere Grundstimmung haben und daher auch offener, hilfsbereiter und freundlicher sind. Irgendwann einmal habe ich einen Bericht gesehen, in dem ein Reporterteam die Hilfsbereitschaft von Menschen getestet hat. Dazu wurden Schauspieler engagiert, die vor den Passanten stürzten oder eine volle Einkaufstasche fallen ließen. In einem zweiten Versuch passierte das selbe, nur dass dieses Mal Münzen oder Geldscheine versteckt wurden, die die Passanten fanden, bevor sie auf den Hilfsbedürftigen trafen. Dabei kam heraus, dass die Bereitschaft einem anderen Menschen zu helfen, mehr als doppelt so hoch war, wenn einem selbst zuvor etwas positives passiert war. Dabei war es vollkommen egal, wie viel Geld die Menschen fanden. Es reichte ein einziger Cent. Wichtig war nur, dass sie sich darüber freuten und das Gefühl hatten, dass heute ein guter Tag für sie war. Wurden sie jedoch zuvor angerempelt, nahm man ihnen die Vorfahrt oder maulte sie aus irgendeinem Grund an, so sank die Hilfsbereitschaft ins Bodenlose.

So paradox die Wirkung für einen Hilfesuchenden dabei auch ist, das Wetter scheint den gleichen Einfluss auf uns zu haben.

Doch auch das schlechteste Wetter hält natürlich nicht jeden davon ab, einen zu unterstützen und so bekamen wir auch heute einige Essenspenden. Das letzte Haus, bei dem Paulina und ich fragten gehörte einer älteren Dame, die uns gleich zum Mittagessen einlud. Eigentlich hatten wir beschlossen, derartige Einladungen nicht mehr anzunehmen, weil sich meist herausstellte, dass sie nicht wirklich angenehm waren, doch wir schafften es nicht, ihr klarzumachen, dass wir lieber eine Kleinigkeit für den Weg hätten. Außerdem wirkte sie nett und sie war alleine in einem ruhigen Raum. Genzugenommen sprach also nichts dagegen. Wir kehrten daher zu unserem Ausgangsort zurück und holten Heiko um die Frau gemeinsam zu besuchen. In unserer Abwesenheit hatte sich die Situation jedoch etwas verändert. Außer der Frau waren nun auch noch ihr Mann, ihr Vater und ihr Sohn anwesend, von denen leider ebenfalls keiner Englisch sprach. Dafür aber schaltete der Sohn sofort den Fernseher ein um uns eine angemessene Unterhaltung zu bieten. Der Opa hingegen setzte sich uns gegenüber an den Tisch und begann uns Fragen auf Serbisch zu stellen, wobei er stets bemüht war, den Fernseher zu übertönen. Bevor das Essen fertig war, klingelte es drei Mal an der Tür und jedes Mal kamen weitere Gäste. Nachbarn, Verwandte, Freunde. Alle waren informiert worden, dass hier drei Fremde im Haus waren, die man begutachten konnte. Einer der Gäste war ein Herr, der sich etwa im gleichen Alter befand, wie der Vater der Gastgeberin. Er nahm nun den Platz des Opas ein und begann sofort damit, noch einmal exakt die gleichen Fragen zu stellen, wie sein Vorgänger. Nur eine stufe lauter. Als wir schließlich das Essen bekamen, waren quetschten sich zehn Menschen in den kleinen Raum, von denen niemand wirklich mit uns sprechen konnte. Keiner konnte etwas erzählen, keiner konnte Fragen stellen, die über das „Wer?“ „woher?“ „wohin?“ „wie lange?“ und „wie alt?“ hinausgingen. Niemand konnte das Eis brechen und somit wusste niemand etwas mit sich anzufangen. Keiner der Anwesenden fühlte sich wohl und jeder saß peinlich berührt auf seinem Platz, knabberte an den Fingernägeln, spielte sich im Haar und starte entweder auf den Boden oder auf den Fernseher. Uns eingeschlossen. Letztlich war es dann auch die Glotze, die uns alle auf eine gewisse Weise miteinander verband. Denn der Bildschirm zeigte den Discovery-Channel, der in Englisch mit serbischen Untertiteln ausgestrahlt wurde. Er war also der einzige, den jeder im Raum verstehen konnte.

Tatsächlich war das Programm gar nicht mal so uninteressant. Es lief eine Dokumentation über zwei Survival-Experten, die mit dem Flugzeug auf einer einsamen Karibik-Insel gestrandet waren und daraus aus irgendeinem Grund einen riesigen Stress machten. Die Insel war der absolute Traum. es gab strahlend weiße Sandstrände mit türkisblauem Wasser in denen es vor Fischen nur so wimmelte. Es gab Kokospalmen, Papaya, Mangos und weiß der Geier nicht noch was für großartige Südfrüchte. Außerdem gab es eine Süßwasserquelle, die man mehrfach im Bild sehen konnte. Doch all das wurde von den Überlebenskünstlern natürlich ignoriert. Zunächst versuchten sie sich eine Destilationsanlage zu bauen, mit dem sie das Meerwasser entsalzen konnten. Dazu köpften sie einen Feuerlöscher, der das glücklicherweise hinnahm, ohne dabei zu explodieren. Anschließend schlossen sie daran einen Schlauch, der wiederum in ein anderes Behältnis führte. Nun war der Plan, dass sie mit einem Feuer, das Wasser in der Flasche erhitzten, um es so zu verdampfen. Nur bekamen sie leider kein Feuer an. Zunächst versuchten sie es mit einem Handdrill-Set, das sie sich aus dem Holz von toten Palmenwedeln herstellten. Diese Idee ist übrigens wirklich nicht verkehrt, denn das Holz in der Mitte der Wedel, von dem dann das grüne Blätterzeug abgeht ist tatsächlich nicht zu hart und gleichzeitig stabil genug um daraus einen guten Bohrer und ein Bohrbrett zu erstellen. Handdrill ist allerdings die absolute Königsdisziplin des Feuermachens und erfordert einiges an Übung, an Geschick und an innerer Ausgeglichenheit. Es war also eine durchaus realistische Darstellung, dass die beiden mit dem Versuch scheiterten. Ihre nächste Idee war es, ein Bow-Drill-Set zu erstellen, also ein Feuerbohrset bei dem man den Bohrer nicht mit den Händen sondern mit einem Bogen antreibt. Dafür braucht man nicht nur einen Bogen, sondern auch ein Handstück, mit dem man von oben Druck auf den Bohrer ausüben kann. Im Prinzip eignet sich dafür jedes feuchte Hartholz oder jeder Stein, der eine kleine Mulde hat, in der der Bohrer Halt findet. Nicht jedoch in diesem Fernsehbericht. Hier musste einer der beiden Männer sein Leben riskieren um noch einmal in das gesunkene Flugzeugwrack zu tauchen, denn nur dort konnte er das Rad eines Essenwagens finden, das allein als Handstück geeignet war. Mit diesem Handstück schafften es die beiden, eine Menge Rauch zu erzeugen, brachten aber noch immer kein Feuer an. Damit scheiterte der Plan, das Meerwasser zu entsalzen und sie setzten sich erst einmal mit einer reifen Mango an den Strand um sich eine neue Strategie zu überlegen. Immerhin war es auf diese Weise nicht mehr so tragisch, dass sie ihren Feuerlöscher zerstört hatten, denn den brauchten sie ja eh nicht.

Was uns an dem Bericht am meisten Faszinierte war die Art, wie das Thema Wildnis und Survival in den Medien dargestellt wurde. Die beiden Männer hatten sicher einiges drauf und verfügten ohne jede Frage über eine Menge Wissen. Doch sie durften es nicht zeigen. Es wurde nichts gezeigt, das einem Menschen in einer ähnlichen Lage irgendwie weiterhelfen konnte. Im Gegenteil! Wenn sich jemand diese Sendung wirklich zu Herzen nahm, dann stiegen damit seine Chancen, dass er in einer ähnlichen Situation mitten im Reichtum des Paradieses ertrank, verhungerte oder verdurstete. Warum konnte man in einer solchen Sendung nicht etwas zeigen, das wirklich funktionierte? Bei unseren eigenen Dokumentationen, die wir für Fernsehsender gemacht hatten, waren wir im Anschluss oft frustriert gewesen, weil es uns genauso ergangen war. Die Interviews in denen wir wirkliche Informationen vermittelten, wurden gekürzt oder ganz gestrichen, die Situationen wurden meist verfälscht dargestellt und einmal wurde sogar eine völlig neue Story erfunden. Aus einem dreitägigen Überlebenstraining, das wir gemeinsam mit zwei Freunden gemacht hatten wurde am Ende ein romantisches Wochenende für Paare, bei dem sie ihre Liebe auf die Probe der Wildnis stellen sollten. Nur deshalb, weil die beiden wirklich ein Paar waren.

Übersetzt bedeutete Discovery-Channel „Entdeckungs-Sender“ also ein Programm, bei dem man etwas entdecken und erforschen kann, bei dem man also sein Wissen über die Welt und über das Leben erweitert. Jetzt wo wir nach so langer Zeit wieder einmal vor einem Fernseher saßen, fiel uns erst richtig auf, wie sehr dieser Name irreführend war. Denn wirkliche Informationen wurden nicht vermittelt. Es ging nicht darum, jemanden zu bilden um ihm das Leben zu erleichtern. Es ging viel mehr darum, die Zuschauer abzulenken und zu verhindern, dass sie überhaupt ins Leben kamen. In unserer Wildnisschule hatten wir viele Teilnehmer, die Sendungen wie Bear Grylls im Fernsehen gesehen hatten und daher glaubten nun auch wahre Wildnisexperten zu sein. Doch das, was wie eine Dokumentation aussah, war im Endeffekt nichts anderes als ein Spielfilm. Niemand, weder die Darsteller noch die Zuschauer würden in einer echten Überlebenssituation auf diese Weise länger als ein paar Tage überleben. Aber darum geht es ja auch nicht. Es ist nicht das Ziel, den Zuschauern Überlebenstechniken beizubringen, sondern sie in der Sendung leben zu lassen, damit sie vergessen, dass es die Welt dort draußen überhaupt noch gibt.

In unserem Fall vergaßen wir das zwar auch für einen Moment, wurden dann aber wieder sehr schnell daran erinnert, als wir die etwas sonderbare Essenssituation auflösten und wieder hinaus ins Freie traten. Der Regen hatte aufgehört und so konnten wir die Ortschaft trockenen Fußes verlassen und einige hundert Meter dahinter unser Zelt zwischen zwei Maisfeldern aufbauen.

Auch wenn dies nicht der perfekte Ort für einen Reparaturtag war, mussten wir dennoch unseren Werkzeugkoffer auspacken. Denn wie sich herausstellte, war bei Paulinas Bremse, der die nicht zerbrochen war, bereits ein Bremsklötzchen herausgefallen. Nach gerade einmal zwei Wochen war das unerwartet früh. Vielleicht ist doppelseitiges Klebeband doch nicht die Ideallösung um eine Bremse zu fixieren.

Anschließend machte ich mich noch einmal auf den Rückweg in den Ort in der Hoffnung, hier irgendwo eine Bar mit Internet zu finden, damit ich uns für den weiteren Weg eine Strecke heraussuchen konnte. Doch ich hatte leider kein Glück. Eine Barfrau war von meiner Frage sogar so irritiert, dass sie mich aus ihrem Lokal schmiss. Ihre Worte waren nicht direkt an mich, sondern an ihre anderen Gäste gerichtet aber sie waren eindeutig: „Ich verstehe diesen Mann nicht! Es soll hier verschwinden!“

Seit ich 17 war, wurde ich nicht mehr aus einer Bar oder einer Diskothek geworfen und dieses Mal hatte ich nicht einmal versucht mit dem Ausweis eines Freundes hineinzukommen. Uns blieb also nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass wir morgen in Banja Bašta einen Internetzugang bekommen würden, denn dort endete unsere Strecke. So knapp kalkuliert hatten wir lange nicht mehr.

Spruch des Tages: Dein Fernseher lügt!

 

Höhenmeter: 150 m

Tagesetappe: 17 km

Gesamtstrecke: 10.363,27 km

Wetter: sonnig und heiß

Etappenziel: Zeltplatz auf einem Feld, Kokin Brod, Serbien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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