Tag 1061: Wie lernt man Switzerdütsch?

von Heiko Gärtner
28.11.2016 18:24 Uhr

20.11.2016

Nach dem gemeinsamen Frühstück bekamen wir noch einiges an Reiseproviant mit auf den Weg. Darunter auch eine große Tüte mit Trockenfrüchten, von denen wir noch viele Tage lang zehren konnten.

Fahrradweg statt Steilklippen

Walenstadt lag an der östlichen Seite des Walensees, der auf einer Strecke von rund zwanzig Kilometern das komplette Tal ausfüllte. Um auf die andere Seite des Sees zu gelangen gab es nur zwei Wege. Der eine führte rechts in die Berge hinauf und dann über schmale Pässe an den Steilklippen entlang. Zum Wandern bei schönem Wetter und mit leichtem Gepäck war er definitiv die bessere Wahl, doch für uns war es leider nahezu unpassierbar. Aus diesem Grund entschieden wir uns für die zweite Variante, einen Fahrradweg, der am linken Seeufer entlang führte. Der einzige Haken hierbei war, dass auch die Bundesstraße und die Autobahn auf dieser Seeseite verliefen und teilweise mit dem Radweg fast identisch waren.

Kleiner Einwurf: Switzerdütsch lernen für Anfänger

Wir haben gemerkt, dass viele Leser auf diese Seite kommen, weil sie nach Tipps suchen, um das Switzerdütsch zu lernen. Manchmal liest man auch die Schreibweise "Schwyzerdütsch". Wir haben aus dem Grund ein paar Bücher für euch zusammen gestellt, die ich sicher dabei helfen. Weiter unten geht dann aber unser Tagesbericht weiter. Dort erfahrt ihr auch, wie unser Kontakt mit der Sprache der Schweizer verlaufen ist. 😉   template not found: list   Wer mit Büchern überfordert ist und lieber ein Video schaut, um sein Schwitzerdütsch zu verbessern, der wird mit diesem Filmchen hier seinen Spaß haben:
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Zunächst aber war dies noch kein wirkliches Problem. Die Autobahn führte in einen Tunnel, war also außer Hörweite und die Bundesstraße war nur wenig befahren. Es war Sonntag, die Sonne schien und außerdem war gerade Zeit für die Messe. Damit waren drei große Zielgruppen abgedeckt, die nun nicht mit dem Auto fahren konnten. Die einen saßen in der Kirche, die anderen gingen mit dem Hund oder dem Partner spazieren und die dritten lagen noch im Bett und schliefen ihren Rausch von den samstäglichen Partys aus. Eine bessere Zeit konnten wir also kaum erwischen.

Die Schweiz: Eine Nation der Funsportler

Schließlich entdeckten wir sogar noch eine vierte Gruppe von Menschen, die nicht mit dem Auto unterwegs war. Es waren Surfer, die den heftigen Wind nutzten, um sich von ihm über den See treiben zu lassen. Dass gerade die Schweiz so ein Surf- und Tauchparadies war, hatte ich zuvor nicht gedacht, aber es funktionierte ganz hervorragend. Gerade das Tauchen musste hier auch besonders viel Spaß machen, denn so wie die Felsen im Wasser abfielen, war der See locker seine hundert Meter tief. Es dauerte nicht lange, und in den Berghängen um uns herum tauchten auch die ersten Skilifte und Pisten auf.

Dass die Menschen hier in Sachen Sport etwas anders gestrickt waren, als in anderen Regionen der Erde, war also nur logisch. Es wirkte fast, als hätte die Schweiz den Funsport erfunden. Klettern, Surfen, Kiten, Ski- und Snowboardfahren, Mountainbiken, Downhillen, Wandern, Segelfliegen, Paragliden, es gab eigentlich nichts, das man hier nicht machen konnte.

Das Paradies der Ablenkung…

Eigentlich war es also wirklich eine Art Paradies, oder zumindest ein Paradies der Ablenkung. Wenn da nur diese Sache mit den Autobahnen nicht wäre. Auf etwa der Hälfte der Strecke tauschten die beiden Hauptverkehrsadern ihre Plätze. Die Bundesstraße verlief nun in einem Tunnel und die Autobahn führte direkt am Ufer entlang. Von nun an war jedes Wandergefühl dahin und man fühlte sich wieder nur noch wie auf der Flucht.

Am schlimmsten wurde es an den Stellen, an denen die Autobahn in einen Tunnel hinein oder aus einem heraus führte. Denn hier hatte man den Felsen auf der Rückseite zu einer Art Trichter geformt, der den Schall nach vorne auf den See und damit natürlich auch auf den Fahrradweg warf.

Warum man nicht auch das letzte Stück unterhalb des Felsens mit einer Schallschutzwand verschlossen hatte, war uns ein absolutes Rätsel. Es wirkte fast, als wäre die Autobahn an dieser Stelle ganz bewusst genau so gebaut worden, dass sie so viel Schall nach außen abgab, wie es nur möglich war. Wenige hundert Meter weiter gab es einen Badestrand, an den sich im Sommer Einheimische wie Urlaubsgäste zum Entspannen hinlegen sollten. Wie passte dies zusammen?

Unser erster Kontakt mit dem Switzerdütsch

Der erste Ort auf der anderen Seeseite hieß Weesen. Hier trafen wir gleich nach unserer Ankunft auf den Pfarrer der reformierten Kirche. Er war ein fröhlicher kleiner Mann, der gebürtig aus Berlin stammte und in Hessen aufgewachsen war. Dies erklärte, warum wir ihn so gut verstehen konnten. Üblicherweise hatten wir sonst bei Gesprächen mit den Einheimischen nämlich immer recht große Probleme. Das „Hochdeutsch“, das die Menschen hier sprachen, war für mich schon hart an der Grenze, aber wenn sie mit richtigem Switzerdütsch loslegten, war sogar Heiko vollkommen aus dem Rennen.

Der Pfarrer zeigte uns einen Gemeinschaftsraum, der sich direkt unter seiner Kirche befand und wies uns an, die Wagen einfach in der Kirche abzustellen. „Keine Sorge!“ meinte er, „die schaut sich eh nie jemand an!“

Unsere Unterkunft in der Kirche

Tatsächlich war die kleine reformierte Kirche nicht gerade das, was man als spektakulär bezeichnen würde. Sie bestand aus einem eckigen Raum mit schmucklosen, undurchsichtigen Fenstern und einer Kanzel an der Vorderseite. Bilder oder sonstige Verzierungen gab es nicht, da die Erbauer der Kirche der Ansicht waren, dass all dies nur vom Wort Gottes ablenken würde. Aus diesem Grund mussten auch die Fenster milchig sein, damit niemand rausschauen konnte und sich wohl möglich von einem Vogel oder einem Baum ablenken ließ.

Früher hatte es hier nicht einmal ein Kreuz gegeben, da man dies für „zu katholisch“ hielt und mit diesen komischen Katholiken wollte man auf keinen Fall etwas zu tun haben. Dies war auch der Grund dafür, dass es an der Stirnseite der Kirche überhaupt kein Fenster gab. Denn sonst hätte man dahinter nur wieder die katholische Kirche sehen können und das wollte man auf keinen Fall.

Heute arbeiteten die beiden Kirchen jedoch eng miteinander zusammen und die meisten Mitglieder der evangelischen Gemeinde ließen sich in der katholischen Kirche taufen oder trauen. Einfach deshalb, weil diese deutlich schöner und romantischer war. Die evangelische Kirche hingegen wurde eher für Vorträge und Konzerte gebucht, wofür sie auch deutlich besser geeignet war.

Besuch aus Zürich

Am späten Nachmittag bekamen wir noch Besuch von einer langjährigen Freundin von Heiko. Sie lebte nur eine halbe Autostunde von hier entfernt in Zürich und konnte daher recht einfach mit einer Freundin vorbeikommen. Nach einem längeren Spaziergang durch das nächtliche Weesen kochten wir gemeinsam ein Thai-Curry-Gericht mit den Zutaten, die die beiden Frauen mitgebracht hatten. Damit hatten wir seit langem endlich mal wieder ein Gericht, das nicht nur lecker war, sondern auch vollkommen in unserem Ernährungsplan lag.

Spruch des Tages: Ich freue mich schon wieder auf den französischen Teil der Schweiz, denn da verstehe ich die Menschen wenigstens.

Höhenmeter: 40 m Tagesetappe: 8 km Gesamtstrecke: 19.333,27 km Wetter: bewölkt, kalt und windig mit einigen Sonnenflecken Etappenziel: Pilgerzimmer der Kirchengemeinde, 6372 Ennetmoos, Schweiz

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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