Weihnachtsvorbereitungen

von Heiko Gärtner
10.01.2017 02:15 Uhr

23.12.2016

Die Strecke bis zu unserem vororganisierten Schlafplatz war nicht besonders weit, was uns auch sehr gut passte, da wir für Weihnachten noch einiges vorbereiten wollten. Wie bereits im letzten Jahr wollten wir wieder ein Fondue machen und bislang hatten wir noch keine einzige Zutat dafür. Es traf sich also recht gut, dass unser Schlafplatz in einer größeren Ortschaft lag, in der es auch einige Geschäfte gab.

Die Einladung, die uns der Bürgermeister und seine Sekretärin organisiert hatten, galt für eine Kongregation, also eine christliche Gemeinschaft, die ein bisschen wie ein Kloster aufgebaut war. Sie hieß Nazaret und lag einen knappen Kilometer vor dem eigentlichen Stadtzentrum. Als wir eintrafen wurde gerade die Messe gehalten und so gesellten wir uns zunächst einmal dazu. Im Anschluss lernten wir die Brüder, Pfarrer und Nonnen kennen, die hier lebten. Es war eine Kongregation mit mehreren Häusern in Frankreich, Spanien, Afrika und Lateinamerika und in den meisten lebten sowohl Schwestern als auch Brüder. Wir wurden sehr freundlich aufgenommen und hatten gleichzeitig alle Freiheiten die wir brauchten. Nachdem wir eingezogen waren, machten wir uns auf den Weg in die Stadt um unsere Weihnachtsbesorgungen zu machen. Die Schwierigkeit dabei bestand nicht darin, irgendwo etwas passendes geschenkt zu bekommen, sondern die Geduld aufzubringen, in der kilometerlangen Schlange zu warten bis man an der Reihe war, ohne zuvor zu wissen, ob man etwas bekam oder nicht. Es dauerte fast den ganzen Nachmittag, aber am Ende waren wir dann sogar noch besser aufgestellt als im letzten Jahr. Für das große Fest hatten wir 1,5kg Fleisch, einen grünen Salat, einen Couscous-Salat, einen Kartoffelsalat, einen Kürbis, aus dem wir eine Suppe machen konnten und jede Menge Süßkram als Nach- und Vorspeise. Jetzt konnte Weihnachten wirklich kommen!

Für heute waren wir ja ohnehin versorgt, da wir mit den Mönchen gemeinsam zu Mittag und auch zu Abend essen konnten. Beim Essen erfuhren wir noch einige spannende, wenn auch beunruhigende Dinge über die aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Seit den letzten sogenannten „Terroranschlägen“ war es in Frankreich beispielsweise verboten, auf einem Bahngleis zu stehen, wenn man kein gültiges Ticket hatte. Man durfte nicht einmal mehr eine Person vom Zug abholen, sondern musste im Aufenthaltsbereich des Bahnhofs warten, bis sie dort eintraf. Wie man damit Terroristen stoppen wollte war mir jedoch ein Rätsel, denn wenn jemand wirklich die Zeit und die Kosten auf sich nahm, um eine Bombe zu bauen, dann waren die paar Euro mehr für ein Zugticket wohl auch kein Hindernis.

Noch beängstigender war jedoch was uns einer das Brüder über das Kloster selbst erzählte. Vor einigen Wochen hatte hier plötzlich ein Sondereinsatztrupp vor der Tür gestanden und verlangt, dass die Pfarrer ihnen einen genauen Plan mit allen Gebäuden, Räumen, Sälen, Freiflächen, Ein- und Ausgängen, Zufahrtswegen und Lüftungsschächten, sowie deren jeweiligen Verwendungszwecken zur Verfügung stellen. Sie mussten alles bis ins Detail offenlegen. Wo waren die Zimmer von den Patern, wo die der Schwestern, wo waren Gästezimmer und Gemeinschaftsräume? Und so weiter und so fort. Warum das alles?

Es könnte ja sein dass sich durch einen dummen Zufall eine Terrorzelle hier im Kloster einnistet und dann will die Polizei vorbereitet sein, um schnell und gezielt eingreifen zu können. Ein geschickter Schachzug, wenn es einem darum geht, so viele Informationen wie möglich über Menschen und vor allem Gruppierungen zu sammeln. Wäre Hitler damals auf diese Idee gekommen, hätte er nicht so ein großes Problem mit diesen ganzen Querdenkern und Gehorsamsverweigerern gehabt, die immer wieder Staatsfeinde wie Juden oder Homosexuelle bei sich verstecken. Vor allem kleine, unabhängige, soziale Organisationen, die wie unsere Kongregation auch noch international Tätig waren, waren aus dieser Perspektive natürlich gefährlich. Schön zu sehen, dass man aus diesen Fehlern also offenbar gelernt hat, so dass man es nun auch wirklich richtig machen kann, wenn man ein neues totalitäres System aufbauen will. Ich habe keine Ahnung, ob das hier der Plan ist, aber wenn, dann ist es ein geschicktes Vorgehen.

Spruch des Tages: Einmal werden wir noch wach, heißa dann ist Weihnachtstag!

Höhenmeter: 90 m Tagesetappe: 9 km Gesamtstrecke: 19.954,27 km Wetter: leicht bewölkt. Etappenziel: Congregation du Saint Esprit, 26400 Allex, Frankreich

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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