Tag 1099: Feinschmecker oder Zuckerjunkies?

von Heiko Gärtner
16.01.2017 18:22 Uhr

03.01.2016

So ganz stimmt das Frankreich, das wir nun erleben nicht mit unseren Erinnerungen vom ersten Mal überein. Es ist nicht schlecht hier, auf gar keinen Fall! Es gibt wunderschöne und ruhige Wege, kleine nette Ortschaften und tatsächlich auch viele nette Menschen. Aber das Entspannungs- und Schlemmerparadies, das wir uns vorgestellt hatten ist es trotzdem nicht. Es hier sogar bedeutent schwerer an gutes Essen zu kommen als im Balkan. Damit hätten wir nie gerechnet. Frankreich ist zumindest in dieser Region das Land des Zuckers und der Süßigkeiten. Kleine Geschäfte, die man nach Essen fragen könnte gibt es hier so gut wie überhaupt nicht, weshalb in der Regel nur Privatpersonen übrig bleiben. Diese haben aber fast nie irgendwelche Lebensmittel im Haus, aus denen man ein echtes Essen zaubern könnte. Gestern Abend hatte ich gleich drei Mal in etwa die folgende Konversation: „Entschuldigung, haben Sie vielleicht ein bisschen Obst, Gemüse, Brot, Wurst oder Käse für uns?“ „Lass mich überlegen? Äh, Kekse?“

Zucker und Süßigkeiten bekommt man immer, egal wann und wo man ist und häufig sogar dann, wenn man nicht einmal nach irgendetwas fragt. Auffällig ist auch, dass die meisten Menschen kaum noch wirklich zu kochen scheinen. Es gibt Mikrowellen in jedem Haushalt aber keine Speisekammern mit Zutaten aus denen man ein echtes Essen zaubern kann. Normalerweise würde ich ja sagen, jeder soll sich so ernähren wie er will, aber die Französische Küche wurde von der UNESCO sogar zum Weltkulturerbe gekürt. Da ist es doch schon ein bisschen schade, dass selbst hier die Esskultur so sehr verloren geht.

Auch auffällig ist, dass man hier häufig das Gefühl hat, man würde den Menschen etwas wegnehmen, wenn man nach Essen fragt. Dieses Gefühl hatten wir noch nie. Selbst in Moldawien, wo die Menschen finanziell betrachtet wirklich arm waren, hatte es stets ausreichend Nahrung gegeben und man hatte immer gewusst, dass alles in einem Überfluss vorhanden war, der niemals aufgebraucht werden konnte, bevor er verdarb. Hier nun hatten die Menschen zwei bis drei Autos vor der Tür, einen Pool im Garten und einen 70“ Flachbildfernseher im Wohnzimmer und hatten trotzdem das Gefühl, arm zu sein. Nicht selten brauchen wir mehr als sechs oder sieben Haushalte, bei denen wir nach einer Essensspende fragen, um am Ende genug für ein Abendessen zusammen zu haben. Im Balkan reichte meist eine einzige Familie für zwei Tage. Gleichzeitig war es aber auch wieder ein Wahnsinn, was man dafür bekam. Essen kostete hier einfach ein Vermögen. Wenn wir grob überschlugen und alles zusammenzählten, was wir gestern bekommen haben, dann lagen trotzdem knapp zwanzig Euro auf dem Tisch, ohne das wir aber das Gefühl hatten, davon wirklich satt werden zu können. Irgendwie abstrakt oder?

Satt wurden wir dann aber doch, denn wir entdeckten in der Gefriertruhe unserer Chaos-Küche ein halbes Kilo Butter, das wir so wie es war in die Pfanne warfen. Es gab also ein Rührei mit Zwiebeln und Rinderbraten angedünstet in 500g Butter. Man muss sagen, das war mal gehaltvoll und lecker, aber es lag auch die ganze Nacht schwer im Magen. Heute kam zum Sonnenschein ein eiskalter und unbarmherziger Wind hinzu, der das Wandern wieder einmal etwas anspruchsvoller gestaltete. Glücklicherweise verbrachten wir die meiste Zeit der Wanderung in einem schmalen Tal, so dass wir von allen Seiten von Felsen geschützt waren. Erst als wir oben an den Pass kamen wurde es dann wieder ungemütlich.

 

Auch was die Schlafplatzsituation anbelangt muss man sagen, dass es nicht ganz so entspannt und easy ist, wie erhoft. Alle zwei, drei Tage haben wir einen Run, in dem alles schnell und reibungslos funktioniert. Aber dann kommt wieder eine Phase, in denen es sich zieht wie Kaugummi, in denen wir von einem Ort zum nächsten geschickt werden und in dem wir mehr Ausreden zu hören bekommen, als ein Lehrer bei der Hausaufgabenkontrolle. Letztlich klappt es dann natürlich trotzdem immer irgendwie, aber wir schaffen trotzdem bei weitem nicht das, was wir uns eigentlich für die Nachmittage vornehmen.

Spruch des Tages: Kekse, Kekse, KEKSE! (Das Krümelmonster)

Höhenmeter: 190 m Tagesetappe: 24 km Gesamtstrecke: 20.099,27 km Wetter: kalt aber sonnig Etappenziel: Mehrzweckraum der Gemeinde, 30700 Saint-Hipolyte-de-Montaigu, Frankreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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