Tag 1182: Weltweiter Sandbedarf

von Heiko Gärtner
10.05.2017 23:04 Uhr

27.03.2017

Besonders lang hielt die Phase des entspannten Reisens leider nicht an, denn heute war bereits wieder ein Tag, der versuchte unsere Nerven so gut wie möglich zu strapazieren. Das heißt der Tag konnte natürlich nichts dafür und er selbst verhielt sich auch vollkommen normal. Nur die Menschen, mit denen wir heute zu tun hatten, konnten einem schon recht auf die Nerven gehen. Oder wahrer ausgedrückt: Sie spiegelten das, was mich, bzw. uns im Moment am meisten nervte, nämlich das unnötige verplempern von Zeit. Darin war ich eigentlich ja auch ohne die Hilfe von anderen schon recht gut, aber mit ihrer Unterstützung klappte es natürlich gleich noch einmal besser. Von unserer Ferienvilla aus durchwanderten wir zunächst ein äußerst beeindruckendes Sandabbaugebiet, das von kilometerlangen Förderbändern durchzogen war.

Wusstet ihr, dass Sand nach Wasser das meistverbrauchte Wirtschaftsgut der Welt ist? Wenn man an wichtige Rohstoffe denkt, dann kommen einem meist als erstes Öl, Kohle, Eisen, Aluminium oder Gold in den Sinn. Aber an Sand denkt dabei zunächst niemand. Dabei ist es an sich logisch, dass wir ihn in schier unvorstellbaren Mengen brauchen, da er in fast allen Bauprojekten der Welt eine entscheidende Rolle spielt. Hinzu kommt natürlich die Glasproduktion, denn eine herkömmliche Glasflasche besteht zu mehr als 2/3 aus Quarzsand. Alles in allem verbrauchen wir weltweit mehr als 15 Milliarden Tonnen Sand pro Jahr. Das sind knapp eine Milliarde LKW-Ladungen, die irgendwo abgebaut, gewaschen, gelagert, transportiert und verbaut werden. Diese Zahlen sind so groß, dass man sich keine Vorstellung mehr davon machen kann. Deutlicher wird es hingegen, wenn man sich einzelne Bauprojekte unter diesem Aspekt anschaut. Ein einfaches Einfamilienhaus beispielsweise verschlingt bereits 2.000 Tonnen an Sand. Ein größeres Gebäude, wie ein Doppelhaus benötigt rund 3.000 Tonnen. Ein einziger Kilometer Autobahn enthält mehr als 30 Tonnen Sand und in einem Atomkraftwerk, wie wir es vor ein paar Tagen gesehen haben stecken mehr als 12 Millionen Tonnen. Da unsere Bauprojekte immer größer, aufwendiger und häufiger werden steigt der Bedarf an Sand Jahr für Jahr weiter an. Das weltweite Handelsvolumen für den Rohstoff, den wir oft als Wertlos betrachten, da er ja überall einfach herumliegt, beträgt inzwischen bereits 70 Millarden US-Dollar. Könnt ihr euch das vorstellen? Abbaugebiete wie dieses hier machen dabei trotz ihrer beeindruckenden Größe nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtfördermenge aus. Das meiste wird aus Seen, Flüssen und Meeren gewonnen. Allein die Kosten für die Schwimmbagger, die dafür verwendet werden, liegen zwischen 20 und 100 Millionen Euro pro Stück. Nachdem wir das Sandgebiet hinter uns gelassen hatten, kamen wir an die Seine, jener Fluss der durch Paris fließt und einige Kilometer weiter westlich von hier ins Meer mündet. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, war die Seine prädestiniert dafür, Industrie aller Art anzuziehen, wozu natürlich auch unser Sandabbaugebiet gehörte. Demensprechend schwierig war es, einen Angenehmen Weg auf die andere Seite zu finden.

Der erste Ort am Ufer war noch verhältnismäßig klein, bot uns aber leider keine Übernachtungsmöglichkeiten. Dafür wurden wir aber von einem freundlichen Mechaniker auf eine Führung in seine Autowerkstatt eingeladen. Das war tatsächlich weitaus cooler als es im ersten Moment klingen mag, denn er hatte sich ausschließlich auf alte Minis spezialisiert, die er in allen Varianten von überall auf der Welt zusammenkaufte und dann restaurierte. Dabei hatte er seine gesamte Werkstatt im Retro-Stil der fünfziger Jahre eingerichtet. Sogar sein Kühlschrank wirkte, als wäre er noch aus dieser Zeit. Gerade jetzt in dieser Phase waren Heiko und ich besonders begeistert davon, da wir ja gerade dabei sind, unser neues Erlebnis-Geschenke-Portal aufzubauen, dem wir ebenfalls einen Retro-Look verpasst haben. Seither haben wir ein besonderes Augenmerk auf diesen Stil gelegt und freuen uns jedes Mal, wenn wir dazu passende Elemente finden. Leider ist die Seite noch nicht so weit, dass wir sie euch zeigen können, aber allzu lange dürfte es jetzt nicht mehr dauern. Ihr werdet begeistert sein! Der Rest des Tages verlief dann eher gemischt. Auf der einen Seite gab es tolle Momente, in denen wir beispielsweise in der Sonne auf dem Platz vor der Kirche liegen, uns entspannen und einen Döner futtern konnten. Auf der anderen Seite waren da aber diese nervigen Momente, die ich ja schon erwähnt hatte. Der Ort, an dem wir auf die andere Seite der Seine wechseln konnten hieß Pont de l'Arche und war einer der wenigen Orte, an denen es noch einen Pfarrer gab. Nur war dieser wie üblich nicht zu hause und ließ sich auch am Telefon nicht erreichen. Stattdessen erreichten wir einen Kollegen, der uns versicherte, dass alles überhaupt kein Problem sei, da er in einer knappen halben Stunde einen Termin mit dem Pfarrer direkt an der Kirche habe. Wir bräuchten also nur zu warten und dann würde sich alles klären. Wir warteten etwa eine Stunde, doch es erschien niemand. Auch beim Rathaus war es ähnlich. Anstatt uns eine klare Auskunft zu geben, vertröstete man uns mit der Aussage, dass der Bürgermeister leider nicht gestört werden dürfe und wir in einer Stunde noch einmal zurückkommen sollten. Das taten wir uns dann aber nicht mehr an.

Stattdessen verließen wir die Stadt, um über die lange und extrem stark befahrene Brücke ans andere Flussufer zu gelangen. Dort versuchten wir unser Glück in einer kleineren Ortschaft noch einmal mit dem gleichen Erfolg. Zwei Mal wurde ich von einem Entscheidungsträger zum nächsten weitergeleitet und am Ende wieder eine Viertelstunde warten gelassen. „Ich spreche kurz mit dem Bürgermeister, dauert nur ein oder zwei Minuten!“ teilte mir eine Frau mit, die für die Abteilung „Jugend, Familie und Soziales“ zuständig war. Nach fünfzehn Minuten erklärte sie mir dann, dass es in diesem Ort leider keine Räumlichkeiten für uns gab. Wir sollten es stattdessen einmal in Pont de l'Arche versuchen. Das liege gleich auf der anderen Flussseite und war deutlich größer. Dort würden wir sicher etwas finden. Wir wanderten noch gut zwei Stunden, bis wir dieses Gebiet hinter uns gelassen hatten. Dann erreichten wir eine kleine Ortschaft, in der wir direkt mit dem Bürgermeister sprechen konnten. Hier dauerte es dann keine drei Minuten, bis wir nicht nur einen, sondern gleich zwei Säle bekamen, von denen wir uns einen aussuchen durften.

Spruch des Tages: Ne, ne, ne! So viel Sand und keine Förmchen!

Höhenmeter: 240 m Tagesetappe: 26 km Gesamtstrecke: 21.689,27 km Wetter: Sonnig und relativ warm Etappenziel: Altes Rathaus, 76520 Ymare, Frankreich

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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