Tag 1199: Im Land von Harry Potter

von Heiko Gärtner
13.06.2017 16:20 Uhr
11.04.2017

Ich hätte nicht damit gerechnet, aber wir sind hier wirklich im Land von Harry Potter! Als ich damals die Bücher gelesen und die Filme gesehen habe, dachte ich immer, dass die Autorin eine ganz eigene, fantastische Welt erfunden hat, die sich zwar geografisch irgendwie mit Großbritannien überschneidet, aber ansonsten ihrer Phantasie entspringt. Tatsächlich aber handelt die Romankette eigentlich nur vom ganz normalen, modernen Britannien, in dem es auch ein paar Zauberer gibt. Und nicht einmal bei denen ist man sich sicher, dass sie erfunden waren. Dass hier jedes Dorf so aussieht, wie der Heimatort des jungen Romanzauberers hatten wir ja am ersten Tag schon festgestellt. Aber das ist noch nicht alles. Die Friedhöfe sehen genauso aus, wie man sie aus den alten Ritter- und Märchenfilmen kennt, die Schlösser, Burgen und Villen und selbst die Menschen inspirieren einen nicht selten zum Glauben an Fabelwelten.

Harry-Potter-Mode

Heute Abend wurden wir von einem Ehepaar zum Essen eingeladen und saßen daher bei ihnen im Wohnzimmer. An der Wand hingen Bilder von ihren Kindern und Heiko war sich sicher, dass sie Harry-Potter-Filmmuseum von Warnerbrothers aufgenommen worden waren, von dem wir kurz zuvor einen Flyer in der Hand gehalten hatten. Man konnte sogar ausmachen, wer von den jungen Leuten in Griffindor und wer in Slytherin war. Doch tatsächlich handelte es sich um Aufnahmen der Abschlussfeier ihrer Universität. Es waren keine Kostüme, sondern ihre echten, alltäglichen Uniformen gewesen.

Zuvor waren wir am Nachmittag auf einer schmalen Straße mehrfach von Doppeldeckerbussen überholt worden, die mit einem Affenzahn um die Kurven heizten, so als glaubten die Fahrer, dass ihnen alles ausweichen würde, auf das sie zusteuerten. Hier auf die Idee mit dem magischen Notfallbus zu kommen, war also durchaus auch relativ naheliegend.

Wir konnten machen, was wir wollten, egal wohin wir kamen, wir fühlten uns wie bei Harry Potter.

Zur Krönung des Tages durften wir dann sogar noch in einer alten, gotischen Steinkirche mitten auf eine verwunschenen Friedhof schlafen, in dessen Turm nachts die Fledermäuse über uns kreisten. Magischer ging es also kaum.

Zwischen Magie und Großstadt

Die einzige Ausnahme vom Harry-Potter-Feeling war unser kurzer Abstecher nach Folkstone um unsere Elektroadapter zu kaufen. Hier befanden wir uns plötzlich mitten in einer abstrakten Großstadt, die uns mehrere Male fast das Leben gekostet hätte. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie verwirrend dieser Linksverkehr ist. Alles ist falsch herum und man weiß nie, wohin man blicken muss. Gut nur, dass es hier in weiser Voraussicht an vielen Orten auf den Asphalt geschrieben wurde. Leider aber nicht überall und gerade an den besonders verwirrenden Übergängen, wie bei den Kreisverkehren oder Autobahnauffahrten, gab es keine Hinweise.

Dank eines Planes, den wir uns in der Früh bei Audreys Computer ausdrucken konnten, fanden wir schon nach kurzer Zeit einen Supermarkt, in dem man die passenden Adapter für nur einen Pfund kaufen konnte. Gut also, dass wir bereits auf der Fähre Geld geschenkt bekommen haben, denn sonst hätten wir schon wieder ziemlich alt ausgesehen.

Englische Esskultur

Um die Stadt wieder zu verlassen mussten wir einen steilen Pass zu den Klippen hinauf nehmen. An seinem Fuß trafen wir auf eine freundliche ältere Dame, die einen Straßenimbiss führte und uns mit einem Bacon-Sandwitch und einem Tee versorgte. Nach unserem typisch britischen Abendessen, und dem noch britischeren Frühstück mit Ham and Eggs bei Audry, hatten wir nun also auch noch die britische Fastfood-Tradition kennengelernt. Man muss sagen, diese ganzen Vorurteile treffen schon wieder deutlich mehr zu, als man es vermuten würde.

Viele von ihnen aber durchaus im positiven. Denn außerhalb der Städte haben wir die Menschen als sehr, offen, höflich und hilfsbereit wahrgenommen und auch das englische Essen schmeckt uns bei weitem besser, als der französische Dosenfraß.

Spruch des Tages: Harry Potter lässt grüßen

Höhenmeter: 390 m

Tagesetappe: 17 km

Gesamtstrecke: 21.975,27 km

Wetter: Sonnig und windig

Etappenziel: Kirche, TN30 6EB St. Michaels, England

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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