Tag 1209: South Downs Way

von Heiko Gärtner
31.07.2017 05:19 Uhr

23.04.2016

Langsam wird es wieder ruhiger und die Phasen in denen wir dem Verkehr nicht ausweichen können werden kürzer. Auch die Zahl der Tiere, denen wir begegnen nimmt deutlich zu. Um Ostern herum haben wir passender Weise viele Kaninchen und Feldhasen gesehen, die über die saftig grünen Felder hoppelten. Heute begegneten wir mehreren Eichhörnchen, die jedoch weniger wie die Eichhörnchen aussahen, die man bei uns findet, sondern eher an amerikanische Chipmonks erinnerten. Fasanen begegnen wir täglich rund ein Dutzend Mal und auch Rehe und Hirsche kreuzen immer wieder unseren Weg. Vor zwei Tagen haben wir sogar einen Fuchs gesehen, der vor uns auf dem Weg saß und uns erwartungsvoll anschaute.

Unsere Wanderung wurde etwas länger als gedacht, da die erste Kirche, an die wir kamen so klein war, dass sie sich zum Übernachten nicht wirklich eignete. Die zweite Hälfte des Weges setzten wir dann auf dem sogenannten „South Downs Way“ fort, einem uralten Pilgerweg, der oben auf dem Kamm der Dünen von Winchester bis Dover führt. Es war kaum eine Stunde, dass wir diesen Weg nutzten und doch trafen wir hier auf mehr Wanderer und Pilger, als im ganzen letzten Jahr. Ein Mann mit Kopfhörern und Minirucksack eilte an uns vorbei, alle anderen kamen uns entgegen. Darunter war eine Pfadfindergruppe, deren Teilnehmer so unmotiviert aussahen, als gingen sie geradewegs auf ihre eigene Beerdigung zu, eine Frau aus London, die nach zwei Tagen so große Blasen an den Füßen hatte, dass sie am liebsten jetzt schon wieder heim wollte und ein sportlicher Wanderer, der unser Projekt mit 10 Pfund unterstützte.

Gegen vier Uhr erreichten wir Buriton, einen kleinen Ort mit einer hübschen Kirche, in der gerade ein Konzert stattfand. Als ich mich auf die Suche nach dem Pfarrer oder in diesem Fall der Pfarrerin machen wollte, wurde ich von einer quirligen Frau und ihrer Tochter angesprochen, die uns voller Begeisterung zu sich nach hause einluden. Die Frau hieß Melissa und war begeistert davon, einen echten Pilger zu treffen, der dann auch noch ohne Geld unterwegs war. Sie selbst war Pilgerin und hier in England bedeutete dies noch immer, dass man sich damit wirklich auf eine Glaubensreise begab. Sie erzählte uns von einem Buch, das sie sehr inspiriert hatte und in dem es um einen Mann ging, der ähnlich wie wir, alle heiligen Orte der Welt zu Fuß und ohne Geld bewanderte, um damit für eine gute Sache einzutreten.

Unsere Gastgeber lebten zu viert in einer relativ kleinen Wohnung, in die sie gerade erst neu eingezogen waren, weshalb wir beschlossen, nach Ende des Kirchenkonzerts doch wieder in die Kirche umzuziehen. Bis dahin konnten wir jedoch die Küche und das Internet zum Arbeiten nutzen, bekamen ein Abendessen und Heiko bekam sogar ein neues Hemd als Ersatz für sein altes zerrissenes.

Spruch des Tages: Nicht alle Pilgerwege führen nach Santiago

Höhenmeter: 160 m

Tagesetappe: 22 km

Gesamtstrecke: 22.185,27 km

Wetter: heiter bis wolkig und windig

Etappenziel: Kirche, Buriton GU31 5RT, England

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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