Tag 1264: Was blockiert meine Effektivität und kostet mir Zeit?

von Heiko Gärtner
29.10.2017 08:25 Uhr

22.06.2017

Arbeitseffektivität ist kein Zufall!

Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum Menschen so unterschiedlich schnell bzw. effektiv sind? Manche setzten sich an eine Arbeit und erledigen sie innerhalb weniger Minuten, während andere Stunden um Stunden damit verbr ingen, ohne auch nur einen kleinen Fortschritt zu machen. Und dies obwohl sich beide in der Materie vielleicht sogar genau gleich gut auskennen. Wie kommt das?

Ich muss ganz ehrlich zugeben, ich habe mir diese Frage bis heute nie wirklich gestellt. Ich dachte immer das sei so etwas wie Zufall. Jeder hat halt seine Geschwindigkeit und die ist eben, wie sie ist. Daran kann man nichts drehen, genau wie man ja auch Gras nicht zwingen kann, schneller oder langsamer zu wachsen. Tatsächlich aber ist dies natürlich Blödsinn. Menschen haben keine unterschiedliche Grundgeschwindigkeit, mit der sie sich abfinden müssen, sie haben viel mehr unterschiedliche Techniken, mit denen sie an eine Aufgabe herangehen. Diese Techniken entwickeln wir bereits von klein auf und haben sie so verinnerlicht, das wir uns ihrer nicht bewusst sind. In den meisten Fällen haben wir keine Ahnung, wie wir an eine Sache herangehen. Wir machen es einfach, wie wir es immer machen. Und genau das ist der Punkt. Einige von uns haben sich Methoden und Herangehensweisen antrainiert, die besonders effektiv und zeitsparend sind, während andere mit Mitteln arbeiten, die sie immer wieder auf der Stelle treten lässt.

Wie ihr euch vielleicht denken könnt bin ich eher der Kandidat für die zweitere Variante, weshalb es dann auch nicht mehr verwunderlich ist, dass Heiko einen hoch philosophischen Text mit 25 Seiten schreibt während ich in der selben Zeit gerade einmal einen Tagesbericht mit 2 Seiten zustande bringe. Bislang wirkte es immer wie Zauberei auf mich, wenn Heiko seine Schöpfungen in dieser Geschwindigkeit erstellte, doch heute habe ich zum ersten Mal verstanden, dass keine Magie, sondern ein System dahinter steckt. Allerdings muss ich sagen, dass dies meinen Respekt eher noch erhöht, denn sich ein solches System anzutrainieren ist definitiv kein Kinderspiel. Zumindest nicht, wenn man es nicht bereits als Kind getan hat, wo einem solche Dinge ja bekanntlich leichter fallen.

Auf jeden Fall sind mir heute einge Punkte aufgefallen, an denen meine Effektivität scheitert und durch die auch ich ein ordentliches Maß schneller werden könnte, wenn ich hier eine Umstellung schaffe.Gleichzeitig sind es aber auch Punkte, an denen viele Menschen scheitern, weshalb ich sie euch kurz beschreiben möchte, um euch ebenfalls einen Leitfaden für eine Effektivitätssteigrung an die Hand zu geben.

Erstorientierung – Beobachten um sich einen Überblick zu verschaffen

Mein häufigster Gedanke, wenn ich etwas erledigen will ist „Jetzt noch schnell...“, stets verbunden mit dem Gefühl, eigentlich keine Zeit zu haben. Dies führt dazu, dass ich mich blindlinks in Sachen stürze, ohne mir zuvor eine Strategie zu überlegen. Und genau dieses übereillte vorgehen kostet am meisten Kraft, Zeit und Energie, denn dadurch entstehen die größten Fehler. Es kommt nicht selten vor, dass man Arbeiten vollkommen umsonst oder gleich Doppelt erledigt, weil man vor beginn nicht geschaut hat, was genau überhaupt getan werden muss. Wo sind Schwierigkeiten, Hindernisse und Sackgassen? Was wird überhaupt benötigt? Gibt es etwas, auf das ich zurückgreifen kann? Wo liegt der Hauptfokus? Wo befinden sich Nebenziele? Was ist meine Absicht? Was trage ich mit dieser Arbeit zum Gemeinwohl bei?

Themensammlung und Strukturierung

Dies gilt natürlich vor allem für Texte oder andere kreative oder wissenschaftliche Arbeiten, sowie für jede Form von Wissensermittlung und -aufbereitung. Zunächst einmal gilt es hier, abzustecken worum es überhaupt geht. Wenn mein Thema zum Beispiel „Die Erlebnisse des heutigen Tages“ oder „Der Säure-Basen-Haushalt des Menschen“ ist, dann ist dies zunächst vage und bietet keinerlei Anhaltspunkt darüber, was und wie viel ich schreiben will. Also verzettel ich mich, komme vom hundertstel ins tausendstel und schreibe am Ende sieben Seiten ohne auch nur ins Thema eingestiegen zu sein. Oder um es in Heikos Worten auszudrücken: Ich schwalle.

Damit das nicht passiert braucht es zunächst eine klaren Themensammlung und einen Systembaum, um die einzelnen Themen zu Gliedern und in einen übergeordneten Zusammenhang zu bringen. Nur so kann ein Text entstehen, der die Leser fesselt und gleichzeitig voranbringt. Dabei ist mit Systhembaum natürlich kein starres Konzept gemeint, das jede Dynamik tötet. Vielmehr orientiert sich der Text später wirklich am Aufbau eines Baumes, das heißt er hat einen durchgängigen Stamm, also ein zentrales Hauptthema, von dem aus immer wieder Unterthemen abzweigen, die sich jedoch stets in einer gesunden Nähe befinden, so dass sie nicht abbrechen. Das heißt, sie ufern nicht soweit aus, dass man vergisst worum es eigentlich ging.

Das Thema wachsen lassen

Der nächste Punkt, der ich oft vollkommen aus der Bahn wirft ist der, das ich stets das Gefühl habe, alles müsste von Anfang an klar sein. Wenn ich mich also mit einem Thema befasse, dann muss ich gleich zu beginn alles darüber wissen, damit ich es klar erklären kann. Ich gebe ihm also einen Raum für Entwicklung und nehme mir selbst gleichzeitig die Möglichkeit zu lernen. Wenn ich etws auf die Welt bringe, dann muss es gleich von beginn an ein erwachsenes, gebildetes und entwickeltes Wesen sein. Es darf kein hilfloses, zappelndes Baby sein, dass man erst füttern und an die Hand nehmen muss, bis es selbstständig essen und stehen kann. Aber Erkenntnisse funktionieren genau anders herum. Man hat eine vage Idee oder vielleicht nicht einmal das, sondern nur eine einzelne Bobachtung und lässt diese langsam zu etwas Großem heranwachsen. Eine Beobachtung führt zur nächsten, eine Erkenntnis leitet die folgenden ein. Es ist ein Prozess und er hat seine Berechtigung. Dadurch, dass ich aber das Gefühl habe, alles von Anfang an wissen zu müssen, kann ich ihn nicht zulassen und somit blockiere ich mich selbst. Bei Künstlern nennt man dieses Syndrom glaube ich Angst vor der weißen Leinwand. Je stärker das Gefühl in einem ist, gleich von Anfang an, alles richtig mache zu müssen, desto mehr ist man gehemmt überhaupt etwas zu tun. Und das kostet nicht nur Zeit und Kraft, es tötet auch jegliche Lebendigkeit im Werk.

Nicht Ausschweifen, abdriften, langatmig werden

Diesen Punkt hatte ich ja schon einige Male erwähnt, aber er bekommt noch einmal ein eigenes Kapitel, damit ich mich etwas umfassender damit beschäftigen kann...

Ihr merkt worauf das hinaus läuft. Man braucht vor allem dann viele Worte, wenn einem ein Thema nicht klar ist und man nicht weiß wie man sich ausdrücken soll. Wann immer ihr also merkt, dass es euch schwer fällt, auf den Punkt zu kommen ist dies ein gutes und sicheres Zeiche ndafür, dass ihr an einem Punkt steht, an dem es noch offene Fragen gibt, die ihr euch vielleicht nicht einmal selbst eingestehen wollt.

Abgesehen davon gilt für jeden guten Text die “Regel der drei K”: Kurz, Knapp, Knackig. Dazu ist es ebenfalls wichtig, sich einen Moment Zeit zu nehmen, um sich das Them noch einmal mit etwas Abstand zu betrachten und um genau zu selektieren, was wirklich benötigt wird und was reines Bla-Bla ist.

Bilder und Gefühle statt Gedankenkonzepte

Es ist immer einfacher und zugleich, verständlicher und angenehmer zu lesen, wenn man ein plastisches Bild anstatt eines theoretischen Gdankengebildes bekommt. Es macht einen Unterschied, ob man sagt: „Tiefe Ängste können zu körperlichen Veränderungen führen, die wir als Krankheit wahrnehmen“ oder „Stellt euch vor, ihr seit eine Maus, die sich einem Fuchs gegenüber wiederfindet und sofort alle Kräfte Mobilisieren muss, um schnell genug, davon zu rennen, damit sie nicht gefressen wird! Und nun stellt euch vor, was passiert, wenn der Fuchs nicht real existiert, sondern nur eine Angst in eurem Kopf ist, vor der ihr permanent fliehen wollt, vor der es aber kein entkommen gibt!“

Je plastischer, emotionsgeladener und lebendiger eine Erzählung ist, desto leichter fließt sie einem von der Hand, desto länger kann man konzentriert dabei bleiben und desto einfacher macht man es auch seinem Leser, bei der Stange zu bleiben und einen zu verstehen. Natürlich muss man auch hier aufpassen, dass man seinen Fokus hält und sich nicht in der Ausschmückung der Bilder verliert, so dass sie zum Selbstzweck werden.

Randkommentare nutzen um offene Fragen offen zu halten

Auch der fertige Text muss kein absolutes Endprodukt sein, sondern ist immer nur ein Festhalten des aktuellen Standes des Prozesses. Das heißt, dass es auch jetzt noch immer offene Fragen, Ungereimtheiten und Unklarheiten geben darf, die zu einem Späteren Zeitpunkt geklärt werden können. Gerade das macht die Dynamik und den Lernprozess aus. Offene Fragen arbeiten in uns und wirken wie Magnete auf ihre Antworten. Teilweise kann es sein, dass nur Minuten oder Stunden nachdem man einen Text eigentlich abgeschlossen hat, eine neue Erkenntnis auftaucht, die alles noch einmal umstößt oder die zu wichtigen Ergänzungen führt. Manchmal kommt dies auch Jahre später. Dies ist auch der Grund, warum es von vielen Büchern immer wieder überarbeitete Versionen gibt. Alles Geschriebene ist immer nur eine Momentaufnahme und niemals die volle Wahrheit. Wichtig ist nur, dass man sich die Fragen auch wirklich offen hält, dass man sie kennzeichnet und sichtbar macht, so dass sie nicht im Nebel des Textes verschwinden, wo sie dann ewig unbeantwortet bleiben müssen. Nur so ist man in der Lage, immer größere Zusammenhänge zu erkennen und einzelne Arbeiten in ein großes Gesamtbild einfließen zu lassen.

Auf sich selbst achten: Was gibt mir Kraft? Was entspannt mich? Was fördert meine Kreativität?

Ein wichtiger Faktor, der mich so langsam und ineffektiv werden lässt, ist meine permanente Müdigkeit und Energielosigkeit in Verbindung mit einem Gefühl von Dauerstress. Je weniger Energie man zur Verfügung hat und je schlechter man sich konzentrieren kann, desto langsamer uns ineffektiver wird man damit. Es ist wie bei einem Auto, das nur minderwertigen Kraftstoff bekommt, aus dem es kaum Energie gewinnen kann. Um dies zu verhindern muss man natürlich zunächst einmal erkennen, was für einen minderwertiger und was hochwertiger Kraftstoff ist. Wodurch gewinnt man Energie und was laugt einen aus? Was weckt wahre Begeisterung, so dass man vollkommen darin eintauchen und üer Stunden daran arbeiten kann, ohne auch nur zu merken, dass die Zeit vergeht? Jedes Gefühl von Zwang, Verpflichtung, Stress, Zeitmangel und Hektik, führt dazu, dass man keine Energie mehr aus der Arbeit schöpfen kann. Dadurch wird sie nun zu etwas ermüdenden, das Kraft zehrt und Anstrengung bdeutet. Daher ist es wichtig, diese Faktoren auszuschalten und genau das zu tun, worauf man vom Herzen aus Lust hat. Dies können sogar die gleichen Dinge sein wie zuvor, nur dass sich die Einstellung dau ändert, weil man erkennt, dass man es aus freien Stücken und nicht für jemand andere tut.

Umgang mit Ängsten und Blockaden

Mindestens genauso stark halte ich mich selbst daduch auf, dass ich meine eigenen Arbeiten innerlich durch die Perspektive anderer Bewerten lasse. Es ist immer wieder, als hätte ich die Stimme meiner Mutter oder alter Freunde im Kopf, die sagt: “Das kannst du so nischt schreiben! Mit dem Thema solltest du dich am besten gaz nicht mehr befassen.”

Diese Stimme kommt meist genau in den Momenten, wenn ich eigentlich inspiriert bin und schon weiß, was ich schreiben möchte, um einen Sachverhalt klar und verständlich darzustellen. Doch die Gedankenblockaden und den Wunsch nach Enerkennung (den absolut paradoxen unsch nach Anerkennung von Personen, zu denen ich keinerlei kontakt mehr habe) blockieren und hemmen mich, so dass ich nicht frei schreiben kann. Um sich durch diese oder andere Angstgeschichte nicht einschränken und hemmen zu lassen, ist es wichtig, sie zunächst einmal zu erkennen. Wenn einem das gelungen ist, ist es eine bewusste Entscheidung, sich nicht länger davon beeinflussen zu lasseb. Alles was es dafür braucht ist dann ein bisschen Mut.

Nachspüren ob noch etwas fehlt

So wie es am Anfang wichtig ist, sich einen Moment Zeit zu nehmen und sich zu sortieren um nachzuspüren, was wie erschaffen werden soll, ist es auch wichtig, sich am Ende noch einmal Zeit zu nehmen, um nachzuspüren, ob noch etwas fehlt, oder ob alles so passt, wie es gerade erschaffen wurde.

Höhenmeter: 80 m

Tagesetappe: 25 km

Gesamtstrecke: 23.173,27 km

Wetter: Dauerregen und Kälte

Etappenziel: Kirche, Ettrick, Schottland

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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