Tag 1274: Leben wie im 18. Jahrhundert
28.06.2017
Shanias dritter voller Tag bei uns war zum ersten mal nicht ausschließlich vom Regen geprägt. Dafür gab es einen Sturm, der sich gewaschen hatte. Langsam kam uns der Verdacht, dass es in diesem Land nur drei Arten von Wetter gibt: Regen, Sturm und beides zusammen.
Unsere Wegstrecke betrug dieses Mal volle 25km, was für Shania, die sich ja noch nicht im Training befand, bei den vielen Hügeln, gerade so die Obergrenze des gut Machbaren darstellte. Langsam kristallisierte sich heraus, dass ihre neuen Schuhe nicht ganz so ideal waren, wie es erst den Anschein hatte. Sie waren passgenau gewählt worden, doch durch das viele Wandern in der Nässe waren ihre Füße nun etwas angeschwollen und so bildeten sich an Zehen und Fußballen die ersten Blasen.
Unser Schlaf- und Arbeitsplatz wurde dieses Mal keine kalte Kirche, sondern das Haus einer Frau namens Fe.
Fe, hieß eigentlich Fiona und war eine eher ungewöhnliche Frau in den Fünfzigern, die uns ohne einen Moment zu zögern tatsächlich ihr gesamtes Haus als Unterkunft anbot.
„Ich selbst brauche es im Moment eh nicht“, erklärte sie, „weil ich im Gartenhaus lebe!“
Wie sie uns später noch etwas genauer erklärte, war sie gerade dabei, ein Projekt durchzuführen, das Heikos Steinzeitpilgertour nicht unähnlich war. Nur war ihr Projektthema nicht die Steinzeit, sondern die Hippie-Zeit in den 60gern. Sie verzichtete auf jede Technik, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht entwickelt worden war, lebte größtenteils von ihrem Garten, passte ihre Kleidung, ihren Stil und ihre Lebensweise der Flower-Power-Bewegung an und hielt ihre Erfahrungen in einer Dokumentation fest. „Nur dieses widerliche Zeug werde ich nicht rauchen!“ sagte sie entschieden.
Einige Jahre zuvor hatte sie bereits ein ähnliches Projekt gemacht, bei dem sie das Leben im 18. Jahrhundert, also vor beginn des Industriezeitalters nachempfunden hat. Ihre Erfahrungen dabei hat sie in einem Buch festgehalten, das sogar ins Deutsche übersetzt wurde.
Fe war die erste und einzige Person, die wir in den vierzehn Tagen antrafen, mit der wir offen über das Tattoo-Ritual sprechen konnten. Nachdem wir uns in unseren Zimmern eingerichtet hatten, begannen Shania und ich wieder mit dem Stechen, wobei wir dieses Mal sogar eine Heizung hatten, was zu meinem persönlichen Tageshighlight wurde. Am Abend aßen wir gemeinsam in Fes Gartenhäuschen. Ich muss dabei recht lustig ausgesehen haben, da ich mein T-Shirt nur so anziehen konnte, dass der Rücken weiterhin frei blieb.
Tagebuch des Tattoo-Rituals: Tag 3
Heute bekamen wir zum ersten Mal Besuch aus der geistigen Welt. Leider gelang es uns nicht in einen Kontakt zu treten, Fragen zu stellen oder und mit ihm zu verbinden, aber wir spürten beide zweifelsfrei, dass er da war. Etwas an der Präsenz im Raum war plötzlich anders und Shania bekam sogar kurzzeitig eine Gänsehaut. Zwei Mal spürten wir diese Präsenz und beim zweiten Mal ging sogar die Tür ein Stück weit auf als sie herein kam, ganz so als wollte sie zeigen, dass sie durchaus in der Lage war, Einfluss auf die physische Wert zu nehmen.
Spruch des Tages: Die Wand zwischen den Welten wird dünner!
Höhenmeter: 110 m
Tagesetappe: 16 km
Gesamtstrecke: 23.385,27 km
Wetter: überwiegend trocken und windig
Etappenziel: Kirchenzentrum, Milngavie, Schottland