Tag 1296: Harry Potter auf der Spur
13.07.2017
Nachdem wir uns am Anfang unserer Englandreise wie in seine Welt versetzt gefühlt haben, haben wir nun schon lange nichts mehr über Harry Potter geschrieben. Heute gibt es dazu nun aber doch noch einmal Anlass, denn gerade jetzt in diesem Moment sitze ich an genau dem Bahnhof, an dem Harry Potter im ersten Film mit dem Hogward-Express ankam, um seine neue Schule zu besuchen. Es ist ein Bahnhof mitten im Nichts. Es gibt nicht einmal einen Ort in der Nähe, lediglich den Bahnhof selbst und ein kleines Hotel mit gerade einmal vier Zimmern. Das nächste Dorf ist dreißig Kilometer entfernt und wir haben heute am eigenen Leib erfahren, dass dies eine ziemlich weite Strecke ist.
Hinter uns liegen nun zwei malerische Seen und eine einsame Hügellandschaft, die uns sehr stark an unsere Wanderungen in Montenegro und Bosnien erinnert hat. Nur, dass es dort weder Zäune noch Hochspannungsleitungen gab, die das Bild der unberührten Natur ein klein wenig zerstörten. Das Filmteam von Harry Potter muss hier einige Mühe gehabt haben, all diese verräterischen Spuren der Zivilisation bei ihren Kamerafahrten auszusparen oder heraus zu retuschieren. Ebenso die vielen hässlichen Rodungsflächen, die ebenfalls nicht gerade das Gefühl von Wildheit und Freiheit aufkommen lassen, das in den magischen Filmen ein so zentrales Thema ist.
Nach besagten 30km erreichten wir den Bahnhof „Rannoch Station“. Eine Einzige Schienenlinie verbindet hier Glasgow mit Ford Williams, jenem Ort, von dem aus man mit Fähren die meisten schottischen Inseln erreichen kann. Dazwischen gibt es nur wenige Stationen, da die Linie fast immer durch unbesiedeltes Gebiet führt. Dies war auch der Grund, warum man sie für den Harry-Potter-Dreh ausgewählt hat. All die eindrucksvollen Szenen wie die Fahrt über die große steinerne Brücke, bei der Harry und Ron mit dem Auto um den Zug herum fliegen, wurden hier in unmittelbarer Nähe gedreht. Für einen kurzen Moment konnten wir sogar einen Blick auf diese Brücke werfen.
Heute merkt man vom Harry Potter Fieber hier jedoch nicht mehr allzu viel. Nur wenn man die Menschen bewusst darauf anspricht bekommt man einige Geschichten und Anekdoten erzählt. Wirklich vermarktet, wie wir es erwartet hatten, wird der Filmdreh hingegen nicht.
Der Bahnhof selbst besteht aus einer kleinen Station, die heute lediglich noch ein Museum und ein kleines Café beherbergt. Züge fahren noch immer regelmäßig und halten hier auch, aber sein Ticket muss man direkt im Zug kaufen.
Das Café wird von einer Frau namens Jenny und ihrem Mann Bill betrieben, die beide auf der anderen Seite der Schienen leben und uns gleich ihren Caravan als Schlafplatz angeboten haben. Gestern Abend durften wir im dreißig Kilometer entfernten Kinloch Rannoch in einem Hotel speisen und der Manager von dort hatte uns bereits von Jenny´s Karrottenkuchen vorgeschwärmt. Auch diesen durften wir nun kosten und er war tatsächlich so gut wie er uns angepriesen wurde.
Jenny und Bill betrieben das Café seit drei Jahren und konnten recht gut davon leben, auch wenn der Tourismus hier nicht mehr so aktiv war wie in den Orten zuvor. Dennoch liebte Jenny den Winter, wenn hier alles verschneit und einsam war. Dann war der Platz am friedlichsten und man konnte sich von all dem Sommer-Stress erholen. Den Harry Potter Dreh hatten sie selbst nicht mitbekommen und konnten daher nur wenig darüber sagen. Dafür trafen wir beim Kuchen essen auf der Terrasse einen alten Haudegen, der hier seit Jahren regelmäßig zum Jagen und Fliegenfischen herkam. Neben einigen Infos über das Fliegenfischen und eine recht lustige Geschichte darüber, wie er einmal einen Fasan von einem Bauern ganz hier in der Nähe stahl, erzählte er uns auch ein wenig über die Filmarbeiten.
Früher einmal waren auf diesen Gleisen wirklich antike Züge gefahren, die dem Hogward-Express sehr ähnlich waren. Doch seit vielen Jahren gab es nur noch Elektrozüge und mit der Zeit hatte man auch die Bahnhöfe angepasst. Als der Hogward-Express entwurfen wurde, hatte niemand darüber nachgedacht und so war es am Nachbarbahnhof zu einer recht unangenehmen Panne gekommen. Der Zug war für die Filmaufnahmen mit ordentlichem Tempo in den Bahnhof eingefahren, war aufgrund der alten Antriebswelle außen an den Rädern jedoch deutlich breiter, als es dem Bahnhof gut getan hätte. Die Reifen verklemmten sich und der Zug blieb mitten im Bahnsteig stecken. Um ihn wieder frei zu bekommen mussten die Filmassistenten zunächst einmal alle Pflastersteine vom Rand des Bahnsteigs entfernen. Dann konnte der Zug langsam zurück setzen.
Die Bahnlinie ist aber nicht das einzige, was diese Gegend mit Harry Potter verbindet. Joanne K. Rowling lebte und schrieb hier offenbar ganz in der Nähe. Einige Meilen südlich von hier gibt es ein Schloss, bzw. eine alte Burg, die nur noch teilweise erhalten ist. Sie war das Ziel von häufigen Spaziergängen und Wanderungen der Autorin und inspirierte sie für ihren eigenen geistigen Entwurf von Hogwards. Im Film wurde dieses Schloss nicht verwendet, aber es war die Vorlage für die Schule in den Büchern.
Jenny und Bill luden uns nach unserem Einzug in den Caravan noch auf eine Suppe ins Café ein und kaum hatten wir Platz genommen, begann es wie aus Eimern zu schütten. Wir hatten also mehr als nur ein bisschen Glück, dass wir hier bleiben durften, denn ohne diese Gelegenheit wären wir heute in den Fluten weggespült worden.
Spruch des Tages: Von hier aus kann es bis Hogwarts nicht mehr weit sein.
Höhenmeter: 140 m
Tagesetappe: 19 km
Gesamtstrecke: 24.078,27 km
Wetter: Bedeckt und regnerisch
Etappenziel: Gemeindehaus der reformierten Presberitanischen Kirche, Culnady, Nordirland
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