Tag 1337: Irlands Schönheit

von Heiko Gärtner
27.01.2018 02:41 Uhr

07.08.2017

„Man braucht Sonne, um Irlands Schönheit erkennen zu können!“

Dieser Satz des Pfarrers kam uns heute einige Male in den Sinn, denn heute hatten wir das erste Mal einen wirklich sonnigen und sommerlichen Tag. Und der Mann hatte Recht gehabt. So bei Sonne betrachtet und gerade hier im Zentrum, wo es etwas weiter und offener wurde, wirkte tatsächlich alles bedeutend schöner und angenehmer. Unsere Tagesetappe betrug auch heute wieder 32km und wir waren rechtschaffen kaputt, als wir am Ziel ankamen. Aber es war wieder ein Wandern und nicht nur ein abreißen von Strecke. Bei unserer Halbzeitstation bekamen wir sogar ein Eis mit auf den Weg. Was brauchte es also mehr, um ein echter Sommertag zu sein. Wie häufig solche Tage hierzulande sind erkannte man recht gut am Kommentar des Pfarrers, als er heute morgen den wolkenlosen Himmel sah: „Oh, na dann regnet es wohl heute erst am Nachmittag!“

Wenn in Irland die Sonne scheint, kann es hier richtig schön sein.

Wenn in Irland die Sonne scheint, kann es hier richtig schön sein.

Auch damit sollte er Recht behalten, aber es gab nur einen kurzen Schauer, der fast nicht der Rede wert war, so dass man den Tag quasi also komplett trocken durchgehen lassen konnte.

Der Weg führte uns dabei auf kleinen, überwiegend einsamen Straßen durch ein Moor, in dem großflächig Torf abgebaut wurde. Man nutzte ihn hier zum Heizen, wobei er in kleine wurstähnliche Ballen gepresst und im Freien getrocknet wurde. Wie das in einem Land mit permanentem Dauerregen funktionierte war uns zwar ein Rätsel, aber offenbar funktionierte es. Ähnlich wie die Schotten mit ihren Wäldern hielten auch die Iren dabei offensichtlich nicht allzu viel von nachhaltigem Rohstoffabbau. Es sei denn natürlich, man bezieht das „nachhaltig“ auf „Abbau“ und nicht auf „Rochstoff“. Denn wenn man hier mit dem Abbau einmal fertig war, dann blieb nichts übrig als tote Erde. Das Moor war also durchaus nachhaltig entfernt worden, genau wie die Schottischen Wälder nach der Rodung für immer oder zumindest für sehr lange Zeit verschwanden. Die Engländer waren mit ihren Kohlevorkommen ja auch nicht anders vorgegangen, nur waren sie schon fertig und es war nichts mehr übrig, deswegen fiel es nicht mehr so auf. Man verstand nun aber, warum die Briten schon seit Jahrhunderten weltweit führend darin waren, Länder und Ressourcen auszubeuten und zu unterwerfen. Sie gingen mit sich selbst kein bisschen anders um.

Friedlich liegt das einsame Schloss am Ufer des Sees

Friedlich liegt das einsame Schloss am Ufer des Sees

Mitten durch das Moor führten auch zwei Radwege, von denen einer nach Dublin führte. Sie waren bei Touristen sehr beliebt und dies wiederum führte dazu, dass sich das Ortsbild entlang des Weges spontan änderte. Plötzlich war alles gepflegt und geordnet. Die Gärten waren mit Blumen verziert, die Gräber prunkvoll geschmückt und die Straßen bestens instand gehalten. Es gab Informationstafeln, Parkanlagen und sogar die alten, verfallenen Baracken waren hübsch angestrichen. Nur 100m weiter hatte alles sofort wieder das übliche, trostlose grau und die Spuren des Verfalls, doch solange man sich am Touristenweg aufhielt, war es schön und einladend. Eine nette Abwechslung nach den letzten Tagen.

Ein uralter Altar einer längst vergessenen Zeit

Ein uralter Altar einer längst vergessenen Zeit

Einzig der Wind und die vielen aggressiven Hunde, die uns bei 9 von 10 Häusern kläffend hinterher rannten waren etwas störend. Schade war auch, dass es hier nahezu keine Ortschaft gab, die nicht an einer grauenhaften Hauptstraße lag, so dass man am liebsten gleich wieder zurück ins Moor laufen wollte, wenn man dort ankam. Es war einfach nicht sinnvoll, Straßen mit einem Belag zu bauen, der weit mehr an Waschbeton, als an Asphalt erinnerte. Dann noch ein paar kreischende Teenie-Mädchen, ein Rasenmäher direkt neben der Kirche, ein paar Motorräder, die ihre Motoren aufheulen lassen und eine schrille Sirene im Hintergrund. Was braucht man mehr, um einen Ort zu erschaffen, an dem sich jeder rundum wohl fühlt und sicher ganz und gar nicht geisteskrank wird?

Spruch des Tages: Bei Sonnenschein sieht doch gleich alles wieder ganz anders aus!

Höhenmeter. 430 m

Tagesetappe: 18 km

Gesamtstrecke: 25.249,27 km

Wetter: Sturm, leichter Regen

Etappenziel: Best Hotel, Sant Baudelle, Frankreich

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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