Tag 1552 bis 1555: Weihnachten in Kevelar

von Heiko Gärtner
28.06.2018 04:45 Uhr

Pünktlich zu Weihnachten erreichten wir die Stadt Kevelar, die sich als die zweitwichtigste Pilgerstadt Deutschlands entpuppte. Wir selbst hatten zwar bis dato noch nichts von ihr gehört, aber zumindest hier im Münsterland schien sie recht beliebt zu sein.

Ausgehend von unseren Vorerfahrungen in den vergangenen Jahren, gingen wir davon aus, dass es wahrscheinlich kein Kinderspiel werden würde, an Weihnachten eine Übernachtung aufzutreiben, weshalb wir bereits rechtzeitig im Pilgerzentrum der Stadt anriefen und hier um Unterstützung baten.

„Oh, sagte eine Dame am anderen Ende der Leitung, „das tut mir Leid, aber gerade über Weihnachten können wir Sie leider nicht aufnehmen, denn da hat unser Pilgerzentrum geschlossen!“

Ich musste fast lachen, als sie das sagte, weil es einfach zu typisch war.

„Die Ironie in dem was Sie da sagen ist Ihnen schon bewusst, oder?“ fragte ich sie.

„Wie bitte?“

„Naja, dass Sie ausgerechnet an den Tagen keinen Platz für Menschen haben, die irgendwie auf den Spuren von Jesus unterwegs sind, an denen wir die tragische Geschichte seiner Eltern nachspielen und uns öffentlich die Frage stellen, warum niemand die heilige Familie hatte aufnehmen wollen. Also auf einen Punkt gebracht: Beim Fest der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit kann man genau dies hier nicht finden.“

„Stimmt!“ sagte sie überrascht. „Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Ja, das hat wirklich eine gewisse Ironie! Leider kann ich aber trotzdem nichts für euch tun, denn ich bin hier nur die Telefonbeantworterin und darf über nichts bestimmen. Aber ich kann dir die Telefonnummer von der zweiten Kirche geben, von der, die keine Verbindung zum Pilgerzentrum hat.“

Keine zwei Minuten später hatten wir dort einen Platz.

Heilig Abend hielten wir wieder in unserer Weihnachtstradition ab, die sich in den letzten Jahren ja bereits bewehrt hatte. Wir besorgten Gemüse, Fleisch, Salat und Brühe und nutzten den Nachmittag um einordentliches Weihnachts-Fondue zu zaubern. Zuvor schauten wir uns aber natürlich noch Kevelar und vor allem auch die Pilgerkirchen an. Es war ein Komplex mit einer Kathedrale und einigen Kapellen, der durchaus einen Besuch wert war.

Von unserem Zimmer aus konnten wir zwar nicht auf die Kathedrale dafür aber auf die Kirche unserer Gastgebergemeinde schauen und was allein hier los war, beeindruckte uns zu tiefst. Ab etwa 10:00 Uhr morgens fanden hier durchgängig mit je etwa einer halben Stunde Pause dazwischen Weihnachtsgottesdienste statt. Unter anderem gab es dabei Messen auf Deutsch, Russisch, Polnisch, Englisch und Spanisch. Nach jeder Messe wurde der Altarbereich umgebaut wie die Bühne bei einem Festival. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Weihnachtsschmuck, ihre eigenen Kerzen und ihre eigenen Tischdecken für den Altar. Nur die Messdiener blieben durchgängig die gleichen und kamen immer wieder in ihren Pausen zu uns ins Gemeindezentrum herüber. Kurz nach halb eins in der Nacht, als auch die letzte Messe vorbei war, kamen sie dann ganz, bezogen den Aufenthalts- und Partykeller und ließen es für Messdiener und -dienerinnen mal so richtig krachen. Unser Schlafbereich befand sich zum Glück zwei Stockwerke höher, weshalb wir trotz allem ganz gut schlafen konnten. Dennoch bekamen wir mit, dass die Weihnachtliche Partystimmung der jungen Christen bis etwa um 4:00 Uhr anhielt, bis auch der letzte zu seiner Familie zurückgekehrt war.

Die Feiertage verliefen dann relativ ruhig und ereignislos. Wir wanderten kurze entspannte Etappen, kamen früh an und hatten stets einfache aber nette Plätze. Einen Teil der Zeit nutzten wir dann bereits wieder zum Arbeiten, aber auch das gingen wir erst einmal ganz gemütlich an und lockerten die Schaffensphasen immer wieder mit Gesellschaftsspielen auf, die wir in unseren Räumen fanden.

Spruch des Tages: Es geht doch nichts über friedliche, besinnliche Weihnachten.

Höhenmeter 180m / 250m / 170m / 190m

Tagesetappe: 25km / 18km / 19km / 23km

Gesamtstrecke: 29.056,27km

Wetter: Heiter bis Wolkig, Temperaturen um Null Grad, Land ist weitgehend mit Schnee bedeckt.

Etappenziel Tag 1552: Gemeindehaus der Kirche, Nykoppa, Schweden

Etappenziel Tag 1553: Gemeindehaus der Kirche, Filipstad, Schweden

Etappenziel Tag 1554: Kirche, Nordmark, Schweden

Etappenziel Tag 1555: Kirche, Lejefors, Schweden

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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