Willkommen in Portugal

von Franz Bujor
18.06.2014 21:35 Uhr

 

Ausgeschlafen und gut erholt kamen wir um 9:00Uhr in den Frühstückssaal vom Hotel Val Flores. Die anderen Pilger hatten am Vorabend angekündigt, dass sie bereits früh aufstehen und aufbrechen würden, so dass wir uns wahrscheinlich nicht begegneten. Doch jetzt saßen sie noch immer gemütlich am Frühstückstisch. Die Pläne mochten nobel gewesen sein, doch der innere Schweinehund war stärker.

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Beim Weg aus der Stadt heraus konnten spürten wir zum ersten mal deutlich die Sprachbarriere. Ich hatte die Unterschiede zwischen Spanisch und Portugiesisch deutlich unterschätzt. Wenn die Portugiesen richtig loslegte, dann verstand ich kein Wort und wenn ich spanisch sprach bekam ich oft nur irritierte Blicke zurück. Es war wie in Frankreich. Wir begannen wieder bei null. Doch auch die Menschen verhielten sich hier wieder ähnlich wie die in Frankreich. Alles wirkte freundlicher und man lächelte uns sogar zu. In einem Café in dem ich nach Essen fragte hieß es, dass man mir eigentlich nichts geben konnte, weil der Chef nicht da war. Trotzdem bekam ich drei Brötchen als Trostpreis. Wegbeschreibungen waren da schon deutlich schwieriger, vor allem, wo die Jakobsgesellschaften hier wieder auf strategisch wichtige Pfeile verzichteten. Kreuzungen waren so gut wie nie markiert, dafür fand man hundert Meter weiter dann gleich drei Pfeile. Doch wenn die Menschen einmal verstanden hatte was man wollte, dann waren sie wirklich hilfsbereit. Ein LKW-Fahrer den wir an einer Kreuzung nach dem Weg fragten kam uns kurz darauf noch einmal hinterhergelaufen, um uns zu sagen, dass wir falsch abgebogen waren.

Auf einer leeren Kuhwiese legten wir eine Mittagspause ein um uns im Schatten auszuruhen, die Knochen wieder einzurenken und unsere letzten Reserven zu vertilgen. Dabei mussten wir auch noch einmal an das Gespräch mit Kerstin am Vortag zurückdenken. Wenn Heiko von den Beobachtungen erzählte, die wir auf unserer Reise gemacht hatten und davon, welche Rückschlüsse wir daraus zogen, dann schaute sie uns skeptisch an und meinte, man könne so etwas nicht verallgemeinern. Es gäbe immer auch Ausnahmen und Gegenbeispiele und vor allem dürfe man andere Menschen nicht bewerten. Wir dachten viel darüber nach, weil wir der Meinung waren, dass sie zum Teil Recht hatte, zum Teil aber auch nicht. Zu Beobachten ohne zu Beurteilen ist eine wichtige und schwierige Sache. Doch überhaupt nicht mehr zu werten, macht einen auch Handlungsunfähig. Es ist nobel, wenn man versucht Wertungsfrei zu sein, doch wie will man eine Situation einschätzen, wenn man sie nicht bewertet. Überhaupt nicht mehr zu werten würde bedeuten keinen Unterschied mehr zwischen hilfreich und zerstörerisch, zwischen heilend und krankmachend, zwischen sicher und gefährlich, zwischen zielführend und irreführend zu machen. Doch eine Situation auf einen bestimmten Fokus hin zu bewerten ist etwas anderes als sie zu verurteilen. Dies bedeutet, darüber zu urteilen, ob eine Situation gut oder schlecht ist. Zwischen diesen beiden Dingen gibt es einen gewaltigen Unterschied. Angenommen man wandert durch den Kanadischen Busch und steht plötzlich einem Grizzlybären gegenüber, der gerade von einigen Bienen beim Honigstehlen überrascht wurde. Die Situation weder zu beurteilen noch zu bewerten würde bedeuten, den Grizzly einfach nur wahrzunehmen, aber keine weiteren Gedanken oder Handlungen folgen zu lassen. Dies hätte wahrscheinlich zur Folge, dass man dem Grizzly als Piñata dient und ihm dabei hilft, seine Aggressionen abzubauen. Die Situation zu bewerten würde bedeuten sie als heikel einzustufen und dem Grizzly seinen Freiraum zu lassen. Vorausgesetzt natürlich, man bewertet die Situation richtig. Zu urteilen würde bedeuten, dass man den Grizzly als böses Monster ansieht, der einen Angreift weil er nun einmal böse ist. Ähnlich ist es mit unseren Beobachtungen in Spanien. Wir haben wahrgenommen, dass es fast keine lächelnden Menschen gibt und haben daraus geschlossen, dass sie nicht besonders glücklich sind. Unsere persönliche Bewertung der Situation war, dass der Lebensstil, der hier normal ist, nicht besonders hilfreich ist, wenn es darum geht im Frieden und in Gesundheit zu leben. Das hat jedoch nichts damit zu tun, das wir die Menschen deswegen verurteilen. Denn es ist sehr gut nachvollziehbar, warum sie so leben wie sie leben. Es macht sie nur eben krank. Kerstin meinte höchst wahrscheinlich letzteres. Es war ihre Absicht, niemanden zu verurteilen für das, was er tut oder denkt. Doch sie hat sich darauf zum Teil so sehr versteift, dass sie es nicht mehr zulassen konnte, Rückschlüsse und Bewertungen zu ziehen um größere Zusammenhänge zu erkennen.

Nach der Pause führte uns der Weg abermals in einem steinigen Flussbett den steilsten und höchsten Berg auf dem portugiesischen Jakobsweg hinauf. In der sengenden Sonne und mit den großen Felsen, die für unsere Wagen fast unüberwindbar waren, war dies die bislang härteste Strecke auf dem Camino. Ich stand kurz vor der absoluten Erschöpfung und kam nur durch blanken Willen voran. Der Schweiß lief mir in die Augen und brannte so sehr, dass ich kaum mehr sehen konnte. Ich spürte, wie ich wütend auf den Weg, meinen Wagen und die Welt wurde. Am liebsten hätte ich wieder einmal alles hingeworfen, doch selbst dafür war ich zu erschöpft. Ich blieb stehen, holte ein paar Mal tief Luft und setzte meinen Weg dann fort. Als wir den Gipfel erreichten atmete ich erleichtert auf. Eines stand ab jetzt fest: Wir brauchten eine Straßenkarte, mit der wir solche Wegpassagen umgehen konnten.

In der nächsten Ortschaft fragten wir an der Tankstelle. Es gab genau eine zur Auswahl, die ganz Portugal zeigte. Sie war etwas zu klein vom Maßstab, aber sie war deutlich besser als nichts. Als wir den jungen Tankwart nach einem Übernachtungsplatz fragten, lud er uns direkt zu sich ein. Oder bessergesagt ins Haus seiner Freundin. Hier gab es eine eigene Wohnung im Untergeschoss, die nicht bewohnt wurde und die wir für die Nacht zur Verfügung gestellt bekamen. Florian, wie sich der junge Mann vorstellte, musste wieder zurück zur Arbeit aber seine Freundin zeigte uns das Haus und stellte uns ihrer Großmutter vor. Wir durften sogar im Pool im Garten baden!

Dann machten wir uns an die Arbeit und nutzten den Rest des Nachmittages für weitere Recherchen. Später erfuhren wir, dass wir sogar eine zusätzliche Stunde dafür bekommen hatten. Denn mit der Portugiesischen Grenze hatten wir nicht nur Spanien, sondern auch unsere Zeitzone verlassen. Hier ist es nun eine Stunde früher als in der Heimat.

Die Zeit am Nachmittag nutzten wir, um noch einmal einige Informationen über giftige Schwermetalle zusammenzutragen. Dabei waren wir ziemlich überrascht, auf war für Ideen die Menschheit im Laufe der Geschichte gekommen ist, um sich Krank zu machen. So verwenden wir in nahezu allen Rostschutzmitteln das äußerst seltene Schwermetall Cadmium. Weltweit gibt es nur zwei Fundstädten in denen es überhaupt in ausreichenden Mengen vorhanden ist, um es abzubauen. Eine davon ist in Amerika und die zweite in Sibirien. In Deutschland wurde es sehr lange Zeit außerdem aus Zinkcarbonat gewonnen. Damals war Deutschland das einzige Land, dass Cadmium herstellte, was einer der Hauptgründe dafür ist, dass kein Land so stark mit Cadmium belastet ist, wie Deutschland. Das Problem an dem Metall ist, dass es nicht dort bleibt, wo man es aufgetragen hat. Vor allem in Motoren löst es sich nach einiger Zeit aus und wird über die Abgasrohre in der Atmosphäre verteilt. Auf diesem Wege gelangt es in die Atemluft, auf unsere Felder und auf die Nahrung. Außerdem ist es ein wichtiger Bestandteil in Zigarettenrauch. Mit nur einer einzigen Packung Zigaretten oder der entsprechenden Dosis an Passivrauch kann man seinen Cadmiumhaushalt gegenüber dem Normalwert um das doppelte erhöhen. Cadmium ist keines der absolut unausweichlichen Alltagsgifte, da es in der Regel in Mengen zu sich genommen wird, mit denen der Körper noch einigermaßen zurecht kommt. Es wird also durch die natürlichen Regenerationsprozesse des Körpers wieder abgebaut. Allerdings zeigten Studien, dass die Cadmiumkonzentration in unseren Organen und Knochen in den letzten fünfzig Jahren um das zehn- bis 100fache angestiegen ist. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass wir so viele unterschiedliche Gifte zu uns nehmen, dass der Körper auch mit den geringkonzentrierten nicht mehr zurecht kommt. Fakt ist jedoch, dass eine Cadmiumvergiftung viele unangenehme Folgen für uns haben kann. Dazu gehören neben Erschöpfung und Müdigkeitssyndromen auch Eisenmangelanämie, Lungenemphysem, Lungenfunktionsstörung, rheumatoide Arthritis, Osteoporose, Haarausfall, Bluthochdruck, Nierenschädigungen, Osteoarthritis, Entzündungen, Hyperlipidämie, Herz-Kreislauf-Probleme und der Verlust des Geruchssinns. Auffällig ist, dass sich viele Symptome mit denen anderer Schwermetallvergiftungen decken. Wie gesagt eine Vergiftung muss dabei nicht durch eine einmalige hohe Aufnahme des Metalls entstehen. Meist ist es ein schleichender Prozess, der sich über einen langen Zeitraum hinweg aufbaut.

Bei weitem gefährlicher und häufiger ist jedoch eine Belastung mit Quecksilber. Das silbrig glänzende Metall hat die unglaublich coole Eigenschaft, bei normaler Zimmertemperatur flüssig zu sein. Deshalb eignet es sich hervorragend um es in Fieberthermometer zu stopfen. Außerdem kann man einige andere lustige Dinge damit machen. Amalgamfüllungen zum Beispiel oder Energiesparlampen. Die Krux an der Geschichte ist nur, dass Quecksilber das giftigste, nichtradioaktive Element der Welt ist. Auf einer Liste mit drei Millionen giftigen Substanzen steht Quecksilber auf Platz sechs! Platz Sechs! Lasst euch das bitte noch einmal auf der Zunge zergehen! Dieses flüssige Metall haben wir uns Jahrzehnte lang freiwillig als Thermometer in den Hintern geschoben! Dann haben wir irgendwann erkannt, dass es giftig ist und haben es durch eine so hoch komplexe Flüssigkeit wie gefärbtes Wasser ersetzt, die auf die gleiche Weise funktioniert. Doch das Beste kommt noch! Jetzt, da wir verstanden hatten, dass Quecksilber dafür sorgt, dass uns die Haare vom Kopf und die Zähne aus dem Mund faulen, strichen wir es nicht etwa aus unserem Alltagsgebrauch sondern füllten es als Amalgam in unsere Zähne. Angeblich ist es hier jedoch vollkommen unschädlich. Obwohl es seit Jahrzehnten unwiderlegbare Studien gibt, die beweisen, dass Amalgamfüllungen vielzählige Krankheiten verursachen, gelten die Füllungen bis heute offiziell als unschädlich. Dummerweise stehen viele Menschen auch ohne eine offizielle Bestätigung heute nicht mehr allzu sehr auf Amalgam in ihren Zähnen, so dass man sich nach einem neuen Verwendungszweck für das flüssige Silber umschauen musste. Es dauerte nicht lange und man hatte ihn auch schon gefunden. Es brauchte nur ein wirklich gutes Marketingkonzept mit dem man den schlechten Ruf des tödlichen Elements wieder aufpolieren konnte. Die Menschen mussten glauben, dass sie etwas wirklich Gutes taten, sowohl für sich selbst, als auch für die ganze Welt, wenn sie sich das Quecksilber zurück in die Häuser holten. Und noch besser war es, wenn sie es dabei nicht einmal merkten. So wurde die Energiesparlampe erfunden. Mit ihrer Hilfe konnte man seine Sparbüchse entlasten, weil man nun wesentlich weniger Stromkosten hatte und gleichzeitig half man auch noch der Erde dabei, nicht an einem Energiechaos zu sterben. Ein genialer Schachzug!

Das ganze mag etwas provokant klingen, aber stellt euch wirklich einmal die Frage: Warum verwenden wir einen Stoff von dem wir wissen dass es der sechst-giftigste Stoff der Erde ist immer und immer wieder in neuen Formen? Sind wir so unbelehrbar und so dumm, oder steckt vielleicht doch mehr dahinter? Es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine Alternativen. Dass sich Wasser bei Temperaturschwankungen ausdehnt und zusammenzieht ist seit ewigen Zeiten bekannt. Es war also schon immer möglich, es in Thermometern einzusetzen. Auch kennen wir unendlich viele Materialien, die man zunächst formen kann und die dann später aushärten. Warum also nutzen wir ausgerechnet Amalgam für unsere Zähne? Und wurden nicht LEDs zur gleichen Zeit oder sogar schon vor den Energiesparlampen erfunden? Das alles ist doch irgendwie merkwürdig, meint ihr nicht?

Diese drei Beispiele sind jedoch nicht die einzigen Quellen, über die wir unseren Körper mit Quecksilber versorgen und vergiften können. Trotzdem wir wissen, dass es den sechsten Platz in der Hitliste der giftigsten Stoffe der Welt einnimmt, mischen wir es in Medikamente gegen erhöhten Blutdruck, in Augentropfen, in Puder und Kosmetika, in Aknemedizin, in Impfstoffe und in Desinfektionsmittel. In Desinfektionsmitteln mag es ja noch einen gewissen, verdrehten Sinn haben, denn die sind ja dafür gedacht, dass sie alles töten, mit dem sie in Berührung kommen. Doch was bitte soll Quecksilber in Aknemitteln, Blutdrucksenkern und Impfstoffen? Stellt euch bitte noch einmal offen diese Frage: Was für einen Erfolg verspreche ich mir davon, einen vollkommen gesunden Menschen vorsorglich mit Quecksilber und Aluminium zu impfen? Kann ich wirklich daran glauben, dass mich das gesund hält?

Spruch des Tages: Heikos Wanderrekord ist gebrochen!

 

Höhenmeter: 310 m

Tagesetappe 15 km

Gesamtstrecke: 3333,47 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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