Tag 194: Wandern am Rio Tejo

von Franz Bujor
15.07.2014 22:25 Uhr

Im Moment erscheint es, als wollte die Sonne täglich einen neuen Hitzerekord aufstellen. Heute war es noch einmal gut vier oder fünf Grad wärmer als gestern, womit wir die 40-Grad-im-Schatten-Marke nun wohl geknackt hätten. Direkt auf der Straße waren es locker 70°C und die Luft in der Sonne war mit einer Anfängersauna vergleichbar. Interessanter Weise merkt man die Temperatur vor allem dann, wenn man stehen bleibt. Solange man sich bewegt ist es noch einigermaßen erträglich. Vorausgesetzt natürlich, es kommt kein Berg.

Um uns etwas einzulaufen drehten wir in Entroncamento noch einmal eine Ehrenrunde. Das Kartenmaterial und auch die Straßenführungen sind hier so verwirrend, dass man sich kaum zurechtfinden kann. Als wir den Weg zum Rio Tejo dann endlich gefunden hatten, waren wir eigentlich schon wieder reif zum Einkehren.

Doch auch hier hatten wir wieder einmal unverschämtes Glück. Meine Reifenmäntel, die mir auf den letzten 2000 Kilometern sehr gute Dienste geleistet haben, waren nun fast bis auf Null heruntergefahren. In der Stadt hatten wir vergeblich nach einem Fahrradladen gesucht. Hier in der Pampa tauchte plötzlich einer vor uns auf, der auch noch genau zwei Mäntel in der passenden Größe hatte. Man kann über die Portugiesen vieles sagen, aber nicht, dass sie nicht absolut Kundenfreundlich wären. Statt für 30€ verkaufte uns der Händler beide Reifen zusammen für 20€ und während er die Mäntel aufzog wurden wir von seinem Kumpel in dessen Café auf einen Saft und belegte Brötchen eingeladen. In Deutschland ist uns so etwas noch nicht passiert.

Einige Kilometer weiter stießen wir dann wirklich auf den Rio Tejo. Der Fluss, der irgendwo in der Mitte Spaniens entspringt wird uns nun fast die nächsten 1000 Kilometer begleiten. Dann wollen wir nach Süd-Westen abbiegen und bei Alicante auf das Mittelmeer stoßen. Von dort geht es dann an der Küste entlang nach Frankreich. Wanderwege gibt es entlang des Flusses zumindest in dieser Region jedoch scheinbar nicht. Daher mussten wir uns wieder an die Straßen halten.

In einer kleinen Ortschaft stießen wir auf einen riesigen aber komplett leeren Park. Es war der erste große Park in Portugal außerhalb von Porto, den wir gesehen haben und er war wirklich schön gemacht. Das war das traurige an diesem Land. Es könnte wirklich eines der schönsten Länder Europas sein, mit seinen fruchtbaren Böden, den vielen kleinen Ortschaften, den Bergen und der unendlich langen Küste. Doch irgendwie schaffen sie es immer wieder alles so zu gestalten, dass es dann doch wieder nicht schön ist. Und die Ecken die Schön gemacht wurden, werden nicht genutzt und verfallen wieder.

Kurze Zeit später stießen wir dann tatsächlich auf einen Jakobspfeil. Ganz offensichtlich führte also auch hier ein Jakobsweg entlang, der allerdings nur in die Gegenrichtung markiert war. Trotzdem folgen wir ihm ein kleines Stück und kamen dabei in guter alter Jakobswegmanier auf einen schmalen, schrägen und steilen Trampelpfad direkt am Fluss. Er führte unter meterhohen Kakteen hindurch und war wirklich ein schöner Weg, wenn man davon absah, dass er fast nicht begehbar war. Zumindest nicht mit Pilgerwagen. An einer besonders steilen Stelle brauchte ich bestimmt sechs Anläufe, bis ich es schaffte, nach oben zu kommen, ohne dabei wieder zurück zu rutschen. Am Ende des Weges standen wir dafür vor einer alten, trotzigen Burg, die auf einen Felsen hoch über dem Fluss gebaut worden war.

Die Hitze und der Kakteenwald forderten bald ihren Tribut. Zunächst wurde mir etwas duselig, was sich zum Glück aber schnell wieder legte. Dann platze mein Reifen. Durch die Hitze wird das Gummi weicher und ist damit nicht mehr so widerstandsfähig gegenüber Dornen und anderen spitzen oder scharfen Gegenständen. Auch nicht, gegenüber Kaktusstacheln. Als wir den Reifen flicken wollten, traf uns gleich die nächste Panne. Die Steckachse löste sich nicht so leicht wie sonst und als ich sie etwas kräftiger anzog, hatte ich gleich auch noch das ganze Kugellager vom Rad in der Hand. Es war einfach nur in das Rad hineingesteckt worden und jetzt bei der Hitze dehnten sich die Metalle offenbar unterschiedlich stark aus. Es war kein Problem, das Kugellager wieder an seinen angestammten Platz zu drücken, doch ein gutes Gefühl machte es nicht. Nachdem wir den Reisen gewechselt und aufgeblasen hatten, hörten wir ein kurzes „Pffft“ und der neue Schlauch war auch wieder geplatzt. Diesmal genau an der Stelle, an der wir ihn bereits einmal geflickt hatten. Der dritte und letzte noch verfügbare Ersatzschlauch hielt zum Glück. Wir brauchen unbedingt neue. Nie hätten wir gedacht, dass der Sommer dem Material so viel mehr zusetzt als der Winter.

Kurz bevor wir Constância erreichten, kamen wir an einem riesigen Militärgelände vorbei. Es dauerte fast eine Stunde, bis wir es hinter uns gelassen hatten. Rechts von uns befand sich die Kaserne mit dem Übungsgelände und der Militärschule, links befand sich der Militärflughafen. Spannend war das Trainingsgelände mit dem Übungsparcours, in dem die Soldaten gedrillt wurden. Er sah aus, wie aus einem amerikanischen Kriegsfilm und hatte alle Schikanen, von Schlammgruben bis hin zu Mauern zum überklettern und Seile zum Hangeln. Das ganze Gelände war jedoch mit Ausnahme von den Wachposten an den Pforten vollkommen leer und unbenutzt. Wir fragten uns ein bisschen, wofür das ganze wohl gedacht war, wenn es hier keine Soldaten gab. Insgesamt fragten wir uns, wofür dieser ganze Militärkram in der heutigen Zeit überhaupt noch gut sein sollte. Half es einem Soldaten wirklich, wenn er der beste im Fallschirmspringen war und er dann von einem thermosensorischen Maschinengewehr aufgespürt wurde?

In Constância schauten wir uns dann nach einem Schlafplatz um. Das einzige Hotel in der Stadt war leider bereits belegt und konnte uns daher nicht aufnehmen, obwohl der Hotelchef durchaus gewollt hätte. Dafür kamen wir dann in der Feuerwehr unter, wo wir einen eigenen Raum für uns bekamen. Das einzige Problem, das es hier gab war, dass wir nur eine Steckdose hatten, in der jedoch ein Verlängerungskabel steckte, dass im Nebenraum eine Kühltruhe betrieb. Als ich einen Feuerwehrmann um einen Mehrfachstecker bat, ging er mit mir in den Raum mit der Kühltruhe. Dort schaute er einmal in die Truhe, stellte fest, dass sie nur Tiefkühlgemüse enthielt, das er nicht mochte und zog sie kurzerhand heraus. Manchmal sind die Menschen hier echt schmerzfrei.

Spruch des Tages: Ein Leben ohne Werte ist auch nichts - Sonst wäre ich Papst geworden. (Heiko Gärtner)

Höhenmeter: 90 m

Tagesetappe: 19 km

Gesamtstrecke: 3833,47 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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