Tag 306: Carcassonne

von Heiko Gärtner
04.11.2014 22:41 Uhr

Unsere Traumvorstellung von Frankreich scheint sich momentan nicht so wirklich zu erfüllen. Die Kontakte zu den Menschen und die Art, mit der sie uns auf der Straße begegnen fühlt sich noch immer eher spanisch an und die Entspannung über die wir und bei unserem ersten Frankreichaufenthalt so gefreut haben, wollte bislang noch nicht eintreffen. Vor allem heute war es besonders komplex. Gegen Mittag erreichten wir Carcasonne, eine Stadt auf die ich mich vor allem deshalb freute, weil ein Brettspiel nach ihr benannt wurde, das mir immer viel Spaß gemacht hat.

Warum das Spiel, bei dem es ums Bauen von würgen, Städten, Klöstern und Kathedralen geht, nach dieser Stadt benannt wurde, leuchtete ein. Hoch über der Stadt thronte eine Festung, die ihres gleichen suchte. Ich habe sie leider nur von unten gesehen, weil wir keinen Platz fanden und die Stadt vor Einbruch der Dunkelheit wieder verlassen mussten. Heiko besichtigte sie für ein paar Bilder, während ich an den Wagen wartete und nach ewigen Zeiten zum ersten mal wieder Maultrommel spielte. Besonders Publikumswirksam war ich damit nicht. Ein einziger Mann sprach mich an und fragte, ob wir einen Zeltplatz bräuchten. Leider lag dieser in der falschen Richtung. Ansonsten bemühten sich die Menschen eher, mich nicht zu sehen und nicht einmal grüßen wollten sie.

Die Highlights von Carcassonne waren neben der Festung vor allem das Vietnamesische Restsurant, das uns zum Essen einlud.

Das Negativ-Highlight hingegen war das Kloster, das eine komplette Pilgerherberge besaß, die jedoch nicht öffnen wollte. Aus Prinzip, denn es ist gerade keine Saison. Auch die Kirchenverwaltung der Stadt wollte nicht helfen. Ebenfalls aus Prinzip, denn heute war ein freier Tag. Beide verwiesen uns an die Touristeninformation. Die Frau dort war dann der Oberknaller. Sie zeigte mit mindestens drei Zeigefinger auf die Kirche und regte sich auf, darüber, dass es so schlechte Menschen seien. Sie selbst war auch einmal auf einer Wanderung gewesen und hatte Hilfe in einem Kloster gesucht. Sie war dort ebenso abgewiesen worden wie wir. Bei dem ganzen Geschimpfe auf die Kirche merkte sie jedoch nicht, dass sie gerade genau das selbe machte. Sie krümmte keinen Finger um uns zu helfen und hatte nicht einmal ein schlechtes Gefühl dabei.

Wer uns jedoch wirklich enttäuschte waren die Zeugen Jehovas. Dass die Katholische Kirche zu einem Großteil für ihren eigenen Profit und nicht für die Menschen existiert, ist ja kein Geheimnis und inzwischen wurden wir von ihren Vertretern so oft abgelehnt, dass es uns nicht mehr groß schockierte. Auch das Touristenbüros oft nicht besonders hilfreich sind war ja nicht neu. Aber von den Zeugen hätten wir uns schon mehr erwartet. Die sehen immer so nett aus, wenn sie so durch die Straßen laufen und versuchen neue Schäfchen zu bekehren. Doch als wir die beiden Jungs, direkt vor ihrer Kirche ansprachen, eröffneten sie uns, dass in ihren Kirchen niemand nächtigen könne, nicht einmal die eigenen Gemeindemitglieder. Dann erzählten sie uns die gleichen Ausreden über die vielen Dinge, mit denen sie Menschen helfen, ohne wirklich hilfreich zu sein und ohne dabei konkret zu werden. Offenbar waren sie sogar überrascht,das plötzlich jemand etwas von ihnen wollte und nicht nur sie von jemand anderem. So wird das jedenfalls nichts mit dem bekehren! In diese Glaubensgemeinschaft treten wir definitiv nicht ein. Nicht, wenn es dort weniger Vertrauen gibt, als in den großen christlichen Kirchen und die sind ja schon wirklich nicht die Helden. Spannend war aber auch, dass es wieder um Angst ging. Nicht um Ablehnung sondern wirklich um fehlendes Urvertrauen.

Die Polizei war hierzulande sogar noch deutlich schlechter als an den schwierigsten Orten in Spanien. Hier wurde uns sogar die Toilettenbenutzung verweigert.

Es blieb uns also nichts anderes übrig, als Carcassonne den Rücken zu kehren! und unser Glück außerhalb zu suchen. Wir folgten einem Flusslauf und kamen in einen kleinen Vorort. Dort trafen wir auf eine Familie, die und ihren Wohnwagen zur Verfügung stellte. Damit sind wir dann für heute richtige Camper. Mal sehen, ob uns diese Art des Lebens auch zusagt.

Spruch des Tages: Wo sind nur die ganzen freundlichen Franzosen hin?

Höhenmeter: 80m

Tagesetappe: 18 km

Gesamtstrecke: 5938,37 km

 

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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