Tag 315: Lebensfäden Teil 2

von Franz Bujor
12.11.2014 19:32 Uhr

... Fortsetzung von Tag 314:

Ich fühlte mich ertappt und auch wieder nicht. Klar war ich etwas besonderes aber warum sollte eine Frau mich einfach so einladen. Paulina erzählte mir später in einem Gespräch, dass es ihr genauso ging wie mir und dass sie die Gedanken nicht ablassen konnte. Auch sie hatte sich an jenem Abend in den Hintern gebissen und heute weiß ich, dass sie uns auf jeden Fall eingeladen hätte. Doch diese Gedanken an ein „Was wäre gewesen wenn...“ halfen nun nicht weiter. Es war wie es nun einmal war.

Aber meine Gehirnstimmen wollten noch lange keine Ruhe geben.

Schlaubi-Ich hatte auch noch etwas mit beizusteuern: „Heiko, das kannst du vergessen, wir sind nun 12 Kilometer weitergelaufen, die Frau siehst du nie wieder. Das hast du mal wieder super hingebracht.“

Nur durch ein beherztes Durchgreifen konnte ich die Gehirnstimmen abstellen und mich auf meine Arbeit konzentrieren. Damals saß ich an einer Garage angelehnt neben den Bahngleisen und einer Hauptstraße. Der Pfarrer hatte uns abgelehnt und auch sonst gab es einfach keinen einzigen netten Menschen in der Gegend! An diesem Tag war alles schlecht. Ich war so mies gelaunt das selbst ein Miesepeter neben mir noch rosig geglänzt hätte. Da fiel mir die Geschichte von dem Bauer und seinem Sohn ein:

Es lebte einst ein Bauer am Rande eines kleinen Dorfes. Eines Tages brach sein einziges Pferd von der Koppel aus und verschwand im Wald. Die Bewohner des Dorfes waren bestürzt, denn sie mochten den alten Mann und sahen in dem Verlust des Pferdes ein großes Unglück für ihn.

„Wie schlimm ist es doch, dass dein Pferd verschwunden ist!“ sagten sie.

Doch der alte Bauer antwortete nur: „Ja, es ist richtig, dass mein Pferd weg ist, aber niemand kann sagen, ob das gut ist oder schlecht. Es ist eben, wie es ist!“

Kurz darauf kam das Pferd zurück und in seiner Gefolgschaft, befand sich eine ganze Herde von Wildpferden, die einfach mit auf die Weide trotteten.

„Was für ein Wunder!“ riefen die Leute. „Wie toll ist es, dass diese Pferde nun zu dir gekommen sind!“

Doch der Bauer antwortete nur: „Niemand weiß, ob es eine gute oder eine schlechte Sache ist, dass die Pferde nun auf meinem Hof sind. Es ist, wie es eben ist.“

Einige Tage später versuchte der Sohn des Bauern eines der Wildpferde einzureiten. Er wurde abgeworfen und verletzte sich schwer.

„Um Himmelswillen!“ riefen die Leute bestürzt, „das ist ja schrecklich! Dein armer Sohn! Wie konnte nur etwas so furchtbares passieren. Wären doch die Wildpferde nie zu dir gekommen.“

„Mein Sohn ist verletzt!“ sagte der Bauer, „doch niemand weiß, ob das etwas gutes oder etwas schlechtes ist. Es ist, wie es eben ist.“

Eine Woche später brach im Land ein Krieg aus und alle jungen Männer mussten in die Schlacht ziehen. Der Sohn des Bauern jedoch war noch immer verletzt und konnte daher nicht eingezogen werden. Der Krieg wurde verloren doch dem Sohn blieb der fast sichere Tod erspart.

Diese Geschichte gab mir wieder Mut und ich wusste, dass alles einen Sinn machte. Als ich dann einige Tage später im Internet versuchte, Paulina wiederzufinden, konnte ich es kaum glauben. Ich fand sie! Als Profiler legte ich mir die wenigen Fakten zurecht, die ich hatte und folgte ihnen wie ein Fährtenleser auf der Jagd. Ich wusste dass sie Paulina hieß, wie sie aussah und dass sie von ihrem Vater eine handgeschnitzte Jakobsmuschel aus Holz geschenkt bekommen hatte. Außerdem wusste ich, dass sie in Nürnberg wohnte und irgendwie kreativ wirkte, so dass ich auf Künstlerin kam. Ja, ich weiß, das war damals sehr weit hergeholt und doch haben wir nun nach einiger Zeit entdecken dürfen, dass sie im tiefen ihres Herzens eine begnadete Künstlerin ist.

So wie Facebook zum ausspionieren gedacht ist, hat es mir dieses mal gute Dienste geleistet. Da ich nicht mit ihr befreundet war, rutschte meine Nachricht auf ihrer Seite unter die Kategorie „Sonstiges“. Die meisten Facebook-User wissen nicht mal, dass sie einen Ordner mit diesem Namen haben, in den alle Nachrichten von unbekannten rutschen und so werden diese Mitteilungen in der Regel niemals gelesen. Ich wartete Tage nein Wochen bis eine Antwort kam.

Paulina fühlte das gleiche und nicht nur das, sie trug die gleichen Wünsche und Träume in ihrem Herzen. Sie war eine Künstlerin, eine Lebensphilosophin und eine Heilerin in ihrer Seele und sie suchte nach ihren wahren Weiblichkeit. Ich war begeistert und ungläubig zugleich. Konnte es wirklich eine Person geben, die wie ein Maßanzug auf mich zu geschneidert war!? Klar war sie wie ein Rohdiamant der noch seine Facetten ausprägen wollte aber der Stein war perfekt und einzigartig zugleich. Wenn jemand ein Diamant werden kann, dann sie. Was ich aber im gleichen Atemzug auch feststellte war, dass ich ebenfalls ein Diamant war, der gerade mal ein oder zwei Facetten ausgeprägt hatte. Wir waren wie zwei Raupen, die vor der Verpuppung standen um als Schmetterlinge wiedergeboren zu werden. So konnten wir im Raupenstadium nur drauf vertrauen, dass die Facetten, die wir im Herzen tragen auch wirklich zu uns gehörten und nicht nur Scheinspiegelungen der Gesellschaft waren. Denn diese Facetten verbanden uns für das Leben. So stehe ich nun hier und weiß, dass wir uns beide verpuppen müssen um ein Schmetterling zu werden. Wie immer konnte ich in der anderen Person als Seelenleser sofort erkennen was ihr wahres Sein war und ist und welche Facetten sie in ihren Stein schleifen will. Doch so sah ich den Splitter im Auge meiner Partnerin aber den Balken in meinem Gesicht nicht. Denn meine Facetten gilt es genauso zu schleifen wie die ihrigen.

Als Paulina uns dann für 10 Tage besuchte, stellten Tobias und ich erst mal mit einem argwöhnischen  Blick fest, das wir sie damals ganz anders wahrgenommen hatten. In der kleinen Bar sahen wir eine Lara Croft, eine Lebensabenteurerin eine Kriegerin, eine Kämpferin. Erst nach einigen Stunden verflog das Bild aus meinen Kopf und ich konnte sie ganz wahrnehmen. Es war elektrisierend und magnetisch. Was verband uns? Ich konnte es nicht sagen. Es war nicht die körperliche Ebene, hier versuchten wir uns beide neu zu erschaffen. So wollten Paulina und ich einen vollkommen gesunden, kraftvollen und vor allem heilerischen Körper annehmen. Wir wollten einen Geist besitzen der hilfreich ist und eine Seele die liebt und geliebt wird. Es war ein Treffen von zwei Kinderseelen die sich auf den Spielplatz des Lebens wagten, um sich zu finden. Was dann mystisches in der Woche passierte kann ich kaum in Wortfragmente bannen. Tobias und ich sahen sie ja am ersten Tag als unsere Lara Croft, die Grabräuberin im Café in Portugal. Später erfuhren wir, dass sie seit Jahren eine Verbindung zu einem Krafttier hatte, einem weiblichen Esel, der den Namen Lara trug und sie zu ihrer Verpuppung geleiten wollte. Klar war es ein störrischer Esel aber es ist eben auch oftmals schwer sein wahres Sein anzunehmen. So braucht man schon als Lehrmeister einen Sturkopf hoch zehn, so dass er einen mit aller Vehemenz den Weg zum wahren Sein zeigen kann. Wie sonst sollten sich die schillernden Facetten der Talente entwickeln? Auch die Therapien auf seeleischer und geistiger Ebene, die ich mit ihr machte, führten uns stärker zusammen. Tief in unserem Inneren spürten wir, dass wir eins waren. Als mir dann noch Paulina berichtete das sie sich bei ihrem ersten Pilgerweg nach Spanien am Capo Finisterra, dem sprichwörtlichen Ende der Welt, einen Lebensabenteurer als Partner gewünscht hatte, wurde die Verbindung fast unglaublich. Vor allem, weil der Wunsch damals mit solch einer witzigen Geschichte verbunden war, dass ich sie kaum glauben konnte. Als sie mir davon erzählte, konnte ich nicht mehr an mich halten und musste ihr einfach erzählen, das ich mir damals am Capo Finisterra wünschte, dass ich eine Dharmaliebe eingehen kann, die auf die gemeinsame Lebensvision ausgerichtet ist. Natürlich war meine Geschichte nicht so spektakulär wie ihre aber das dürft ihr selbst beurteilen:

Als Paulina damals am Ende der Welt ankam und zum Strand lief, wollte sie wie alle anderen Pilger auch, eine Jakobsmuschel als Symbol der erfolgreichen Jakobspilgerei finden und sich etwas dabei wünschen. Doch egal wo sie auch suchte sie fand nur kleine Bruchstücke oder Muscheln anderer Art. Plötzlich, da eine Jakobsmuschel. Sie eilte zu ihr und zog sie aus dem Sand. Sie war in der Mitte gebrochen. „Mist, ich wollte doch eine ganze Muschel.“ Vor lauter Unmut streifte sie mit ihrem Fuß durch den Sand und blieb vor Wut schmerzhaft an einer weiteren Jakobsmuschel hängen. „Verdammt, wieder eine hälfte.“ Urplötzlich fiel es wie Schuppen von den Augen. Was ist, wenn diese zwei Muschelhälften für die Partner stehen die sich im großen Ozean des Lebens wieder finden wollen? Natürlich sind sie nicht identisch und doch haben sie die gleiche Schwingung des Meeres in sich. Sie war begeistert von der Vision und nahm die zwei Muschelhälften mit sich. Als sie dann in einem kleinen Café Pause machte und ein Getränk bestellte, fragte ein älterer Herr, ob er sich zu ihr setzen dürfte. Auch er war ein Pilger. Als sie ins Gespräch kamen erzählte er ihr, dass er genau hier am Capo Finisterra seine Frau kennengelernt hatte mit der er noch immer überglücklich zusammenlebte. Passenderweise hieß die Frau dann auch noch Finisterra, genau wir der Ort der schicksalshaften Begegnung. Paulina wusste kaum wie ihr geschah. Wie kam es, dass der Mann direkt nach dem Muschelfund zu ihr kam, ihr die Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe mit einem außergewöhnlichen Beginn erzählte und dann ins Nirgendwo verschwand? In ihr war der Wunsch geboren, einen Menschen auf dem Camino des Lebens zu finden, der verstehen konnte, was es hieß ein Lebenspilger oder besser gesagt ein Lebensnomade zu sein.

Und nun verbrachten wir 10 Tage zusammen und konnten kaum glauben, was uns alles in dieser Zeit passierte. Nicht nur, dass beim Ritual des Loslassens ihrer alten Dämonen hunderte von Störchen um uns kreisten und uns deutlich in der Tiersprache der Indianer sagten das nun ein neues Herdenmitglied in unser Leben kam. Es gab so viele Zufälle, Ungereimtheiten und spezielle Momente die die Schöpfung für uns eingefädelt hatte, dass wir nicht mehr daran zweifeln konnten, dass wir auf eine tiefere und ältere Art in Verbindung standen, als wir uns selbst vorstellen konnten. So glich mein Sein des fertigen Diamanten ihrem Partnerbild und umgekehrt waren ihre Facetten diejenigen, die ich in meinem Leben haben wollte. Es ist wie ein Ölgemälde das nur für uns vorgezeichnet wurde und das wir nun mit den Farben aufmalen dürfen, die uns von der Schöpfung bereitgestellt werden. Immer wenn wir eine verkehrte Farbe wählen oder über den Rand hinaus malen, bekommen wir einen liebevollen Hieb, so das wir wieder auf den rechten Weg der Dharmaliebe zurückkehren. Im Endeffekt heißt das nichts anderes, als dass die Schöpfung will, dass wir ein Heiler-Team werden. Ihre weibliche Kraft, ergänzt die meinige und meine männliche Kraft ergänzt ihre. Wir sind wie Ying und Yang, die zu zweit Energie multiplizieren können um so eine größere Power für Heilung und vieles anderes aufbauen können.

All diese Gedanken gingen mir heute morgen durch den Kopf, als ich noch in meinen Schlafsack eingemummelt auf meiner Isomatte lag. Erst jetzt konnte ich langsam verstehen, warum ich so viele Lernpartnerinnen in Form von früheren Beziehungen benötigt hatte, um an meine tiefsten Seelenthemen zu stoßen.

„Heiko, bist du schon wach?“, fragte mich Tobias schließlich.

„Ja, ich bin schon länger wach!“ antwortete ich.

Ich war wie benommen und wollte noch nicht über meine Gedanken sprechen. Nach einem kurzen Frühstück machten wir uns auf die Socken und versuchten das sechzehn Kilometer entfernte kleine Städtchen im Nirgendwo zu erreichen. Schon nach wenigen Kilometern spürte ich wieder die Schmerzen in meinem Bein und die Gedankenspirale drehte sich erneut. Wie kann ich den Schmerz los lassen? Warum war der Hauptschmerz, den die Frau gestern gefühlt hatte, genau bei meinem Herzen?

Ich hielt inne und da war es. Es war wie ein Lichtblitz, der alle Puzzleteile zusammen fügte. Es war wie ein Netz, das von einer Spinne gesponnen wurde. Jeder Faden war mit einem anderen verbunden und jede Berührung brachte das ganze Netz zum schwingen.

LIEBE!

Dieses Wort kreiste durch meinen Kopf und brannte sich in meine vordere Schädeldecke ein. Warum ist dein Herzmeridian so verklebt? Warum hast du solch eine immense Angst verlassen zu werden? Kann es sein das du so sehr mit Hans verbunden warst, dass du auch die Angst des Verlassenwerdens in dich aufgenommen hast? War es vielleicht gar nicht das Verschweigen der Geschichte an sich sondern viel mehr, das verschwiegen wurde, das man ihn indirekt im Stich gelassen hatte? Ich weiß, dass seine Mutter bis in ihre letzten Tage um ihn weinte und voller Schmerz und Trauer war, aber ist es nicht viel mehr die Frage, wie er sich dabei gefühlt hat? Ist es nicht selbstverständlich, dass er sich ohnmächtig und verlassen gefühlt hat?

Nur weil ich anders bin werde ich nicht geliebt, werde verlassen und verstoßen.

Auch ich fühlte in meiner Kindheit genau das gleiche. Ich sah Gestalten in meinem Zimmer mit denen ich mich unterhalten konnte, doch als meine Eltern sagten, es seien nur Albträume, nahm ich ihre Realität an. Warum? Ich hatte doch die freie Entscheidung, weiter mit der Anderswelt in Verbindung zu bleiben. Warum tat ich es nicht? Ich war und bin mit Hans verbunden. Wenn ich anders bin und das was ich tue nicht normal ist oder der Norm entspricht, dann komme ich weg. Ich komme in die Psychiatrie und dort muss ich verhungern. Ob ich das als kleines Kind wissen konnte oder nicht kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich diese Gefühle hatte. Und ja, nun nach dem was ich alles auf dieser Reise erfahre finde ich es sehr merkwürdig, was ich für kausale Zusammenhänge herstellen kann. Wie kann man sonst erklären das ich als kleines Kind so wenig gegessen habe, dass man mich fast zwangsernähren musste? Wie sonst kann man erklären, dass das innere Heilersein aus Angst für einen Psycho gehalten zu werden versteckt wurde und ich mir dieses Talent aberkannt habe? Aus welchem Grund sollte ich in den Traumreisen sehen, dass ich mich genau vor das Herz von Hans lege um ihn vor diesem Herzensschmerz zu bewahren? Kann es nicht vielleicht sogar sein, dass ich ihn durch meinen Körper vor dem Gefühl des Verlassen werdens schützen wollte? Natürlich musste sich Hans ohnmächtig und verlassen gefühlt haben. Wahrscheinlich pulsierte in seinem Kopf stets der Gedanke, dass er wegen seiner Eigenart als Autist nicht mehr geliebt wurde. So trage auch ich die zwei Grundängste von Hans in mir. Ich habe Angst nicht geliebt zu werden, wenn ich mein Sein Lebe, so bin wie ich von meinem Seelenkonstrukt nun mal bin. Da ich diese Angst in mir trug, habe ich unglaublich raffinierte Masken erschaffen, um meine Talente und mein wahres Sein zu verstecken. Auch Paulina hat sich Masken zugelegt um ihr wahres Sein nicht zeigen zu müssen. Und trotzdem konnte ich als gebranntes Kind erkennen, das auch sie den Lebensabenteurer in sich trägt. Es war ganz natürlich, das Hans gedacht hat, dass er von seinem Eltern und Geschwistern nicht geliebt werden konnte, da er nur das Verlassensein in sich gespürt hat. Egal wie stark die Familie um in trauerte, da sie Wut und Groll im Herzen trug konnten die Gefühl zu Hans nicht durchdringen. Der indianische Geschichtenerzähler Mala-Spotted-Eagle erzählte mir einst, dass er nur mit seiner Familie, Kontakt aufnehmen konnte, wenn er frei von Wut und Hass war. Die weißen Siedler hatten seine gesamte Familie ermordet und doch hatte er beschlossen, genau diese Menschen zu sich einzuladen um sie zu unterrichten und zu lehren. Nur so gelang es ihm, denn Zorn und den Schmerz über den Tod seiner Lieben zu überwinden und die Verbindung seinen Ahnen und seiner Familie wieder herzustellen. Wie viel Güte musste Mala in seinem Herzen verspüren, dass er in bedingungsloser Liebe bleiben konnte, mit dem Wissen, das er nur so weiterhin mit seiner Familie über die Kraft der Gedanken und der Gefühle kontakt halten konnte. Durch die Ohnmacht und die Wut die meine Familie wegen dem entreißen des Kindes aus dem Elternsystem aufkam, musste der wahre Kontakt durch die Liebe hingegen abbrechen.

Die zweite Angst wurde durch dieses Verhalten des Nachtragens und der Sühne erschaffen. Nur weil man nicht annehmen konnte, was war und es bewertete konnte wahrscheinlich Hans nicht die Liebe der Eltern und Geschwister fühlen. Da ich mit Hans aufgrund der Familiensystematik verbunden bin, trage auch ich die Angst des Nicht-Geliebt-Werdens in mir.

Sobald ich mich in meiner Individualität lebe, kann ich nicht mehr geliebt werden. 

Wie schmerzvoll muss der Gedankengang von Hans gewesen sein, wenn er für sich wahrgenommen hat, dass er aufgrund seines Andersseins gehen musste. So wie ich mit der Anderswelt in Verbindung stehen kann, war es für Hans die größte Strafe, anders zu sein und er wusste, dass er deswegen gehen musste. Vielleicht habe ich genau aus diesem Grund mein Anderssein in der Kindheit aufgegeben und den Schlüssel zu den Toren der Anderswelt unter einen Stein versteckt, so dass niemand erkennen kann, das ich nicht der Norm angehöre. So wollte ich wie die anderen Kinder sein und nicht ein Psycho der weggegeben wird, weil man ihn nicht lieb haben kann. Aus diesen Zusammenhängen habe ich nun in Beziehungen immer in meinen Partnerinnen die Facetten des Diamanten ausgelesen und gefragt, warum sie ihr wahres Sein nicht leben wollen. Je länger sie aus Angst nicht ihr Sein leben wollten, desto ungeduldiger und ruppiger wurde ich. „Man, die muss das doch einsehen, dass man nicht nur eine Maske tragen kann. Wie will man denn da hilfreich sein? Dann ist man doch unnütz für die Schöpfung, das geht doch nicht!“

Ich weiß, ich war ein Arschloch und ich habe den Splitter im Auge des anderen gesehen, um die Balken in meinen eigenen Augen ignorieren zu können. Ich wollte ganz bewusst, dass erst sie den steinigen Weg der Transformation geht. Denn so kann ich an der Seite stehen und schauen, ob er gefahrlos zu bewältigen ist. Wenn sie ihn dann geschafft hat, werde ich schon folgen. So ist es sicherer! Wenn sie nach der Wandlung noch von allen geliebt wird, dann kann auch ich den Weg gefahrlos bestreiten und muss keine Angst mehr haben, verstoßen zu werden. Erst nach vielen Jahren und einigen Partnerschaften konnte ich diesen Zusammenhang ausmachen und lösen. Nun arbeitete ich ausschließlich an mir und ließ meine Partnerin so wie sie war. Doch auch diese Geschichte hatte einen Haken. Wollte ich wirklich eine Beziehung mit einer Maske führen? Nein, das wollte ich ganz und gar nicht und deswegen führte ich nun eher oberflächliche Friedensbeziehungen, die im gegenseitigen Lust- und Nähe-Empfinden lagen und blieben. Natürlich spürte ich in jeder Sekunde, dass es nicht meiner Lebensvision diente und ich mich nicht genährt sondern energetisch ausgezehrt fühlte. Aber dies war mir egal. Ich wollte nicht sehen und so verschloss ich meine Augen vor den wahren Themen. Es gab zu diesem Zeitpunkt nur zwei Überlebensprogramme auf Grund meiner indoktrinierten Angst. Dharmafreie Beziehungen die auf Oberflächlichkeit beruhten und bei denen ich immer auf dem Sprung war. Sobald ich auch nur die kleinste Harmoniestörung roch, drohte ich damit, dass ich sie verlassen würde. Ich wollte eben der Erste sein um nicht der verletzte Junge zu sein, der am Liebeskummer innerlich verhungert und an seinen Gefühlen ersäuft. Doch gab es auch noch eine andere Präsenz der Angst, mit der ich auf meine Beziehungen blickte. So wie Hans Mutter, Vater und Geschwister absolut hilflos waren und einfach nur zusehen konnten, wie Hans abgeholt wurde und er nun nicht mehr sein wahres Sein leben konnte, bin nun auch hilflos und kann nur zusehen, wie meine Partnerinnen ihr Sein vergraben. Auch bei Paulina fällt es mir schwer, ihr wirklich so zu helfen, dass sie ihr Sein erkennt und annimmt. Ich kann ihr nur ein gutes Vorbild sein und meine Facetten zuerst mit einem Brillant-Schliff versehen. Erst wenn ich zeige, wie man sich verpuppt und wie man als Schmetterling schlüpft kann ich ein guter Mentor sein. Nur durch das Vorleben, kann ein anderer Mensch selbst zu der Erkenntnis kommen, dass es nun an der Zeit ist, sein wahres Sein anzunehmen. Fordert man hingegen die Veränderung vom anderen ein, so wird dies als Bedrohung für die Maske empfunden und er rennt so schnell es geht davon. Denn die Schutzmaske hat einem ja so viele Jahre gute Dienste geleistet. Und noch etwas kommt hinzu. Es gibt eine Veränderung, die man durchlebt, weil ein anderer sie von einem verlangt und einer Wandlung, hin zu seinem eigenen Sein. Eine von außen geforderte Veränderung führt nur wieder zu einer neuen Maske und somit zu etwas, was ich ganz und gar nicht erreichen will. Wenn Transformation eintreten soll, musst du in jeder Pore fühlen, dass du dieser Erdheiler, Schauspieler, Feuerwehrmann, die Lara Croft, die Balletttänzerin, die Kräuterhexe oder was auch immer bist. Nur wenn du selbst nach innen schaust und das von deinem Partner in Liebe gespiegelte Bild annehmen kannst, kannst du auch dein wahres Sein erkennen.

Doch was ist, wenn sich Paulina nun wirklich wandelt und ihr inneres Sein annimmt?

Wie oft habe ich ihr schon beschrieben, dass in mir eine Angst ist, dass sie nur solange mit mir meinen Weg geht, bis sie ihre Facetten ausgeprägt hat und dann wieder als Schmetterling zur nächsten Blüte fliegt. Sie suggerierte mir nicht nur einmal, dass sie mir nicht ohne Grund die zweite Muschelhälfte vom Strand in Capo Finisterra geschenkt hätte. Für sie bin ich der Partner, der zu ihr gekommen ist, weil sie sich solch eine Beziehung im Erlösen der gemeinsamen Lebensaufgabe gewünscht hat.  Doch trotzdem ist stets die Angst in mir, dass man so einen Psycho wie mich nicht lieben kann.

Einen Erdheiler!

Und dann auch noch einen weißen Erdheiler!

„Wie witzlos ist das denn?“ spottet mein verletztes Kinder-Ich

Und so fühle ich mich wie Hans, der wegen seinen Besonderheiten geglaubt hatte, das er von seiner Familie weggebracht wurde. So bildet alles einen Kreis. Ich sehe nun ein Bild das so groß ist, das ich es kaum greifen kann. Bei meinem Vater war die Geschichte zu allem Überfluss auch noch sehr ähnlich wie die von meiner Mutter. Auch er wurde als Teenager verlassen und zwar von seinem Vater, der in seinen Augen viel zu früh verstarb. Es war ein Schmerz und auch hier war auf eine andere Art die Lernaufgabe da, in wahrer Liebe und ohne Groll mit seinen Verstorbenen in Kontakt zu bleiben. Vor diesem Mysterium habe ich am meisten Angst. Was ist, wenn meine Eltern ein mal sterben und ich nicht mehr mit ihnen in Verbindung sein kann, weil ich die Wut und den Lebensfrust nicht aus meinem Herzen verbannen kann? Bin ich vielleicht deswegen sogar aufgebrochen und habe sie erst verlassen, bevor sie mich verlassen konnten? Nein, das habe ich nicht, denn ich will ja den Kontakt und deswegen skypen wir und schreiben so oft es geht über Facebook. Außerdem besuchen wir uns und halten einen innigen Kontakt. Es war viel mehr die Angst, das sie mich nicht mehr lieben könnten, wenn ich meinem Wunsch des Erdheilerseins nachgehe und sie mich als Psycho abschreiben würden. Je mehr ich schreibe, desto mehr spüre ich wie die Wortlaute miteinander verbunden sind und wie alles auf das selbe Grunderlebnis zurückzuführen ist. Man kann nur das an Schmerz annehmen, was man kennt. So hatte mein Vater einmal Probleme mit seinem Herzen und meine Mutter hat seit geraumer Zeit Herzrhythmusstörungen. Als mein Vater im Krankenhaus lag, ich ihn dort liegen sah und ich wusste, dass ich Schuld an seinem Herzanfall hatte, brach es mir das Herz. Ich war damals kurz vor dem Aufbruch nach Island und wollte dort einige Zeit in den Vogelfelsen verbringen um eine Dokumentation zu gestalten. Ich brach meinen alten Versicherungsberuf ab und mein Vater machte sich solche Sorgen das er Probleme mit dem Herzen bekam. Ich wusste das ich nichts dafür konnte und dass es seine Lernaufgabe war, ohne Sorgen im Urvertrauen zu leben und trotzdem hatten wir die gleiche Aufgabe im Herzen: Hingabe üben und darauf vertrauen das die Schöpfung weiß warum sie diesen Weg für mich ausgesucht hat.  Auch die Hüftschmerzen kommen nicht von ungefähr. Nur ein paar Wochen zuvor hatte mein Vater so starke Schmerzen in der Hüfte, dass er kaum liegen und sitzen konnte. Nun ist es bei mir umgekehrt ich kann liegen und sitzen aber dafür schmerzt mich das Laufen. Kann es nicht sein, das doch alles mehr wie ein Spinnennetz miteinander verbunden ist und dass wir ab und an wegen unserer fehlenden Aufmerksamkeit nicht die ganzen Zusammenhänge erkennen können, wie es der Bauer in der Geschichte gekonnt hatte? So werden die Themen die nicht bearbeitet wurden immer wieder neu gespiegelt und kommen in einer noch höheren Intensität zu uns zurück! Aus diesem Grund habe ich mich heute dazu entschlossen tief in mein Herz zuhören und mich bei jedem Schritt mit den Spirits und den Keepern wieder verbinden, so wie Darrel es mir auf seine schälmische Art empfohlen hat.

Meine Lernaufgaben sind Urvertrauen, bedingungslose Liebe und Hingabe zum Sein.

Erst wenn ich mir sicher in meinem Sein bin, kann ich meiner Partnerin die Geborgenheit geben, die er benötigt. Nur dann ist es möglich, dass sie nicht ständig spürt, das ich aus Angst verlassen zu werden flüchten will. Nur dann kann hat sie die Sicherheit, die sie braucht um nicht klammern zu müssen und loslassen zu können, weil sie sich sicher ist, das es eine Schöpfungsliebe ist.

Spruch des Tages: Alles beginnt mit einem Gedanken in unserem Kopf

Höhenmeter: 35 m

Tagesetappe: 7 km

Gesamtstrecke: 6045,37 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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