Tag 339: Nikolausfeier

von Heiko Gärtner
07.12.2014 17:29 Uhr

Nach Aix en Provence führte unser Weg nun wieder wirklich durch die Berge. Die Zeit des Flachlandes war vorbei und ein Blick auf die Karte machte deutlich, dass sich das in der nächsten Zeit auch nicht ändern würde. Von unserem Wellnesshotel aus führte uns unser Weg gestern nach Saint Antonin, einem winzigen Dorf auf einem Bergpass. Heikos Bein mochte die Steigung nicht im geringsten und protestierte mit Schmerzen, gegen die kein Micro-Needling der Welt ankommen konnte. Gleichzeitig komplett durchgeschwitzt und halb erfroren kamen wir in dem Dörfchen an und wurden als erstes von einem heftigen Windstoß begrüßt. Irgendwie war damit zu rechnen gewesen, dass es windig werden könnte, wenn man nach einem 10km-langen Anstieg einen Pass erreicht. Doch angenehmer wurde es dadurch nicht. Um nicht als Eiszapfen zu enden versteckte sich Heiko in einer öffentlichen Telefonzelle, die oben auf einem kleinen Platz stand. In den letzten Tagen war es zunehmend immer kälter geworden und der ständige, eiserne Nieselregen sorgte auch nicht gerade für ein Gefühl von Gemütlichkeit und Wohlbefinden. Alles war klamm und die Finger wurden zum Teil so kalt, dass wir richtig grobmotorisch wurden. Wenn man mit diesen Fingern nicht nur die normale Hose, sondern auch noch die Regenhose öffnen musste um pinkeln zu können, dann konnte es hin und wieder schon mal ganz schön knapp werden. Doch zurück zu Heiko in der Telefonzelle, denn so warm, dass ich ihn einen ganzen Tagesbericht darin sitzen lassen kann, war sie nun auch wieder nicht. Er vertrieb sich die Zeit damit, auf unserem tolino ein Buch über Sexualität zu lesen und versuchte sich auf diese Weise warm zu halten. Es ist übrigens ein sehr spannendes Buch und einige Dinge daraus, werde ich demnächst wahrscheinlich auch noch einmal kurz beschreiben.

In der Zwischenzeit wanderte ich die schmale Straße zum Rathaus hinunter um dort mit einer Sekretärin und einem Polizeibeamten zu sprechen. Beide waren mir nicht allzu positiv gesonnen und beharrten darauf, dass es in diesem Ort, keine Möglichkeit für uns gab. Natürlich gab es eine städtische Herberge und es gab auch einen Festsaal mit einem eigenen Eingang, den wir ohne Probleme hätten nutzen können, aber dieser sei nun mal nicht zum Schlafen gedacht. Und die Unterkunft gab es nur gegen Bezahlung. Die Möglichkeiten von öffentlicher Seite waren damit also erschöpft.

So wie ich beim betreten des Rathauses gleich ein schlechtes Gefühl hatte, so hatte ich plötzlich ein sehr gutes Gefühl, bei dem Haus nebenan. Ich beschloss also einfach mal an der Tür zu klingeln und stellte fest, das mich meine Intuition nicht getäuscht hatte. Die Frau, die mir öffnete war sehr freundlich und nach einem kurzen Gespräch mit ihrem Mann, luden uns die beiden für den Abend ein. Wir bekamen ein Gästezimmer, das über und über mit Äpfeln gefüllt war. Eine Art Apfelparadies also.

Beim Mittagessen erzählten uns die beiden, dass sie in ihrem Leben ebenfalls sehr viel gereist waren. Sie hatten in Afrika, in Amerika und an den verschiedensten Orten der Welt gelebt. Einen großen Teil seiner Kindheit hatte er in Algerien verbracht und noch immer hatte er einen guten Bezug dazu. Daher hatte er einen Verein gegründet, mit dem er das Bild das in Europa von den Ländern des nahen Ostens herrschte verbessern wollte. „Die Menschen in Europa, wissen nicht einmal wo Algerien liegt und es ist ihnen auch egal,“ meinte er, „andersherum sind die Menschen in Algerien aber riesige Europafans. Sie glauben bei uns ist alles besser als bei ihnen und sie mögen Frankreich und Deutschland mehr, als ihr eigenes Land. Durch dieses ungleiche Verhältnis entstehen viele Schwierigkeiten. Wenn wir an Länder wie Algerien hören, dann denken wir oft sofort an Terroristen, doch das ist natürlich Quatsch. Es gibt so viele unglaublich tolle Menschen da, dass wir es uns nicht einmal vorstellen können. Nehmt allein die Gastfreundschaft. Wir sind hier im Allgemeinen eher skeptisch gegenüber Fremden. Meine Erfahrung in den arabischen Ländern hingegen ist, dass es nicht nur als Hilfe angesehen wird, jemanden aufzunehmen, sondern als Ehre. Es ist ein Segen für einen Hausherren, wenn ein Reisender ausgerechnet ihn auswählt um nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu fragen. Das können wir uns hier kaum vorstellen. Gleichzeitig gibt es so viel, das in diesen Ländern schief läuft. Es ist nicht das Problem, dass es dort kein wirtschaftliches Wachstum gibt. Das Problem ist, dass nur sehr wenige Menschen von diesem Wachstum profitieren. Von 300.000 jungen Menschen mit Top-Abschlüssen bekommen vielleicht gerade einmal 30.000 einen Job in dem Bereich den sie gelernt haben. Die anderen bekommen Ausbeuterjobs oder werden Arbeitslos. So schafft man jede Menge Frustration und Wut. Und so kann man dann natürlich auch Menschen erschaffen, die bereit sind, zu Terroristen und Gewalttätern zu werden, um aus ihrer Situation herauszukommen.“

Doch wir sprachen auch über andere Themen. Die beiden waren bereits seit fast 50 Jahren verheiratet und hatten neun Enkel. Einer ihrer Söhne hatte sich dazu entschieden, in ein Kloster zu ziehen und dort als Mönch zu leben. Es war kein geschlossenes Kloster, sondern eher eine Art Abtei in der die Mönche lebten und wirkten, bei der sie aber auch am Leben in der Stadt teilnehmen konnten. Auch diese Entscheidung des Sohnes war für seine Eltern nicht leicht zu verstehen, ähnlich wie die unsere. Doch für den Sohn war klar, dass er von Gott berufen wurde und dass es an dem Punkt stand, an dem er sich entscheiden musste, ob er diesem Ruf folgen wollte oder nicht. Es ist die gleiche Entscheidung wie die, ob wir unseren Medizinkörper annehmen und unser Darma als Heiler leben wollen oder nicht.

„Es ist das gleiche, wie bei einem Heiratsantrag.“ Meinte der Vater, „auch da muss man sich entscheiden, ob man ja oder nein sagt und dann muss man zu dieser Entscheidung stehen.“

Er erzählte uns, dass er einmal eine merkwürdige Begegnung hatte, die ihm im Kopf hängen geblieben war. Seine Frau war mit den Kindern in der Britagne gewesen und er war gerade auf dem Weg nach hause. Am Straßenrand stand eine junge, hübsche Tramperin mit einem Schild in der Hand. Auf diesem Schild stand jedoch keine Stadt wie Paris oder Marseille, es stand einfach „zu dir“ darauf. Er fuhr an ihr vorüber und hielt nicht an, da es Angst hatte, was passieren könnte und da er seine Frau nicht verletzen wollte. Doch die Begegnung ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und so beschloss er ein Buch über die verschiedenen Möglichkeiten zu schreiben, die ein Leben nehmen kann. Er schrieb es in verschiedenen Farben: Ein Geschichtsstrang erzählt die Geschichte, eines Lebens bei dem sich der Mann für die Hochzeit mit seiner Frau entschieden hat. Ein weiterer erzählt, was passiert, wenn er sich gegen sie entscheidet und ein dritter spielt das Leben durch, bei dem zwar der Mann will, aber die Frau nicht. Wie sehr unterscheiden sich unsere Leben, nur aufgrund einer einzelnen Entscheidung in einem wichtigen Moment.

Heute dachten wir auf dem Weg noch einmal über diese Entscheidungen nach. Was bedeutete es, sich für ein Leben mit beispielsweise freier Liebe ohne festen Partner zu entscheiden? Was bedeutete es, sich auf einen Partner wirklich einzustellen. In der Liebe und in der Sexualität machen wir uns darüber selten wirklich Gedanken, aber ist es nicht das gleiche, wie mit einem Tanzpartner? Wenn man ständig wechselt, kann man lernen sich auf unterschiedliche Menschen einzustellen, doch man wird nie richtig in die Tiefe kommen, da man mit jedem neuen Partner wieder von vorne beginnen muss. Wer jedoch Sprünge und Tanzfiguren erlernen will wie bei Dirty Dancing, der muss sich auf einen Partner einstellen und mit diesem stätig üben und seine Fähigkeiten verbessern. Das gilt für´s Tanzen ebenso wie für das alltägliche Leben und für die Sexualität. Doch meist begnügen wir uns damit, mit unserem Tanzpartner den Grundkurs zu besuchen und lernen danach nichts Neues mehr dazu. Wir bleiben beim Rum-Ta-Ta und nach kurzer Zeit wird uns das langweilig. Die Spannung fehlt und wir hören nicht nur mit dem Tanzen sondern auch mit dem Sex und mit der Intimität in der Beziehung auf. Dann entsteht auch der Wunsch, wieder neue Spannung mit einem neuen Tanzpartner zu spüren, denn dieser kann es ja vielleicht besser. Vielleicht kann er mir sogar noch etwas beibringen.

Ein beeindruckender Wasserfall unterbrach uns in unseren Gedanken. Er war einfach zu schön, um an ihm vorüber zu gehen und dabei an Sex zu denken. Überhaupt war die Atmosphäre heute eine ganz besondere. Es war nebelig und wirkte etwas unheimlich, fast wie aus einem Gruselfilm. Plötzlich tauchte rechts von uns eine steile Felswand auf, die bisher komplett im Nebel verborgen gewesen war. Damit hatten wir nicht gerechnet!

Wenige Kilometer weiter kamen wir nach Puyloubier, wo wir tatsächlich ein Nikolausgeschenk bekamen. Der Leiter des kleinen Supermarktes lud uns auf ein Mittagessen in Restaurant ein. Anschließend bekamen wir vom Bürgermeister einen Platz im Festsaal, wo jedoch gerade Weihnachtsmarkt ist. Nun sitzen wir in einer kleinen Umkleidekabine und arbeiten, während draußen die Kinder umhertummeln und sich über den Weihnachtsmann mit dem Zuckerwatte-Bart freuen. Wir wurden sogar eingeladen, uns mit Essen und Trinken zu versorgen, doch Weihnachtsmärkte sind mit unserem neuen Ernährungsplan nicht mehr ganz so verlockend wie früher. Crépes, Waffeln, Kinderpunsch und der gleichen fielen raus. Dafür gab es aber Orangen und heiße Maronen für uns.

Und wo die ganzen kleinen Kinder schon dabei waren, sich etwas Schönes vom Nikolaus zu wünschen, dachten wir, wir machen gleich einmal mit und senden unseren Weihnachtswunschzettel ans Universum nach außen, so dass unsere Wünsche auch in Erfüllung gehen können.

Lieber Weihnachtsmann, liebe Schöpfung, liebes Universum und alle anderen, die sonst noch gerne Wünsche erfüllen, wir wünschen uns dieses Jahr zu Weihnachten:

  • Vollkommene Gesundheit für Heiko, Paulina und Tobias
  • Feinfühligkeit in der Sexualität
  • Eine gesunde Brustkorbform für Tobias, bzw. ausreichend Geld oder andere Mittel für eine erfolgreiche Trichterbrust-Operation nach Nuss.
  • Das sich die Wege so ergeben, dass wir uns alle drei zu unserem wahren Sein transformieren.
  • Ein Regenwald- oder Naturschutzprojekt, mit dem wir in entspannter Atmosphäre zusammenarbeiten können, das die Natur wirklich nachhaltig schützt.
  • Viele Sponsoren, die für jeden Kilometer den wir Wandern einen Betrag für die Naturschutzprojekte spenden und die uns mit allem an Material versorgen, was wir zum Reisen und zum Leben brauchen.
  • Unser Buch in 12 verschiedene Sprachen veröffentlicht wird und sich in allen betreffenden Ländern vielfach verkauft, so dass im nächsten Jahr eine Million Euro damit zusammenkommt, die uns für unsere Reise, unsere Hilfsprojekte und unsere Wandlung zur Verfügung stehen.
  • Dass wir Ordentlichkeit und Balance in all unseren Lebensbereiche, Beziehungen, in unserem Körper, unserem Geist und unserer Seele haben.
  • Dass wir immer gute, nährstoffreiche, energiereiche und gesunde Nahrung bekommen.
  • Einen intensiven, lehrreichen und vertrauensvollen Kontakt zu Mutter Erde, Vater Universum und all ihren Geschöpfen
  • Dass alle ungünstigen Routinen und Angewohnheiten in uns verschwinden und durch positive ersetzt werden.
  • Absolute Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Gelassenheit, Hingabe, Vertrauen
  • Das Heikos Gehör absolut gesund ist und dass er in vollkommener Aufmerksamkeit alles wahrnehmen, dass er Störgeräusche und große Lautstärke jedoch herunterdrosseln kann, so dass es ihm auch an lauten Orten gut geht.
  • Eine gesunde Verdauung (Auf diesen Wunsch wurden wir gerade von unseren pikierten Nasen aufmerksam gemacht)
  • Tolle Wege mit viel Ruhe, schöner Natur und energetisierenden Begegnungen
  • Neue, stabile Deichseln für unsere Pilgerwagen
  • Immer ausreichend Zeit für unsere Forschungen, für Massagen, Entspannung, Meditation, Körpertraining und zum Genießen des Lebens.
  • Wachheit, Munterkeit, Fitness und übersprudelnde Lebensfreude.
  • Eine neue Gaskartusche für unseren Kocher
  • Bequeme, leichte Wanderschuhe
  • Einen anständigen Bartwuchs für Tobias
  • Dass Paulina die 30.000€ zusammenbekommt, die sie für ihre Wandlung in ein Leben als nomadische Heilerin braucht.
  • Dass wir alle drei fit, athletisch, flexibel und gelenkig sind.
  • Die vollständige Auflösung des Familienkonfliktes um Hans und damit auch die Heilung und Gesundheit für Heikos rechtes Bein.
  • Die vollständige Auflösung von allen Familienkonflikten und -verstrickungen in den Familiensystemen von Heiko, Paulina und Tobias.
  • Dass wir unsere Intuition und unsere Gefühle gut und klar spüren und danach leben, so dass wir wirklich hilfreich sind.
  • Den Weltfrieden
  • Dass wir unsere Nahrung wieder auf natürliche, gesunde und respektvolle Weise erzeugen.

Spruch des Tages: Heute kommt der Nikolaus

 

Höhenmeter: 20 m

Tagesetappe: 9 km

Gesamtstrecke: 6328,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare