Tag 356: Wo ist die Weihnachtsstimmung?

von Heiko Gärtner
23.12.2014 21:25 Uhr

Noch 1 Tag bis Weihnachten...

... und wir sind nicht einmal ansatzweise in einer weihnachtlichen Stimmung. Wenn ich an die letzten Jahre zurückdenke und dabei wirklich ehrlich zu mir bin, dann ist das eigentlich nichts Neues. Im vergangenen Jahr waren wir um diese Zeit im absoluten Reisevorbereitungsstress. Ich bin gerade rechtzeitig zum Heiligen Abend bei meiner Familie angekommen, war aber mit dem Kopf noch immer bei der Planung. Im Jahr davor hatte ich eine Art Winterdepression die mir klar machte, dass sich irgendetwas in meinem Leben ändern musste. Auch davor erinnere ich mich hauptsächlich an Stress und wildes Umhergelaufe. Ein Jahr bin ich am Tag vor Weihnachten von Freiburg nach hause getrampt ein anderes Jahr verbrachte ich die Vorweihnachtszeit mit einem Aushilfsjob in der Firma meines Vaters, bei dem ich von Morgens bis Abends Zeichnungen eingescannt habe. Richtig festlich war nur das eine Jahr, in dem ich in einer Schule für geistig behinderte Kinder gearbeitet habe, denn hier haben wir uns gemeinsam mit den Schülern auf den Weihnachtsmann gefreut.

Doch etwas war in den letzten Jahren trotzdem anders gewesen. Mit all den Weihnachtsmärkten, den sinnlich beleuchteten Städten, den Tannenbäumen und den kalten, wenn auch oft ungemütlichen Wetter hatte es zumindest eine äußere Fassade der Weihnachtlichkeit gegeben. Egal wie es in einem auch aussah, draußen herrschte Weihnachten. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Versuche der Franzosen ihre Städte weihnachtlich erscheinen zu lassen waren bereits eher lächerlich gewesen. Doch seit wir in Italien sind, ist es mit der Feststimmung ganz vorbei. Klar gibt es auch hier lichterkränze, die im Dunkeln einen besonderen Glanz in die Straßen zaubern, doch am Tag sind es lediglich Metallgerüste mit schlecht verlegten Kabeln daran, die alles nur noch hässlicher machen. Auch am zweiten Tag waren die Städte noch immer so laut, dass man es kaum aushielt. An Ruhe und Besinnlichkeit war also nicht zu denken und so wurde uns eine Sache deutlicher als je zuvor: Ohne die bunte Fassade war Weihnachten ein Tag wie jeder andere. Der Spirit der einst an diesem heiligsten aller christlichen Feiertage vielleicht einmal geherrscht hatte, war längst durch den Kommerz des Weihnachtsgeschäftes vernichtet wurden. Es waren ja nicht nur wir, die einfach keine Weihnachtsgefühle bekommen wollten. Die Gesichter der Passanten zeigten das gleiche Bild. Stress, Verpflichtungen, Hektik, Frustration und blanke Nerven: Ja! Ruhe, Entspannung, in sich gekehrt sein, Nächstenliebe, Gelassenheit: Eindeutig Nein!

Und damit wir auch gar nicht erst in Versuchung kamen, doch noch ein anderes Gefühl aufkommen zulassen, beschenkte uns die Schöpfung heute mit einem ganz besonderen Vorweihnachtsgeschenk: Eine Wagenpanne!

Mal wieder und nicht nur irgendeine, sondern den Supergau unter den Wagenpannen, wenn man einen Achsbruch bereits hinter sich hatte. Meine rechte Deichsel war gebrochen. Nicht weil mein Wagen gekippt wäre oder weil gerade eine besonders heikle Stelle passiert werden musste, bei der ich die Deichsel extremem Druck aussetzen musste. Es passierte einfach auf einem geraden Fußweg. Plötzlich merkte ich, dass die Deichsel ungewohnt stark schwankte. Ich hielt an und entdeckte einen tiefen Riss am unteren Ende der Deichsel. Noch ein bisschen mehr Druck und sie würde gänzlich entzwei brechen. Sofort hielten wir an und suchten nach einer provisorischen Lösung. Wenn wir sie einfuhren, so dass die Bruchstelle im Aufnahmerohr verschwand, dann mochte es vielleicht noch eine Weile halten, doch dann bekamen wir sie vielleicht nie wieder heraus. Was also konnten wir tun?

Zunächst versuchte Heiko irgendwo ein Rohr zu finden, das wir über die Bruchstelle schieben konnten um sie zu Schienen, wie bei einem gebrochenen Bein. Ich hielt derweil meinen Wagen fest, denn abstellen konnte ich ihn ja nun nicht mehr.

Die Mission erwies sich als schwieriger als erwartet und das einzige was Heiko finden konnte, war ein kleines Stück Abflussrohr, das leider viel zu groß war. Mit der Hilfe von viel, nein sehr viel Panzertape gelang es uns, eine äußerst provisorische Schiene zu bauen, die jedoch nur die Deichsel selbst hielt. An eine Belastung war nicht zu denken. Plötzlich war Weihnachten nicht nur gefühlte 6500km weit weg, es stand auch noch mitten im Weg. Wie sollten wir über die Feiertage einen Ersatz auftreiben? Geschweige denn, uns etwas zuschicken lassen?

Der nächste Ort was Sanremo, eine wahre Touristenstadt in der es nur so von Last-Minute-Weihnachtseinkäufern wimmelte. Hier sowohl einen Schlafplatz als auch einen geeigneten Baumarkt zu finden war eine Aufgabe, die mir einiges an Kopfzerbrechen bereitete. Doch mit den italienischen Pfarrern hatten wir auch hier wieder Glück. Diesmal bekamen wir die Adresse des Hotels Villa Maria in dem wir auf Empfehlung des Priesters kostenlos übernachten dürfen. Von hier aus machten wir uns dann auf die Suche nach passenden Ersatzteilen. Es gab drei kleine Heimwerkermärkte zur Auswahl und beim zweiten hatten wir Glück. Hier fanden wir zumindest eine Ausrüstung, mit der wir die Deichsel, wenn alles gut geht, provisorisch so lange fixieren können, bis wir eine neue bekommen. Wann immer das auch sein wird. Hinter mir steht der Wagen nun halb fertig. Hoffen wir also, dass es klappt. Sonst wird dieses Weihnachten nicht nu ungewöhnlich, sondern auch wirklich problematisch.

Spruch des Tages: Das Problem ist nicht das Problem. Das Problem ist deine Einstellung und wie du das Problem angehst, verstehst du? (Captain Jack Sparrow)

Höhenmeter: 210 m

Tagesetappe: 22 km

Gesamtstrecke: 6623,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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